Expertenwissen 38 KUNDENERLEBNIS Differenzierung durch Customer Experience Management Kunden wollen heute mehr als günstige Preise. Damit das Kundenerlebnis ein wertvolles Differenzierungsmerkmal wird, braucht es im Unternehmen eine Bewusstseinsänderung. AUTOR RENÉ F. LISI D ie technologische Entwicklung spielt in der Kundenbeziehung eine immer stärkere Rolle. Das Kundenverhalten hat sich daher drastisch verändert. Wie aber kann ein Kundenerlebnis generiert werden? Was bedeutet eigentlich «Customer Experience Management (CEM)»? «Customer Experience Management ist der Prozess des strategischen Managements aller Kundenerlebnisse mit einer Marke an sämtlichen Kontaktpunkten.» Was heisst dann «Kundenerlebnis?» «Kundenerlebnis: Der Begriff bezeichnet die Summe der Erfahrungen, die ein Kunde bei der Begegnung und der Interaktion mit der Marke hat. Diese Berührungspunkte (sogenannte Touchpoints) umfassen die Bereiche vor, während und nach dem Kauf.» Die Menschen befriedigen ihre Bedürfnisse und Wünsche durch den Kauf von Austauschobjekten, damit sind sowohl Produkte als auch Dienstleistungen gemeint. Diese werden jedoch nicht gekauft, weil man sie besitzen möchte, sondern weil sie einen bestimmten Dienst tun sollen. Ein Kunde, der einen Bohrer kauft, braucht eigentlich keinen Bohrer, er braucht ein Loch in der Wand. Der Bohrer ist also austauschbar, das Loch in der Wand kann jedes gleichwertige Produkt bieten. Die Austauschbarkeit führt dazu, dass dem Unternehmen als einzige Alternative zu einem Preiskampf bleibt, sein Angebot von dem des Wettbewerbers zu differenzieren. Die Differenzierung kann über die Produktpolitik, die Kommunikationspolitik, die Distributionspolitik, die Preispolitik oder aber auch über ein strategisch gesteuertes Kundenerlebnis, also Customer Experience Management, mit dem die Kundenerwartungen übertroffen werden können, geschehen. Eine bisher sehr häufig angewandte Methode zur Steigerung der Loyalität ist das Customer Relationship Management. Bei Customer Relationship Management geht es darum (siehe Don Peppers & Martha Rogers, 1to1 Future, 1993), Wissen über seine bestehenden und zukünftigen Kunden zu sammeln und anschliessend dieses Wissen in nachhaltige, personalisierte Massnahmen umzusetzen (learning relationship oder Customer Experience). Dieser «Umsetzungsaspekt» kann somit auch als Customer Experience Management bezeichnet werden, welches das Management der Interaktionen in Bezug auf das Erlebnis, die ein Unternehmen zu seinen Kunden hat darstellt. Diese Interaktionen betreffen alle Berührungspunkte, die die Leistung an sich betreffen, die Sinne der Kunden berühren, sowie beim Kunden Emotionen in Bezug auf die Marke hervorrufen. «Customer Experience Management steckt in Europa noch in den Kinderschuhen.» BLICKPUNKT KMU René F. Lisi ist seit mehr als 20 Jahren tätig im Bereich Customer Management,39 Customer Service. Er begleitet Firmen auf dem Weg zum kundenorientierten Unternehmen. www.share4you.ch Der Ansatz des Customer Experience Managements ist besonders für Unternehmen wichtig, die sich nicht durch billige Preispolitik differenzieren wollen. Bedingt durch die massive Veränderung ökonomischer Einflussgrössen in Form von einer Zunahme des Wettbewerbs, dem Phänomen gesättigter Märkte und niedrigen Zuwachsraten erscheint es umso wichtiger, Strategien zu finden, innerhalb derer Erhöhung der Kundenbindung erreicht wird, deren Zielerreichungsgrösse in Form von Kundenloyalität dargestellt werden kann. Customer Experience Management steckt in Europa noch in den Kinderschuhen, sowohl in der Forschung, als auch als Anwendung in den Unternehmen. Worin unterscheiden sich CRM und CEM? FOTOS: FOTOLIA UND ZVG. Die Grundüberlegung von Customer Relationship Management ist es, nicht wie beim klassischen Marketing-Ansatz Kunden für die Produkte zu finden, sondern Lösungen für die Kunden. Es soll also die Produktorientierung durch die Beziehungsorientierung ersetzt werden. CRM CEM Fokus liegt auf der Perspektive vom Unternehmen hin zum Kunden. Unternehmens-, Daten- oder Prozesszentrierung JOTJEFPVUBQQSPBDI Fokus liegt auf der Perspektive vom Kunden hin zum Unternehmen. Kundenzentrierung (outside JOBQQSPBDI Management von Kundenbeziehungen zur Optimierung der Rendite. Management von Kundeninteraktionen zur Optimierung von Kundenerlebnissen über alle Touchpoints. Daten- und Prozessorientierung Interaktions- und Erlebnisorientierung Benutzt quantitative Methoden um ein Customer Insight zu erhalten. Benutzt eine genaue, qualitative Analyse der Kundenerlebnisse um ein Customer Insight zu erhalten. Ziel ist es, effektive Prozesse, Programme und Organisationen zu kreieren, um bessere Kundenbeziehungen zu erhalten. Ziel ist es, bei jeder Interaktion mit dem Unternehmen das bestmögliche Erlebnis für den Kunden zu kreieren. BLICKPUNKT KMU Sieben Schritte zum besseren Customer Experience Management Basierend auf unserer Erfahrung gibt es sieben wichtige Schritte , die Unternehmen ergreifen können, um ihre Fähigkeit zu verbessern, Kundendaten zu erfassen, zu analysieren, darauf zu reagieren und dadurch die Kundenerfahrung zu erhöhen. Aufgeführt sind zudem einige Kernfragen, welche es zu beantworten gilt (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Schritt 1: Bedürfnisse, Wünsche und Vorlieben Ihrer Zielgruppe kennen und verstehen. Haben sich Bedürfnisse und Präferenzen Ihrer Zielgruppen verändert? Wie differenzieren Sie Ihre Produkte und Dienstleistungen? Wie gut entspricht Ihre Produkte-/Servicelandkarte den heutigen Marketingtrends? Wie erfolgreich sind Sie gegenwärtig in Bezug auf Renewal, Up-Sell und Cross-Sell? Schritt 2: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen, um die Wirkung von Marketing, Vertrieb und ServiceEntscheidungen zu verstehen und zu priorisieren. Wie bestimmen Sie welche Märkte bearbeitet oder ggf. aufgegeben werden? Wie hoch ist Ihr «cost to serve» unter Berücksichtigung der gegenwärtigen onlineund offline- Angebote? Schritt 3: Kundenverhalten analysieren und darin Muster erkennen und Erarbeiten von entsprechenden Massnahmen. Welche Faktoren sind gegenwärtig massgebend für die Veränderung des Kaufverhaltens? Wie erreichen Sie am besten Ihre «profitabelsten Kunden»? Welches sind Ihre erfolgreichsten Kampagnen? Welches sind die nicht erfolgreichen Kampagnen? Schritt 4: Entwicklung von zielgrupenspezifischen Kunden-Management-Plänen. Wie erfolgreich sind Ihre win-back Strategien? Wie managen Sie heute Ihre Prospects? Expertenwissen Welches sind die bevorzugten Kommunikationskanäle Ihrer Kunden? Welches sind die kritischsten Touchpoints in Ihrem Sales und Service Lifecycle? Schritt 5: Entwicklung einer kundenorientierten Informationsarchitektur. Wie schnell können Sie neue Kundeninformationen innerhalb Ihres Unternehmens zugänglich machen? Ist Ihre IT-Architektur auf Produkte oder Kunden ausgerichtet? Sind Marketing- und Kundendatenbank integriert? Schritt 6: Bereitstellen von Workflowbasierten Tools für Marketing, Vertrieb und Service. Welche Workflow-Tools nutzen Sie? Wie viel Kontrolle hat Ihr Kunde bei Serviceleistungen mittels Online-Portalen? Wie lange benötigen Sie im Durschnitt für die Lösung einer Serviceanfrage? Schritt 7: Erstellen einer Customer Experience Landscape, um Berührungspunkte zu optimieren. Wer ist innerhalb Ihres Unternehmens verantwortlich für die Customer Experience? 40 Kann Ihre Firma Wachstum mittels Customer Experience als Unterscheidungsmerkmal erzielen? Schlussfolgerung Das Kundenverhalten hat sich drastisch verändert und weiterentwickelt. Die technologische Entwicklung spielt dabei auch eine gewichtige Rolle wie z. B. mobile Geräte, social-mediaPlattformen usw. Kunden sind heute stärker vernetzt, tauschen sich mit anderen Menschen aus, sind besser informiert und legen mehr Wert auf Qualität. Um die auf Customer Experience basierende Differenzierung zu erzielen, empfiehlt es sich, die Kunden früh in sämtliche Prozessüberlegungen aktiv miteinzubeziehen. Dazu gehören auch der Produktentwicklungsprozess und sämtliche Touchpoint-Prozesse. Überprüft man die Prozesse konsequent aus der Perspektive des Kunden (outside-in), wird sichergestellt, dass die Kundenerfahrung im Vordergrund steht. Nur auf diese Art und Weise kann sichergestellt werden, dass das Markenversprechen auch wirklich vom Kunden erlebt werden kann. ● «Das Kundenverhalten hat sich drastisch verändert.» BLICKPUNKT KMU