14 Jahre Schilddrüsensprechstunde in der hausärztlichen Praxis

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14 Jahre Schilddrüsensprechstunde in der
hausärztlichen Praxis – was bleibt?
H. Elsaeßer
Zusammenfassung
Abstract
Deutschland gibt ca. 1 Milliarde e jährlich für Diagnostik und
Therapie von Schilddrüsenerkrankungen aus. Nach dem 45. Lebensjahr hat jeder 2. Deutsche einen auffälligen Schilddrüsenultraschall. Diagnostik und Therapie in deutschen Allgemeinpraxen verlaufen nicht standardisiert, da in vielen Praxen keine Ultraschalldiagnostik durchgeführt wird. Für ein hocheffizientes
Management von Schilddrüsenerkrankungen beim Hausarzt
sind der TSHbasal-Test und die sonographische Beurteilung unverzichtbar, da kleinere Strumen, Knoten, autoimmune Veränderungen und Tumoren im Anfangsstadium durch Inspektion und
Palpation nicht beurteilbar sind. In der Zukunft wird die Zahl
der Schilddrüsenneuerkrankungen deutlich zurückgehen. Durch
die seit Dezember 1993 geltenden Vorschriften über die erleichterte Verwendung von Jodsalz in Nahrungsmitteln ist der Durchbruch im Sinne einer effektiven Jodprophylaxe gelungen. Die
Jodausscheidung im Urin zeigte bereits 1999 bei 73 % der Schülern eine ausreichende Jodversorgung, bei 20 % einen milden
und bei 7 % einen moderaten Jodmangel. Eine zusätzliche medikamentöse Jodprophylaxe sollte bei Schwangeren, Stillenden,
Kindern und Jugendlichen aus belasteten Familien durchgeführt
werden.
Germany spends more than 1 Billion e/per year for diagnosis
and therapy of thyroid diseases. In Germany, the ultrasonographic evaluation of every second male and female aged over
45 years is pathological. However, in general practice diagnosis
and therapy is not standardized because ultrasonography is not
available. For efficient management of the diagnosis of thyroid
diseases, however, primarily the TSH basal test as well as ultrasonographic is mandatory, since small goitres, nodules, autoimmune diseases and tumours in early stages are not detectable
by palpation and inspection. With this approach the early diagnosis, and the prognosis of these common diseases could be dramatically improved. In the next generations, based on the introduction of an effective iodine prophylaxis in 1993, the incidence
of thyroid diseases will decrease. In 1999, 73 % of pupils presented sufficient urinary iodine concentration, only 20 % showed
mild, 7 % severe iodine deficiency. Additional iodine prophylaxis
is recommended for pregnant women, nursing mothers as well
as children and adolescents from affected families.
Schlüsselwörter
Latente Hypothyreose · Strumahäufigkeit · Knotenhäufigkeit ·
Strumaprophylaxe · Jodversorgung
Key words
Subclinical hypothyroidism · goitre incidence · nodule incidence ·
goitre prophylaxis · iodine supply
Institutsangaben
Arzt für Allgemeinmedizin, Ärztliches Qualitätsmanagement, Kronenstraße 24, 77948 Friesenheim
Widmung
Gewidmet meinem langjährigen Schilddrüsenlehrer Prof. Franz Adolf Horster/Hilden.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Horst Elsaeßer · Kronenstraße 24 · 77948 Friesenheim · E-mail: [email protected]
Bibliografie
Z Allg Med 2005; 81: 97–102 · © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
DOI 10.1055/s-2005-836382
ISSN 0014-336251
Schwerpunktthema Schilddrüse
14 Years of Thyroid Disorders in General Practice – What Is Left?
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Hintergrund
Schwerpunktthema Schilddrüse
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Schilddrüsenpatienten machen einen großen Anteil am Krankengut einer Allgemeinpraxis aus. Etwa ein Drittel der Bevölkerung ist davon betroffen. Schilddrüsenerkrankungen können sowohl zu funktionellen Stoffwechselstörungen der Schilddrüse
mit Über- oder Unterfunktion führen als auch zu morphologischen Organveränderungen (mit oder ohne Lokalbeschwerden).
Schilddrüsentherapeutika gehören zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln im hausärztlichen Bereich. Sie umfassen im
Wesentlichen Schilddrüsenhormone und Jodsalze, in deutlich
geringerem Umfang Thyreostatika zur Hemmung der Hormonproduktion bei Schilddrüsenüberfunktion. Im diagnostischen
Bereich sind Durchführung oder Veranlassung von Schilddrüsenlaborparametern oder die Überweisung zu fachärztlichen
Leistungen hausärztlicher Alltag. Die geschätzten Kosten dafür
liegen bei zirka einer Milliarde Euro/Jahr. Früher häufig und oft
geübte Vorgehensweisen wie der undifferenzierte Einsatz von
Laborparametern (z. B. Thyreoglobulin), nicht indizierte szintigraphische Untersuchungen oder radiologische Untersuchungen
wie die routinemäßige Durchführung von Trachea-Zielaufnahmen oder Ösophagusbreischluck sind im Sinne einer rational gesteuerten Versorgung nicht mehr gerechtfertigt.
Entscheidend ist die Klärung der Patientenprobleme auf der adäquaten Versorgungsebene. Dies beinhaltet die Stärkung der
hausärztlichen Kompetenz und eine enge interdisziplinäre Kommunikation und Kooperation in erster Linie mit Nuklearmedizinern und erfahrenen Schilddrüsenchirurgen. In diesen Beitrag
fliessen Erfahrungen aus 14 Jahren Schilddrüsensprechstunde in
einer südbadischen Hausarztpraxis ein.
– Hashimotothyreoiditis
– Überdosierung mit Schilddrüsenblockern
– Aplasie der Schilddrüse
Die körperliche Untersuchung beinhaltet neben der Messung
von Blutdruck und Puls die Inspektion und Palpation von Hals
und Schilddrüse (vorzugsweise von dorsal), wobei dem Schluckakt eine besondere Bedeutung zukommt. Man ist erstaunt, wie
oft eine Struma und/oder ein Knoten erst dann palpabel sind,
wenn beim Schlucken die SD nach kranial tritt und dadurch besser bezüglich Größe und Konsistenz beurteilt werden kann.
Bei vielen Patienten ist durch Inspektion und Palpation jedoch keine exakte Beurteilung möglich („Schilddrüse nicht sicher tastbar
vergrößert“). Das routinemäßige Messen des Halsumfanges wurde
in unserer Praxis verlassen, nachdem wir feststellen konnten, dass
sich regelhaft keine weiteren diagnostischen oder therapeutischen
Konsequenzen ergaben. Insgesamt sind Blickdiagnosen seltener
geworden, da etwa massive Strumen, die man vor 10–20 Jahren
noch recht häufig angetroffen hat, immer seltener werden (Abb. 1).
Entzündungen der Schilddrüse
Selten trifft man auf Patienten mit ausgeprägten Schmerzen im
Halsbereich, welche direkt der SD zugeordnet werden können
und manchmal mit Fieber und Lymphadenitis colli einhergehen.
Es gibt verschiedene Arten von SD-Entzündungen, nachfolgend
ein kurzer Überblick [3] (Tab. 1):
Apparative Untersuchungen
Beim weiteren Vorgehen entsteht eine wichtige diagnostische
Schnittstelle: Labor und/oder Sonographie.
Diagnostisches Vorgehen
Nicht selten wird alleine durch die sorgfältig erhobene Anamnese
der dringende V. a. eine SD-Überfunktion gestellt. Der Patient,
den wir plötzlich merkwürdig unruhig, innerlich gehetzt, mit
Schwitzen, neu aufgetretenen Schlafstörungen und Diarrhö vor
uns sehen, gibt uns keine besonderen Rätsel auf. Findet sich bei
der anschließenden Untersuchung eine Tachykardie sowie eine
überwärmte und schwitzige Haut besteht der dringende Verdacht auf eine Hyperthyreose. Natürlich ist hierbei auch auf einen eventuell vorhandenen Exophtalmus zu achten. Viel schwieriger ist die prima-vista Diagnose einer Hypothyreose, die vor allem im höheren Alter sehr symptomarm verlaufen kann oder bei
jüngeren Patienten oft sehr schleichend zunimmt, so dass sich
der Patient häufig an die Symptome unbemerkt adaptiert [1, 2].
Mögliche Ursachen einer Hyperthyreose
– Autonomie (unifokal, multifokal oder disseminiert)
– Morbus Basedow
– Initialphase der Hashimotothyreoiditis
– Post partum Hyperthyreose
– Überdosierung mit Schilddrüsenhormonpräparaten (iatrogen
oder patientengesteuert zur Gewichtsabnahme)
Mögliche Ursachen einer Hypothyreose
– Z. n. Schilddrüsenoperation
– Z. n. Radiojodtherapie
Elsaeßer H. 14 Jahre Schilddrüsensprechstunde … Z Allg Med 2005; 81: 97 – 102
Abb. 1 Patientin mit massiver Struma.
Laborbestimmungen
Der entscheidende Laborparameter zum Ausschluss von SDFunktionsstörungen ist der TSHbasal-Wert. Die Hormonbestimmung von FT3 und FT4 ist bei der Basisdiagnostik unnötig und
teuer. Falls der TSHbasal-Wert auffällig sein sollte, kann telefonisch jederzeit eine Bestimmung der freien Hormone nachgefordert werden.
Nie dem Patienten bei normalem SD-Labor sagen: „mit Ihrer
Schilddrüse ist alles in Ordnung“.
Der letzte Punkt erscheint mit besonders wichtig, da der Patient
nicht wissen kann, dass normale Blutwerte nichts über die Morphologie der SD aussagen.
Noch eine Anmerkung zum TSH-Wert: In fast allen Laboren beträgt der Normalbereich 0,3–4 mU/l. Wenn es um den Ausschluss einer Überfunktion geht, ist dieser Marker sehr sensitiv,
anders ausgedrückt: Ein normales TSH schließt eine SD-Überfunktion definitiv aus. Nicht so einfach verhält es sich bei einer
Hypothyreose. Ist sie klinisch manifest bzw. hochgradig, der
TSH-Wert deutlich erhöht und FT4 erniedrigt, macht die Interpretation keine Probleme.
In der Labordiagnostik spielen bei nicht normalem TSH die SDAK eine große Rolle. Die beiden wichtigsten sind:
– TPO-AK fi erhöht bei Hashimotothyreoiditis
– TRAK fi sehr spezifisch für den M. Basedow
Diese beiden Autoimmunerkrankungen unterscheiden sich dadurch, dass an einem M. Basedow erkrankte Patienten mit den
typischen Zeichen einer Hyperthyreose auffällig krank beim
Hausarzt erscheinen. Patienten mit einer Hashimotothyreoiditis
– meist sind davon Frauen jüngeren Alters betroffen – haben diese Erkrankung häufig schon Jahre, bis die zunehmende Schilddrüsenatrophie durch stärker werdende Hypothyreose klinisch
auffällig wird. Allerdings: Manchmal manifestiert sich die Hashimotothyreoiditis im Initialstadium durch einen kurzfristigen
Hyperthyreoseschub, der allerdings rasch abklingt. Erfahrungsgemäß können die eventuell eingesetzten SD-Blocker sehr
schnell ansprechen und schon bald wieder abgesetzt werden.
Danach schwingt die Hormonlage der SD von einer Überfunktion
in eine bleibende Unterfunktion um; am Anfang dezent, im Laufe
der Jahre substitutionspflichtig [4, 5] (Tab. 2).
Ultraschalluntersuchung
Die Sonographie der Schilddrüse ist die Untersuchungsmethode
der Wahl zur Beurteilung der Organmorphologie. Sie wird heute
Tab. 1 Übersicht der Schilddrüsenentzündungen
Ursache
Symptome
Sonographie
Szintigraphie
akute Thyreoiditis
bakteriell
eitrig
starke Schmerzen
unscharfe, echoarme
Läsionen
fokale MinderSpeicherung
Thyreoiditis de Quervain
viral – ev. vorher Infekt
obere Luftwege
leichte Schmerzen
echoarme Läsionen –
konfluierend
reduzierter Uptake
(kalte Areale)
Hashimoto-Thyreoiditis
autoimmun
meist keine Beschwerden
im Halsbereich
echoarme Felder
(evtl. nur schwach)
variabel
15.12.2004
27.12.2004
Tab. 2 Entwicklung Laborwerte bei Erstmanifestation Hashimoto-Thyreoiditis
24.11.2004
TSHbasal (0,35–4,5)
0,00
FT3 (2–4,2)
6,9
FT4 (0,8–1,7)
3,3
TPOAK (0–60)
07.12.2004
0,14
9,7
3,9
3,0
2,6
1,9
1,5
1,1
Carbimazol u. Propranolol
abgesetzt
Beginn Substitution
m. 50 µg T4
750
TRAK (0–1)
Medikation
0,0
20 mg Carbimazol und
Propranolol 3 × 10 mg
Schwerpunktthema Schilddrüse
Nota bene – SD-Labor:
– Bei Erst- bzw. Basisuntersuchungen nur TSHbasal bestimmen
– Freie Hormone eventuell nachfordern
– FT4 ist der Marker für die Syntheseleistung der SD
– FT3 ist das gewebeaktive Hormon (wird aus FT4 zu 90 % umgewandelt)
– Bei Hyper- bzw. Hypothyreose SD-AK abnehmen: TRAK und
TPO-AK (TSH-Rezeptorantikörper bzw. Thyreozyten-Peroxidaseantikörper)
Nicht selten liegt das TSH aber um 3 oder bei 3,5 mU/l. Laut
Normbereich alles in Ordnung? Hier ist Vorsicht angezeigt,
denn eine latente Hypothyreose ist damit nicht ausgeschlossen.
Es empfiehlt sich in 9–12 Monaten eine TSH Kontrolle mit
FT4-Bestimmung vornehmen. Bei ansteigendem TSH-Wert ist
dann eine Bestimmung der TPO-AK angezeigt (V. a. Hashimotothyreoiditis). Die TPO-AK nannte man früher MAK (mikrosomale
Antikörper).
10 mg Carbimazol
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mit 7,5–9 MHZ-Schallköpfen durchgeführt, womit man eine hervorragende Auflösung und Beurteilbarkeit erreicht (Abb. 2).
Indikationen zur SD-Sonographie:
– Auffälliger Tastbefund
– Auffällige TSH-Werte
– Verlaufskontrolle von SD-Volumen unter Therapie
– Verlaufskontrolle von SD-Knoten mit und ohne Therapie
– Verdacht auf Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse
– Nachkontrolle nach SD-OP und Radiojodtherapie
– Vorsorge bei Kindern/Jugendlichen aus belasteten Familien
– Z. n. Radiatio im SD-Bereich (z. B. wegen eines Lymphoms)
– Familiäre SD-CA Belastung
Schwerpunktthema Schilddrüse
Neben der Volumenmessung der beiden SD-Lappen ist die
Hauptaufgabe die Beurteilung von eventuell vorhandenen echoarmen oder echoreichen bzw. zystischen oder soliden Arealen.
Obwohl echoreiche Knoten erfahrungsgemäß selten malignomverdächtig sind, erlaubt die Sonographie keine definitive Beurteilung der Dignität. Die meisten autonomen Adenome zeigen
sich im Ultraschall echoreich. Kleine Knoten unter 1 cm sind
sehr häufig und können in idealer Weise sonographisch kontrolliert werden. Wichtig ist, dass es bei normalem TSH und SD-Knoten unter 1 cm Größe keine zwingende Indikation zur Szintigraphie gibt: Ein normaler TSH-Wert schließt einen heißen Knoten
und damit das Vorliegen einer fokalen Autonomie aus.
Szintigraphisch kalte Knoten gehen typischerweise mit einem
normalen TSH einher, wenn sie aber unter 1 cm klein sind, kann
man sie im Szintigramm nicht sehen!
100
Die eigentliche Herausforderung beim Sonographieren der SD ist
die Interpretation suspekter Knoten.
Suspekte SD-Knoten und ihre sonographischen Merkmale:
– Knotenwachstum, vor allem bei echoarmen Knoten
– Unscharfe Begrenzung oder fließender, unscharfer Übergang
in die Umgebung
– Inhomogener, echokomplexer Aufbau des Knotens
Abb. 2 SD-Sonogramm (Volumetrie und echoarmes, benignes Knötchen).
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– Verkalkung innerhalb des Knotens
– Solitärknoten über 1 cm Größe bei Jugendlichen und jungen
Erwachsenen bei sonst normaler SD (cave!)
Sind ein oder mehrere der genannten Kriterien gegeben und bemerkt man eine Progression bei Kontrollen, sollte man den Patienten zur weiteren nuklearmedizinischen Abklärung überweisen (siehe Beitrag E. Moser in diesem Heft). Die SD-Szintigraphie
gibt Hinweise über die Stoffwechselfunktion der Schilddrüse
oder der entsprechenden Läsionen. Erhalten wir bei der Szintigraphie die Diagnose „kalter Knoten“ und ist dieser sonographisch suspekt, stehen wir vor einer ganz wichtigen Weichenstellung, die sehr kontrovers diskutiert wird (Abb. 3).
Feinnadelpunktion oder frühzeitige Indikation
zur Operation?
Dazu das Fallbeispiel eines damals 24-jährigen Mannes, der sich
mit derb tastbarem großen SD-Knoten vor ungefähr 10 Jahren
bei uns vorstellte und eine Schwellung im Bereich des rechten
SD-Lappens angab. Der linke SD-Lappen war sonographisch völlig unauffällig, während der gesamte rechte Lappen durch einen
echogleichen bis echoarmen, unscharf begrenzten Solitärknoten
ausgefüllt war. Die Sonographie zeigte weiter zahlreiche Mikroverkalkungen. In der SD-Szintigraphie wurde dieser suspekte
Knoten als kalt diagnostiziert. Der Radiologe punktierte daraufhin diesen fast 3 cm großen Knoten. Die zytologische Untersuchung ergab einen unauffälligen Befund. Kein Nachweis von
Tumorzellen und damit kein Anhalt für Malignität. Von fachärztlicher Seite wurde keine OP empfohlen, sondern eine Kontrolle
in 9 Monaten.
Da der Patient als Student in einer anderen Stadt lebte, meldete
er sich erst verspätet nach 1 Jahr wieder. Im jetzt durchgeführten
Sonogramm war ein klares Wachstum des Knotens um 5–6 mm
festzustellen. Der Patient unterzog sich eher widerwillig der
empfohlenen Operation, bei der sich ein papilläres SD-CA Stadium T3G1N1a ergab. Durch entsprechende Therapie wurde der
Patient erfreulicherweise geheilt. Seit dieser Zeit wird in unserer
Abb. 3 Echokomplexer, unscharf begrenzter, echoarmer Knoten.
Praxis Patienten mit suspekten sonographischen und szintigraphisch kalten Knoten grundsätzlich der Rat zur definitiven Abklärung durch OP gegeben. Auf die Zytologie wird in den allermeisten Fällen verzichtet, da diese in unserem Fallbeispiel die
OP um 1 Jahr verzögert hat und mit größter Wahrscheinlichkeit
falsch-negativ war [6].
Therapie von SD-Erkrankungen
Die häufigste Indikation für eine medikamentöse SD-Therapie ist
die Struma.
Strumatherapie
Bei Kindern bis 10 Jahren geben wir bei vergrößerter SD oder familiärer Belastung 100 µg Jodid täglich, bei Jugendlichen und
jungen Erwachsenen bis 20 Jahren geben wir pro Tag 200 µg Jodid täglich. Es ist erstaunlich, wie schnell in diesen Altersstufen
vergrößerte Schilddrüsen durch alleinige Jodgabe eine Volumenreduktion erfahren. Bei Patienten die älter sind, wird eine Verkleinerung am schnellsten mit einer T4 + Jod-Kombination erreicht.
Ab einem Alter von 40–45 Jahren sollte man beim Vorliegen von
Knoten mit der täglichen Jodgabe in Form von Tabletten zurückhaltend sein, da die Wahrscheinlichkeit von autonomen Bezirken in Knoten mit steigendem Alter zunimmt. In diesen Fällen
sollte der alleinigen Therapie mit T4-Präparaten unter sorgfältigem TSH-Monitoring der Vorzug gegeben werden. Ein TSH-Wert
von 0,4–1 mU/l gilt als optimal unter der Therapie mit Hormonpräparaten, welche morgens nüchtern ca. 30 Minuten vor dem
Frühstück einzunehmen sind. Dieser angestrebte TSH-Wert lässt
die SD dann gleichsam „im Schongang laufen“. Solche eingängigen Formulierungen können sich auch alte Patienten merken
und leisten einen guten Beitrag bzgl. der notwendigen Compliance, da die Medikamente ja oft jahrelang oder lebenslang eingenommen werden müssen.
Die früher häufig durchgeführte suppressive Therapie mit SDHormonpräparaten wird heute nur noch in der Nachbehandlung
bei differenziertem SD-CA angewendet; sie ist mit einem verstärkten Osteoporose-Risiko behaftet und führt im höheren Alter
zum vermehrten Auftreten von Rhythmusstörungen inklusive
Vorhofflimmern; und damit zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko [8].
In den allermeisten Fällen kommt man mit den gängigen Tablettenstärken aus; es gibt allerdings auch Fälle, bei denen die kleinere Hormondosis das TSH auf über 1,5 mU/l und die größere
Dosis auf unter 0,4 mU/l sinken lässt. Seit kurzer Zeit gibt es
Scheitert die medikamentöse Therapie, ist es die Aufgabe des
Hausarztes betroffene Patienten über ablative nuklearmedizinische und operative Verfahren zu beraten (s. auch Beiträge von
O. Thomusch und C. Schramm sowie E. Moser).
Indikation zur OP
– Struma mit subjektivem Druck bzw. Kompressionssyndrom
– Suspekte, wachsende bzw. kalte Knoten
– M. Basedow nach mehrfachen konservativen Behandlungsversuchen
Nachsorge nach SD-OP
– Möglichst schon in der Klinik nach OP mit niedrig dosierter
Substitution beginnen (entscheidet Chirurg je nach Menge
des SD-Restgewebes)
– 4–6 Wochen postoperativ Bestimmung von TSH, FT3, FT4 und
Ca – spätestens dann Beginn mit med. Substitution (bzw. Rezidivprophylaxe)
– Einstellung der Substitutionsdosis nach TSH-Wert (ideal:
0,4–1 mU/l)
– Erste Sono-Kontrolle 3 Monate postoperativ (Schwellung abgeklungen)
– Nur bei Hemithyreoidektomie mit genügend Restlappen evtl.
Jodgabe alleine ausreichend
– Im Regelfall bei sehr wenig SD-Restgewebe: nur T4-Substitution
– Bei Restgewebe > 1 ml: T4 + Jod in Kombination geben
– Substitution in der Regel lebenslang (Compliance)
– Bei stabiler Situation 1 × jährlich Nachsorge ausreichend
Schwerpunktthema Schilddrüse
Möglicherweise wird man in einem Zentrum vielleicht anders
entscheiden, da hier alle Spezialisten unter einem Dach sind,
man sich gegenseitig kennt und die Zusammenarbeit durch gemeinsame Konferenzen besonders intensiv ist. Da im niedergelassenen Bereich die Qualität des Stanzzylinders und der zytologischen Untersuchung vom Hausarzt nicht zuverlässig einschätzbar sind, hat sich oben genanntes Vorgehen auch bei den
Kolleginnen und Kollegen unseres hausärztlichen Qualitätszirkels bewährt [7].
auch ein T4-Präparat in Tropfenform, wodurch eine exakte Titration der notwendigen Hormondosis erleichtert wird [9].
101
Indikation zur Verordnung von Jodid
Seit 10 Jahren führen wir 1 × pro Woche eine Schilddrüsensprechstunde für Kinder durch. In dieser Zeit wurden in der Altersgruppe 6–12 Jahre sonographisch nur 1 oder 2 SD-Vergrößerungen gesehen, jedoch keine knotigen Veränderungen. Hingegen kommt es bei Adoleszenten viel eher durch den höheren
Jodbedarf zu einem überschießenden Wachstum der Schilddrüse.
Die Daten der Papillon-Studie [10] zur Epidemiologie von Schilddrüsenveränderungen werden im Beitrag von R. Hehrmann dargestellt. Trotz erkennbar verbesserter Jodversorgung der Bevölkerung ist in bestimmten Situationen eine Jodidsubstitution
sinnvoll und notwendig.
Erfreulicherweise ist hier eindrucksvoll abzulesen, wie sehr in
den 90er-Jahren die verstärkten Bemühungen um eine bessere
Jodversorgung Früchte getragen haben. Für ein gezieltes prophylaktisches Vorgehen sollte unser Augenmerk vor allem auf Kinder aus Struma belasteten Familien gerichtet werden, die zwischen 12 und 14 Jahre alt sind. In diesem Alter wird die erste
Schilddrüsensonographie empfohlen. Im Falle eines Volumens
über 10 ml wird eine medikamentöse Jodprophylaxe eingeleitet
(200 µg/Tag oder alternativ einmal 1,5 mg/Woche als Depotpräparat). Das oben beschriebene Vorgehen führt zum Erfolg, wie
Elsaeßer H. 14 Jahre Schilddrüsensprechstunde … Z Allg Med 2005; 81: 97 – 102
Literatur
1
Schwerpunktthema Schilddrüse
Abb. 4 Jodurie von 6–12-jährigen Schülern in Regionen Deutschlands
1999 (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Horster /Hilden).
man auf der folgenden Abb. 4 erkennen kann. Die Kombination
aus Jodsalz bei Nahrungsmittelherstellen, Jodsalz in den privaten Küchen und die Erinnerung an Fisch als Nahrungsmittel
1–2-mal wöchentlich hat dazu geführt, dass der Jodmangel in
Deutschland weitgehend überwunden ist [11].
Duntas LH. Subclinical thyroid disorders: The menace of the Trojan
horse. J Endocrinol Invest 2003; 26: 472 – 480
2
Stiefelhagen P. Thyroid gland diseases. The etiology of many symptoms. MMW Fortschr Med 2001; 143: 77 – 86
3
Hotze L, Schumm-Draeger PM (ed). Schilddrüsenkrankheiten. BMV
2003: 235 – 253
4
Diez JJ, Iglesias P. Spontaneous subclinical hypothyroidism in patients
older 55 years. J Clin Endocrinol Metab 2004; 89: 4890 – 4897
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Med Wochenschr 2004; 129: 1570 – 1573
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Leung HC, Chang CT, Wu HS, et al. Comparing dual phase TI-201 thyroid scan and fine-needle aspiration cytology to detect follicular carcinoma. Endocr Res 2003; 29: 291 – 297
7
Hegedus L. Clinical practice. The thyroid nodule. N Engl J Med 2004;
351: 1764 – 1771
8
Lakatos P. Thyroid hormones: Beneficial or deleterious for bone. Calcified Tiss Intern 2003; 73: 205 – 209
9
Heppe JH von et al. The use of L-T4 as liquid solution; Thyroid-Lit.
50140 Schilddrüsenliteraturdienst 193. Folge. J Pediatr Endocrinol
Metab 2004; 17: 967 – 974
10
Reiners C, et al. Papillon study. Thyroid 2004; 11: 926 – 932
11
Meng W, Scriba PC. Jodversorgung in Deutschland. Dtsch Ärztebl
2002; 39: 2560 – 2562
Interessenkonflikte: keine angegeben
102
Zur Person
Dr. med. Horst Elsaeßer
– Übernahme der Landpraxis meines Vaters 1991;
Gründung der Gemeinschaftspraxis mit Frau Dr.
med. Reinhardt 1993
– Gründung u. Moderation eines hausärztlichen Qualitätszirkels 1995–2005
– Zusatzbezeichnung „ärztliches Qualitätsmanagement“ 1998
– Regelmäßige interaktive SD-Fortbildung bei Prof.
F. A. Horster beim MedCongress in Baden Baden
1996–2002
– Vorträge zum Thema Schilddrüse unter anderem für die Akademie für
ärztliche Fortbildung Freiburg seit 1999 und im ärztlichen Qualitätszirkel
– Akademische Lehrpraxis der Universität Freiburg seit 2004
Elsaeßer H. 14 Jahre Schilddrüsensprechstunde … Z Allg Med 2005; 81: 97 – 102
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