Das g − e Experiment und die Elektronenmasse

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Kapitel 8
Das g − e Experiment und die
Elektronenmasse
8.1
Das magnetische Moment des freien Elektrons:
In diesen Versuchen bestimmt man das anomale magnetische Moment des Elekrons (oder
Positrons, Müons). Derzeit ist dies der genaueste Test der Quantenelektrodynmaik (QED).
Im Magnetfeld der Penning-Falle hat man eine Zyklotronbewegung mit ωc = eB/me sowie eine
Spinpräzession. Die Spinzustände entsprechen Energien Es = −gms μB B, d.h. zum Spinumklappen ist eine Energie ΔEs = geB/2me notwendig, entsprechend einer RF-Frequenz ωs .
Durch Vergleich der Zyklotronfrequenz ωc mit der Spinumklappfrequenz ωs (auch Lamorfrequenz ωL = geB/(2me ) genannt) erhält man ωs /ωc = g/2. Gemessen wird im Experiment der
Frequenzunterschied ωa = ωs − ωc . In Realität ist es etwas komplizierter, da wie oben erwähnt,
die Frequenzen in der Penningfalle modifiziert sind. Experimentell hat man Zugriff auf
ωa = ωs − ωc + ω0− .
Die Anomalie des g-Faktors (d.h. die Abweichung von 2) wird dann gemessen durch
2 /2ω )
g−2
ωa − (ω0z
0+
=
2 /2ω ) .
2
ω0+ + (ω0z
0+
Der momentan beste Werte (Gruppe von H. Dehmelt und R. VanDyck, University of Washington) ist
g −
(e ) = 1.001 159 652 188 4(4.3),
2
eine der am genauesten gemessenen Naturkonstanten überhaupt. Das System eines einzelnen
Elektrons in einer Penning-Falle wurde von Dehmelt Geonium genannt. Geonium ist in gewisser
Weise ein künstliches Atom, mit diskreten Anregungen entsprechend der Axial-, Zyklotron- und
Magnetronbewegung. Ein Niveaudiagramm ist in Abb. 8.1 gezeigt.
8.2
Die Elektronenmasse und das magnetische Moment des
gebundenen Elektrons:
Die Elektronenmasse ist eine der Fundamentalkonstanten der Physik. Entsprechend gibt es
viele, zumeist indirekte Ansätze zu ihrer Bestimmung. Physikern der Universität Mainz gelang
es jüngst, den Wert um einen Faktor vier zu verbessern [Beie2002, Voge2003]. Sie nutzten dafür
145
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KAPITEL 8. DAS G − E EXPERIMENT UND DIE ELEKTRONENMASSE
Abb. 8.1: Energiediagramm eine “Elektron-Geonium” in einer Penning-Falle.
[Ghos1995].
Quelle:
die Messung des anomalen magnetischen Moments des Elektrons in wasserstoffartigen Ionen
[Haef2000, Verd2004].
Die Elektronenmasse geht in die Beschreibung praktisch aller physikalischen Systeme ein.
In vielen Zusammenhängen, insbesondere auf mikroskopischen Skalen, muss ihr Wert mit größt
möglicher Genauigkeit bekannt sein. Jüngst durchgeführte Messungen an gespeicherten wasserstoffartigen Ionen, also Ionen mit nur einem einzigen Hüllenelektron, liefern den Wert der Elektronenmasse mit bisher unerreichter Präzision.
Durch Elektronenstoß-Ionisation wird aus dem jeweiligen Atom ein einzelnes wasserstoffartiges Ion, beispielsweise 12 C5+ [Haef2000] oder 16 O7+ [Verd2004], erzeugt. Dieses fängt man in
einer Penning-Falle ein (siehe Abb. 8.4), wo es bei etwa 4 K im Vakuum mehrere Monate lang ge-
8.2. DAS MAGNETISCHE MOMENT DES ELEKTRONS
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speichert werden kann. Die Speicherung erfolgt durch Kombination eines magnetischen Feldes,
welches das Ion durch die Lorentz-Kraft auf eine Kreisbahn zwingt, mit einem elektrischen Feld,
das ein Potentialminimum in der dazu senkrechten Dimension erzeugt. Dadurch ist das Teilchen
in allen drei Dimensionen in seiner Bewegung eingeschränkt.
Die jeweils zugehörigen Bewegungsfrequenzen des Ions lassen sich mit sehr hoher Präzision
messen und geben Aufschluss über verschiedene Eigenschaften des Ions. Insbesondere kann der
Spinzustand des Elektrons in einem inhomogenen Teil des Magnetfeldes anhand der Bewegungsfrequenz bestimmt werden. Strahlt man Mikrowellen geeigneter Frequenz in die Falle ein, klappt
der Spin des Elektrons um. Die Frequenz, bei der die Wahrscheinlichkeit für ein Umklappen des
Spins maximal ist, gibt Aufschluss über den g-Faktor des gebundenen Elektrons.
Abb. 8.2: Die an der Universität Mainz verwendete Penning-Falle zur Bestimmung des g-Faktors
des gebundenen Elektrons in hochgeladenen Ionen. Das Ion bleibt für mehrere Monate in der
Falle gespeichert. Quelle: Doktorarbeit J. Alonso und Doktorarbeit B. Schabinger.
Ziel der Messungen am gespeicherten Ion ist die Bestimmung des anomalen magnetischen
Moments des Elektrons in seiner Bindung an den Atomkern. Dies ist die Abweichung des gFaktors vom Wert 2, wie ihn Dirac 1928 für freie Fermionen vorhergesagt hat. Der g-Faktor
verknüpft das magnetische Moment μ des Elektrons mit seinem Drehimpuls j durch die Gleichung:
e
j,
(8.1)
μ=g
2me
wobei e die elektrische Ladung und me die Elektronenmasse sind. Durch die Bindung des
Elektrons an den Atomkern wird der Wert g = 2 modifiziert. Hierbei spielt eine Vielzahl
von Effekten eine Rolle, welche insbesondere die Quanten-Elektrodynamik (QED) vorhersagt.
Für das Elektron in 16 O7+ ist der von Theoretikern der Gesellschaft für Schwerionenforschung
(GSI) in Darmstadt und der Universität von St. Petersburg in Russland ermittelte Wert gtheo =
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KAPITEL 8. DAS G − E EXPERIMENT UND DIE ELEKTRONENMASSE
2, 000 047 020 2(6) [Yero2002].
Am Institut für Physik der Universität Mainz ist nun die Resonanz der Spin-UmklappWahrscheinlichkeit des Elektrons als Funktion der eingestrahlten Mikrowellenfrequenz mit hoher Präzision gemessen worden [Verd2004]. Legt man den bislang genauesten Wert für die
Elektronenmasse zugrunde (m = 0, 000 548 579 911 0(12) u [Mohr2002]), so ergibt sich der Wert:
g = 2, 000 047 024 6(15)(44). Die erste in Klammern angegebene Unsicherheit von 1, 5 · 10−9 ist
die statistische und systematische Unsicherheit des Experiments. Der deutlich größere Fehler
in der zweiten Klammer von 4, 4 · 10−9 geht allein auf die Unsicherheit der dabei verwendeten
Elektronenmasse zurück.
Geht man davon aus, dass die QED den richtigen Wert von g liefert, so kann man umgekehrt
einen neuen Wert für die Masse des Elektrons aus dem jüngst gemessenen g-Faktor ableiten.
Man erhält m = 0, 000 548 579 909 3(3) u, entsprechend 9, 109 389 923(5) · 10−31 kg, also ein viermal genauerer Wert als zuvor [Beie2002]. Dieser neue Wert hat kürzlich Eingang in das neue
CODATA-Tabellenwerk gefunden [Mohr2005].
8.3
Das magnetische Moment des Protons und Antiprotons:
Der zurzeit genaueste Wert des magnetischen Momentes des Protons, wie er in den “CODATA
Recommended Values of the Fundamental Physical Constants 2000* ” [Mohr2005] verzeichnet
ist, wird aus der gemessenen Hyperfeinstruktur im Grundzustand des Wasserstoffatoms inklusive einiger Bindungskorrekturen errechnet. Die angegebene Unsicherheit beträgt 1 · 10−8 . Mit
einer ähnlichen Methode wie beim g-Faktor des freien bzw. gebundenen Elektrons (in wasserstoffähnlichen hochgeladenen Ionen) diskutiert, lässt sich dieser Wert um ca. eine Größenordnung
genauer bestimmen. Dies ist von allgemeiner Bedeutung für ein möglichst präzises System
der Fundamentalkonstanten. Da die Messungen am freien Proton stattfinden sollen, können
darüber hinaus die theoretisch berechneten Bindungskorrekturen im Wasserstoffatom experimentell überprüft werden. Das unten erläuterte Messverfahren ist auf nahezu beliebige geladene
Teilchen anwendbar. Insbesondere kann es auf das Antiproton angewendet werden, und die
dabei erzielbare Genauigkeit ist identisch mit derjenigen am Proton. Der Vergleich der magnetischen Momente kann als Test der CPT-Invarianz angesehen werden in der gleichen Weise,
wie dies etwa beim Vergleich der Massen von Proton und Antiproton oder der magnetischen
Momente von Elektron und Positron der Fall war (siehe Abb. 8.3). Voraussetzung für die Messungen am Antiproton ist die Verfügbarkeit dieser Teilchen bei niedrigen Energien. Dies ist zur
Zeit am AD am CERN möglich bzw. ist Bestandteil der Ausbaupläne der GSI durch den NESR,
und die Bestimmung des g-Faktors des Antiprotons mit einer Genauigkeit von besser 10−9 , sechs
Größenordnungen besser als der derzeit beste Wert, stellt ein Schlüsselexperiment für die FLAIRAnlage an FAIR dar. Das Messverfahren beruht darauf, dass ein einzelnes Proton im starken
Magnetfeld einer Penning-Ionenfalle gespeichert und durch Beobachtung der in den Fallenelektroden induzierten Spiegelladungen nachgewiesen wird [Verd2005]. Durch Widerstandskühlung
mit supraleitenden, auf die Schwingungsfrequenz des Protons abgestimmten Resonanzkreisen
wird es auf die Umgebungstemperatur von 4.2 K abgekühlt. Das Magnetfeld am Ort des Protons
wird durch Bestimmung der Zyklotronfrequenz des Protons kalibriert. Das magnetische Moment
wird aus einer Messung der übergangsfrequenz zwischen den beiden Spinrichtungen des Protons
gewonnen. Die Spinrichtung wird mithilfe des “kontinuierlichen Stern-Gerlach-Effektes” bestimmt [Quin2004]. Dabei wird die axiale Oszillationsfrequenz des Protons gemessen, die sich
in einem inhomogenen Magnetfeld gemäß dem Spinzustand des Protons verschiebt. In Experimenten an wasserstoffähnlichen Ionen wurden diese Techniken entwickelt und erprobt, es
wurden statistische und systematische Unsicherheiten unterhalb von 10−9 bei der Bestimmung
8.3. DAS MAGNETISCHE MOMENT DES PROTONS UND ANTIPROTONS:
149
der Frequenzen erzielt [Haef2000, Verd2004]. Die Anwendung des Verfahrens auf Antiprotonen
erfordert den externen Einschuss dieser Teilchen in die Penning-Falle. Nach elektromagnetischer
Abbremsung und Extraktion aus dem NESR und weiterer Reduzierung der Energie im LSRSpeicherring und in der HITRAP-Anlage, können die Antiprotonen durch geeignete Schaltung
der Käfigpotentiale eingefangen werden. Nach dem Einfang und der Isolierung eines einzelnen
Antiprotons ist das Experiment identisch mit dem Verfahren am Proton. Da die PenningFalle inklusive der Wände der Messapparatur auf der Temperatur flüssigen Heliums liegt, ist
das Vakuum hinreichend gut, um die kontinuierliche Speicherung eines Antiprotons über einen
Zeitraum von mehreren Monaten zu gewährleisten, wie dies bereits am CERN demonstriert
wurde. Die Apparatur zur Bestimmung des g-Faktor des Protons bzw. Antiprotons befindet
sich zur Zeit in meiner Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit der Gruppe um J. Walz (Universität Mainz) und W. Quint (GSI Darmstadt) im Aufbau. Die Falle zur Speicherung der Teilchen
wurde teilweise am Institut für Mainzer Mikrotechnik gefertigt und ist inzwischen fertiggestellt.
Abb. 8.4 zeigt die speziell entwickelte Penning-Falle.
magnetic moment (g - 2)
e+ e -
(g - 2)
μ+ μ-
q/m
e + e-
charge/mass
mass difference
1s–2s two-photon spectroscopy
10-18
10-15
10-12
10-9
rel. precision
p
p
K0 K0
H H
10-6
Abb. 8.3: Vergleich verschiedener CPT-Tests an unterschiedlichen Systemen.
150
KAPITEL 8. DAS G − E EXPERIMENT UND DIE ELEKTRONENMASSE
1 cm
Ring Elektrode
Abb. 8.4: Zusammenbau der zylindrischen Penning-Falle zur Bestimmung des g-Faktors
des Protons/Antiprotons. Ein Teil der Fallenkomponenten wurden aufgrund der hohen
Präzisionsanforderung und der Kleinheit der Teile am Institut für Mainzer Mikrotechnik (IMM)
gefertigt. Die Elektroden sind aus hochreinem sauerstofffreiem Kupfer hergestellt (mit dünner
Goldschicht), die Isolierringe aus Saphir. Rechts ist eine geschlitzte Ringelektrode zu sehen mit
einem menschlichen Haar als Größenvergleich. Quelle: Doktorarbeit S. Kreim und Diplomarbeit
S. Ulmer.
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