Versorgungsforschung für demenziell erkrankte Menschen – Health Services Research for People with Dementia Symposium – Bonn 11.-12. Dezember 2008 (World Conference Center Bonn) Symposium S-3: ASSESSMENTS IN DER DEMENZVERSORGUNG Beurteilung von Verhalten und psychologischen Funktionen Abstract (aus Abstractheft): Bei Demenzen kommt es zu einer Beeinträchtigung unterschiedlicher kognitiver und nicht-kognitiver Funktionen über den Krankheitsverlauf. Psychologische und Verhaltensstörungen sind dabei integraler Bestandteil von der Symptomatik. Die kognitiven Leistungen nehmen eher kontinuierlich ab, auch wenn das Tempo variieren kann. Die nichtkogniti en Stör nichtkognitiven Störungen ngen beinhalten v.a. a Wahn (hä (häufig fig Bestehl Bestehlungsngs und nd Eifers Eifersuchtsideen), chtsideen) Hall Halluzinationen, inationen illusionäre Verkennungen (Fehlidentifikation naher Angehöriger, Capgras-Syndrom, Nichterkennen des eigenen Spiegelbildes, Verwechslung von Fernsehbildern mit der unmittelbar erlebten Realität), Unruhe, gesteigerte motorische Aktivität mit Wandern, Weglaufen, Nesteln, Herumschieben von Gegenständen, Aggressivität, Enthemmungsphänomene (Hyperphagie, Hypersexualität), Schreien. Auf der "Negativ“-Seite beherrschen v.a. Apathie, Angst und Irritabilität, Depression, Hoffnungslosigkeit, Resignation, Lebensmüdigkeit das klinische Bild. Zu ihrer systematischen Erfassung existieren verschiedene psychometrische Instrumente, z.B. das neuropsychiatrische Inventar (NPI), die Skala zur Erfassung der Verhaltenspathologie der Alzheimer-Krankheit (BEHAVEAD) sowie verschiedene Skalen zur Erfassung spezieller Symptombereiche (Apathie, Agitation, Depression). Die Symptome sind im Verlauf sehr variabel: Antriebsstörungen sind eher stabil, paranoide Symptome und Angst, paranoide Vorstellungen und Aggression sind mäßig persistent, affektive Störungen fluktuieren kurzfristiger (bei etwa der Hälfte der betroffenen Patienten <12 Monate nachweisbar). Jeder Patient entwickelt mindestens zu einem Zeitpunkt im Krankheitsverlauf eine therapiebedürftige nichtkognitive Störung. Die Symptome treten häufig schon Monate vor der Diagnosestellung einer Demenz auf und sind auch im Stadium der leichten kognitiven Störung häufig und relevant, relevant nicht erst im Stadium einer mittelschweren – schweren Demenz Demenz. Die Störungen lassen sich pathophysiologisch als direkte Konsequenz der degenerativen Hirnerkrankung erfassen und bedingen eine starke Belastung für Patienten, Pflegepersonen und die Angehörigen. Sie gehen einher mit: schlechterer Nutzung der verbliebenen Fähigkeiten, schlechterer Prognose, früherer Institutionalisierung. Etwa 30% der Kosten entfallen auf die Störung von Verhalten und psychologischen Funktionen. Therapeutisch stehen zunächst nichtpharmakologische Maßnahmen im Vordergrund. Medikamentös stehen Neuroleptika (NL) und Antidementiva (AChE-I und Memantine) zur Verfügung. NL haben nur eine mäßige Wirksamkeit bei hohem Nebenwirkungsrisiko. Verhaltensauffälligkeiten bei AD können von AChE-I wie Memantine positiv beeinflusst werden. Viele der Störungen im Verhalten und psychologischer Funk-tionen sind diesen therapeutischen Interventionen zugänglich, g g , die individuelles Leid lindern und Kosten mindern können. ----------------Lutz Frölich, Prof. Dr., Abteilung für Gerontopsychiatrie, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, 68159 Mannheim E-mail: [email protected] Beurteilung von Verhalten und psychologischen Funktionen Lutz Frölich Abteilung für Gerontopsychiatrie, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim Demenzen - Beeinträchtigung g g einzelner Funktionen über den Krankheitsverlauf Kognition Stimmungsveränderung Verhaltensstörungen Motorik Apathie Irritabilität / Depression leichte Demenz Agitierheit Wahn Halluzinationen Aggressivität mittelgradige Demenz Angst Unruhe Stereotypien Tag--Nacht Umkehr Tag schwere Demenz Schweregrad der Demenz Devanand et al 1997, Holtzer et al. 2003 Verlauf kognitiver und nichtnicht-kognitiver (=neuropsychiatrischer) Störungen bei Demenzen • Die kognitiven Leistungen nehmen eher kontinuierlich ab (auch wenn das Tempo variieren kann) • Die nichtkognitiven Störungen sind im Verlauf sehr variabel: Antriebsstörungen sind eher stabil stabil, Paranoide Symptome und Angst sind mäßig persistent (< 6 Mo), affektive Störungen fluktuieren kurzfristiger • Jeder Patient entwickelt mindestens zu einem Zeitpunkt im Krankheitsverlauf eine therapiebedürftige nichtkognitive Störung „positive positive“ Symptome • W Wahn h ((v.a. B Bestehlungst hl undd Eifersuchtsideen) Eif ht id ) • Halluzinationen • Illusionäre Verkennungen (Fehlidentifikation naher Angehöriger, Capgras-Syndrom, Nichterkennen des eigenen Spiegelbildes, Verwechslung von Fernsehbildern mit der unmittelbar erlebten Realität) • Unruhe, gesteigerte motorische Aktivität mit Wandern, Weglaufen Nesteln, Weglaufen, Nesteln Herumschieben von Gegenständen • Aggressivität • Enthemmung (Anzüglichkeiten, (Anzüglichkeiten Hyperphagie, Hyperphagie Hypersexualität) • Schreien „Negative“ Symptome • Apathie • Angst • Depression – Hoffnungslosigkeit, Resignation – Lebensmüdigkeit • Irritabilität • Euphorie Entwicklung von neuropsychiatrischen Störungen bei Demenzen 80 U h Unruhe Gestörter Schlaf-/ Wachrhythmus Patienteen in % 60 Depression Unsicherheit Umherwandern 40 Sozialer S i l Rückzug Erregung, Feindseligkeit 20 -40 -30 Stimmungsschwankungen g -20 -10 0 Halluzination Soziale Unverträglichkeit Wahn Beschuldigung Selbstmordgedanken 0 Angst Aggression 10 20 30 Monate vor / nach Diagnosestellung Jost BC, Grossberg GT. JAGS 1996;44:1078 1996;44:1078– –81 Häufigkeit von neuropsychiatrischen Störungen b i Mild Cognitive bei C iti IImpairment i t (MCI) und d Demenzen D 80 Punktprävalenz [%] 70 60 Allgemeinbevölkerung MCI Demenzen 50 Lyketsos et al. JAMA 288: 1475--1483 1475 (2008) 40 30 20 10 0 o pt m Sy 1 d. in m t( am n es e G ng ru tö en ss ng Es ru stö af hl Sc ik or ot M ät lit bi ita g Irr un m em th En ie ie th an pa A /M ie or ph Eu st ng n A on io i ss ss re re gg ep D /A n tio n ta ne gi io A at in uz all H n ah W ) m Häufigkeit g neuropsychiatrischer py Störungen g bei Demenz – eigene Daten N=99 Ambulante Patienten aus der Memory Clinic Depressivität 52 % Angst 45 % Schlafstörung 28 % Agitiertheit 22 % Agressivität 39 % Sinnlose Tätigkeiten g Umherwandern Halluzinationen 30 % 19 % 21 % Wahn 43 % Begleitstörungen insgesamt 0% 88 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Störungen von Verhalten und psychologischen Funktionen bei Demenzen – Implikationen und Bedeutung • Pathophysiologie der Störungen (direkte Konsequenz der Hirnschädigung) Wahn: Assoziation mit parietaler Hypoperfusion (Starkstein Starkstein et al.1994) al.1994 Depression: Assoziation mit Schädigung noradrenerger und serotonerger Kerngebiete (Zubenko Zubenko et al. 2000, 2001, Förstl et al. 1992) 1992 Aggression: gg Assoziation mit Schädigung g g serotonerger g Kerngebiete g bei relativem Erhalt dopaminerger Gebiete (Procter Procter et al. 1992, Victoroff et al. 1996) 1996 • Behandlung von betroffenen Patienten (starke Belastung für Patienten + Pflegepersonen/Angehörige) - die Störungen müssen auch bei leichter Ausprägung erkannt werden nicht pharmakologische Interventionen sind die erste Wahl bei medikamentösen Interventionen sind die NW besonders zu beachten Störungen von Verhalten und psychologischen Funktionen bei Demenzen – Konsequenzen • Psychologische und Verhaltensstörungen sind integraler Bestandteil von Demenz-Syndromen (Finkel et al. 1998) • Sie gehen einher mit: schlechterer Nutzung der verbliebenen Fähigkeiten, schlechterer Prognose, früherer Institutionalisierung (Brodaty et al. 2003) • Etwa 30% der Kosten entfallen auf BPSD (Beeri et al. 2002) • Sie bedeuten für den Patienten und seine Umgebung eine erhebliche Belastung (Finkel et al. 1998) • Viele Vi l di dieser Stö Störungen sind i d therapeutischen th ti h Interventionen I t ti zugänglich, die individuelles Leid lindern und Kosten mindern können (Finkel et al. al 1998) Störungen von Verhalten und psychologischen Funktionen bei Demenzen – Assessment Assessment--Instrumente • Neuropsychiatrisches Inventar (NPI) – 10 (12) neuropsychiatrische Symptom-Domainen: Wahn, Halluzinationen, Agitation, Dysphorie, Angst, Apathie, Irritabilität, Euphorie, Enthemmung, störendes motorisches Verhalten, (nächtliche Verhaltensstörungen, g , Appetit pp und Eßstörungen). g ) Bewertung g von Schweregrad und Häufigkeit. Fremdbeurteilung durch Angehörige oder Pflegepersonal (NPI-NH) über ein strukturiertes Interview, Summenscore 0-120 Punkte, Ergänzung durch eine Distress-Skala (NPI-D) • Behavioral Pathology in Alzheimer's Disease Scale (BEHAVE-AD) – 7 Kategorien mit 25 einzelnen Symptomen, heterogenes Spektrum von Symptomen, Fremdbeurteilung durch geschulten Beurteiler, Summenscore 0-100 Punkte • Spezielle Instrumente – Apathie-Inventare (z.B. Apathy-Evaluation Scale + Apathy Scale, Dementia Apathy Interview and Rating, Rating Apathy Inventory) – Depressions-Skalen (z.B. Geriatrische Depressions-Skala (GDS), Montgomery-Asberg Depressions Rating Skala (MADRS), Cornell Scale for Depression p in Dementia ((CSDD), ) Dementia Mood Assessment Scale (DMAS) ) – Skalen zur Erfassung von Agitation (z.B. CMAI) Zusammenfassung (1) • Neuropsychiatrische Störungen sind ein integraler Teil der Demenzsymptomatik, auch schon im Stadium der leichten kognitiven Störung. • Bei primären Verhaltensauffälligkeiten bei älteren Patienten an die mögliche Grunderkrankung Demenz denken • Die Störungen umfassen ein heterogenes Spektrum von Symptomen, die in der Diagnostik bisher nicht ausreichend beachtet werden, obwohl sie sehr belastend sind. Zusammenfassung II • Therapeutisch p stehen zunächst nichtpharmakologische Maßnahmen im Vordergrund. • Medikamentös stehen Neuroleptika (NL) und Antidementiva ((AChE-I und Memantine)) zur Verfügung. • NL haben nur eine mäßige Wirksamkeit bei hohen NW-Risiko. Verhaltensauffälligkeiten g bei AD können von AChE-I wie Memantine positiv beeinflußt werden.