Hausarbeit im Fach Heilpraktiker/in für Psychotherapie (HPP) Thema: Diagnose Demenz von Sandra Lang Schanzstr. 60/3 72770 Reutlingen Dozentin: Savina Tilmann Erstelldatum: April 2016 Heilpraktikerschule Isolde Richter Üsenbergerstr. 11-13 79341 Kenzingen Inhaltsverzeichnis 1. Was ist Demenz?...............................................................................................................................3 2. Einteilung und Klassifikation von Demenzen..................................................................................3 2.1 Primäre / Sekundäre Demenzen.................................................................................................3 2.2 Klassifikation nach ICD-10.......................................................................................................4 2.3 Einordnung nach Lokalisation bzw. Erscheinungsbild..............................................................4 3. Risikofaktoren und protektive Faktoren...........................................................................................5 4. Diagnostik.........................................................................................................................................5 4.1 Anamnese und Fremdanamnese.................................................................................................5 4.2 Neuropsychologische Diagnostik / Untersuchungsinstrumente................................................6 4.2.1 Kognitive Kurztests............................................................................................................6 4.2.2 Testbatterien.......................................................................................................................7 4.2.3 Funktionsspezifische Einzeltest (Flexible Battery Approach)...........................................7 4.2.4 Ratingskalen und Fragebögen............................................................................................7 4.3 Labordiagnostik.........................................................................................................................8 4.3.1 Im Blut...............................................................................................................................8 4.3.2 Im Liquor...........................................................................................................................8 4.4 Bildgebung.................................................................................................................................8 4.5 Weitere Untersuchungen............................................................................................................9 4.5.1 EEG....................................................................................................................................9 4.5.2 Sonographie.......................................................................................................................9 4.5.3 Genetische Diagnostik.......................................................................................................9 5. Therapie / Behandlung....................................................................................................................10 5.1 Diagnosemitteilung und Beratung...........................................................................................10 5.2 Psychsoziale Interventionen....................................................................................................10 5.2.1 Kognitive Verfahren.........................................................................................................10 5.2.2 Verfahren zur sozialen Einbindung und Selbstwertunterstützung....................................11 5.3 Pharmakotherapie....................................................................................................................12 6. Fazit................................................................................................................................................12 Seite 2 von 14 1. Was ist Demenz? Eine Demenz (lat. demens = „ohne Geist“) ist ein psychopathologisches Syndrom einer meist chronischen oder fortschreitenden Erkrankung des Gehirns, die mit erworbenen Defiziten der geistigen, emotionalen und sozialen Kompetenzen einhergeht. Folgende Symptome können auftreten: Abnahme des Gedächtnisses (Leitsymptom), Abnahme anderer kognitiver Fähigkeiten (wie u. a. Denken, Lernen, Planen, Orientierung, Auffassungsgabe, Urteilsvermögen, Sprache, Rechenfähigkeiten), Abnehmende Affektkontrolle, Persönlichkeits- und Verhaltensveränderungen, Störung des Antriebs, Depressivität und Angst, produktiv-psychotische Symptome, Nachlassen der Alltagskompetenzen (wie u. a. in Körperpflege, Ankleiden, Einkaufen) 2. Einteilung und Klassifikation von Demenzen 2.1 Primäre / Sekundäre Demenzen Demenzen lassen sich in primäre und sekundäre Demenzen einteilen. Einer primären Demenz liegt eine Schädigung des Gehirns zugrunde. Diese kann neurodegenerativ (durch Verfall von Nervenzellen), vaskulär (durch Durchblutungsstörungen) oder durch beide Formen gemischt bedingt sein. Die meisten Demenzen sind primär und neurodegenerativ. Um eine sekundäre Demenz handelt es sich, wenn eine andere Erkrankung, also keine Schädigung des Gehirns, Ursache für eine demenzielle Symptomatik ist. Hier führt eine Behandlung der ursächlichen Erkrankung (Primärerkrankung) oftmals zu einer Verbesserung der Symptomatik. Primäre Demenzen (90 %): • Neurodegenerativ (77 %): Alzheimer Demenz, Frontotemporale Lobärdegenerationen bzw. Pick-Krankheit, Lewy-Körperchen-Demenz • Vaskulär (15 %): Vaskuläre Demenz u. a. aufgrund von Multi-, Einzelinfarkten, subkortikaler arteriosklerotischer Enzephalopathie bzw. Morbus Binswanger • Gemischt (8 %): Es sind Anzeichen / Symptome für durchblutungsbedingte und neurodegenerative Demenzen vorhanden Sekundäre Demenzen (10 %): • Infektiöse Ursachen: u. a. Creutzfeld-Jakob, Neurosyphilis, AIDS-Enzephalopathie • Metabolisch-endokrine Ursachen: u. a. Hypo-, Hyperthyreose, Vitaminmangel (B12, B1, Folsäure, Niacin), Exsikkosen, Eiweißmangel, Hypoglykämie Seite 3 von 14 • exogen-toxische Ursachen: Vergiftungen durch u. a. Alkohol, Medikamente, Drogen, Schwermetalle, Lösungsmittel, Kohlenmonoxid • Andere Ursachen: u. a. Morbus Parkinson, Normaldruckhydrozephalus, Hirntumore, Hirntraumata, Chorea Huntington, Morbus Wilson, Multiple Sklerose, Epilepsie, Depression 2.2 Klassifikation nach ICD-10 Zuordnung in der ICD-10 erfolgt äthiologisch. Mindestdauer für Diagnosestellung: 6 Monate. F00: Demenz bei Alzheimer-Krankheit: früh beginnend (< 65 J.), spät beginnend (>= 65 J.), atypische oder gemischte Form, nicht näher bezeichnet F01: vaskuläre Demenz: akuter Beginn, Multiinfarkt-Demenz, subkortikal, gemischt kortikalsubkortikal, sonstige vaskuläre Demenz, nicht näher bezeichnet F02: Demenz bei andernorts klassifizierten Krankheiten: Pick-Krankheit, Creutzfeldt-JakobKrankheit, Chorea Huntington, Morbus Parkinson, HIV, andere Primärerkrankungen F03: nicht näher bezeichnete Demenz ---> Zusätzliche Psychopathologie: ohne zusätzliche Symptome, vorwiegend wahnhaft, vorwiegend halluzinatorisch, vorwiegend depressiv, gemischte Symptome ---> Schweregrade: leicht, mittelgradig, schwer 2.3 Einordnung nach Lokalisation bzw. Erscheinungsbild Man kann Demenzen auch nach Lokalisation der Gehirnschädigung und / oder klinischem Erscheinungsbild in 3 Subtypen klassifizieren. Hier sind auch Mischformen möglich. • Kortikale Demenz: Im Vordergrund stehen Gedächtnisstörungen und Störungen anderer kognitiver Fähigkeiten v. a. Denkvermögen, Sprache, Ausführen von Handlungen, Orientierung. Persönlichkeitsveränderungen erst im späteren Verlauf. Beispiel: Alzheimer • Subkortikale Demenz: Im Vordergrund steht die Verlangsamung der Psychomotorik. Außerdem kommt es zu Aufmerksamkeitsstörungen, Dysarthrie, Bewegungsstörungen, erschwerter Umstellungsfähigkeit auf neue Situationen (reduzierte kognitive Flexibilität), Antriebsarmut und Nieder- oder Missgestimmtheit. Gedächtnisstörungen sind gering ausgeprägt. Die Pat. werden stiller und langsamer. Beispiele: Parkinson-Demenz, beginnende Multiinfarktdemenz, Chorea Huntington, Morbus Wilson, AIDS Seite 4 von 14 • Frontale Demenz: Persönlichkeitsveränderung steht im Vordergrund, außerdem Verhaltensauffälligkeiten (unangepasstes Sozialverhalten z. B. anzüglich, unverschämt, aggressiv), mangelnde Affekt- und Impulskontrolle, Störung des planenden Denkens, mangelndes Urteilsvermögen. Diese Symptome gehen Gedächtnis- und Orientierungsstörungen voraus. Beispiel: Pick-Krankheit 3. Risikofaktoren und protektive Faktoren Als Risikofaktoren gelten: hohes Lebensalter, weibliches Geschlecht, familiäre Häufung, SchädelHirn-Traumen, Hirntumore, Störungen der Hirndurchblutung, Entzündungen des Gehirns, Vergiftungen, Vitaminmangelzustände, metabolische (Stoffwechsel) oder endokrine Erkrankungen, vaskuläre Risikofaktoren (z. B. Hypertonie, Diabetes mellitus, Dyslipoproteinämie, Adipositas, Nikotinabusus, Bewegungsarmut), Psychotraumata, Depressionen (Cave: ist Risikofaktor, kann aber auch Begleiterscheinung oder Ursache kognitiver Störungen sein), Als protektive (schützende) Faktoren gelten: körperliche Aktivität, ausgewogene Ernährung, ein aktives geistiges und soziales Leben, Normalgewicht, medikamentöse Prävention z. B. Antihypertensiva, moderater Alkoholkonsum (Cave: umstritten und wird nicht zur Prävention empfohlen!) 4. Diagnostik Der erste Ansprechpartner bei Auftreten von Symptomen ist meist der Hausarzt. Hier schildern Patienten und Angehörige die bemerkten Einbußen. Die Patienten selbst neigen oft eher dazu Symptome zu verheimlichen, zu bagatellisieren oder ihnen fallen die Symptome gar nicht auf, deshalb ist eine Fremdanamnese hilfreich. Dann folgt eine klinisch-internistische Untersuchung (mit u. a. EKG, Blutdruck, Reflexe), sowie Labordiagnostik und evtl. erste Screenings wie MMST (Mini-Mental-Status-Test) und Uhrentest. Bei begründetem Verdacht wird der Patient zur Abklärung an Fachärzte oder in spezialisierte Kliniken / Zentren überwiesen (Gedächtnissprechstunden, Memory-Kliniken, Alzheimer-Zentren). 4.1 Anamnese und Fremdanamnese Es sollte eine ausführliche Eigen-, Fremd-, Familien- und Sozialanamnese erfolgen, sowie eine medizinische und Medikamentenanamnese. Die Risikofaktoren sollten berücksichtigt werden, ein psychopathologischer Befund muss erhoben werden. Seite 5 von 14 4.2 Neuropsychologische Diagnostik / Untersuchungsinstrumente Voraussetzung für neuropsychologische Tests, ist die Teilnahmebereitschaft und Motivation des Patienten, ausreichende Seh- und Hörfähigkeiten und er muss den Instruktionen folgen können. Die Person die den Test durchführt muss kein Neuropsychologe sein, sie sollte aber gut geschult und supervidiert worden sein. Zunächst muss der geeignete Test bzw. die Testkombination ausgesucht werden (abhängig je nach Einzelfall von Fragestellung, Krankheitsstadium, Erfahrung des Untersuchers und auch danach, welche Tests im Unternehmen vorliegen). Auch Interpretation und Befundung der Ergebnisse verlangen neuropsychologische Fachkenntnisse, ohne die es zu Fehlbeurteilungen kommen könnte. Mitberücksichtigt werden müssen auch Faktoren wie prämorbides Funktionsniveau, Testvorerfahrungen, Ausbildungsstatus, soziokultureller Hintergrund und Sprachkenntnisse. Neben dem gesamten technischem Können wird auch Einfühlungsvermögen benötigt, um Scham, Abwehr, Verärgerung, Verweigerung und Abbruch der Untersuchung zu vermeiden. Die Beziehung sollte positiv, vertrauensvoll und motivierend gestaltet werden. Die Untersuchungssituation soll als eine konstruktive gemeinsame Arbeitssituation verstanden werden und ohne Anwesenheit von Angehörigen stattfinden. Tests im Verlauf werden empfohlen, um Rückschlüsse auf die Progredienz ziehen zu können. Testwiederholungseffekte lassen sich vermeiden, indem erneute Testungen in ausreichendem zeitlichem Abstand durchgeführt werden (mindestens 6 Monate, bei rascher Verschlechterung auch früher) oder durch Verwendung von Test-Parallelversionen. 4.2.1 Kognitive Kurztests Kognitive Kurztests dienen der groben Orientierung, ob weitere Diagnostik angezeigt ist, sowie zur schnellen Schweregradeinschätzung und zur Verlaufsbeurteilung. Wegen mangelnder Sensitivität / Spezifität eignen sie sich nicht zur Früherkennung / Differentialdiagnose verschiedener Demenzen. Vorteile sind: Einfache und schnelle Durchführbarkeit. Kritikpunkte sind: Geringe Sensitivität für weniger ausgeprägte kognitive Defizite, falsch-positive Diagnosen bei niedrigem Bildungsstand und falsch negative Diagnosen bei hohem Bildungsstand, keine differenzierte Beurteilung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Es existieren verschiedene Versionen mit verschiedenen Aufgabenschwierigkeiten und Schwellenwerten, für die Auswertung. Kurztests sind u. a.: MMST (Mini-Mental-Status-Test), ACE-R (Addenbrooke's Cognitive Examination Revised), Uhrentest, DemTect (Demenz-Detection), MNDS (Modifiziertes Neuropsychologisches Defizitscreening), MoCa (Montreal Cognitive Assessment), RDST (Rapid Dementia Screening Test), SKT (Syndrom-Kurztest auf Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen) Seite 6 von 14 4.2.2 Testbatterien Testbatterien sind speziell für die Demenzdiagnostik entwickelte neuropsychologische Testungen. Die Ergebnisse sind auch zur Früherkennung und Differentialdiagnose von Demenzen geeignet. Beispiele: ADAS (Alzheimer's Disease Assessment Scale), CERAD-plus-NTB (Neuropsychologische Testbatterie des Consortium to Establish a Registry für Alzheimer's Disease), DT (Demenz-Test), NAI (Nürnberger-Alters-Inventar), SIDAM (Strukturiertes Interview für die Diagnose einer Demenz vom Alzheimer-Typ, vaskulärer Demenz, Demenzen anderer Ätiologie) 4.2.3 Funktionsspezifische Einzeltest (Flexible Battery Approach) Es ist möglich, wenn auch aufwendiger, die Tests je nach Einzelfall zu kombinieren. Dies ist aber nur bei Vorliegen einer großen Testauswahl und hohen Expertise des Untersuchers möglich. So kann eine differenzierte Leistungsdiagnostik, Früherkennung und Differentialdiagnostik durchgeführt werden. So gibt es diverse Einzeltests zu verschiedenen Funktionsbereichen z. B. Lernen und Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Raumverarbeitung, Exekutivfunktionen und Sprache. Auch Untertests aus Testbatterien können eingesetzt werden. 4.2.4 Ratingskalen und Fragebögen Es gibt noch weitere nützliche Instrumente für die Demenzdiagnostik bzw. auch zur Differentialdiagnostik, die Aspekte wie Alltagskompetenzen, Verhaltensauffälligkeiten, kognitive Leistungseinbußen, etc. miteinbeziehen. Beispiele: • Standardisierte Fremdeinschätzung kognitiver Veränderungen anhand IQCODE (zur Fremdeinschätzung kognitiver Veränderungen) • Einschätzung des Schweregrades einer Demenz mittels Fremdbeurteilung: CDR (Clinical Dementia Rating), GDS (Global Deterioration Scale) • Standardisierte Erfassung psychopathologischer Symptome z. B. mit NPI (Neuropsychiatrisches Inventar), BEHAVE-AD (Behavioral Pathology in Alzheimer`s Didease Rating Scale), CERAD-BRSD (CERAD Behavior Rating Scale for Dementia), NOSGER (Nurses Observation Scale for Geriatric patients) • Einschätzung depressiver Verstimmungen z. B. mit GDS (Geriatrische Depressionsskala, Selbstbeurteilung), DMAS (Dementia Mood Assessment Scale, fremddiagnostisch),CSDD (Cornell Scale for Depression in Dementia) Seite 7 von 14 • Beurteilung der Funktionsfähigkeit im Alltag (diagnostisches Kriterium für Demenz!): z. B. ADL (Aktivitäten des tägl. Lebens), IADL, DAD (Disability assessment for dementia) 4.3 Labordiagnostik 4.3.1 Im Blut Leider gibt es bisher keine diagnostischen Blutmarker für die primären Demenzerkrankungen. Dennoch können im Blut viele u. a. reversible Demenzursachen ausgeschlossen werden, wie z. B. endokrine Störungen (z. B. Hypothyreose), Vitaminmangelzustände (z. B. Vitamin B 12- Mangel), metabolische Enzephalopathien (z. B. Hepatische oder Dialyse-Enzephalopathie ), Intoxikationen (z. B. Kohlenmonoxid, Psychopharmaka), Elektrolytstörungen (z. B. Hyponatriämie), hämatologisch bedingte Störungen (z. B. Anämie), Infektionskrankheiten (z. B. Neurosyphilis, HIV). Als Basisdiagnostik wird empfohlen: Blutbild, Elektrolyte (Natrium, Kalium, Calcium), TSH, Blutsenkung oder CRP, GOT, Gamma-GT, Kreatinin, Harnstoff, Vitamin B12, Nüchtern-Blutzucker Im Einzelfall oder bei Verdacht als weitergehende Diagnostik: Differenzial-Blutbild, BlutgasAnalyse (BGA), Folsäure, HBA1c (Langzeitblutzucker), Vitamin B6, Drogenscreening, LuesSerologie, HIV-Serologie, Phosphat, Homocystein, fT3, fT4, Schilddrüsen-Antikörper, Kortisol, Parathormon, Coeruloplasmin, Borrelien-Serologie, Pb (Blei), Hg (Quecksilber), Cu (Kupfer) 4.3.2 Im Liquor Eine Liquoruntersuchung gehört nicht zur Routinediagnostik. Sie dient dem Ausschluss von bestimmten Erkrankungen, v. a. entzündlichen Gehirnerkrankungen (aber auch von weiteren Erkrankungen wie z. B. Lues, M. Whipple, Neuroborreliose, Neurosarkoidose, Multiple Sklerose) und um in klinisch unklaren Fällen die Neurodegenerationsmarker zu bestimmen. So lassen sich Rückschlüsse ziehen, ob die Demenz neurodegenerativ ist oder die Ursache eher woanders liegt. Neuropathologische Veränderungen lassen sich also anhand bestimmter Neurodegenerationsmarker im Liquor feststellen. Die Marker können aber nur unter Berücksichtigung aller anderen Befunde beurteilt werden, denn nicht immer sind die Ergebnisse eindeutig interpretierbar. Die relevanten Marker sind: beta-Amyloid-1-42, Gesamt-Tau und Phospho-Tau (pTau). 4.4 Bildgebung Bildgebende Untersuchungen werden durchgeführt um evtl. behandelbare Ursachen einer Demenz aufzudecken (z. B. Tumor, Hämatom, Normaldruckhydrozephalus) und zur Differentialdiagnostik primärer Demenzformen. Seite 8 von 14 Bei Erstdiagnose wird empfohlen ein cMRT (craniale Magnetresonanztomographie / Kernspintomographie) durchzuführen. Sollte kein MRT verfügbar sein oder es bei dem Patienten Kontraindikationen geben (z. B. Herzschrittmacher, Klaustrophobie, Cochleaimplantat) sollte ein cCt (craniale Computertomographie) gemacht werden. Das cMRT bietet aber eine größere Genauigkeit in der Darstellung. Festgestellt werden könnten dann z. B. Raumforderungen, vaskuläre Läsionen, subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie, Hydrozephalus, aber auch Gehirnatrophien. Eine fehlende Atrophie schließt aber auch eine neurodegenerative Erkrankung nicht aus. Weitere nuklearmedizinische Untersuchungen, die nicht zur Routinediagnostik gehören: Bei Unsicherheit in der Differentialdiagnostik (Alzheimer-Demenz, Frontotemporale Demenz, Vaskuläre Demenz) können noch die nuklearmedizinischen Untersuchungen FDG-PET (Darstellung des Glukosestoffwechsels) bzw. HMPAO-SPECT (Darstellung der Hirndurchblutung, Hirnperfusionsszintigrafie) durchgeführt werden. Wenn klinisch unklar ist ob eine Lewy-Körperchen-Demenz vorliegt oder nicht, kann ein PET oder SPECT eingesetzt werden. Bei der Lewy-Körperchen-Demenz ist dann das Dopamin-TransporterProtein im Striatum (Teil der Basalganglien) reduziert vorhanden. Ob eine Alzheimer-Demenz vorliegt oder nicht, kann auch noch im Amyloid-PET geklärt werden. Dort können die Amyloid-Plaques dargestellt werden, dass sind die Proteinablagerungen, die sich bei der Alzheimer-Krankheit an die Nervenzellen anlagern und diese vermutlich zerstören. 4.5 Weitere Untersuchungen 4.5.1 EEG Es kann auch ein Elektroenzephalogramm geschrieben werden (keine Routine). Dies zeigt die elektrische Aktivität des Gehirns. Bei manchen Demenzen finden sich EEG-Veränderungen, wie z. B. Verlangsamung des Grundrhythmus (Alzheimer- / Lewy-Körperchen-Demenz). Ein EEG wird v. a. bei Verdacht auf bestimmte Erkrankungen angewendet, wie Epilepsie, Delir, Creutzfeldt-Jakob. 4.5.2 Sonographie Zur Diagnostik von Stenosen an gehirnversorgenden Gefäßen kann eine Doppler- oder Duplexsonographie veranlasst werden. 4.5.3 Genetische Diagnostik Bei Verdacht auf eine monogene bzw. autosomal dominant vererbte Demenzerkrankung, kann eine genetische Beratung und eine molekulargenetische Diagnostik angeboten werden. Dies erfolgt bei Seite 9 von 14 einer humangenetischen Beratungsstelle unter Einhaltung des Gendiagnostikgesetzes. Dem Patienten muss klar sein, dass sich aus dieser Diagnostik keine Therapie oder präventive Behandlung ableitet. Es geht um das Wissen, ob der Patient Träger eines Krankheitsgens ist oder nicht. Dieses Wissen hat Folgen für Patienten / Angehörige. Eine psychosoziale Beratung ist empfehlenswert. Vererbte Demenzen sind aber eher selten. Bei der Alzheimer-Krankheit sind es < 5 % mit familiärer Alzheimer-Demenz, FAD), bei den frontotemporalen Demenzen sind es etwa 5 – 10 %. 5. Therapie / Behandlung Bei Demenzen mit behandelbaren Ursachen erfolgt die Therapie kausal, also z. B. Behandlung einer Schilddrüsenerkrankung oder der Ursachen einer vaskulären Demenz. Da die Heilung neurodegenerativ bedingter Demenzen nicht möglich ist, erfolgt die Therapie symptomatisch, genauso wie die Therapie kognitiver und emotionaler Veränderungen. Die Therapie umfasst neben der pharmakologischen Behandlung auch die psychosoziale Beratung des Erkrankten und seiner Angehörigen. Ziele der Therapie: Steigerung der Lebensqualität des Erkrankten und seiner Angehörigen, Verzögerung des Erkrankungsverlaufs, Verbesserung und Aufrechterhaltung der Alltagskompetenzen, der Orientierung und der Gedächtnisleistung, Verminderung von psychischen und Verhaltenssymptomen = BPSD (Behavioral and Psychological Symptoms of Dementia), dies sind u. a. Psychotische Symptome, Angst, Depression, Aggression, Enthemmung, Schlafstörungen, Appetitstörungen 5.1 Diagnosemitteilung und Beratung Es besteht Aufklärungspflicht, der in der Praxis aber häufig nicht nachgekommen wird. Oft werden Umschreibungen wie „Gedächtnisstörung“ und „Vergesslichkeit“ verwendet um den Pat. zu schonen. Dadurch wird aber die Tabuisierung und Stigmatisierung von Demenzerkrankungen begünstigt. Im Gespräch sollte geklärt werden ob und wieviel der Betroffene über seine Erkrankung erfahren möchte. Da die Demenzdiagnose eine schwerwiegende Information für Betroffene und Angehörige ist, sollte der Diagnostiker einfühlend, akzeptierend und konstruktiv vorgehen. 5.2 Psychsoziale Interventionen 5.2.1 Kognitive Verfahren Diese Interventionen sollen die kognitiven Leistungen aufrecht erhalten. • Kognitives Training (im Einzel-, Gruppensetting, am PC): Durchführung von Aufgaben für Gedächtnis, Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen, räumliche Orientierung, Sprache und Vermittlung von Gedächtnishilfen und -strategien Seite 10 von 14 • kognitive Stimulation: Allgemeine kognitive Anregung z.B. regelmäßige Gruppensitzungen mit angenehmen Aktivitäten (z. B. Spielerunden mit Wort- und Zahlenspielen, Gestalten von Festen) und anregenden Konversationen (z. B. Kindheitserinnerungen, Themenbezogene Gespräche) • kognitive Rehabilitation: Kombination aus Kognitivem Training und Kognitiver Stimulation • Realitäts-Orientierungs-Training (ROT): Die Orientierung (Ort, Zeit, Situation, Person) soll durch Hinweise und Hilfen gefördert werden. Beispiele: optische Orientierungshilfen (wie Kalender, Uhren, Richtungspfeile), Gruppen in denen sich über Ereignisse des Tages / Woche / Jahreszeit etc. ausgetauscht wird • Reminiszenz/autobiographische Arbeit: Aktivierung von autobiographischen, insbesondere emotional positiv besetzten Altgedächtnisinhalten 5.2.2 Verfahren zur sozialen Einbindung und Selbstwertunterstützung Das emotionale Wohlbefinden soll durch diese Interventionen verbessert werden. • Lebensrückblick-Interventionen (LRI): Biografiearbeit, Erinnerungsgruppen, Alzheimer Cafes oder Erinnerungscafes. Es werden Erinnerungen zu bestimmten Themen gesammelt z. B. Feste im Jahreskreis, Jugenderfahrungen • Psychologische, vorwiegend verhaltenstherapeutische Interventionen zur Reduktion von Depression und Angst. Verhaltenstherapie: Aktivitätsaufbau, individualisierte Biografiearbeit, Psychoedukation, aber auch entlastende Gespräche • Multimodale Interventionsprogramme: z. B. SET (Selbst-Erhaltungs-Therapie) – Ziel: größtmöglicher Erhalt des personalen Selbst oder das Kordial-Programm • Multimodale Therapie mit z. B. Ergotherapie, Bewegungstherapie, Musiktherapie, Logopädie, Gedächtnistraining, Milieutherapie, tiergestützte Therapie Bei mittelgradiger bis schwerer Demenz auch noch folgende Interventionen: • Verhaltensanalyse- und Modifikation (bei BPSD), Validations-Therapie (nach Naomi Feil), Sensuomotorische Stimulation: Snoezelen, Stimulierung der Sinne z. B. durch meditative Musik, ätherische Öle • Multimodales Interventionsprogramm: MAKS aktiv (Graessel et. al. 2011) → 4 Bereiche der Aktivierungstherapie: motorisch, alltagspraktisch, kognitiv und spirituell Seite 11 von 14 5.3 Pharmakotherapie Antidementiva optimieren den Neurotransmitterhaushalt und bessern die Hirnleistung. Sie können den Abbau von kognitiven Funktionen und Alltagskompetenzen um mehrere Monate verzögern und wirken sich auch positiv auf die Verhaltenssymptome (BPSD) auf. Bei den BPSD kommen noch Antidepressiva, Neuroleptika und Benzodiazepine zum Einsatz. Alzheimer-Demenz und gemischte Demenz: • Bei leichter bis mittelschwerer Demenz sind Acetylcholinesterase-Hemmer (z. B. Donepezil (Aricept®), Galantamin (Reminyl®) und Rivastigmin (Exelon®)) zugelassen. Sie wirken cholinerg. Sie erhöhen den Neurotransmitter Acetylcholin im synaptischen Spalt indem dessen Wiederaufnahme gehemmt wird. Dadurch können mehr Nervenreize übertragen werden und Gedächtnis- und Denkfunktion verbessern sich. Auch für die Behandlung mit dem pflanzlichen Mittel Ginko Biloba fanden sich Hinweise für eine positive Wirksamkeit. • Bei mittelschwerer bis schwerer Demenz ist Memantin (z. B. Axura®, Ebixa®) zugelassen. Es wirkt glutamaterg und schützt die Nervenzelle vor den negativen Auswirkungen des Glutamat auf die Rezeptoren. Vaskulären Demenz: Antidementiva sind hier nicht zugelassen, Studien zeigen aber positive Effekte, so dass eine OffLabel-Behandlung bedacht werden kann. Gründsätzlich sollten die vaskulären Risikofaktoren / Grunderkrankungen behandelt werden. Der Einsatz von Ginko kann ebenso erwogen werden. Frontotemporale Lobärdegenerationen: Es gibt keine Therapieempfehlungen. Ein Nutzen von Antidementiva konnte nicht erwiesen werden. Parkinson-Demenz und Lewy-Körperchen-Demenz: Es existiert keine zugelassene und ausreichende belegte Medikation. Es zeigen sich aber Verbesserungen bei Off-Label-Behandlungen mit Donepezil, Rivastigmin und bei der Lewy-Körperchen Demenz noch mit Memantin. 6. Fazit Ich wollte mich hauptsächlich mit der Diagnose, aber auch noch mit der Therapie der Demenzen beschäftigen. Dies einigermaßen kurz zu fassen, war schwer für mich. Schon alleine, was man beachten muss, wenn man einen Test durchführt und wie man auf den Patienten am besten reagiert hätte eine eigene Hausarbeit ergeben können. Fazit ist, dass eine genaue Diagnose, die einfühlsam Seite 12 von 14 mit dem Patienten erarbeitet wird, unbedingt nötig ist, um Vorsorge für das weitere Leben treffen zu können. Auch ist eine passende Medikation, frühzeitig begonnen, am effektivsten. Großen Wert sollte neben der Diagnose und der Diagnosemitteilung auch noch der Beratung zukommen. Hier ist nicht nur die Beratung und Psychoedukation des Betroffenen selbst gemeint, sondern im besonderen auch die Beratung und Entlastung der Angehörigen. Hier sollten Hilfe- und Unterstützungsangebote gemacht werden. Maßnahmen, die das Wohlbefinden, soziale Einbindung und den Selbstwert der Patienten unterstützen, fördern in beachtlichem Maße die Lebensqualität der Betroffenen. Wunderbare Tipps zum Umgang mit der Erkrankung bietet auch die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. an. Hier lohnt es sich die Homepage (www.deutsche-alzheimer.de) und die dort angebotenen Broschüren zu durchforsten. Die in dieser Hausarbeit geäußerten Diagnoseund Behandlungsempfehlungen, sind der aktuellen S3-Leitlinie “Demenzen” von der DGPPN entnommen. Zu guter Letzt noch ein wahrer Satz, den ich aus dem Buch „Psychiatrie für Pflegeberufe, S. 183“ entnommen habe: „Verlust von Geist, bedeutet nicht der Verlust von Gefühlen“. Seite 13 von 14 Literaturverzeichnis Thomas Jahn, Katja Werheid: Demenzen. Reihe: Fortschritte der Neuropsychologie – Band 15. Göttingen: Hogrefe Verlag, 2015. Hans Förstl (Hrsg): Demenzen in Theorie und Praxis. 3. aktualisierte und überarbeitete Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, 2011. DGPPN, Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde: S3-Leitlinie “Demenzen”: Langversion (1. Revision, August 2015) https://www.dgppn.de/fileadmin/user_upload/_medien/download/pdf/kurzversion-leitlinien/REV_S3leiltlinie-demenzen.pdf Holger Thiel, Markus Jensen, Siegfried Traxler: Psychiatrie für Pflegeberufe. 5. Auflage. München: Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, 2011. Sandra Maxeiner, Hedda Rühle: Dr. Psych`s Psychopathologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie Band 1. 2. Auflage. Zollikon: Jerry Media Verlag, 2015. Siegfried Charlier (Hrsg): Fachpflege Gerontopsychiatrie. 1. Auflage. München: Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, 2012. H. Dilling, J. J. Freyberger (Hrsg): Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. 7. überarbeitete Auflage unter Berücksichtigung der ICD-10-GM 2014. Bern: Hogrefe AG, Verlag Hans Huber, 2014. Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V.: https://www.deutsche-alzheimer.de, Stand 21.04.2016 Eidesstattliche Erklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Hausarbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Reutlingen, 22.04.2016 Sandra Lang Seite 14 von 14