Allium-Gewächse und Wildkräuter Der Duft nach Knoblauch Wer die besonderen Aromen in der Küche schätzt, aber auf die berüchtigte „Knoblauchfahne“ verzichten möchte, findet zahlreiche Alternativen zum Knoblauch. N icht nur die mediterrane Küche ist ohne Knoblauch kaum vorstellbar, auch vielen anderen Speisen verleiht seine Zugabe erst das richtige Aroma. Die gesundheitlichen Vorzüge regelmäßigen Knoblauchverzehrs sind so bekannt, dass die Knolle sogar als Mittel gepriesen wird, um 100 Jahre alt zu werden. Die volle Wirkung entfaltet Allium sativum allerdings nur bei Rohgenuss, was einen häufig unerwünschten Nebeneffekt mit sich bringt: die „Knoblauchfahne“. Wer in der Küche auf die geruchlichen Nebenwirkungen von Knoblauch verzichten möchte, kann auf einige Alternativen zurückgreifen. Interessanterweise entfalten diese Pflanzen trotz teilweise unterschiedlicher Inhaltsstoffe ähnliche gesundheitliche Wirkungen wie Knoblauch, wenn auch nicht ganz so intensiv. Ganz oben: Knoblauch ist sehr gesund, sein „Duft“ ist aber nicht überall beliebt Oben: Allium tuberosum macht sich auch im Steingarten gut 128 Einige gedeihen zudem in kühlerem und feuchterem Klima besser als die Sonne und Wärme liebende Knolle. Schnitt- und Duftblütenknoblauch Schnittknoblauch (Allium tuberosum) oder Chinesischer Schnittlauch stammt aus Ostasien. In China und Japan wird das Zwiebelgewächs seit etwa 3000 Jahren kultiviert. Variantenreiche wilde Formen werden von der Mongolei bis nach Indien und Korea genutzt. Vor einigen Jahren hat der „Knolau“ auch Zugang in europäische Gärten und Küchen gefunden. Schnittknoblauch ist mehrjährig und wächst horstig. Das Erscheinungsbild der Pflanze erinnert an großen Schnittlauch. Im Unterschied zu den röhrenförmigen Schnittlauchblättern haben die 25 bis 30 cm langen Blätter des Schnittknoblauchs eine abgeflachte Form. Die halbkugelförmig angeordneten sternförmigen Einzelblüten sind bei A. tuberosum weiß mit schmalen roten Streifen auf der Außenseite. Verwandte violett blühende Formen (Allium species) werden ebenfalls als Schnittknoblauch angeboten. Schnittknoblauch ist weniger wärmebedürftig als Knoblauch und eignet sich deshalb auch für kühlere Klimazonen. Er wächst bevorzugt an sonnigen, freien Plätzen, kommt aber auch mit etwas Schatten zurecht. Die Aussaat kann im März/April oder im August an Ort und Stelle im Freiland erfolgen. Zuverlässiger keimen die Samen aber im Topf. Idealerweise werden sie nach der Aussaat zunächst 2 bis 4 Wochen lang feucht und relativ warm (15 bis 20 °C) gehalten und anschließend für 1 bis 2 Monate Temperaturen um den Gefrierpunkt herum ausgesetzt. Im Handel sind auch vorgezogene Pflanzen erhältlich. Werden sie büschelweise mit 20 cm Abstand gesetzt, können sich die Horste kräftig entwickeln. Später sollten sie alle 3 bis 4 Jahre Die Blüten des Schnittknoblauchs gelten als die zartesten aller Allium-Arten im Frühjahr oder Spätsommer geteilt und verpflanzt werden. Zwar sind auch die nur 1 cm schmalen, länglichen Zwiebeln essbar. Geerntet werden bei Schnittknoblauch in der Regel aber die Blätter, die wie bei Schnittlauch von Frühjahr bis Herbst geschnitten werden. Sie schmecken milder als Knoblauch und können roh oder gekocht in Salaten, Suppen oder Fleischgerichten Verwendung finden. Ab dem 2. Jahr öffnen sich im Sommer und Spätsommer die aromatischen, zarten Blüten, die sich auf Butterbroten, in Salaten oder als essbare Dekoration gut machen. Wie Knoblauch enthält Schnittknoblauch verschiedene Schwefelverbindungen und Saponine, die keimtötend und entgiftend wirken, die Blutgefäße erweitern und Alterungsprozesse im Körper verlangsamen. Sein hoher Gehalt an Vitamin C stärkt zudem das Immunsystem. Obst & Garten | 4 | 2015 Gemüse Eng verwandt mit A. tuberosum ist der ebenfalls aus China stammende Ästige Lauch oder Duftblütenknoblauch (Allium ramosum), der genauso kultiviert und verwendet wird, dabei aber großblättriger ist und bis zu 40 cm hoch wachsen kann. Neben den Blättern und Blüten werden in Asien besonders die Blütenstängel als Delikatesse geschätzt. Weinberglauch und Bärlauch Weinbergslauch (Allium vineale), nach seinem Aroma auch Weinbergsknoblauch genannt, wächst in Mittel- und Südeuropa auf lehmigen, warmen Standorten, besonders in und zwischen den Weinbergen. Neben röhrenförmigen Die ersten Bärlauchblätter treiben in milden Jahren schon im Februar aus Blättern und rosafarbenen Blüten bildet der Weinbergslauch wie Knoblauch Brutzwiebelchen aus. Durch Zwiebelteilung bilden sich in der Natur dichte Bestände. Bei einem Anbau im Garten empfiehlt es sich, die Horste regelmäßig zu teilen. Alle Pflanzenteile sind essbar und lassen sich wie Schnittknoblauch, die Zwiebeln auch wie junger Knoblauch verwenden. Auch Bärlauch (Allium ursinum) gehört zu derselben Gattung wie Knoblauch. In den letzten Jahren hat sich die kräftig nach Knoblauch schmeckende Pflanze vielerorts zu einem saisonalen Modekraut entwickelt. Angesichts ihres gesundheitlichen Wertes sollte man sich davon aber nicht abschrecken lassen. Mit dem Beinamen „Bär“ wurden traditionell Pflanzen mit einer besonderen Kraft bezeichnet, was sich einerseits auf die Wuchskraft des Bärlauchs bezieht, mehr aber noch auf seine Heilkraft. Bärlauch 4 | 2015 Obst & Garten stärkt die Verdauungsorgane, Magen, Darm, Leber und Galle − besonders bei rohem Genuss der Blätter. Die schwefelhaltigen ätherischen Öle wirken blutreinigend und entschlackend, weshalb das Kraut sich ganz besonders für eine Frühjahrskur eignet. Im Gegensatz zu Knoblauch bleibt der Verzehr fast ohne unliebsame Geruchsfolgen. Bärlauch ist einer der ersten Frühlingsboten. Sobald der Boden auftaut, treiben im zeitigen Frühjahr, in milden Gegenden häufig schon im Februar, die schmalen, lang gestielten, 15 bis 20 cm langen Blätter. Ab April erscheinen weiße Doldenblüten auf hohen Stängeln. Mit einsetzender Samenbildung beginnen die Auch die Blüten und Samen von Bärlauch sind essbar Blätter zu altern und später zu welken. Zu dieser Zeit verströmen die Bärlauchbestände einen intensiven Duft. Das „bärenstarke“ Kraut wächst bevorzugt in lichten, etwas feuchten, humosen Laubwäldern, besonders häufig auf kalkreichen Böden in Buchenwäldern, in Auenwäldern und auf angrenzenden Wiesen. Wo die Pflanze sich wohl fühlt, bilden sich schnell große Bestände. Essbar ist am Bärlauch alles. Die anfangs sehr mild schmeckenden Blätter nehmen mit zunehmendem Wachstum an Schärfe zu. Neben dem beliebten Bärlauchpesto werden die Blätter auch zu Bärlauchbrot, -nudeln und -käse verwendet. Schlicht und sehr gesund sind Bärlauchblätter aufs Butter- oder Käsebrot. Gedünstet als Bärlauchsuppe oder Omelettfüllung ist der Geschmack dezenter. Was viele nicht wissen: Keineswegs wird Bärlauch zum Zeitpunkt der Blüte giftig, höchstens leidet das Aroma der alternden Blätter. Dafür sind die Blüten und auch die Samen essbar. Die Samen können wie Kapern in eine Essiglösung eingelegt werden. Ebenfalls essbar sind die kleinen länglichen Zwiebeln. Aufpassen sollte man beim Sammeln von wild wachsendem Bärlauch, da immer wieder Verwechslungen mit den hochgiftigen Blättern von Maiglöckchen, Aronstab und Herbstzeitlose vorkommen, die besonders bei letzterer leicht tödlich enden können. Wer unsicher ist, greift deshalb besser zu Marktware oder siedelt die Pflanzen bei geeigneten Bodenverhältnissen im eigenen Garten an. Günstig ist humusreicher, nicht zu tro- Bärlauch breitet sich gern großflächig aus Fotos: Brosius ckener Boden im Halbschatten bis Schatten. Besonders eignen sich in naturnahen Gärten Gehölzrandbereiche und Ränder von Wiesen, die nicht gemäht werden, bis der Bärlauch Ende Mai/Anfang Juni sein Laub eingezogen hat. Da es mehrere Jahre dauert, bis sich aus Bärlauchsamen erntefähige Pflanzen entwickeln, muss man anfangs Geduld aufbringen oder setzt besser gleich Zwiebeln oder vorgezogene Pflanzen aus einer Gärtnerei und hält sich in den ersten Jahren bei der Ernte zurück, damit den Pflanzen genügend Kraft zur Vermehrung durch Teilung und Selbstaussaat bleibt. Knoblauchsrauke Weniger bekannt ist heute die Knoblauchsrauke oder der Knoblauchshederich (Alliaria petiolata). Im Mittelalter, als Gewürze sehr teuer waren, wurde die Pflanze hingegen als leicht zugängli- 129 Obst Die Knoblauchsrauke im ersten (links) und zweiten Jahr (rechts) ches Würzkraut und Pfefferersatz häufig genutzt und sogar in Gärten angebaut. Möglicherweise gehört die Knoblauchsrauke sogar zu den frühesten europäischen Gewürzpflanzen überhaupt. Das unscheinbare zweijährige Wildkraut, das vielerorts an Weg- und Gebüschrändern wächst, bevorzugt stickstoffreiche, mäßig feuchte Böden und schattige bis halbschattige Plätze. Nach einer Blattrosette im ersten Jahr wächst im zweiten Jahr ein 50 bis 80 cm hoher, beblätterter Blütenstängel. Die Knoblauchsrauke gehört im Unterschied zu den bisher erwähnten Knoblaucharomapflanzen nicht zu den Lauchgewächsen (Alliaceae), sondern zur Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae), was un- 130 Fotos: Brosius schwer an den vierzähligen weißen Blüten erkennbar ist, die von Mai bis Juni erscheinen. Die im ersten Jahr rundlichen, im zweiten Jahr dreieckigen bis herzförmigen, unregelmäßig gekerbten Blätter enthalten Senfölglykoside und ätherische Öle und setzen beim Zerreiben den typischen Knoblauchduft frei. Die Knoblauchsrauke wird von Bienen, Schwebfliegen und Käfern bestäubt und ist Nektar- und Futterpflanze für verschiedene Schmetterlingsarten. Die Blätter und jungen Triebe können von April bis Juni gepflückt werden. Sie schmecken roh in Salaten, Kräuterbutter, Quark und Frischkäse, kleingehackt mit Öl als Pesto oder gedünstet als Gemüsefüllung für Pfannkuchen, Pasteten und Strudel. Beim Kochen verfliegt das knoblauchartige Aroma allerdings weitgehend. Auch die Blüten und unreifen Samenhülsen lassen sich zum Würzen von Salaten verwenden oder aufs Butterbrot legen. Da die Aromastoffe flüchtig sind, sollte Knoblauchsrauke nur frisch verwendet werden. Während die Blätter milder als Knoblauch und nur wenig scharf schmecken, haben die schwarzen Samen, die im Juli und August reifen, ein scharfes, pfeffriges Aroma und können ähnlich wie Pfeffer- oder Senfkörner verwendet werden. Knoblauchsrauke wirkt leicht antiseptisch, blutreinigend, erkältungswidrig, schleimlösend und entschlackend. Früher wurde sie häufig bei Wurmerkrankungen verwendet. Bei Insektenstichen und schlecht heilenden Wunden kann man zur Linderung einen Breiumschlag aus den Blättern auflegen. Neben Glykosiden, Saponinen und ätherischen Ölen enthält Knoblauchsrauke auch Vitamin A und C sowie verschiedene Mineralstoffe. Anke Brosius, Freiburg Obst & Garten | 4 | 2015