SPRECHERTEXT 360° - Die GEO-Reportage Film Titel: „Die Millionen-Dollar-Hirsche“ Ein Film von Klaus Reisinger und Frederique Lengaigne Länge: 52 Minuten 00:05 Kommentar Sasha Tcherepanov und seine Brüder sind auf dem Weg zur Arbeit. 00:20 Sie erledigen einen blutigen Job. Die Geweihe dieser Maralhirsche werden ihnen eine Menge Geld einbringen. 00:37 Titel „Die Millionen-Dollar-Hirsche“ 00:53 O-Ton Yevgeny Ich bin Yevgenyi Tcherepanov. 00:56 O-Ton Yuri Ich bin Yuri Tcherepanov. 00:58 O-Ton Vladimir ich bin Vladimir Tcherepanov. 01:01 O-Ton Sasha Ich heiße Sasha Tcherepanov. Seit 1997 bin ich der Vorsteher hier in Sauzar. Ich arbeite mit fünf Männern aus Talda und meinen drei jüngeren Brüdern. 1 01:24 O-Ton Sasha Jetzt werden wir sie von dieser Seite zusammentreiben. (01:28) Falls einige Hirsche entkommen, laufen wir ihnen nicht nach. (01:36) Die Treibjagd ist auch so schon schwierig genug. (01:46) Wenn einer oder zwei ausbrechen und an uns vorbeirennen, sind sie weg. Die kann man gleich vergessen. Sie laufen geschickt im Kreis herum und entkommen so in die andere Richtung. (02:01) Da sind sie schon 02:03 O-Ton Magomet Das waren ganz junge. 02:10 Kommentar Marale, sibirische Rothirsche, gelten mit einer Schulterhöhe von bis zu zwei Metern als die größten Hirsche der Welt. 02:18 Die Geweihe dieser Herde sind mehrere Millionen Dollar wert – so lange die Tiere sie noch nicht abgeworfen haben. Händler aus Korea verarbeiten sie zu fernöstlicher Medizin. 02:44 O-Ton Dima Guten Morgen. (02:46) Volodia wartet schon auf uns. Er ist heute der Erste. 2 02:55 Kommentar Die Tcherepanov wohnen in Talda, Brüder einem und ihre kleinen Kollegen Dorf, im Dreiländereck China, Mongolei und Kasachstan. Ihr Arbeitsplatz ist etwa 30 Kilometer entfernt. 03:15 Das Reservat ist 5000 Hektar groß. Während der Sowjetzeit gehörte es mitsamt den umliegenden Feldern und Höfen einer Kolchose an. Heute ist alles im Besitz einer privaten Aktiengesellschaft aus Novosibirsk. 03:33 Sasha Tcherepanov und seine Männer verdienen als Wildhüter umgerechnet etwa 250 Euro im Monat. 03:42 Das Hirschrevier, ihr Einsatzgebiet, reicht bis über die nahegelegene Bergkette. Im Winter kann es hier bis zu minus 55 Grad kalt werden. 03:56 Jetzt, Ende Mai, wird es langsam wärmer. 04:06 Tiere und Pflanzen haben nur wenige Wochen Zeit, um zu wachsen und sich fortzupflanzen. In weniger als drei Monaten fängt der Winter wieder an. 3 04:46 Kommentar Die männlichen Maral-Hirsche stoßen in jedem Winter ihre Geweihe ab. Im Frühling wachsen sie dann mit feinem Samt überzogen wieder nach. Jetzt, in diesem Zustand, sind die Geweihe am wertvollsten und sollen den Hirschen abgenommen werden. Auf die insgesamt 2500 Tiere beginnt eine Treibjagd. 06:09 Sasha und seine Männer jagen die Marale in die Ebene, wo sie in einem Pferch zusammengetrieben werden sollen. 07:15 Die lange Treibjagd verläuft reibungslos, bis die scheuen Tiere keine Fluchtmöglichkeit mehr sehen. 07:54 Mit Fahnenstangen teilen Vladimir und Yevgenyi Tcherepanov die Hirsche jetzt in kleinere Gruppen ein. 08:13 Sasha inspiziert jeden Hirsch ganz genau. 08:18 Die ausgewählten Tiere kommen ins rechte Schott. 08:24 O-Ton Sasha Ab nach Hause. 4 08:27 Kommentar Durch die linke Tür laufen die Tiere, die heute verschont geblieben sind. Ihr Geweih ist noch nicht groß genug. 08:55 Weil es erst der Anfang der Saison ist, schickt Sasha Tcherepanov die meisten Marale wieder ins Revier zurück. 09:08 Bis in den Juli wird sich das Ritual alle drei Tage wiederholen. 09:21 Ungefähr 60 Hirsche wurden heute ausgewählt. Stolze ausgewachsene Tiere, deren Geweihe zehn bis 14 Enden haben. 09:31 Hirschgeweihe wachsen im Frühjahr über einen Zentimeter am Tag und sind damit nicht nur der am schnellsten wachsende Körperteil, sondern auch der einzige, der sich bei Säugetieren regelmäßig regeneriert. 09:50 In diesem Verschlag wird den Maralen das Geweih abgenommen. Es ist noch voll durchblutet – die Prozedur mit der Säge hinterlässt entsprechende Spuren. 10:49 Wenn alles vorbei, ist lässt Sascha Tcherepanov die Tiere wieder in die Wildbahn zurück. 5 11:09 Kommentar Die erfahrenen, älteren Männchen erinnern sich an die Tortur der vergangenen Jahre. Sie sträuben sich mit all ihrer Kraft. 11:54 Alle verfügbaren Männer sind notwendig, um solch ein 350 Kilogramm schweres Kraftpaket zu bändigen. 12:10 Wie starke Schmerzen die Hirsche durch das Absägen ihrer Geweihe erleiden, ist unklar. Denn schon durch die Treibjagd werden bei den Tieren massenhaft Stresshormone ausgeschüttet, die den akuten Schmerz nahezu betäuben. Diese Art Schockzustand kann allerdings auch zum Herzstillstand führen, wenn die Männer ein Tier zu lange festhalten. Sie müssen sich also beeilen. 12:37 O-Ton Sasha Nach jedem Schnitt desinfizieren wir sorgfältig das Sägeblatt. (13:01) Je schneller wir die Tiere hereintreiben und ihnen das Geweih absägen, desto geringer der Stress. 13:24 Kommentar Jede einzelne Geweihstange wird sorgfältig registriert und mit einer Seriennummer versehen. 13:58 Das Reservat wird wie ein Wirtschaftsunternehmen geführt. 6 14:06 O-Ton Sasha Die männlichen Hirsche leben hier ungefähr 15 Jahre. Am Anfang haben sie nur kleine Hörner, die dann von Jahr zu Jahr immer ein wenig größer werden. Jedes Jahr wenn wir Sie zusammentreiben, ersetzen wir etwa hundert Alte durch hundert junge Neugeborene. 14:40 Kommentar Ehefrauen und Kinder kommen manchmal aus dem Heimatdorf Talda nach Sauzar zu Besuch. 14:48 O-Ton Vladimir Den ersten Schnitttag feiern wir immer zusammen, alle Familien sind eingeladen. (14:55) Das ist Tradition bei uns. Morgen ist die Feier vorbei, und wir machen uns alle wieder an die Arbeit. 15:15 O-Ton Volodia Der Hirsch wird da drinnen festgemacht (15:19) Dann schneiden wir das Geweih ab und lassen ihn wieder hinaus. (15:30) Da läuft er wieder. 15:36 O-Ton Dima Schafkutteln - unsere lokale Spezialität. 7 15:43 O-Ton Volodia Das Wichtigste ist es gesund zu bleiben und als Freunde gut zusammenzuhalten. 16:05 O-Ton Frau Das ist unsere russische Technologie. 16:24 Kommentar Als die Familien abfahren, fängt es an zu schneien, mitten im Juni. 16:30 Bis zum Ende des Sommers werden die Männer in Doppelschichten arbeiten müssen – Tag und Nacht. Denn nach dem Absägen der Geweihe müssen diese getrocknet werden – und bewacht. 16:41 Jeden Abend Nachtdienst wertvollen werden eingeteilt. Trophäen drei Sie auf Männer passen und zum auf die heizen die Trockenräume immer wieder an. 17:31 Früher hat man in dieser Region des Altai Gebirges nie Aasgeier zu Gesicht bekommen. 17:46 Vor zehn Jahren tauchten plötzlich Himalaja- und Schwarzgeier aus China und der Mongolei auf. 18:12 Die Einheimischen nennen sie “die neureichen Russen” wegen ihrer modernen Kahlkopf- Haarschnitte. 8 18:38 Kommentar Volodia ahnt, warum die Aasgeier sich heute in Sauzar versammeln. 18:45 Er reitet quer durch das Tal zu einer Waldlichtung, wo die Marale regelmäßig grasen. 18:55 Einer der Hirsche, dessen Geweih gestern beschnitten wurde, liegt tot am Rand des Waldes. 19:01 O-Ton Volodia Sein Herz hat aufgegeben. (19:03) Er hat schon gestern am ganzen Körper gezittert. Er war wirklich arm dran. Man kann seine Spur 200 Meter weit im Gras sehen. Es hängt von der körperlichen Verfassung der Marale ab und vom Schnitt. (19:15) Je schneller alles vorbei geht, umso besser. Wenn sie sich sträuben und gegen die Wände laufen, ist es am Schlimmsten, und sie bekommen manchmal einen Herzschlag. 19:27 O-Ton Sasha Letztes Mal haben wir vier oder 500 Marale inspiziert. Davon hab ich 60 ausgewählt und beschnitten. Heute werden es einige mehr. 9 19:37 Kommentar Drei Tage später. 19:42 Erneut treiben die Männer die Hirsche aus dem Wald heraus in Richtung Tal. 19:53 Die Marale laufen eine kilometerlange Schneise hinab bis zur Koppel. 20:15 Es erfordert viel Geschick, um Ruhe und Ordnung in dieses Chaos zu bringen. 20:20 Die nötigen Kenntnisse bekamen Sasha Tcherepanov und seine Männer von ihren Eltern vermittelt. In der Gegend von Talda hat Hirschhaltung eine lange Tradition. 20:42 O-Ton Sasha Den hier müssen wir beschneiden, diesen auch und den da drüben. Der andere darf wieder in den Wald zurück. Der da darf auch nach Hause. (21:00) Der alte Bock da möchte unbedingt in den Kochtopf – das ist ein ganz böser. (21:07) Zehn oder 20 Hirsche kann man leicht vorantreiben. Wenn aber ein einzelner übrig bleibt, ist das schon schwieriger. → 10 (21:17) O-Ton Sasha Dieser Hirsch hier hat noch drei runde Wölbungen auf dem Geweih. Bei dem da drüben sind sie schon ganz schön spitz, nicht mehr so rund. Den müssen wir dringend beschneiden. 21:35 Kommentar Der Arbeitstag neigt sich dem Ende. Die Männer sind erschöpft. 21:40 Ungeduldig treiben sie zu viele Tiere auf einmal in den Ring. Plötzlich bricht die Herde aus und weicht in Panik zurück. Die Männer suchen Zuflucht auf den Zäunen. Nur um Haaresbreite entkommen sie den Hufen der Hirsche. Nichts in der Welt kann die Tiere jetzt mehr aufhalten und Yevgenyi Tcherepanov steht ihnen im Weg. 22:02 Beim Versuch auszubrechen verhaken sich ihre Geweihe untereinander und im Zaun. Einigen Tiere werden die Hörner dabei brutal heraus gerissen. 22:14 Die verwundeten Tiere versuchen hilflos, die abgebrochenen Geweihe abzuschütteln. 11 22:23 Kommentar Anschließend ziehen die Tcherepanov Brüder Bilanz: Zwölf Hirsche sind verwundet. Einige werden wahrscheinlich nicht überleben. 22:30 Dieses Geweih wächst nächstes Jahr sicher nicht nach. Sasha Tcherepanov zieht die Konsequenzen: 22:36 O-Ton Sasha Morgen fangen wir noch früher an. Am vierten Juni schneiden wir, am fünften werden die Geweihe gekocht, am sechsten fangen wir die Hirsche zum Schneiden wieder ein. 22:47 O-Ton Volodia Wie sollen wir mit so wenig Schlaf auskommen? 22:52 Kommentar Trotz des Unfalls geht die Arbeit in Sauzar weiter. 23:00 Die Männer können nicht länger warten. Im Juni sind die Geweihe der Marale fast auf die Maximalgröße herangewachsen. 23:10 Dies ist der richtige Zeitpunkt, um die Geweihe zu kappen. Sie sind noch mit den Basthaaren überzogen und voll durchblutet. Bald darauf verhärten sie und werden wertlos. 12 23:21 O-Ton Sasha Dieses Ding hier nennen wir das Akkordeon. Die Lederriemen wickeln wir ganz eng um den Geweihansatz, um so den Hirsch festzuhalten und den Blutverlust zu verringern. 23:34 Kommentar Der Stauschlauch Aderpresse wirkt sondern aber auch nicht als nur als zusätzliche Betäubung. 23:50 Bevor sie wieder freigelassen werden, wird ein antiseptisches Pulver auf die Wunde gerieben. Es fördert die Blutgerinnung und vermeidet Infektionen. 24:08 O-Ton Sasha Jetzt geht es ans Abwiegen der Geweihe, und dann kochen und trocknen wir sie. Morgen werden sie zum zweiten Mal gekocht und dann geht es ab in die Trockenkammer. 24:31 Kommentar Jedes Geweih wird abgewogen, von allen Seiten inspiziert und millimetergenau vermessen. 24:41 Yura Sinyelnikov repariert sorgfältig jegliche Beschädigung am weichen Samt. 13 24:52 O-Ton Sasha Unsere Prozedur ist unheimlich alt. Seit vielen Jahrhunderten macht man das so, ganz nach der Chinesisch-Tibetischen Tradition. (25:01) Jedes Geweihpaar kochen wir für genau zwei Minuten. Während die einen ruhen, kümmern wir uns um ein anderes Paar. Wir wiederholen das dreimal. (25:11) Die etwas größeren Geweihstangen, neun bis zehn Kilo oder schwerer, kochen wir für drei Minuten mit 95 Grad. (25:21) Hier bei uns im Gebirge kocht das Wasser nämlich wegen der dünnen Luft schon bei 95 Grad. (25:30) Danach sind die Hörner sterilisiert. (25:33) Alle Mikroben und Bakterien sind jetzt abgetötet. (25:36) Zwei Minuten sind jetzt vorbei, und wir machen mit der nächsten Runde weiter. 25:52 O-Ton Yevgeny Die Temperatur steigt langsam im Geweihansatz an und drückt das Blut heraus. Schau – siehst du wie es da heraustropft? (25:59) Zum Schluss ist die ganze Badewanne voll damit. 26:08 O-Ton Sasha Fünfzehn Kilo. (26:11) Das ist unser heutiger Rekord (26:14) Das größte Geweih in unserer Kolchose war 26 Kilogramm schwer. Das war wirklich ein ganz tolles Paar. 14 (26:32) O-Ton Sasha Dieses Paar hier ist auch nicht schlecht. Das Linke ist absolut perfekt. Das Rechte ist leider nicht groß genug. Ich hätte noch ein wenig warten sollen, dann wäre es noch größer geworden. (26:46) Hier drinnen muss es zwischen 73 und 75 Grad heiß werden. Gestern haben wir die Geweihe zum ersten Mal getrocknet. (26:55) Heute waren sie sechs Stunden drinnen. (26:57) Morgen werden es fünf Stunden sein, und am vierten Tag lassen wir sie ruhen. Der ganze Prozess dauert fast einen Monat lang. 27:05 Kommentar Der genaue Konservierungsvorgang der Geweihe ist ein strenges Berufsgeheimnis. 27:09 O-Ton Volodia Hier - 300 Dollar und noch einmal 300. 27:13 Kommentar Das im Geweih angestaute Blut muss so konserviert werden, dass weder die Farbe noch das Aussehen beeinträchtigt werden. 27:50 O-Ton Volodia Das ist Blut. (27:56) Maral Blut. Es ist medizinisch wirksam. 15 28:01 Kommentar Seit Ewigkeiten glauben Menschen an eine Verbindung zwischen dem schnellen Wachstum von Hirschgeweihen und sexueller Potenz. 28:09 Vor zwei Jahren hat Sasha einige Badewannen in Sauzar installiert. Damit bietet er HirschblutTherapien an - für wohlhabende russische Geschäftsleute. 28:20 Jeden Frühling kommen Besucher, um im ausgekochten Blut zu baden. Die angebliche Heilwirkung reicht von Rückenschmerzen, über Arthritis und Immunschwäche bis hin zur Stärkung der sexuellen Ausdauer. 28:32 O-Ton Kazakh Er kommt schon seit sechs Jahren hierher zur Kur, ich zum ersten Mal. Schau dir den Unterschied an. In sechs Jahren sehe ich dann so aus wie er. 28:56 O-Ton Tatjana (Kerstin) Also, sag schon! 29:00 O-Ton Maximus (Oliver Nitsche) Das ist russisches Viagra 29:06 O-Ton Tatjana (Kerstin) Die hier sind so richtig hart. Sind die schwer. 16 (→ → Musik rausnehmen) 29:17 O-Ton Romanov Du musst verstehen, dass ein einziges Geweih das Leben von mehreren tausend Menschen erleichtern kann. Die Leute hier machen das nicht, weil sie Spaß an der Quälerei haben. Den Tieren werden Impfungen verabreicht, und man versucht sie so gut wie möglich lokal zu betäuben. Wenn ihnen die Geweihe abgesägt werden, tut man ihnen eventuell sogar einen Gefallen. Denn die Marale verspüren auch starke Schmerzen, wenn die Hörner wachsen. (29:45) Darum glaube ich, dass wir die Interessen von Greenpeace nicht ganz vernachlässigen. 29:52 Kommentar Tierschützer halten die Geweih-Ernte für völlig unsinnig – und derartige Verteidigungsargumente für haltlos. 30:01 Mitte Juli hängen schon mehrere tausend Geweihe im Lagerhaus. 30:06 Jedes Einzelne wird regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls repariert. 30:11 Yura Sinyelnikov ist für den Konservierungsprozess der Hörner verantwortlich. 17 30:17 O-Ton Yura Während der Treibjagd werden sie oft beschädigt. (30:20) Da gibt es dann einen Blutstau. Schau dir nur diese Beule an. (30:25) Man kann das mit einem “blauen Auge“ oder einem Bluterguss vergleichen. Falls ich das Blut hier nicht rauslasse, bricht später die Haut auf. (30:38) Dann wäre es fehlerhaft, und wir würden nur einen Spottpreis dafür bekommen. (30:42) Das ist jetzt komplett repariert. Die sind alle wieder wie neu. 31:07 O-Ton Assim Ich reite jetzt in die Berge, um die Nachtwache zu beginnen. Das ist wichtig, falls Wilderer versuchen, unsere Marale abzuschießen und mit den Geweihen davonzulaufen. (31:23) Ich bleibe die ganze Nacht draußen. Man weiß ja nie, welche Tricks diese Leute auf Lager haben. Morgen früh komm ich dann wieder zurück. 31:43 Kommentar Ein allradbetriebener Lastwagen patrouilliert entlang der abgezäunten Reviergrenze. 32:03 Seit ewigen Zeiten jagt man in dieser Gegend die Marale wegen ihrer Geweihe. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren sie fast ausgerottet, bis die sowjetische Regierung Reviere wie Sauzar anlegte. 18 32:25 Kommentar Nur deshalb überlebten die Marale bis heute. Als Gegenleistung müssen sie jedes Jahr ihre Geweihe opfern. 32:39 Wenn der Sommer seinem Ende zugeht, findet man die Hirsche oft außerhalb des Waldes. In der Nähe der Bäche bleibt das Gras trotz der Trockenheit noch etwas länger frisch. 32:52 Mitten unter den geweihlosen Hirschen taucht ein imposanter 14-Ender auf. 32:57 Jedes Jahr schaffen es einige Tiere, der Treibjagd zu entgehen. 33:05 Wenn in wenigen Wochen die Brunftzeit beginnt, wird der Glückliche als einer der wenigen in voller Pracht um seinen Harem kämpfen. 33:15 Der abtrünnige Hirsch hat von Sascha Tcherepanov nichts mehr zu befürchten. Die Saison ist abgeschlossen, und die Geweihernte liegt zum Verkauf bereit. 33:26 Heute ist Stichtag. 33:48 Kim Jin Gon, ein koreanischer Einkäufer, nimmt den Brüdern seit Jahren einen Großteil ihrer Produktion ab. 19 33:59 O-Ton Direktor Na, haben Sie auch genug Geld mitgebracht? Falls nicht, lohnt es sich gar nicht, sich umzusehen. 34:06 Kommentar Großhändler Kim reist seit zehn Jahren einmal im Jahr nach Russland. Er kauft für 40 Millionen Dollar die Hälfte der russischen Geweihproduktion auf und verkauft sie in Korea an Arzneihersteller weiter. In Sauzar gibt er eine Million Dollar aus. Für Sasha Tcherepanov ist er der Hauptkunde. 34:26 O-Ton Sergej Der hier stammt von einem besonders gesunden Hirsch. 34:31 O-Ton Kim Trotzdem, diese Art von Geweih ist nicht gut für die Verarbeitung. Er hat drei Vergabelungen. 34:36 O-Ton Sergej Wenn wir sie abschneiden sollen, müssen Sie uns aber mehr Geld pro Kilo zahlen. 34:41 O-Ton Sasha Wir können das schon so abschneiden wie sie wollen. Ich hab das verstanden. 20 34:46 O-Ton Sasha Das kostet dann aber 100 Dollar mehr pro Kilo. (34:48) Ich verstehe schon, je regelmäßiger und ohne Vergabelung, desto besser. 34:53 Kommentar Jeder weiß, dass Kim alle Geweihe kaufen wird. Es ist nur eine Frage des Preises. 35:04 Der Koreaner kontrolliert jede einzelne der über tausend Geweihstangen. 35:09 Als erstes überprüft er den Geruch, dann Form und Größe und zum Schluss die feinen Basthaare. Weniger gefragte Geweihe von alten Hirschen sind mit einem härteren Fell überzogen. 35:23 O-Ton Sasha Das ist das Siegel von Sauzar. Falls Sie wollen, kann ich die Verästelung hier abschneiden, damit es zu einer besseren Kategorie zählt. 35:32 Kommentar Um sicher zu sein, muss Kim auch die Farbe des Inneren überprüfen. 21 35:35 O-Ton Kim Das ist nicht gut. 35:40 O-Ton Sergej Nein, das ist völlig in Ordnung. 35:45 O-Ton Kim Schauen Sie doch, die Farbe hier ist nicht richtig. 35:48 Kommentar Wenn das Kochen und Trocknen korrekt ausgeführt wurde, muss das Innere gleichmäßig schokoladenbraun sein. 35:56 O-Ton Sergej Was meinen Sie? Nicht in Ordnung. 35:59 O-Ton Kim Ich zeige es Ihnen. 36:08 O-Ton Sergej Was, der kleine weiße Rand hier? 36:11 O-Ton Kollege Das Innere ist auch viel zu dunkel. 22 36:16 O-Ton Sasha Das kommt von einem Problem mit der Kochtemperatur. (36:19) Das eine Geweih ist offensichtlich nicht gut – keine Diskussion. 36:25 O-Ton Kim Bei uns in Korea verwendet man russische Bastgeweihe für fernöstliche Medizin. Wir glauben, dass es die Besten sind, weil sie hier manuell und nicht industriell verarbeitet werden. 36:40 Kommentar Kim und Sascha schließen ihr Geschäft erfolgreich ab. 37:04 Im September beginnt die Paarungszeit bei den Maralen. 37:13 Yuri Tcherepanov beobachtet das Ritual. 37:36 Mit einer selbstgebastelten Flöte und knackenden Ästen imitiert Yuri einen Rivalen. 37:50 Vor dem Morgengrauen hat Yuri alle Tore geöffnet. Seit dem Frühling leben die männlichen Marale von den Hirschkühen getrennt. Jetzt dürfen sie wieder zu ihnen. 2500 Tiere drängen jetzt zum jährlichen Familientreffen. 23 38:19 Kommentar Es ist hauptsächlich eine Frage des Geruchs und des Brunftgeschreis. Um ihr Revier abzustecken, wetzen die Männchen ihren Kopf an Bäumen. So hinterlassen sie eine Duftspur. 38:50 Danach wälzen sie sich im Schlamm, um so ihren Geruch über den ganzen Körper zu verteilen. 39:13 Der alte Hirsch wird trotz seines Geweihs nur schwer eine Partnerin finden. Sein Geruch kennzeichnet ihn als altes Tier. 39:27 Die erfolgreichsten Männchen versammeln unabhängig von ihrem Kopfschmuck bis zu 40 Hirschkühe in ihrem Harem. 39:39 Die meiste Zeit verbringen sie damit, diese Weibchen zusammenzutreiben und fremde Freier fernzuhalten. 39:56 Den Bullen bleibt nur wenig Zeit zum Grasen. Am Ende der Brunftzeit sind die meisten Hirsche regelrecht abgemagert. 40:26 Rechtzeitig vor Wintereinbruch ist die Geweihernte verpackt und auf dem Weg nach Korea. 40:33 Die letzten warmen Herbsttage nutzt Sasha Tcherepanov für einen Kurzurlaub an einem abgelegenen Gebirgssee. 24 40:43 Kommentar Wie die meisten seiner Landsleute ist auch Sasha ein passionierter Angler, und die klaren Gewässer des Altaigebirges haben einiges zu bieten. 41:27 O-Ton Sasha Weltrekord ist das keiner, aber so schlecht ist es auch wieder nicht. (41:35) Nochmal. Normalerweise fange ich zwei. 41:53 Kommentar Die Geweihe sind inzwischen in Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, eingetroffen. 42:01 Das Lagerhaus des Großhändlers Kim Jin Gon. 42:07 O-Ton Kim Ich will Ihnen erklären, was mit den Stangen passiert, sobald sie aus Russland ankommen. (42:13) Nach der Verzollung werden sie zu uns ins Büro geliefert. (42:20) Als erstes brennen wir das Fell ab. (42:25) Dann kommen die Geweihstangen in einen Hochdruckbehälter mit reinem Alkohol. Damit getränkt, können wir sie besser in dünne Scheiben schneiden. 25 (42:47) O-Ton Kim Jede Scheibe wird dann in eine von drei Kategorien eingeteilt, je nachdem ob sie vom Ende, der Mitte oder der Basis des Geweihs stammt. (42:58) Der Verband für fernöstliche Medizin vertreibt dann die Geweihe im ganzen Land an Ärzte und Krankenhäuser. 43:06 Kommentar Koreaner konsumieren 90 Prozent aller am Weltmarkt gehandelten Bastgeweihe. 43:13 O-Ton Dr. Kim Yung Yeal Die Wirkstoffe, die wir hier verwenden, sind hauptsächlich Wurzeln, Pflanzenstengel, Rinde, Blätter und Früchte. Außerdem auch einige wichtige Tierprodukte und Mineralien. 43:26 Kommentar Seit 2000 Jahren verwendet man in Asien Bastgeweihe als Heilmittel. Ein Medizinlexikon aus dem 16. Jahrhundert beschreibt Hirschgeweihe gar als das zweitwichtigste Grundelement nach Ginseng. 43:39 Koreaner geben jährlich über 300 Millionen Dollar für Medikamente aus Bastgeweihen aus. 26 43:44 Kommentar Doktor Kim Yung Yeal ist Arzt in Seoul und Spezialist für fernöstliche Medizin. 43:52 O-Ton Patientin Ich komme heute zu Ihnen, weil ich Schmerzen habe. Energie hab ich auch keine. Ich fühle mich permanent müde. 44:00 O-Ton Dr. Kim Yung Yeal In der fernöstlichen Medizin verwenden wir eine Elektrodiagnose. Wir lassen eine ganz geringe Stromspannung durch den Patienten fließen und messen die elektrische Resistenz des Körpers. (44:13) Die Energie, die wir “Gyi” nennen, messen wir in Milliampere, um zu sehen, wieviel der angewandten Spannung der Körper absorbiert. (44:23) Damit können wir eine genaue und objektive Diagnose abgeben. (44:27) Es bestätigt, dass Sie leicht müde werden und Sie Muskelschwäche im Bereich der Arme und Beine haben, aber auch in den Gelenken. (44:38) Auch Stress ist für Ihren Zustand verantwortlich. (44:44) Das Rezept für Ihre Medizin hat 27 verschiedene Zutaten, und eine davon ist Hirschgeweih. (44:54) In Korea haben die Leute einen großen Vorteil, weil sie westlichen die Wahl Arzt haben oder zwischen einem einem traditionell Fernöstlichen.→ 27 (45:07) O-Ton Dr. Kim Yung Yeal Ärzte, die fernöstliche Medizin praktizieren, studieren vier Jahre westliche Generalmedizin, bevor sie sich spezialisieren. 45:18 Kommentar Eine zehntägige Kur mit Maralgeweih kostet die Patientin ungefähr 500 Dollar. 45:26 O-Ton Dr. Kim Yung Yeal Im Westen sind Hirschgeweihe eigentlich nur für ihre potenzsteigernde Wirkung bei Männern bekannt. Wir hier setzen sie aber vor allen Dingen zur Wachstumssteigerung ein, und um die Funktion der Gehirnzellen zu fördern. (45:46) Frauen verwenden sie für hormonelle Probleme während der Menstruation oder Schwangerschaft. Ganz besonders wirksam sind Maralgeweihe, um Beschwerden nach der Geburt zu lindern und während der Wechseljahre. (46:01) Man kann generell sagen, dass hauptsächlich Frauen Geweihe verwenden und nicht Männer. 46:09 O-Ton Patientin Sobald ich merke, dass etwas mit meinem Körper nicht stimmt, gehe ich zu meinem Arzt. Am wichtigsten ist es aber, präventiv zweimal im Jahr zur Untersuchung zu gehen und die Geweihbehandlung zu machen. 28 46:44 Kommentar In Sibirien ist die Landschaft wieder mit einer Schneedecke überzogen. 46:54 Bis jetzt war der Boden zu hart gefroren und zu glatt, um in die Berge zu reiten. 47:13 In freier Wildbahn bleiben die Maral-Männchen und die Hirschkühe nur während der Paarungszeit zusammen. 47:26 Noch einmal treiben Sasha Tcherepanov und seine Männer die Tiere in die Koppel. 47:33 O-Ton Sasha Bewegt euch, Leute. Ihr seid ja am Einschlafen. (47:40) Nach dem Wintereinbruch bringen wir sie herein, um sie in verschiedene Reviere zu verteilen: Die Kälber, die ein- bis zweijährigen Männchen, die Weibchen und die erwachsenen Hirsche. Wir haben dann vier separate Gruppen. 47:52 Kommentar Selbst in voller Sonne steigt die Temperatur kaum mehr über minus 40 Grad. 48:06 O-Ton Arthur Heute ist es kalt, das stimmt schon. Aber es ist noch immer wärmer als gestern. 29 48:12 O-Ton Magomet Gestern war es nur minus 40. Das war doch warm. 48:19 Kommentar Trotz der Größe des Reviers in Sauzar müssen die Tiere im Winter zugefüttert werden. 48:27 Zwischen November und März schaufeln die Männer mehrere Tonnen Heu und Getreidefutter in die Tröge am Eingang der Koppel. 48:38 Von Frühling bis Herbst verhalten sich die Hirsche wild und scheu. Im Winter sind sie eher zahm und warten geduldig auf ihr Futter. 48:47 Im Januar sinkt die Temperatur auf bis zu minus 55 Grad. Die kleinste Feuchtigkeit gefriert sofort in der Luft und funkelt wie Kristall. 48:53 Die Marale tragen jetzt ihr volles, graues Winterfell. 49:12 Ab März wächst wieder ihr Geweih, und wenn der Frühling kommt, kehren die Tiere in die Wälder zurück. 49:31 O-Ton Yuri Hallo, ist alles in Ordnung? 30 49:40 O-Ton Sasha Als wir Kinder waren, haben wir diese Tannennadeln immer gegessen. Sie schmecken wirklich gut. (49:49) Etwas sauer. 49:53 Kommentar Sasha Tcherepanov und seine Männer reiten in die Berge, um die Weibchen und deren Nachwuchs zu inspizieren. 50:15 Wenn Vladimir eine Hirschkuh ausmacht und diese nicht sofort wegläuft, weiß er, dass sich im nahen Unterholz ihr Junges versteckt hält. 50:28 Die weißen Punkte auf dem rotbraunen Fell und sein fehlender Geruch helfen bei der Tarnung und bieten ihm Sicherheit vor natürlichen Feinden. 50:40 Die beunruhigte Mutter läuft in sicherem Abstand im Kreis herum. Vladimir kann sich nicht zurückhalten und streichelt den Kopf. Ein Männchen. Unter dem zarten Fell sind zwei kleine Erhebungen zu spüren. 50:53 O-Ton Vladimir (Oliver Nitsche) Er wird ein Geweih haben. (O-Ton in Mischung hochziehen) 51:09 Ende / Abspann 40 Sec. 31