Architektenwettbewerb im Rahmen des HEUREKA-Programms Dokumentation des Wettbewerbs HOCHSCHUL- UND LANDESBIBLIOTHEK FULDA NEUBAU DER HOCHSCHUL- UND LANDESBIBLIOTHEK FULDA, ZENTRALER UND PUBLIKUMSNAHER EINRICHTUNGEN SOWIE ERNEUERUNG DER ERSCHLIESSUNGS- UND AUSSENANLAGEN IMPRESSUM Auslober Land Hessen vertreten durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Wiesbaden, vertreten durch Frau Staatsministerin Silke Lautenschläger vertreten durch die Hochschule Fulda vertreten durch den Präsidenten Prof. Dr. Karim Khakzar vertreten durch das Hessische Baumanagement - Regionalniederlassung Nord vertreten durch Herrn Baudirektor Paul Franke in Abstimmung mit dem Hessischen Ministerium der Finanzen, Wiesbaden vertreten durch Herrn Staatsminister Karlheinz Weimar Wettbewerbsbetreuung FSW Düsseldorf GmbH FALTIN + SATTLER Rathausufer 14, D-40213 Düsseldorf T.: +49(0)211-83.68.980 F.: +49(0)211-83.68.981 Email: [email protected] Internet: www.fsw-info.de Bild- und Kartenmaterial Stadt Fulda Hochschule Fulda Hessisches Baumanagement FSW Düsseldorf GmbH FALTIN + SATTLER Grafik und Layout FSW Düsseldorf GmbH FALTIN + SATTLER Fotos Andreas M. Sattler, FSW Düsseldorf GmbH FALTIN + SATTLER Bildagentur Habermehl (Modellfotos) © HBM/FSW 09/2009 2 INHALT TEIL A – AUFGABE & VERFAHREN Grußworte 4 Situation & Aufgabe 10 Wettbewerbsverfahren 13 Akteure 14 TEIL B – PREISE & ANKÄUFE 1. Preis ATELIER 30 Architekten GmbH Fischer – Creutzig (Kassel/Deutschland) mann landschaftsarchitekten (Kassel/Deutschland 18 netzwerkarchitekten (Darmstadt/Deutschland) Landschaftsarchitektur und Ökologie Angela Bezzenberger (Darmstadt/Deutschland) 24 h4a Gessert + Randecker Architekten (Stuttgart/Deutschland) Glück Landschaftsarchitektur (Stuttgart/Deutschland) 30 Ankauf Gerber Architekten (Dortmund/Deutschland) 36 Ankauf Eller + Eller Architekten GmbH (Düsseldorf/Deutschland) GTL Landschaftsarchitekten (Düsseldorf/Deutschland) 40 2. Preis 3. Preis TEIL C – WEITERE ARBEITEN 2. Rundgang 46 1. Rundgang 53 3 TEIL A – AUFGABE & VERFAHREN 4 5 GRUSSWORT Der Preisträgerentwurf von Atelier 30 Architekten GmbH Fischer - Creutzig aus Kassel und mann landschaftsarchitekten, Kassel, sieht drei Gebäudekörper (Studentisches-ServiceCenter, Mensa, Bibliothek) vor, die durch ihre klaren Strukturen eine ausgezeichnete Funktionalität erwarten lassen und die Campusstruktur in idealer Weise fortführen. Vom neu definierten Campusplatz her lädt jedes der geplanten Gebäude sein Publikum ein und fügt sich sensibel in das vorhandene, denkmalgeschützte Ensemble. die Wettbewerbsentscheidung für den Neubau der Hochschul- und Landesbibliothek, zentraler und publikumsnaher Einrichtungen sowie die Gestaltung der Außenanlagen stellt für die junge Hochschule Fulda eine neue Entwicklungsstufe dar. Die Bereiche Studieren, Lernen, studentisches Leben, Information und Kommunikation werden mit den Neubauten zeitgemäß funktional verbunden, um Studierenden und Lehrenden beste Studien- und Arbeitsbedingungen zu bieten. Nachhaltige Nutzungskonzepte und die Grundsätze der integralen Planung, im Hinblick auf klimaeffiziente und energetische Optimierung, werden berücksichtigt. Nachdem sich die baulichen Aktivitäten in den vergangenen Jahren auf die Sanierung der Bestandsgebäude konzentrierten, gewinnt die Hochschule in Zukunft mit den geplanten Neubauten eine neue, den Campus prägende Mitte. Dadurch wird nicht nur die Attraktivität der Hochschule weiter gesteigert, auch für die Stadt Fulda und ihre Region eröffnen sich neue Chancen. Der Neubau der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda, zentraler und publikumsnaher Einrichtungen sowie die Erneuerung der Erschließungs- und Außenanlagen werden im Rahmen des Hochschulbauprogramms HEUREKA (Hochschul-Entwicklungs- und Umbauprogramm: Rund-Erneuerung, Konzentration und Ausbau von Forschung und Lehre in Hessen) des Landes Hessen realisiert. Lieber Leserinnen und Leser, 6 HEUREKA sieht bis 2020 Investitionen von drei Milliarden Euro für die hessischen Universitäten, Fach- und Kunsthochschulen vor. Für die Hochschule Fulda wird das Land im Rahmen von HEUREKA rund 40 Millionen Euro investieren. Hinzu kommen Mittel aus dem Konjunkturpaket II des Bundes in Höhe von etwa 5,7 Millionen Euro. Es freut mich sehr, dass es das Sonderinvestitionsprogramm des Landes es ermöglicht, den Bibliotheksneubau früher als geplant in Angriff zu nehmen. Mein Dank gilt allen, die sich an diesem Wettbewerbsverfahren beteiligt haben, insbesondere aber den 31 Teilnehmern, die diese Auswahl erst durch ihre hochkarätigen Entwürfe möglich gemacht haben. Diese Dokumentation gibt einen kompakten Überblick über alle eingereichten Arbeiten. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre. Eva Kühne-Hörmann Hessische Ministerin des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst GRUSSWORT Lieber Leserinnen und Leser, Noch ist die Hochschule Fulda vor allem geprägt durch die sanierten historischen Militärgebäude. Mit der jetzt getroffenen Wettbewerbsentscheidung und den anstehenden Neubauten der wichtigsten zentralen Infrastruktureinrichtungen erhält die Hochschule eine völlig neue Entwicklungsperspektive. Die Investition von 40 Mio. EUR in die Neubauten der Bibliothek, der Mensa und dem StudentServiceCenter soll exzellente Bedingungen für das Studieren in Fulda schaffen. Durch eine Anschubfinanzierung dieser Baumaßnahme über das hessische Sonderinvestitionsprogramm in Höhe von 28,8 Mio. EUR kann diese Maßnahme kurzfristig umgesetzt und die mit Ihr verbundenen Verbesserungen der Studentenbedingungen erreicht werden. Der jetzt prämierte Entwurf des Kasseler Architekturbüros „Atelier 30“ erfüllt die vielfältigen Anforderungen, die wir als Land an unsere Neubauten stellen, in hervorragender Weise. Der neu geschaffene zentrale Platz wird zum Zentrum des studentischen Lebens und zum Mittelpunkt der Hochschule. Größe, Kubatur und Ausbildung der drei Baukörper lassen erwarten, dass sie sich einerseits in das gewachsene städtebauliche Umfeld einfügen, andererseits wird ihre zeitgemäße Gestaltung der Hochschule ermöglichen, ihre Identität zukunftsweisend weiter zu entwickeln. Die vorgeschlagenen Grundrisse gewährleisten ein hohes Maß an Flexibilität in der Nutzung. Dabei werden die Gebäude mit modernster Medienausstattung realisiert und die gesetzlich geforderten Klimaschutzziele bei weitem unterschritten, so dass die Nachhaltigkeit dieser Zukunftsinvestition langfristig gesichert ist. Informationsbeschaffung, Kommunikation und Lehre werden an einem Ort zusammengefasst. Durch die grundlegende Neugestaltung der Außenanlagen wird ein attraktives Umfeld für das studentische Leben auf dem neuen Campus geschaffen. Nach dieser Wettbewerbsentscheidung wollen wir jetzt möglichst schnell mit der Realisierung aller Bausteine beginnen, so dass an der Hochschule Fulda ein Studienumfeld entsteht, das zu den Besten in Deutschland und Europa gehört. Karlheinz Weimar Hessischer Minister des Hessischen Ministeriums der Finanzen 7 GRUSSWORT Mit dem Ausbau der Hochschule und der Neugestaltung des Außengeländes wird unser Campus eine neue Aufenthaltsqualität erhalten und damit hervorragende Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Studium schaffen. Lieber Leserinnen und Leser, ein erfolgreiches Studium braucht Raum im wahrsten Sinne des Wortes. Raum, um ungestört zu lesen, Raum, um zu forschen und neue Ideen zu entwickeln und nicht zuletzt Raum, um sich zwischen Seminaren und Vorlesungen auch mal zu entspannen. Doch vor dem Hintergrund steigender Studierendenzahlen ist es in den vergangenen Jahren eng geworden an der Hochschule Fulda. Wer mittags einen Blick in die Mensa wirft oder einen ruhigen Arbeitsplatz in der Bibliothek sucht, kann sich rasch davon überzeugen. Deshalb war der Architektenwettbewerb um die zentralen Neubauten ein Meilenstein für uns. 8 Mit dem Architektenwettbewerb und der Entscheidung für einen der eingereichten Entwürfe hat unser Bauantrag endlich ein Gesicht bekommen. Jetzt wissen wir, wohin sich unser Campus entwickeln, wie er im Jahr 2012 aussehen wird. Wir biegen damit auf die lang ersehnte Zielgerade ein. Bereits 2004 hat die Hochschule die erste Bedarfsbeschreibung aufgestellt. Im Rahmen des weiteren Verfahrens galt es auch den ein oder anderen Rückschritt zu verkraften. Wo soll der Neubau entstehen? Wie groß wird er sein? Wie lassen sich alter und neuer Campusteil harmonisch miteinander verbinden? Das waren die in dieser Phase vordringlichen Fragen. All das ist nunmehr entschieden und wir können uns, das Ziel klar vor Augen, um die vielen kleinen und großen Details kümmern, die es noch zu bedenken und zu regeln gilt. Natürlich ist ein solch großes Projekt nicht alleine zu stemmen. Im Gegenteil, viele Personen und Institutionen sind an der Planung eines solchen Vorhabens beteiligt, bis schließlich mit den eigentlichen Bautätigkeiten begonnen werden kann. An dieser Stelle möchte ich bereits allen bisher Beteiligten meinen herzlichen Dank aussprechen. Insbesondere sind an dieser Stelle alle am Wettbewerb beteiligten Architekturbüros zu nennen, die mit neuen Ideen und unermüdlichem Aufwand faszinierende und beeindruckende Entwürfe in den Wettbewerb einbrachten. Darüber hinaus danke ich im Namen der Hochschule Fulda vor allem dem Land Hessen, das durch die HEUREKA-Mittel die zeitnahe Umsetzung unseres Neubauvorhabens zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt erst ermöglichte. Auf diese Weise wird garantiert, dass die nach wie vor wachsende Hochschule Fulda auch in Zukunft ausreichend Raum bietet. Denn: Ein erfolgreiches Studium braucht Raum im wahrsten Sinne des Wortes. Prof. Dr. Karim Khakzar Präsident der Hochschule Fulda GRUSSWORT Lieber Leserinnen und Leser, ein Quartier am Rande der Stadt - in enger geschichtlicher und städtebaulicher Verbindung mit dem historischen Stadtkern von Fulda. Die ehemalige Kaserne in der Leipziger Straße ist heute Hochschule und hat im Wandel der politischen Zeiten auch seine inhaltliche Bedeutung modifiziert. Dieser veränderte Inhalt soll in Architektur und Städtebau seinen Ausdruck finden. Stetig hat sich das Bild der Kasernen verändert, dennoch ist eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit dem denkmalgeschützten Erbe und gleichzeitig der Darstellung den neuen Inhalten zu verzeichnen. Die Auslobung des Wettbewerbes nun ist wie ein Befreiungsschlag, zum einen nachhaltig über adäquaten Städtebau nachzudenken und gleichzeitig den zentralen Punkt des Quartiers mit Bibliothek, StudentServiceCenter und Mensa auch zu einem architektonischen Kernpunkt zu machen, der Gegenwart seinen Ausdruck gibt. Die Stadt Fulda begrüßt diese Initiative, weil sie geschichtliche Kontinuität in gebaute Substanz übersetzt, dadurch Prägung vertieft und gleichzeitig Eigenes, Gegenwärtiges so ausweist, dass städtebauliche Entwicklung nachlesbar und entwickelbar für die Zukunft ist. Die Auslober des Wettbewerbes und auch die beteiligten Architekten haben sich mit dem großen Erbe der Stadt Fulda beschäftigt und erkannt, dass sowohl Feingliedrigkeit als auch streng geordnete Großräumigkeit (barocke Gesamtprospektion des Domviertels) sowie großvolumige, steinerne Gebäude zur Tradition und diesem Wertegefüge gehören. Ganz in diesem Sinne ergibt sich durch das Wettbewerbsergebnis ein Kulminationspunkt in steinerner, solider Ausprägung, der genau im Herzen der ehemaligen Kaserne – nämlich am Exerzierplatz – zukunftsfähige Nutzung und dem gemeinschaftlichen Anliegen einer Campussituation Gestalt verleiht. Die Hochschule liegt am Rande der Kernstadt, aber gleichzeitig bildet sie auch das Eingangstor von Norden, so dass sie ein wichtiges Gesicht der Stadt Fulda ist. Wir als Stadt nehmen das Geschenk einer sich entwickelnden Hochschule in unserer Stadt gerne an und freuen uns insbesondere darüber, dass Architektur und Städtebau mittels Wettbewerbsverfahren vom Land Hessen ausgelobt und durchgeführt werden. Ungeachtet aller Bemühungen um Baukultur und um die Diskussion darum, ist das Wettbewerbsverfahren immer noch eines der besten, um das Beste für den Ort auszuwählen. Als Stadtbaurätin der Stadt Fulda bedanke ich mich besonders bei den Auslobern, aber auch bei einer Jury, die mit offenen und wachen Augen unserer Stadt Fulda Wahrnehmung und Beachtung geschenkt hat und vor allem den Büros, die sich mit dem Mikrostandort, aber auch der gesamtstädtischen Vernetzung beschäftigt haben. Eine Auslobung, eine Jurysitzung, das Ergebnis eines Wettbewerbs hinterlassen immer etwas Besonderes am unmittelbaren Standort und befruchten die bauliche Landschaft des gesamten Ortes. Die Stadt Fulda wünscht der Verwirklichung dieses großen Bauvorhabens viel Erfolg und steht den Verantwortlichen gerne zur Seite im Sinne einer gelebten guten Zusammenarbeit mit der Fuldaer Hochschule. Cornelia Zuschke Stadtbaurätin der Stadt Fulda 9 SITUATION & AUFGABE Mitten in Deutschland, am Rand des Rhein-Main-Ballungsraumes, liegt die Stadt Fulda mit über 60 000 Einwohnern. Die Hochschule Fulda wurde 1974 als fünfte staatliche Fachhochschule des Landes Hessen eingerichtet. Bereits seit 1971 war sie Teilstandort der Fachhochschule Gießen. Trotz des zügigen Ausbaus auf derzeit acht Fachbereiche mit 30 Studiengängen, über 130 Stellen für Professorinnen und Professoren und über 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist sie für ihre rund 4.700 Studierenden überschaubar geblieben. Fulda ist die Hochschule der kurzen Wege. Ein Teil der Gebäude gruppieren sich um einen reizvollen historischen Campus. Die Hochschule in Fulda besetzt einen Ort am Rande des Zentrums in der Nähe zur Autobahn. Das Wettbewerbsgebiet war bis 1998 vom Bundesgrenzschutz genutzt. Mit Fall der deutsch-deutschen Grenze eröffnete sich die Möglichkeit, einen Teil der Bundesgrenzschutzkaserne als Entwicklungsfläche zu erwerben – es entstand ein Komplex, der das Potenzial hat, sich zu einem zukunftsfähigen, zusammenhängenden Campus mit hoher Aufenthaltsqualität zu entwickeln. Diese Leitidee wurde nunmehr durch den Ideen- und Realisierungswettbewerb konkretisiert. 1899 –1901 wurde eine weitläufige Kasernenanlage auf einem von der Stadt Fulda erworbenen Gelände an der nach Norden führenden Eisenbahnstrecke im Neu-Gotischen Stil von dem Berliner Architekten August Menken unter Ausführung des Fuldaer Architekten Fritz Adam erbaut. 10 Für die Architektursprache der Kasernen ist maßgeblich gewesen, die traditionell als große, zusammenhängende Baumasse gegliederten Kasernen in Einzelgebäude aufzulösen. Verantwortlich dafür waren ästhetische Rücksichten, die es ermöglichen sollten, die Kasernenbauten im Falle eines Abzugs der Garnison auch als Wohngebäude für Familien weiter nutzen zu können. In den 30er Jahren wurde die Anlage durch zusätzliche Gebäude entlang der Leipziger Straße ergänzt. Das Land Hessen konnte nach Abzug des Bundesgrenzschutzes eine große Freifläche mit vier aufstehenden ehemaligen Unterbringungsgebäuden und einem Wirtschaftsgebäude für den Ausbau der Hochschule Fulda erwerben. Die Aufgabenstellung stand daher im Spannungsfeld von folgenden Einzelthemen, die zu einem harmonischen Gesamtkonzept zusammengebunden werden mußten: Campusstruktur durch eine nachhaltige Konzeption weiterentwickeln! Der Campus der Hochschule Fulda inmitten eines historischen Kasernenquartiers unterschiedlicher Epochen ist geprägt vom harmonischen Ensemble historischer und neuer quartiersprägender Bauten. Der sich so ergebene Charakter des Campus lebt von architektonischem Augenmaß und wohlproportionierter Maßstäblichkeit. Daher war die konsequente und behutsame Weiterentwicklung die Kernfrage des städtebaulich-freiraumplanerischen Ideenteils. Dabei sollte die historische Identität der beiden Bauepochen ablesbar bleiben und durch die Konzeption eine in der Architekturqualität und städtebaulichen Verknüpfung beider Areale überzeugende Entwurfskonzeption erreicht werden. Dabei war der militär- und stadtgeschichtliche Quellen- und Zeugniswert der Anlage behutsam mit dem Ausdruck der neuen Nutzung zu kombinieren. Die Hochschule soll zu einem belebten Stadtquartier werden. Studentisches Arbeiten in Arbeitsräumen und Bibliotheken mit langen Öffnungszeiten, Abendveranstaltungen für die Öffentlichkeit, die Lehre und Forschung mit Gastwissenschaftlern aus aller Welt werden dazu beitragen, dass ein lebendiger Campus entsteht. Schwachpunkte in der Nutzung, die sich heute durch die diffusen und intensiv verkehrlich genutzten Freiräume ergeben, sollen in einem zukunftsweisenden, stabilen städtebaulich-freiraumplanerischen Konzept die bestehenden und zukünftigen Gebäude intelligent zusammenführen und gleichzeitig notwendige zukünftige Erweiterungsflächen zuordnen. Es war ein zentrales Planungsziel hier ein sensibel gegliedertes nutzbares Freiraumsystem mit hoher Aufenthaltsqualität zu etablieren, das den hohen kommunikativen Charakter der Hochschule nachhaltig fördert. Campus mit dem Neubau eine eigenständige Adresse geben! Die neuen Gebäude der Hochschule sollen sich klar identifizierbar, repräsentativ und selbstbewusst auf dem Hochschulcampus zeigen. Der Neubau der Hochschul- und Landesbibliothek (4.000 qm HNF) sowie der Mensa (1.760 qm HNF) der Hochschule Fulda mit angeschlossener offener Cafeteria, dem Großküchenlabor für den Fachbereich Oecotrophologie (100 qm HNF), dem StudentServiceCenter (529 qm HNF) sowie eines Tagungsraums (250 qm HNF) übernimmt daher im Kontext einer nachhaltigen Quartiersentwicklung für die Zukunft des gesamten Campus eine ganz besondere Ver- e raß nz -St ler -Be Da im WE WE ITER TT ES BE WE RB SG EN WE GER GE TTB ES BIE EW ER T EB BS Mo ltk est raß e IET Lu dw - ig- Be ck- Str aß e Mo ltke str er Str aß e aße zig ße tra Le ip -S m ei hh uc Mo -J z rit ltk o ße M tra est raß e ds ar qu ar M ra st se Bo ße Ma ck en ro d tst raß e oben_Wettbewerbsgebiet, differenziert in Engeres Wettbewerbsgebiet -> Realisierungsteil Weiteres Wettbewerbsgebiet -> Ideenteil Grundstück Hochschule Fulda 11 antwortung: das Projekt soll in angemessener Weise dem Campus einen neuen Nukleus verleihen – als zentraler kommunikativer Treffpunkt der Hochschule, inhaltlich wie örtlich. Das Projekt steht aber auch für ein neues Selbstbewusstsein der Hochschule, dessen Sichtbarkeit über die Architekturqualität und in der Gestaltung der Freiräume, insbesondere zur Leipziger Straße, herausgearbeitet werden soll. Ein einheitliches architektonisches Erscheinungsbild, mit einem eindeutig zu dem öffentlichen Raum zugeordneten Eingangsbereich, muss intelligent mit der logischen, klar strukturierten funktionalen Organisation im Einklang stehen. Die neuen Gebäude müssen als Visitenkarte der Hochschule helfen eine eindeutige Adresse nach Außen zu definieren, die auch die diskussionswürdige Abgrenzung durch die Zaunanlage überwindet. Gestaltungs- und Nutzungsanforderungen effektiv vereinen! Das Projekt erforderte aufgrund der vielschichtigen, komplexen Nutzungsstruktur einen besonderen gestalterischen Umgang. Die drei großen Themen des bibliothekarischen Konzeptes – zentraler Lernund Arbeitsort, Zentrale des Informations- und Wissensmanagement sowie Begegnungsort – sollten sich im architektonischen Konzept widerspiegeln. Zudem müssen die Anforderungen an einen Mensabetrieb optimal umgesetzt werden, ohne dass die unterschiedlichen Nutzungen einer hervorragenden Nutzung- und Gebrauchsqualität jedes einzelnen Bausteins nicht zuwider laufen. Als zentraler Anlaufpunkt für Studentinnen und Studenten wird das StudentServiceCenter einen vitalen Baustein des Hochschulcampus darstellen. 12 Die geschickte Verbindung dieser zentralen drei Bausteine bei gleichzeitig optimaler Funktionalität war die entscheidende Entwurfsaufgabe. Synergien müssen in gleicher Weise genutzt werden können, wie auch sich gegenseitig störende Einflusse unterbunden werden sollen. Dabei sollte bei der Umsetzung des präzisen Raumprogramms auf eine ökonomische Grundrissgestaltung geachtet werden, die auch langfristig einen wirtschaftlichen, wartungsfreundlichen und umweltbewussten Betrieb erlaubt. So entsteht aber auch die seltene Chance, komplexeste Funktionsanforderungen mit höchster Nutzungs- und Gestaltungsqualität zu vereinen. Dies betrifft natürlich auch die sehr unterschiedlichen, spezifischen technischen Anforderungen der Nutzungen bei der Konzeption des Gebäudes intelligent zu integrieren. Dabei musste auch den Errichtungskosten in besonderem Maße jede Aufmerksamkeit gewidmet werden. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sicherstellen! Das Projekt muss sich mit seinen Bausteinen den Herausforderungen der Zeit stellen, die einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und deutlich verringerte CO2 Emissionen einfordern. Dazu war ein intelligenter Umgang mit Form, Kubatur und Hülle gefordert, der Nutzungsqualität und Komfort sicherstellt, und gleichzeitig die Grundlage für eine mögliche Energie- und Technikreduktion schafft. Das Gebäudekonzept sollte die Nutzung von regenerativen Energien und die Realisierung von passiven Strategien ermöglichen. Ein geringer Wärmedurchgang war aus Gründen des Wärmeschutzes und der Behaglichkeit unabdingbar. Eine weitreichende, natürliche Belichtung und Belüftung war, wo funktional möglich und sinnvoll, anzustreben. Intelligenter Wärme- und Sonnenschutz bei gleichzeitig optimierter Tageslichtnutzung waren daher in jedem Fall zu beachten und optimal einzusetzen. Es sollte gleichsam dem Nutzer ein Höchstmaß an Komfort geboten, und langfristig ein nachhaltiger Betrieb gesichert werden. Haustechnik intelligent einbeziehen! Moderne Hochschulgebäude verlangen nach spezifischer Haustechnik. Die Technikkonzepte mussten den Leitfaden der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz des Gebäudes aufnehmen und weiter verfolgen, energetische und funktionale Synergien nutzen, und Potenziale des energetisch optimierten Gebäudekonzepts zur Technikreduzierung ausschöpfen. Erneuerbare Energieressourcen sollten durch passive und aktive Systeme nutzbar gemacht werden, und wesentlich zur Energieversorgung des Gebäudes beitragen. Dabei war eine intelligente und qualitätsvolle Integration der Haustechnik in die Architektur gefordert. WETTBEWERBSVERFAHREN Der Wettbewerb gliederte sich in einen Ideen- und Realisierungsteil. Es galt, die städtebaulich-freiraumplanerische Perspektive des Campus herauszuarbeiten und die konkreten hochbaulichen Bausteine als funktional wie gestalterisch optimale, den Campus prägende Elemente, zu entwerfen, die sich sensibel in die vorhandene, teilweise denkmalgeschützte Bausubstanz einfügen. Insgeamt 35 Teilnehmer wurden über ein EU-weit offenes Auswahlverfahren bestimmt und zur Teilnahme am Wettbewerb aufgefordert. 31 Teilnehmer lieferten schließlich ihre Arbeiten zur Beurteilung ab. Am 28.29.04.2009 beurteilte das Preisgericht alle Arbeiten und bildete folgende Rangfolge: 1. Preis (52.000 EUR) Atelier 30 Architekten GmbH Fischer - Creutzig (Kassel) mit mann landschaftsarchitekten (Kassel) 2. Preis (32.500 EUR) Netzwerkarchitekten (Darmstadt) mit Landschaftsarchitektur und Ökologie, Angela Bezzenberger (Darmstadt) 3. Preis (19.500 EUR) h4a Gessert + Randecker Architekten (Stuttgart) mit Glück Landschaftsarchitektur (Stuttgart) Ankauf (13.000 EUR) Gerber Architekten (Dortmund) Ankauf (13.000 EUR) Eller + Eller, Architekten GmbH (Düsseldorf) mit GTL Landschaftsarchitekten (Düsseldorf) 13 AKTEURE 14 PREISGERICHT Prof. Carl Fingerhuth (Zürich/CH) – Vorsitz | Prof. Peter Kulka (Köln) | Prof. Rebecca Chestnutt (Berlin) | Prof. Zvonko Turkali (Frankfurt a.M.) | Prof. Hinnerk Wehberg (Hamburg) | Inge Laste, Hessisches Ministerium der Finanzen (Wiesbaden) | Irene Bauerfeind-Roßmann, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst (Wiesbaden) | Thomas Platte, Hessisches Baumanagement Zentrale (Frankfurt) | Prof. Dr. Karim Khakzar, Präsident der Hochschule Fulda | Dr. Marianne Riethmüller, Leiterin der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda | Cornelia Zuschke, Stadtbaurätin der Stadt Fulda STELLVERTRETER: Prof. Ruth Berktold (München) | Giselher Hartung, Hessisches Baumanagement Zentrale (Frankfurt) | Ludwig Wappner (München) | Berndt Dugall, Direktor und Bibliothekar der Johann Wolfgang Goethe – Universität Frankfurt am Main | Carsten Feller, Kanzler der Hochschule Fulda (Fulda) | Guido Brennert, Hessisches Ministerium der Finanzen (Wiesbaden) SACHVERSTÄNDIGE BERATER DES PREISGERICHTS Manfred Balg, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst (Wiesbaden) | Andreas Becker, Leiter des Stadtplanungsamtes Stadt Fulda | Peter Caratiola, Hessisches Ministerium der Finanzen (Wiesbaden) | Erich Dörr, Hochschule Fulda | Paul Franke, Hessisches Baumanagement Regionalniederlassung Nord (Kassel) | Berthold Weiß Hochschul- und Landesbibliothek Fulda | Ralf Stobbe, Studentenwerk Gießen (Gießen) | Stefanie Hagspihl, Hochschule Fulda | Prof. Dr. Kathrin Kohlenberg-Müller, Vize Präsidentin, Hochschule Fulda | Konrad Fleckenstein, SSC, Hochschule Fulda | Alexander Balthasar, ASTA, Hochschule Fulda | Janine Zeidler, ASTA. Hochschule Fulda VORPRÜFUNG Gerhard Schönherr, Hessisches Baumanagement Regionalniederlassung Nord (Fulda) | Edith Wiegand, Hochschule Fulda (Fulda) | Andreas M. Sattler, FSW Düsseldorf GmbH (Düsseldorf) | Anne Rodenbusch, FSW Düsseldorf GmbH (Düsseldorf) | Birthe Nagel, FSW Düsseldorf GmbH (Düsseldorf) | Werner Schneider, DU Diederichs Projektmanagement (Wuppertal) | Dr. Christoph Meyer, Ingenieurbüro für Bauklimatik Hausladen+Meyer (Kassel) | Gang Li, DU Diederichs Projektmanagement (Wuppertal) | Martin Hormel, Studentenwerk Giessen | Dr. Lars Krex, Neumann Krex & Partner | Adrian Hehl, Stadt Fulda (Denkmalschutz) | Reinhold Kremer, Hochschule Fulda (Barrierefreiheit) 15 TEIL B – PREISE & ANKÄUFE 16 17 1. PREIS ATELIER 30 ARCHITEKTEN, KASSEL MANN LANDSCHAFTSARCHITEKTEN, KASSEL ARCHITEKTUR ATELIER 30 Architekten, Kassel Ole Creutzig, Thomas Fischer mit Sabrina Hofmann, Frederike Langhals, Robin Schüler, Maria Jakobshagen, Marco Schüler LANDSCHAFTSARCHITEKTUR mann landschaftsarchitekten, Kassel Tobias Mann mit Lasse Gienke, Matthias Kimmel KENNZAHLEN Nutzfläche Bruttogrundfläche Bruttorauminhalt 18 8.125 qm 12.483 qm 56.795 cbm Lageplan AUSZUG AUS DEN ERLÄUTERUNGEN Durch die zentrale Gebäudeanordnung Landesbibliothek, Mensa und Studienzentrum entsteht eine neue Platzsituation als Gelenkpunkt innerhalb der Hochschule. Auf diesen steinernen Platz mit grünem Platanendach orientieren sich konsequent alle Haupteingänge der neuen Gebäude. Durch die Höhenstaffelung bzw. räumliche Anordnung der neuen Gebäude wird der zentrale Platz gefasst. Die Mensa öffnet sich in dieser Gruppe durch eine großzügige Verglasung nach Süden hin. Das Studienzentrum als dreigeschossiger Baukörper orientiert sich durch das dreigeschossige Foyer ebenfalls zum Platz hin. Die Bibliothek nimmt den Höhenversprung im vorhandenen Gelände auf und wird somit zum vermittelnden Gebäude. Eine steinerne Freitreppe verbindet im Außenraum räumlich die beiden Ebenen miteinander. Das Studienzentrum bekommt eine eigene Adresse und liegt exponiert am neu geschaffenen zentralen Platz. Die Orientierung im Gebäude ist einfach, der zentrale Treppenraum bietet Möglichkeiten zum Aufenthalt, zur Information und Kommunikation. Der großzügige Unterrichtsgroßraum befindet sich im Erdgeschoss und kann auch für Veranstaltungen genutzt werden. Der effizient geplante Grundriss der Bibliothek bietet ein hohes Maß an Flexibilität. Der zentrale Luftraum unterstützt die Orientierung, zeigt den gewünschten offenen Charakter der Bibliothek und bildet einen Ort der Kommunikation neben einer Vielzahl an Räumen und Nischen für die konzentrierte Arbeit. Das Mensagebäude begrenzt den Platz nach Norden und öffnet sich dabei mit dem multifunktional nutzbaren Speisesaal nach Süden zum Zentrum. Die Fassade des Gebäudes ist zum Platz hin transparent gehalten. Bei Veranstaltungen kann sowohl der Außenraum, als auch der Innenraum parallel bespielt werden. Die Konstruktion der Neubauten basiert auf einem Konstruktionsraster von 7,50 m und 5,00 m. Die Aussteifung der Gebäude erfolgt durch die Geschossdecken über Wandscheiben und die Treppenhauskerne. Das Fassaden-/Ausbauraster beträgt 1,25 m und ermöglicht flexible Raumaufteilungen, sowie eine Fassadengestaltung, die den Tageslichtanforderungen in den unterschiedlichen Funktionsbereichen entspricht. Die Fassadenbekleidung wird mit vorgehängten Betonelementen vorgeschlagen. 19 Die Fensteröffnungen sind präzise in die Gebäudehülle eingesetzt. Intarsienartig eingefügte Holzelemente zeigen die Zugänge sowie Räume mit Sondernutzungen und bieten ein spannungsvolles Fassadenbild. Die Gestaltung der Außenanlagen stärkt den städtebaulichen Ansatz, es entstehen drei klar definierbare Freiräume mit hoher Aufenthaltsqualität. Mehrstämmige Platanen prägen den mit Natursteinpflaster belegten Platzraum zwischen Studienzentrum, Mensa und Bibliothek. Die Lage des grünen urbanen Baumplatzes lässt sich von allen umliegenden Straßenräumen einsehen und wirkt als Merkzeichen innerhalb des Hochschulcampus. Der Platzinnenraum ist mit Natursteinpflaster versehen und wird von einer ebenerdigen Blockstufe gerahmt. 20 Im Dialog zum urbanen Platz steht der lichte Baumhain. Verschiedene Baumarten (Trauerweiden, Kirschen, Ahorn) und die landschaftliche Topographie bilden den Rahmen für einen stimmungsvollen rasenbewachsenen Freiraum. Spielfelder und Baumquartiere mit wassergebundenen Decken stehen räumlich im Wechselspiel zueinander. Die umgebende Bebauung und die Erweiterungsfläche bilden den Rahmen für die Grünräume. Die Baumquartiere bestehen jeweils aus einer Baumart (Birken, Zitterpappeln, Kirschen, Hainbuchen und Eschen) und bilden die räumliche Grundstruktur. Die verbindenden Straßen- und Gehwegflächen sind durch ein einheitliches Pflaster in der Farbe Anthrazit geprägt. oben_Aussenraumperspektive von oben nach unten: Schnitt Nord-Süd Ansicht von Osten Grundriss EG 21 von oben: Fassadendetail Funktionsschichten rechte Seite_Innenraumperspektive BEURTEILUNG DES PREISGERICHTS (AUSZUG) Die Maßstäblichkeit und Arrangierung der Gebäudevolumen, gegliedert entsprechend der drei geforderten Hauptnutzungen, passen sich erfolgreich in das bestehende stadträumliche Geflecht ein. Durch die Platzierung des dreigeschossigen Bibliotheksbaus zentriert entlang der Achse des ehemaligen Existierplatzes, in Kombination mit der OstWest Ausrichtung des Baukörpers der Mensa, im Rechtenwinkel dazu und die Setzung des SSC-Riegels als nord-östlichen Abschluss des neu definierten Campusplatzes wird eine eindeutige Hierarchiesierung der Freiflächen geschaffen, die die unterschiedlichen Nutzungsanforderungen einer angemessenen räumlicher Zuordnung gewährt. Zu bemängeln ist hierbei in erste Linie die übertriebene, kleinteilige Aufgliederung des im Nord-Osten neu geschaffenen Quartiersfreiraums. Die stadträumliche Platzierung der drei Funktionen ist jedoch sinnfällig. Eine prägende und überragende Qualität des Entwurfes ist die Verflechtung von seinen Außen–/ Innenraum Sequenzen im neuen Campuszentrum. Vom „Campusplatz“ betrachtet, lädt jedes der neuen Gebäude sein Publikum ein. Hier heraus entwickelt sich eine sehr klare Orientierungsleitlinie, die dem Nutzer das funktionelle Angebot jedes einzelnen Gebäudes verdeutlicht. Die einzelnen Grundrissorganisationen bauen auf das Prinzip des Umrahmens von großflächigen Publikumsräumen durch kleinteiligere Funktionen wie Küche und Ausgabe der Mensa und Cafeteria oder Carels Gruppen-, und Büroräume in der Bibliothek. 22 Diese Art der Raumstrukturierung gewinnt jeweils ihre innenräumliche Qualität durch die Anordnung von mehrgeschossigen Lufträumen und ermöglicht eine Optimierung der funktionalen Zusammenhänge. Sie bietet auch gleichzeitig die notwendige Flexibilität damit die Häuser mittel- oder langfristig auf wechselnde Nutzungsanforderungen angepasst werden können ohne ihren architektonischen Charakter zu beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund sind die grundrissorganisatorischen Mängel des Entwurfes wie z.B. die Verteilung der Bibliotheksverwaltung über zwei Geschosse oder die scheinbare Unterdimensionierung der Küche und Ausgabe der Mensa behebbar. Der Zugang über das großzügige Foyer ist besonders im Hinblick auf die Lärmbelästigung in den oberen Lese- und Arbeitsbereichen sowie die energetische Sinnhaftigkeit kritisch zu werten. Es ist zu überlegen, ob die Magazinflächen, in denen weniger frequentiertes Material aufbewahrt wird, sinnvoll im Erdgeschoss angesiedelt sind. Die Funktionalität ist unter Verschiebung oben genannter Bereiche gegeben. Der architektonische Ausdruck der Gebäude weist eine bestechend ruhige Eigenständigkeit auf, die sich ebenfalls in den bestehenden baulichen Kontext eingliedert. Gleichzeitig bietet die gewählte Massivbauweise eine ökonomische und energetisch günstige Realisierung an, die im Vergleich zu allen Entwürfen im soliden Mittelfeld liegt. Die Treppenanlage zwischen Bibliothek und Mensa bedingt für Rollstuhlfahrer einen Umweg zu den Kasernengebäuden, da er auch innerhalb der Gebäude nicht durch Aufzüge und entsprechende Ausgänge ausgeglichen werden kann. 23 2. PREIS NETZWERKARCHITEKTEN PARTG, DARMSTADT LANDSCHAFTSARCHITEKTUR UND ÖKOLOGIE, DARMSTADT ARCHITEKTUR netzwerkarchitekten PartG, Darmstadt Thilo Höhne, Karim Scharabi, Philipp Schiffer, Jochen Schuh, Markus Schwieger, Oliver Witan LANDSCHAFTSARCHITEKTUR Landschaftsarchitektur und Ökologie, Darmstadt Angela Bezzenberger SONDERFACHLEUTE Haustechnik: S&K Ingenieurbüro, Schefflenz, Klaus Szigeth Tragwerksplanung: Dr. Kreutz+Partner, Nürnberg, Dr.-Ing. Alexander Hentschel KENNZAHLEN Nutzfläche Bruttogrundfläche Bruttorauminhalt 24 7.930 qm 11.052 qm 41.998 cbm Vogelperspektive AUSZUG AUS DEN ERLÄUTERUNGEN Das städtebauliche Konzept für die Neuordnung des Campus Fulda sieht vor, das heterogene, sich verwebende Umfeld der Universität über ein zentrales zusammenhängendes Freiraumbild neu zu denken und damit einer zukünftigen Campusentwicklung, ein starkes Rückrat zu geben. Die klare Raumfigur einer Alleen bestandenen Wegekreuzung liefert das Potential die universitären Einrichtungen neu zu gliedern und gleichzeitig Raum zu lassen für zukünftige Entwicklungsszenarien. Im Schnittpunkt der geplanten Alleen definiert sich die neue Mitte der Hochschule Fulda mit den intensiven Nutzungen Bibliothek, SSC und Mensa. Die existierenden, heterogenen Räume der Universität werden dabei in ein neues Raumbild überführt und in eine spannungsvolle inhaltliche Beziehung gesetzt. Prägend aus der militärischen Geschichte ist die langgestreckte Fuge des ehemaligen Exerzierplatzes, die ein zusammenhängendes Freiraumbild für den Campus zeichnet. Der alte Mensahof wird durch einen lichten schmalkronigen Baumhain aufgewertet. Die bestehenden Mauern werden in das Freiraumkonzept einbezogen und z.T. aufgebrochen, um mehr Durchlässigkeit im Campus herzustellen. Im Bereich der Hochschulallee korrespondieren sie mit Einfassungsmauern und Sitznischen und bilden so ein eigenes Seitenambiente der Allee. Die Alleen repräsentieren den Campus jeweils an seiner Peripherie. Sie stellen Bezüge zur Umgebung her, verweisen auf den städtischen und landschaftlichen Kontext und bieten intern differenzierte Aufenthaltsmöglichkeiten. 25 von oben: Außenraumperspektive Innenraumperspektive Bibliothek Konträr dagegen besetzt die Mensa den Kreuzungspunkt der Campusachse in einem transparenten, klar umrissenen Baukörper, der über eine Fassadenschicht aus messing-eloxierten Lamellen den Ausblick filtert. Im Inneren entfaltet sich eine terrassierte Tektonik über drei Geschosse mit starken räumlichen Bezügen zur Campusmitte. Die Mensa bildet den Ausgangspunkt für eine zukünftige bauliche Erweiterung nach Norden. Die Neubauten für die Universitätsbibliothek und die Mensa werden, entsprechend ihrer gegensätzlichen Öffentlichkeiten in unterschiedlichen Raumbildern realisiert. Die Bibliothek fügt sich als Leselandschaft in einen künstlichen Hügel und generiert ein Raumkontinuum, das bestens für konzentriertes Arbeiten mit Büchern und Medien geeignet ist. 26 An den Außenflanken und über Lichthöfe werden die Lese- und Arbeitsbereiche großzügig mit Tageslicht versorgt und es entstehen Ausblicke in die Topographie der `Leselandschaft´. Über ein großzügiges Foyer wird das StudentenServiceCenter angebunden und Synergien ermöglicht. In die Topographie, die den vorhandenen Geländeverlauf thematisiert und überformt, werden die Spiel-, Sport- und Entspannungsflächen eingebettet, so dass das Wegekreuz hier einen inhaltlichen Abschluss findet. Die Mensa erhält eine hochgedämmte Isolierverglasung, die vom Dachtragwerk abgehängt wird sowie eine außenliegende Filterschicht aus messing-eloxierten Lamellen als feststehender Sonnenschutz. Die Fassade der Bibliothek erhält an den Aussenflanken einen im Glaszwischenraum angeordneten, individuell zu bedienende Sonnenschutz mit Tageslichtlenkung. Die topographische Deckenplatte erhält eine intensive Begrünung, die in Teilbereichen begehbar ist. EG Bibliothek 1.OG Bibliothek 2.OG Bibliothek 27 von oben: Innenraumperspektive Mensa Fassadendetail BEURTEILUNG DES PREISGERICHTS (AUSZUG) Diese poetische Idee liefert ein neues Konzept für den Campus und zugleich eine neue starke Identität. Der geistige Inhalt hebt sich förmlich aus dem Gelände und entwickelt sich zum Bibliotheksgebäude. Eine Wandlung vom Exerzierplatz zum substantiellen geistigen Ort ist angezeigt. Die neu geschaffene räumliche Qualität liefert einen bewegten Raum, der im Spannungsverhältnis zur übrigen Bebauung steht. Die Hauptwege werden begleitet durch Alleen und Bäume. Dieses aus den vorhandenen Straßen und Zugängen weiter entwickelte Wegenetz ist folgerichtig und hält weitere Entwicklungen für die Hochschule offen. Ins Straßenkreuz setzen sich Mensa und Bibliothek. Beide Baukörper beziehen sich auf diesen urbanen Schnittpunkt, bestehend aus der alten Furt zur Kaserne hin und dem alten Haupteingang zum Campus. Der Entwurf bricht wohltuend aus dem Mittelmaß aus, in dem er der Hochschule ein starkes Rückgrad gibt, das sich in einer begehbaren begrünten Landschaft, die gleichzeitig Bauwerk ist, manifestiert. Sowohl Bibliothek als auch Mensa sind bewusst gegensätzlich entsprechend ihren Inhalten formuliert. So ist der Zugang begleitet vom SSC als eine raumgreifende einladende Geste formuliert, während die Mensa, ein Kubus, durch das Anheben der Fassade formuliert wird. Sie reagiert zwischen Bibliothek und Mensa, dabei entsteht ein Aktiv-Passiv-Spiel. Die Eingänge wirken natürlich und unverkrampft. Bei genauerem Hinsehen entsteht auf der Basis eines rationalen Grundrissbildes in Verbindung mit der darüber liegenden Topographie und ihren organischen Öffnungen ein spannungsvolles und gleichzeitig 28 von oben: EG Mensa 1.OG Mensa 2.OG Mensa hochfunktionales Raumgefüge; eine Raumqualität mit hoher Aufenthaltsqualität. Das Thema der organischen Lichtöffnungen in der Topographie bildet sich sowohl in der Bibliothek als auch differenziert in der Landschaftsplanung ab. Bewegt über der Bibliothek und eher flächig in den Platz eingelassen, wiederholt sich die organische Freiflächengestaltung im vorhandenen Campusquartier. Die begehbaren Pflasterflächen folgen dem freien Prinzip der Landschaftsgestaltung durch organisch eingefräste Ornamentik bei gleichzeitiger Funktionalität. Dadurch bleibt der Platz für vielfältige Nutzung offen. Die Sportflächen befinden sich auf dem rückwärtigen Bereich, unter dem sich keine Nutzung befindet. Die Sportflächen sollten noch im Detail in ihrer Funktion und geforderten Feldgrößen nachgewiesen werden. Bei der Mensa greift der Verfasser in der Körperbildung auf die vorhandene Struktur zurück und schafft damit den Maßstab für zukünftige Planungen. Im Kubus der Mensa befindet sich der Speiseraum, bestimmt durch zwei Terrassen mit Aussicht auf den Campus. Die Cafeteria bietet das Angebot der Außenbewirtschaftung. Sowohl zu Café als auch zur Mensa sind die Ausgabeküchen funktional richtig, gut platziert. Der Verfasser schlägt eine begehbare begrünte Fläche über dem Bibliotheksgebäude vor. Diese Lösung wird im Zusammenhang mit Funktionalität, Unterhaltung und Ausführung im Preisgericht kontrovers diskutiert. Der Nachweis der hier erforderlichen Qualitäten ist noch nicht voll erkennbar, jedoch für die Akzeptanz des Entwurfes unabdingbar. Seitens der Denkmalpflege werden Bedenken hinsichtlich der Beeinträchtigung der denkmalpflegerischen Substanz geäußert. Dies wird kontrovers diskutiert. Die Flächenanforderungen des Raum- und Funktionsprogramms der Bibliothek sind übererfüllt. Der Entwurf greift die Forderung der Hochschule auf, einen zentralen Anlaufpunkt für ihre Kunden zu schaffen. Die Trennung Personal/Verwaltung vom übrigen Bestand ist nicht gelöst und bleibt eine Forderung. Unklar bleibt die Anordnung des Europäischen Dokumentationszentrums. Die Idee, eine Bibliothek als zentralen Lern-, Arbeits- und Kommunikationsort zu schaffen, ist gelungen. Funktionalitäten sind ineinander gewoben, die strenge Gliederung der unterschiedlichen Funktionsanforderungen ist zugunsten von Insellösungen gelockert. Der Entwurf weist hohe emotionale Qualität und Funktionalität auf; widerspricht aber dem Anspruch der Hochschule, familiengerecht zu sein. Die Sicherung und Pflege des Geländes erscheint problematisch. Durch seine Kompaktheit verfügt der Entwurf über das Potenzial zu einem sehr geringen Heizwärmebedarf, das wegen der gewählten Zwei-Scheiben-Verglasung allerdings nicht ausgeschöpft wird. Insgesamt liegt der Wärmebedarf trotzdem noch im Mittelfeld aller Beiträge und ist akzeptabel. Problematisch scheint das sommerliche Verhalten der Mensa mit den hohen Verglasungsanteilen vor allem im Süden und Westen. Die vorgeschlagene Sonnenschutzverglasung und der feststehende Sonnenschutz fangen deren Auswirkungen nur teilweise auf. 29 3. PREIS H4A GESSERT + RANDECKER ARCHITEKTEN, STUTTGART GLÜCK LANDSCHAFTSARCHITEKTUR, STUTTGART ARCHITEKTUR h4a Gessert + Randecker Architekten, Stuttgart Martin Gessert, Albrecht Randecker mit Eva Teigelkötter, Martin Berlin, Friedemann Backe, Dimitri Boikov, Martin Maxa LANDSCHAFTSARCHITEKTUR Glück Landschaftsarchitektur, Stuttgart Michael Glück SONDERFACHLEUTE Energiekonzept: Schreiber Ingenieure Gebäudetechnik GmbH, Ulm, Jürgen Schreiber Küchentechnik: pbb planungsbüro balke, München, Elisabeth Balke KENNZAHLEN Nutzfläche Bruttogrundfläche Bruttorauminhalt 30 6.715 qm 9.350 qm 45.541 cbm