5. Quantenmechanik in einer Dimension S.G.: ℏ 2 d 2ψ − + U (x ) ⋅ ψ (X) = E ⋅ ψ (X) 2m dx 2 „Eigenwertgleichung“ mit „Eigenwert“ E und „Eigenzustand“ Ψ 5.1. Kastenpotentiale („eingesperrte Quantenteilchen“) → keine Kraft, außer an Wänden x = 0 und x = L → Bezugspunkt für E pot = U ist das innere des Kastens! U 0 = ∞ , also eine „unendlich harte“ Wand Fall 1: in den Wandbereich ist keinerlei „Eindringen“ möglich. Dann muss gelten 1.) 2.) ℏ2 S.G. für 0 ≤ x ≤ L Ψ ′′ ( x ) = − E ⋅ Ψ ( x ) 2m Ψ (x) = 0 für x ≤ 0 und x ≥ L „Randbedingungen“ L 3.) ∫ Ψ (x) 2 dx = 1 Normierung der Wellenfunktion. 0 ⇒ Lösungen: 2 ⋅ sin ( kx ) erfüllen 1.) und 3.), aber nur mit L π k = k n = n ⋅ , also Quantenzahlen k auf diskretem Raster wird auch 2.) erfüllt! L Ψk ( x ) = Dazu dann E k = Ekn = En = ℏ 2 k 2n ℏ 2 π2 2 = ⋅ n , mit n = 1, 2, 3, … 2m 2mL2 Die Wellenfunktionen sind also stehende Wellen mit jeweils einem Knoten (= Nullstelle) an den Wänden und (n-1) Knoten im Inneren des Kastens. 67 siehe Materialien: das Elektron im Kasten Fazit: 1.) 2.) Randbedingung erlaubt die Abzählung der Quantenzustände mit π Quantenzahl k n auf einem regelmäßigem Raster mit Weite L Das Termschema E n ist nach oben gespreizt ( ∼ n 2 ) ; vgl. H-Atom : Spreizung nach unten ∼ − 3.) Selbst die kleinste Energie E1 = 1 n2 ℏ 2 π2 1 ⋅ ≠ 0: 2m L2 1 . L2 Resultat der Unschärfebeziehung: ℏ 1 2 ∆x ≈ L ⇒ ∆p x ≥ ⇒ E ∼ ∆p ∼ 2 L L Nullpunktenergie ∼ generell! Fall 2: U 0 endlich und a) E < U 0 : 1.) für 0 < x < L wie oben Ψ k ( x ) = c1 sin ( k ⋅ x − ϕ ) 2.) aber für x < 0 und x > L : − 2m ℏ2 Ψ ′′ = − ( U 0 − E ) ⋅ Ψ oder Ψ ′′ = 2 ( U 0 − E ) ⋅ Ψ 2m ℏ 1 ℓ 2E >0 Das kennen wir auch schon: Lösung: und analog 3.): Ψ ( x ) = c2 ⋅ e Ψ ( x ) = c3 ⋅ e − − (−x) ℓE x −L ℓE für x < 0 für x > L Ψ , Ψ ′ stetig bei x = 0 und bei x = L Die Randbedingungen sind jetzt: Das ergibt wieder ein Raster für k = k n = ... und eine Energiequantisierung E n . +∞ Aus der Normierungsbedingung ∫ Ψ n ( x ) dx = 1 sowie der Stetigkeit von Ψ , Ψ ′ 2 −∞ bei 0 und L folgen die Konstanten c1, c2 ,c3 und ϕ . 68 b) E > U0 λ= Freie Teilchen mit lokaler Wellenlänge h h h = = ! p 2mk 2m ( E − U ( x ) ) siehe Materialien: das Elektron im Kasten ! Fazit: 1.) Das Quantenobjekt im endlich hohen Kastenpotential dringt trotz E < U 0 in die „verbotenen Bereiche“ x < 0 und x > L mit einer exponentiell abfallenden 1 2 Wahrscheinlichkeitsdichte ein. Die Eindringtiefe ( 2 - Abfall von Ψ ) ist e dabei ≈ ℓ E = 2.) h / 2m . U0 − E Für b) E > U 0 ergibt sich überall eine oszillatorische Wellenfunktion mit 2π =k ∼ λ ⇒ E kin = E − U ( x ) Ψ ( x ) ist umso kurzwelliger je größer der Impuls bzw. die kinetische Energie sind! 69 5.2. Der Tunneleffekt ⇒ Alles wie oben, aber Bereiche III x > L+B und x < -B mit sind mit zu berücksichtigen: ⇒ endliches Ψ ( x ) auch außerhalb der Potentialbarrieren; ⇒ Teilchen, die zunächst zwischen den beiden Potentialbarrieren eingesperrt waren, werden „später“ mit einer „Tunnelwahrscheinlichkeit“ T∼e − B ℓE =e − 2m ℏ2 ( U 0 − E ) ⋅B auch außerhalb der Barrieren gemessen! Beispiele: α -Zerfall (Radioaktivität) später… 1.) oder 2.) e− in MOSFET – Kanal, durch eine dünne Isolationsschicht („Dielektrikum“) von der Steuerelektrode (Gate) getrennt. ⇒ Elektronendichte im Kanal durch Steuerspannung USG einstellbar, aber Tunneln durch Isolator ( SiO 2 ) muss vermieden werden ⇒ untere Grenze für B 3.) Raster-Tunnelmikroskop zur Messung von Oberflächenprofilen 70 siehe Materialien: Der Tunneleffekt ! 5.3. Der harmonische Oszillator Auch für Quantenobjekte gilt sehr oft das Hook’sche Gesetz F = − D ( x − x 0 ) , also das Potential ( x 0 = 0 ) U(x) = D 2 x . 2 Klassisch: Oszillation x ( t ) = A ⋅ cos ( ωt − ϕ ) mit ω = ⇒ Jede Energie D und jeder Amplitude A ist möglich. m D 2 m 2 2 A = ω A = E ist möglich! 2 2 Was sagt S.G.? −Ψ ′′ ( x ) + mω2 2 x ⋅Ψ (x) = E ⋅Ψ (x) 2 U(x) Ψ(x) E2 E1 E0 x 1 E n = + n ℏω und Ψ n ( x ) mit n Knoten; n = 0,1,2,3,4,……………….. 2 Fazit: 1.) Es ergibt sich ein äquidistantes Termschema mit ∆E = E n +1 − E n = ℏω = ℏ D / m → Nur eine Spektrallinie für Übergänge zwischen „energetisch benachbarten“ Zuständen ( ∆n = 1 ). Beachte: 71 Potentialanstieg ∼ x 2 , also sanfter als Kastenpotential ∼ ( x − L ) („ ∞ steiles ∞ Potential“), aber steiler als Coulombpotential im H-Atom ∼ x −1 („nach oben sanfter werdendes Potential“) ist gerade das Potential, bei dem das Termschema weder nach oben, noch nach unten gespreizt ist! 2.) Energieaufnahme der Schwingung ist wie bei e-m-Wellen nur in charakteristischen Portionen ℏω möglich! ⇒ auch die Schwingungsmoden des harmonischen Oszillators bekommen in diesem Sinne einen Teilchencharakter und heißen → Vibronen (Moleküle) oder Phononen (Festkörper). Sprachgebrauch dazu: Falls für eine Oszillatormode der Zustand n/En vorliegt, sagt man, das System enthält n Vibronen oder Phononen (in dieser speziellen Mode bzw. von dieser speziellen Art). 72 Beispiel: Molekülschwingungen (z.B. H 2 , N 2 , O2 rein kovalent oder HCl , CO, NO, … polar gebunden) → Chemische Bindung wirkt für Atome mit Abstand r (Kern zu Kern!) wie Feder d mit Kraft F ( r ) = − U ( r ) . dr Ein typisches Potential dafür ist 6 r0 12 r0 U ( r ) = U0 + − 2 ⋅ r r mit Minimum − U 0 bei r = r0 und heißt „Lenard-Jones-Potential“. In der Nähe des Minimums gilt immer eine Parabelnäherung: U ( r ) ≈ U ( r0 ) + oder mit ω = D 2 ( r − r0 ) 2 D m mω2 2 U ( r ) = U ( r0 ) + ( r − r0 ) 2 ⇒ Ist mit U ( r0 ) als Bezugspunkt für die potentielle Energie und mit x = r − r0 als Auslenkung aus der Ruhelage identisch mit S.66 siehe Materialien: Das H2O-Molekül ! Beachte: Je nach Komplexität und Symmetrie der Moleküle sind mehrere voneinander unabhängige Auslenkungsmuster („Normalmoden“) möglich. Mit jedem ist eine charakteristische Frequenz ωi und ein äquidistantes Termschema mit ∆E = ℏ ⋅ ωi verbunden. 73 6. Atomaufbau und chemische Elemente 6.1 Entartung Betrachten wir nochmals das H-Atom: E n = −E R ⋅ 1 n2 sind die erlaubten Energien! Beobachtung: Für die erlaubte Energie E n sind unter Umständen g n verschiedene Wellen („Zustände“) möglich. Das nennt man eine Entartung mit dem Entartungsgrad g n . ⇒ Die g n „entarteten“ Zustände sind stets mit weiteren Quantenzahlen unterscheidbar, die zusätzlich zur Energie scharf messbare Größen charakterisieren. Welche? → Das hängt von der Symmetrie des Problems ab! Für Atome: → kugelsymmetrisches Potential Atomare Quantenzahlen 1.) n gem. Bohr / Sommerfeld (s.o.) Hauptquantenzahl ⇒ Zustände mit gleichen n bilden Schalen, alle mit Energie E n (bei H-Atom) n= 2.) 1, 2, 3, 4, …7 Name K, L, M, N, … Q - Schale Nebenquantenzahl ℓ Beschreibt den Betrag des Drehimpulses L (des Elektrons in seinem Orbit). L = ℓ ( ℓ + 1) ⋅ ℏ ≈ ℓ ⋅ ℏ Mögliche Werte, je nach n, sind: ℓ = 0,.....n − 1 also K-Schale L-Schale M-Schale ℓ=0 ℓ = 0 und ℓ = 1 ℓ = 0,1, 2 Klassisch: Bahnexzentrizität 3.) magnetische Quantenzahl 74 Beschreibt die Drehimpuls-Komponente längs einer (experimentell, z.B. durch ein magnetisches Feld H ) ausgewählten Richtung ez . Lz = mℓ ⋅ ℏ Mögliche Werte, je nach ℓ , sind: m ℓ = −ℓ, − ℓ + 1, ...0, ... ℓ − 1, ℓ Also s-Orbitale, ℓ = 0 ⇒ mℓ = 0 p-Orbitale, ℓ = 1 ⇒ m ℓ = −1, 0, 1 d-Orbitale, ℓ = 2 ⇒ m ℓ = −2, − 1, 0, 1, 2 Klassisch: Bahnorientierung Siehe Materialien / Die Orbitale des Wasserstoffatoms 4.) Spinquantenzahl ms Beschreibt die Eigendrehimpulskomponente s z längs einer ausgewählten Richtung ez . Sz = m s ⋅ ℏ 1 1 Mögliche Werte: ms = , ms = − 2 2 Beachte: Für Elektronen ist stets der Betrag des Eigendrehimpulses S = s ( s + 1) ⋅ ℏ = 11 + 1 ⋅ ℏ 22 1 „Spinquantenzahl“ des Elektrons 2 Für andere Quantenteilchen ist s immer ganz oder halbzahlig, i.a. aber 1 ≠ 2 ⇒s= 75 Beispiele: Proton, Neutron: s = 1 2 mögliche ms dazu: + 1 2 , − 1 2 , also wie Elektron 4 He - Atomkern (2 Protonen, 2 Neutronen): s = 0 ms = 0 N - Atomkern (7 Protonen, 7 Neutronen): s = 1 ms = −1, 0, +1 Photon s = 1 (!) 14 Wichtige Unterscheidung: s halbzahlig: „Fermionen“ s ganzzahlig: „Bosonen“ ⇒ unterschiedliches statistisches Verhalten (s.u.) Beispiel: Entartungsgrad g n für die M-Schale (n = 3) von H-Atomen oder wasserstoffähnlicher Ionen: ℓ= 0 ℓ= 1 ℓ= 2 mℓ : 0 -1,0,1 -2,-1,0,1,2 ms : ±1/ 2 …… ………… n −1 n n i =0 i =1 i =1 ⇒ g n = (1 + 3 + 5) ⋅ 2 = 18 Beachte: Allgemein gilt g n / 2 = ∑ 2i + 1 = ∑ 2 ( i − 1) + 1 = ∑ 2i − 1 = 2 ⋅ 12 n ( n + 1) − n = n 2 6.2 Das Pauli-Prinzip Wolfgang Pauli, 1900 – 1958: Zwei Elektronen (allgemein: „Fermionen“) können nie denselben Quantenzustand besetzen, also dieselbe Wellenfunktion mit identischer Kombination aus Quantenzahlen besitzen. ⇒ Schlüssel zum Aufbau der Atome: „Ordnungszahl“ z = Anzahl von Protonen im Kern mit q = +e ⇒ z Elektronen mit q = −e besetzen die z Elektronenzustände geringster Energie z = 1… ≈ 100 ⇒ Periodensystem der Elemente Siehe Materialien / Elektronenstruktur der Elemente und / Periodensystem 76 Beachte: 1.) 2.) Die Energieanordnung der Orbitale mit wachsendem z ist nicht streng nach Schale (n) und „Unterschale“ ( ℓ ) → „Übergangsmetalle“ (d-Orbitale werden „nachgefüllt“) → Lanthanoide, Actinide (f-Orbitale werden „nachgefüllt“) Die ℓ -Entartung gibt es nur für ein reines Coulombpotential U ( r ) ∼ − (H + , He ++ , Li 3+ ,...) 1 r Für Mehrelektronensysteme sieht jedes e− eine Abschirmung des Kerns durch alle anderen e− . ⇒ U ( r ) bleibt kugelsymmetrisch, ist aber ist nicht mehr ∼ − 1 ! r ⇒ Die ℓ -Entartung ist aufgehoben ! Fazit: Die Entartungsgrade ergeben im Termschema der Atome das Periodensystem der Elemente. ( → Chemie der Elemente !) Restliche Chemie: Quantenmechanik der Valenzelektronen in „Atomgruppierungen“: a) Moleküle Molekülphysik und –chemie, QM der Molekülorbitale b) priodische Atomverbäne Festkörperphysik (siehe §8) c) Fluide und Gläser Kombinationen von a) und b) inklusive Unordnung: sehr schwierig und erst allmählich (mit steigender Computerleistung) zugänglich! 77 Zusammenfassung: Pauli Prinzip und chemische Elemente 1.) Für ein chemisches Element mit Ordnungszahl z im Periodensystem der Elemente (PSE) ergibt sich die elektronische Struktur der Atome durch Auffüllen der Quantenzustände mit z-Elektronen gemäß dem Pauli-Prinzip. 2.) Unterschiedliche Auffüllung der möglichen Quantenzustände mit den z Elektronen führt jeweils zu unterschiedlichen, die Gesamtheit aller Elektronen umfassenden Zuständen. Die Auffüllung, die zu der geringsten Gesamtenergie der Elektronen führt bildet den Grundzustand, die anderen Auffüllungen entsprechen angeregten Zuständen. Die (Gesamt-)Zustände werden durch Angabe der Elektronenkonfiguration, also der Auflistung der besetzten Quantenzustände angegeben. Die Grundzustandskonfiguration ist oft im PSE aufgelistet. Beispiel: Grundzustand des Kadmium (z = 48) 1s 2 2s 2 p 6 3s 2 p 6 d10 4s 2 p 6 4d10 5s 2 12 Valenzelektronen 36Elektronen in abgeschlossenen Schalen / Unterschalen dem Edelgas Kr entsprechend oder in Kurzform: [ Kr ] 4d10 5s2 3.) Die Entartung g einer Elektronenkonfiguration ergibt sich durch die Variabilität in den magnetischen Quantenzahlen m ℓ und ms . Beispiel: 4.) Cd Grundzustand: g0 = 1 1. angeregter Z. [ Kr ] 4d10 5s 5p g1 = g 5s ⋅ g5p = ( 2 ⋅1) ⋅ ( 2 ⋅ 3) = 12 2. angeregter Z. [ Kr ] 4d10 5s 5d g 2 = g5s ⋅ g 5d = ( 2 ⋅1) ⋅ ( 2 ⋅ 5) = 20 Beachte: Die ℓ -Entartung des reinen Coulombpotentials ist aufgehoben! Zurück zu Atomphysik / Periodensystem: Wie ist der Entartungsgrad g n bestimmbar? Strategie: Die Entartung durch eine Störung von außen ( → meist inkl. Symmetrieerniedrigung!) aufheben. ⇒ Aufspaltung des Termschemas zeigt g n . Wichtigstes Beispiel ist der Zeeman-Effekt (s.u.). 78 6.3 Der Zeeman-Effekt Orbitalbewegung der Elektronen um den Kern ≙ Strom in einer Leiterschleife ≙ magnetisches Moment des Elektrons aufgrund seiner Bahnbewegung. e µ L = Strom × Fläche = − ⋅L . 2m Das gilt klassisch für jede beliebige rotierende Ladungsverteilung. Leicht einsehbar ist es für ein Elektron auf einer Kreisbahn mit Umlaufzeit τ : e e e ⋅ r ⋅ mv e ⋅ r 2πr e 2 ⋅L = ⋅ r ×p = = = ⋅ πr = Strom x Fläche 2m 2m 2m 2 τ τ Spin der Elektronen ≙ ……. e µS = − ⋅ 2s 2m Spin bewirkt doppelt so großes magnetisches Moment wie klassisch erwartet! → ⇒ folgt aus korrekter relativistischer Beschreibung des Elektrons: Paul Dirac, 1928 äußeres homogenes Magnetfeld mit Induktion B = B0 ⋅ ez = µ 0 H 0 ez bewirkt zusätzliche potentielle Energie U B je nach Richtung von L und s : e ⋅ ( L z + 2s z ) ⋅ B0 2m Mit L z = m ℓ ℏ und s z = m s ℏ U B = −µ ⋅ B = + U B ( m ℓ , ms ) = ⇒ µB = eℏ ⋅ ( m ℓ + 2ms ) ⋅ B0 2m Zeeman-Aufspaltung ist proportional zum Magnetfeld und erlaubt damit eine „Abzählung“ von m ℓ / ms - Zuständen! eℏ = 9, 27 ⋅10−24 J / T = 57,9 µeV / T heißt Bohrsches Magneton: 2m Klassisch erwartetes µ für das Elektron als homogene Kugel mit L z = ℏ ; gleichzeitig maximales Spin-Moment des Elektrons ( 2 ⋅1/ 2 = 1) Für Konfiguration mit mehreren Elektronen in nicht-abgeschlossenen Unterschalen bindet e− − e − -Coulombwechselwirkung die Elektronen zu einem Kollektiv zusammen. → Quantisierung nach Gesamtdrehimpuls L = ℓ1 + ℓ2 + ℓ3 + ... und Gesamtspin S = s1 + s2 + s3 + ... 79 Mögliche Quantenzahlen L und S gemäß Kombinationsregeln für Drehimpulse; für die Summe aus zweien gilt: L = ℓ1 + ℓ 2 , ℓ1 + ℓ 2 − 1 , ... ℓ1 − ℓ 2 mit M L = + L , L − 1 , ... − L S = s1 + s 2 , s1 + s 2 − 1 , ... s1 − s 2 mit M S = +S , S − 1 , ... − S Beachte: nach gleichem Prinzip (i) Kopplung von Gesamt(bahn)drehimpuls L und Gesamtspin S zu Gesamtdrehimpuls erzeugt die sog. Feinstrukturaufspaltung aller Elektronen J = L + S (ii) Kopplung von J und Spin I des Atomkerns zu Gesamtdrehimpuls des Atoms F = J + I erzeugt die sog. Hyperfeinstrukturaufspaltung Beispiel hier: Cd: ℓ1 = 0 ℓ 2 = 1 → L = 1 mit g L = 3 [ Kr ] 4d10 5s 5p abgeschlossen L=0 S= 0 1 1 S= + =1mit gS =3 "Triplett"− Zustand 2 2 1 1 oder S= − = 0 mit gS =1 "Singulett"− Zustand 2 2 Für Singulett-Zustände (S = 0) kein Beitrag des Spins zum magnetischen Moment! Damit im Magnetfeld nur Aufspaltung nach M L gemäß ∆E ML = µ B B0 M L : Termschema ohne / mit B ⇒ Aufspaltungen ∆E B = µ B ⋅ B0 ⋅1 Zusätzlich gelten „Auswahlregeln“ für optische Übergänge: ∆M L = 0 oder + / − 1 ⇒ Aufspaltungen in drei Spektrallinien mit ∆ℏω = Aufspaltung ∆E im Termschema! Caveat: Wie oben gilt das nur für starke äußere Magnetfelder B, sonst sieht das e− mit 80 seinem Spinmoment µS ∼ S das viel stärkere Magnetfeld BL ∼ L , das von der (scheinbaren) Kernbewegung um e− herum kommt. Dieser Effekt heißt Spin-BahnWechselwirkung. Er führt zu komplizierteren Aufspaltungen ∼ L ⋅ S der Spektrallinien im Magnetfeld als oben für den Seemanneffekt diskutiert. ⇒ ca. 80 Jahre Spektroskopie für die Atomphysiker! 6.4. Spinresonanz-Analytik 1.) Elektronen-Spin-Resonanz (ESR) oder „Electron Paramagnetic Resonanz“ (EPR). → wichtige Methode für quantitative Analyse von Defekten/Spurenelementen in Festkörpern/Flüssigkeiten. Messprinzip: Elektronen in (ggf. auch polaren) kovalenten chemischen Bindungen (gepaart!) und abgeschlossenen Schalen: S = Sges = 0 kein Gesamtspin ⇒ µS = 0 kein magnetisches Moment aber: offene Bindungen („dangling bonds“), nicht abgeschlossene Schalen: Sges ≠ 0 mit S ganz- oder halbzahlig, je nach Anzahl beteiligter Elektronen ⇒ Sz = m S ℏ oft: S= ⇒ µ z = ±2 ⋅ 1 2 mit mS = S, S − 1, ............. − S mit mS = ± 1 2 eℏ 1 ⋅ = ±µ B 2m el 2 Zeeman-Aufspaltung im Magnetfeld der Stärke B = Bz ist U B = −µ z Bz = +µ B ( 2mS ) Bz . zwei Zustände mit E = E 0 ± µ B Bz und Aufspaltung ∆E = ±2 ⋅µ B Bz = 2 ⋅ 58 µeV / T ⋅ Bz . Photonen mit dazu passender Energie werden resonant absorbiert: 81 Damit: a) Die Stärke des Mikrowellen-Absorptionssignals ist gegen einen Standard kalibrierbar, da der Spin eine „universelle Quanteneigenschaft“ der Elektronen ist. → Anzahl der Spins ist direkt messbar (Messgrenze heute, 2011: 1010 Spins) → daraus Spindichte cm −3 b) 2.) Die Genaue Bestimmung des Resonanzfeldes (typisch … ± 1 ‰) erlaubt die Bestimmung der chemischen Umgebung des Elektrons, das den Spin trägt! Kernspinresonanz- (Magnetresonanz-) Tomografie Gleiches Prinzip, aber jetzt angewandt auf magnetisches Moment des Spins des Atomkerns! Hintergrund: Alle Atomkerne tragen einen charakteristischen Spin I (analog S ) mit der ganz- oder halbzahlingen Spinquantenzahl I und Richtungsquantenzahlen m I = − I , − I + 1,..., + I , sodass I z = m I ℏ . Alle Kerne mit I ≠ 0 besitzen deswegen ein magnetisches Kernmoment µ z,K = g K ⋅ eℏ mI , 2m p mit dem charakteristischen „Kern-g-Faktor“ g K und der Protonenmasse m p . 82 eℏ = 5, 05 ⋅10−27 J / T = 32 neV / T heißt auch analog zum Bohrschen 2m p Magneton „Kernmagneton“ (klassisches magnetisches Moment des Protons als homogene Kugel mit I z = ℏ ) µK = Beispiele: I gK µ z, max Li 4 3/2 +2,17 3 / 2 ⋅ 2,17 ⋅µ K He 2 0 - 0 1 +0,404 1 ⋅ 0, 404 ⋅ µ K 0,404 1 0 1 n ½ -3,82 1,91 ⋅µ K 1 1 p0 ½ +5,58 2,79 ⋅µ K Kern * „Lithium-7“ 7 3 4 2 14 7 Neutron (radioaktiv) Proton N7 * zur Bezeichung s.u. 1 1 Das Proton ist der wichtigste Atomkern ( H 0 ) in der Medizintechnik, wegen der Möglichkeit zur Kernspinresonanz! Zeeman-Aufspaltung für Protonen=Wasserstoffatomkerne im Magnetfeld: Übergangsfrequenz mit hν = ℏω = ∆µ z Bz ν = ∆E h = 26, 7 MHz T ⋅ B ≙ Präzessionsfrequenz = g Pr oton µ K Bz ⋅ ∆m I = g Pr oton µ K Bz 1 für Pr oton Beachte: Auch die Erde vollzieht als Kreisel eine solche Präzessionsbewegung mit einer Periode von 25800 Jahren = 1 „Platonisches Jahr“. Nette Animation dazu: http://www.mgf-kulmbach.de/material/gk/anfang/platon.htm! Demonstrationsexperiment zur Spinresonanz: Kreisel mit magnetischem Moment im Magnetfeld 83 Bildgebung: 1.) Patient wird mit Hochfequenz-EM-Wellen fester Frequenz ν 0 „durchleuchtet“. Das definiert genau eine Magnetfeldstärke Bν0 für die Resonanzabsorption der Protonen. 1.) Ein supraleitender Magnet (erfordert Kühlung mit flüssigem He, 4K) erzeugt ein homogenes und konstantes Magnetfeld der Stärke Bν0 . Mit Hilfe von Gradientenspulen wird dazu ein zusätzliches Feld addiert, das in genau einer Ebene =0 ist. Durch geeignete Ansteuerung der Gradientenspulen kann diese Ebene gedreht und durch den Patienten bewegt werden. 6.5. 2.) Für jede Schicht wird dabei die Gesamt-Protonenzahl gemessen. 3.) Daraus wird im Nachhinein im Computer ein 3D-Bild der Protonenkonzentration rekonstruiert! Röntgenstrahlung (Wilhelm Conrad Röntgen, 1895) Erzeugung von Röntgenstrahlung (angelsächsisch: x-rays): Beschuss eines Metalls (Anode) durch Elektronen mit Energien zwischen 5 und ca. 200 keV in einer Vakuumröhre. ⇒ Die Energien der Elektronen in den Quantenzuständen − E n ∼ z 2 werden für schwere Atome und innere Schalen − E n ∼ z 2 sehr groß (mit negativem VZ). ⇒ Übergänge zwischen Zuständen in inneren Schalen liegen im Bereich hν ≈ 103 ...105 eV = 1...100 keV ⇒ Charakteristische Röntgenstrahlung, wenn inneres Elektron (Rumpf-Elektron) durch e− -Stoß weggekickt wird und nachfolgend von einem e− aus einer weiter außen liegenden Schale ersetzt wird. Siehe Materialien / Röntgenstrahlung Fazit: Bremsstrahlung und charakteristische Strahlung durchdringen Materie und erlauben eine Bildgebung der inneren Struktur durch Schattenwurf! Daraus ergibt sich ihre überragende Bedeutung für Materialprüfung und Medizin! 84 Für die Röntgen-Kα- Linien kann die Photonenenergie mit sehr guter Genauigkeit aus dem Bohrschen Atommodell vorhergesagt werden: Grund: das in die Lücke in der KSchale übergehende Elektron in der L-Schale sieht effektiv nur den Atomkern und das eine noch weiter innen liegende 1s Elektron, das effektiv die Kernladung +z um eine Elementarladung reduziert! Deswegen gilt wie bei wasserstoffähnlichen Atomen und Ionen die Rydbergformel für den m=2 n=1 Übergang, also: ( ) ℏωK α = E R ⋅ ( z − 1) 1 − 212 = 3 4 ⋅13, 6 eV ⋅ ( z − 1) 2 2 Das ist das Mosleysche Gesetz für die Photonenenergien der Kα -Linien der Elemente! 85