Physikalisches Praktikum Versuch 23 Messung der spezifischen Ladung e/m des Elektrons UNIVERSITÄT DER BUNDESWEHR MÜNCHEN Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik Institut für Physik September 2015 2 Versuch 23 Messung der spezifischen Ladung e/m des Elektrons Die Kenntnis des Bewegungsablaufs geladener Teilchen in elektromagnetischen Feldern ist von enormer Bedeutung. Diese grundlegenden Gesetzmäßigkeiten spielen eine wichtige Rolle bei der Auslegung von Bildschirmen, Elektronenmikroskopen und Experimenten in der Plasmaphysik, sowie bei allen Arten von Teilchenbeschleunigern. In dem vorliegenden Experiment wird die Auswirkung eines statischen homogenen Magnetfeldes auf einen Elektronenstrahl untersucht. Aus dem gemessenen Bewegungsablauf wird die spezifische Ladung e/m des Elektrons bestimmt. 1. Lernziele dieses Versuchs Die Studierenden sollen… 1.1 sich an die Vorlesungsinhalte zum Thema Bewegung geladener Teilchen in elektromagnetischen Felder erinnern und diese mit der Aufgabenstellung in Zusammenhang bringen können. 1.2 den Versuch anhand der Anleitung selbstständig durchführen können. 1.3 anhand der Messwerte rechnerisch und graphisch die spezifische Elektronenladung bestimmen können. 1.4 für alle Messwerte und die daraus abgeleiteten Ergebnisse deren Messunsicherheiten bzw. Fehler sinnvoll abschätzen und bewerten können. 2. Voraussetzungen Vorlesungsstoff zu den Themen: Potentielle Energie geladener Teilchen, Elektronvolt als Energieeinheit, Kräfte elektrischer und magnetischer Felder auf geladene Teilchen, Bewegung geladener Teilchen in elektromagnetischen Feldern Selbststudium zu den Themen: Erzeugung und Nutzung von Elektronenstrahlen (Glühemission mit Richardson-Gleichung, Photoeffekt, Feldemission), Fadenstrahlrohr, Helmholtzspule, Biot-Savart-Gesetz Mitzubringen sind: Dokumentenechte Stifte verschiedener Farbe, Lineal, Heft mit kariertem Papier, Taschenrechner, ausgedruckte Versuchsanleitung. Logarithmisches Papier wird gestellt. 3 3. Literatur Hering, Martin, Stohrer, Physik für Ingenieure, 11. Auflage, Kap. 4.2.2., 4.3 und 4.4 (als PDF-Datei über die Uni-Bibliothek downloadbar) 4. Mitschrift zur Vorlesung Physik 1 Haken, Wolf: Atom- und Quantenphysik, 8. Auflage, Kap. 6.3 und 6.4 Versuchsbeschreibung Bevor man einen Elektronenstrahl erzeugen kann, muss man zunächst freie Elektronen schaffen, die dann im Vakuum (oder in stark verdünntem Gas) geführt und beschleunigt werden. Drei mögliche Effekt sind: Glühemission aus Metallen, der Photoeffekt und Feldemission aus festen Körpern. In diesem Versuch wird der Elektronenstrahl durch Glühemission aus Metallen erzeugt. Hierbei wird durch einen Metalldraht ein Heizstrom geschickt und es treten Elektronen an der Oberfläche aus. Die Emissionsstromdichte hängt – wie in der Richardson-Gleichung zu sehen ist – von der Temperatur des Drahtes, der Austrittsarbeit des Metalls und einer weiteren Materialkonstanten ab. Abbildung 1: Versuchsanordnung zur Bestimmung von e/m Photoeffekt und Feldemission aus festen Körpern werden im Anhang erläutert. 4 Bildung des Elektronenstrahls Im vorliegenden Versuchsaufbau wird für die Erzeugung der freien Elektronen die technisch einfache Glühemission verwendet. Zwischen Glühwendel und einer Lochblende (Metallplatte) wird eine Potentialdifferenz U angelegt, zur Erhitzung der Wendel die Spannung UH. Zur Erhöhung der Intensität des Elektronenstrahls ist ein Wehneltzylinder eingefügt, der den Elektronenstrahl auf die Lochblende fokussiert. Elektronenstrahlen sind von großer technischer Bedeutung, z.B. in Bildröhren, Elektronenmikroskopen, Elektronenstrahlschweißanlagen, Aufdampfanlagen. Abbildung 2: Prinzipskizze zur Erzeugung von Elektronenstrahlen Bewegung geladener Teilchen in elektromagnetischen Feldern Nach der Newtonschen Bewegungsgleichung erhält man für ein Teilchen der Masse m und der Ladung q die Beziehung ma q E q v B . Die obige Gleichung ist allgemein gültig, also auch für inhomogene und/oder zeitabhängige Felder und auch im relativistische. Der Einfachheit halber wollen wir hier nur homogene, statische Felder betrachten. Bewegung geladener Teilchen im Magnetfeld Bewegt sich ein Elektron der Ladung q = -e mit der Geschwindigkeit v durch ein Magnetfeld B erfährt es eine Kraftwirkung: F e v B . 5 Diese sogenannte Lorentz-Kraft steht senkrecht auf der von den Vektoren v und B aufgespannten Ebene und verschwindet, wenn v || B . Im homogenen, statischen Magnetfeld wirkt die Kraft immer senkrecht zur Bewegungsrichtung des Elektrons, so dass dieses eine Kreisbahn beschreibt. Die Lorentzkraft wirkt hierbei als Zentripetalkraft, v 0 sei der Betrag der Geschwindigkeit senkrecht zu B : e v0 B mv0 ² . r Daraus ergibt sich der Radius der Kreisbahn: r m v0 . e B Das Elektron läuft mit einer Kreisfrequenz von v0 e B r m um, der sogenannten Larmor-Frequenz. Sie ist wichtig zur Deutung optischer und elektromagnetischer Effekte. Aus der Gleichung für den Radius ergibt sich e/m ausschließlich aus messbaren Größen: v e 0 . m rB Die Geschwindigkeit der Elektronen direkt zu messen ist technisch aufwändig, daher werden hier Elektronen mit verhältnismäßig kleiner Anfangsgeschwindigkeit durch ein elektrisches Feld auf eine bekannte Geschwindigkeit beschleunigt. Bewegung eines Elektrons im elektrischen Feld Wenn ein Elektron in einem elektrischen Feld E eine Strecke s durchläuft, gewinnt es an kinetischer Energie E Kin : s0 s0 0 0 Ekin F d s q E d s . In unserem Fall ist das Wegelement d s parallel zur wirkenden Kraft F gerichtet, daraus folgt: s0 Ekin s0 s 0 dU e E d s e ds e dU eU 0 . ds 0 0 0 6 U0 sei die durchlaufene Beschleunigungsspannung. Mit EKin 1 m v2 2 lässt sich die Geschwindigkeit des Elektrons (für den nichtrelativistischen Fall) bestimmen zu v0 2U 0 q . m Daraus folgt für e/m 2U e 2 02 m r B mit ausschließlich messbaren Größen. 5. 5.1 Vorbereitungsfragen Fertigen Sie zu Anfang Ihres Praktikumsprotokolls eine Versuchsskizze mit kurzer Versuchsbeschreibung an. 5.2 Begründen Sie anhand der Richardson-Gleichung, welche Metalle günstig für Glühemission sind. Welche Farbe hat die Wendel einer eingeschalteten Glühbirne und etwa welcher Temperatur wird sie zugeordnet? 5.3 Erläutern Sie, warum bei Hochspannungsgeräten abgerundete Metallteile verwendet werden und wie Hochspannungsisolatoren von Überlandleitungen geformt sein müssen. Welchen Effekt nützt man beim Elektropolieren aus? 5.4 Erklären Sie, wie der Wehneltzylinder gepolt werden muss und wie schematisch der Feldverlauf im Zylinder ist. Beschreiben Sie, wie ein Fadenstrahlrohr funktioniert und wie der Elektronenstrahl fokussiert wird. 5.5 Berechnen Sie, wie groß die Geschwindigkeit der Elektronen beim Austritt aus der Lochblende ist. 5.6 Berechnen Sie die Bewegung eines Teilchens der Masse m und der Ladung q in einem einfachen, homogenen E-Feld (z.B. Plattenkondensator) und zeigen Sie, dass die Ablenkung des Teilchens im Kondensator unabhängig von e/m ist. Vergleichen Sie das Ergebnis mit der Bewegung eines Körpers der Masse m im Gravitationsfeld. 7 Abbildung 3: Bewegung eines Elektrons im Plattenkondensator 5.7 Erklären Sie die Entstehung von Polarlichtern. Warum treten sie vornehmlich in der Nähe der Pole auf? 6. Versuchsdurchführung Beantworten Sie alle Fragen schriftlich in Ihrer Ausarbeitung. Geben Sie für alle Messwerte deren Fehler an. 6.1 Lenken Sie den Elektronenstrahl auf eine Kreisbahn. Studieren Sie, durch Variation des Spulenstromes, den Einfluss der Beschleunigungsspannung U und des Magnetfeldes. Welche Änderung beeinflusst wie die Elektronenbahn? Überlegen Sie sich, warum der Kreis „leuchtet“. Im Kolben ist nicht Vakuum, sondern Gas mit geringem Partialdruck. Ändert sich die Farbe und wenn ja, warum, wenn Sie eine andere Gasart benutzen? 6.2 Ermitteln sie die niedrigste Beschleunigungsspannung, bei der sie den Elektronenstrahl gerade noch erkennen können. Ist eine Messung bei dieser Beschleunigung sinnvoll? Bestimmen sie bei verschiedenen Beschleunigungsspannungen Ui (in fünf Schritten von jeweils 20V aufwärts) mittels dem durch die Helmholtzspulen fließenden Strom jeweils die Magnetfeldstärken B1-4, die eingestellt werden müssen, um die Bahnradien r14 zu erreichen. Der Durchmesser der Helmholtzspulen beträgt 400 mm. 8 6.3 Legen Sie dazu für jede Spannung eine Wertetabelle analog folgender Form an. Berechnen Sie für jede dieser Messungen den Wert für e/m (mit Gauß’scher Fehlerfortpflanzung). U1 = I1= I2= I3= I4= 7. 7.1 r1= 2 cm r2= 3 cm r3= 4 cm r4= 5 cm B1= B2= B3= B4= ± ± ± ± e/m = e/m = e/m = e/m = ± ± ± ± Auswertung Tragen Sie den Zusammenhang r(B) für jede Beschleunigungsspannung doppeltlogarithmisch auf. Bestimmen Sie daraus bei jedem U den Exponenten n (mit Fehlern) im erwarteten Zusammenhang r Bn. Welchen Wert erwarten Sie für n? 7.2 Bestimmen Sie e/m aus der Steigung der Geraden, die Sie erhalten, wenn Sie r² als Funktion von ̅̅̅̅̅̅̅̅̅ 2𝑈/𝐵² linear auftragen. Vergleichen Sie diese Werte mit den einzelnen e/m-Werten der Tabellen der Aufgabe 6.2 und dem Literaturwert. Die Fehlerrechnung für r² erfolgt nach der Gauß’schen Fehlerfortpflanzung, für 2U/B² berechnen Sie die empirische Standardabweichung. Bei jedem Diagramm sind Fehlerbalken gefordert. Geben Sie Ihre Fehlerrechnungen an. 8. Anlagen Photoeffekt aus Atomen, Molekülen und Festkörpern Wenn elektromagnetische Strahlung der Energie h auf Materie trifft, können Elektronen freigesetzt werden. Die (maximale) kinetische Energie Ek(max) der Elektronen ist gegeben durch Ek(max) = h. - A, wobei A hierbei die Austrittsarbeit ist. Beispiele für Austrittsarbeit [eV] Cs: 1,9 eV Na: 2,3 eV W: 4,6 eV Feldemission aus festen Körpern In der Vorlesung zur Experimentalphysik wurde mit dem van-de-Graaff-Bandgenerator folgender Versuch durchgeführt: 9 Auf die metallische Haube des Generators wurde ein frei drehbarer, S-förmig gebogener Metallbügel aufgelegt. Die Enden des Bügels sind als scharfe Spitzen ausgebildet. Wird der Generator nun aufgeladen, beginnt sich der Bügel zu drehen, d.h. es findet ein Impulsübertrag auf den Bügel statt (Prinzip: „Rasensprenger“). Folglich müssen Teilchen der Masse m mit einer bestimmten Geschwindigkeit v aus den Spitzen ausgetreten sein. Die Frage, warum „Teilchen“ bevorzugt an den Spitzen austreten, kann rein phänomenologisch mit Hilfe des Gauß’schen Satzes der Elektrostatik erklärt werden. Der Fluss des elektrischen Feldes aus einer geschlossenen Fläche ist gegeben durch 1 Edf 0 N q j1 j Die eingeschlossene Gesamtladung ist die Summe der N Einzelladungen qj. Nehmen wir für die Fläche eine Kugeloberfläche an, dann erhält man für das elektrische Feld an der Oberfläche die Beziehung E 1/r2. Das heißt, dass an den Stellen, an denen die kleinsten Krümmungsradien sind, die größten Feldstärken auftreten. Die Kraft auf eine Ladung im E-Feld ist gegeben durch F q E . Wenn die Kraft ausreicht, die Austrittsarbeit zu überwinden, können somit „Teilchen“ emittiert werden.