H 64122 ISSN 1439-1139 4/2006 August 8. Jahrgang Psychiatrie Dekubitus @ P S Y C H I AT R I E Frühe Bindungserfahrungen und Demenz @ P S Y C H I AT R I E Lesen Sie mehr dazu ab Seite 9 Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit @ P S Y C H I AT R I E Geschäfts- und Einwilligungsfähigkeit @ DEKUBITUS Entstehung, Prophylaxe und Versorgung www.gerikomm.de EDITORIAL Bindungen, Alkoholismus und Geschäftsfähigkeit hängig, weitere 1,7 Mio. praktizieren einen gesundheitsschädigenden, missbräuchlichen Konsum von Alkohol. In der Regel sind Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit im Senium seltener und der Alkoholkonsum nimmt im Alter ab. Neuere Studien zeigen jedoch, dass der Anteil der älteren Menschen mit Alkoholproblemen ansteigt und es ist davon auszugehen, dass er angesichts der demografischen Entwicklung weiter anwachsen wird. Alkoholmissbrauch im Alter wird häufig übersehen oder die damit verbundenen Symptome werden als „Alters-Krankheiten“ interpretiert. Depressivität, Schlafstörungen, Stürze und Durchfall können jedoch möglicherweise in Zusammenhang mit einer Alkoholabhängigkeit stehen. Hinweise zu Diagnostik und Therapie gibt Dr. Dirk K. Wolter in seinem Beitrag ab Seite 17. Durch die zunehmende Verrechtlichung des Verhältnisses von Arzt und Patient und die damit verbundenen Probleme hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit von alten und psychisch kranken Menschen werden geriatrisch tätige Ärzte im Rahmen von zivilrechtlichen Auseinandersetzungen zunehmend bei Gericht Stellung zur Geschäfts- und Einwilligungsfähigkeit ihrer Patienten nehmen müssen. Dr. Lutz M. Drach erläutert in seinem Artikel ab Seite 27 anhand von zwei Fallbeispielen die Problematik und gibt Hinweise für eine fundierte ärztliche Stellungnahme. Foto: bernhard_pixler/Pixelquelle.de J ohn Bowlby (1907-1990) war ein britischer Arzt und Psychoanalytiker und gilt als Begründer der modernen Bindungsforschung. Bowlby geht davon aus, dass es ein Bindungssystem gibt, das einen Säugling und ein Kleinkind dazu veranlasst, bei Gefahr die Nähe eines Menschen – die Bindungsperson – zu suchen. Diese Bindungsperson hat zwei Aufgaben: sie soll Schutz und Sicherheit bieten und gleichzeitig die sichere Basis für die aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt sein. Die Erfahrungen, die ein Kind mit seiner Bindungsperson sammelt, begleiten es sein Leben lang und machen sich – je nach Intensität und Dauer besonders bei Bindungsstörungen – noch im Erwachsenenalter bemerkbar. Dies wiederum wirkt sich auf den Umgang mit Belastungen im Alter und der Bewältigung von Verlusten, Unsicherheit oder Abhängigkeit aus. Untersuchungen zu Persönlichkeitsveränderungen bei Demenzerkrankungen lassen den Schluss zu, dass demente Personen auf Verhaltensmuster zurückgreifen, mit denen sie früher bestimmte Situationen bewältigt haben. Diese Erfahrungen von Kompetenz sind im Altgedächtnis gespeichert und werden – zeitversetzt – zur Bewältigung gegenwärtiger Situationen eingesetzt. Diese Kompetenz ist allerdings nur in der Zeitreise zu verstehen, in der auch die ursprünglichen Bindungspersonen und die durch sie geprägten Verhaltensmuster eine Rolle spielen. Das Wissen über vorhandene Kompetenzen und Bindungsbeziehungen können bei Betreuung und Pflege von dementen Personen genutzt werden. Näheres darüber und wie die Kenntnisse bei älteren Menschen eingesetzt werden können, erläutert der Artikel von Dr. Wilhelm Stuhlmann (Seite 9 ff.). 1,6 Mio. Menschen sind, so der Sucht- und Drogenbericht 2006 des Bundesministeriums für Gesundheit, in Deutschland alkoholab- Eine informative Lektüre wünscht Ihnen Jola Horschig Redakteurin Geriatrie Journal I N H A LT EDITORIAL Bindungen, Alkoholismus und Geschäftsfähigkeit Jola Horschig, Springe 3 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Foto: Tom Schmucker – Fotolia Wichtige Informationen in Kürze Neuere Studien zeigen, dass der Anteil der älteren Menschen mit problematischem Trinkverhalten ansteigt. Der Artikel erläutert Epidemiologie und Diagnostik und gibt Hinweise zur Therapie. Seite 6 L I T E R AT U R : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Assessment- Instrumente: Das Sturzrisiko nach Schlaganfall ermitteln Einfache Intervention fördert Selbstständigkeit: Multiprofessionelle Therapie verhindert funktionellen Abbau 8 8 17 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z Frühe Bindungserfahrungen und Demenz Wilhelm Stuhlmann, Erkrath 9 P S Y C H I AT R I E : A L K O H O L I S M U S Foto: htuller – Fotolia Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit im Alter Dirk K. Wolter, Münster 17 P S Y C H I AT R I E : J U R I S T I S C H E A S P E K T E Geschäfts- und Einwilligungsfähigkeit in der Geriatrie Lutz M. Drach, Schwerin Im Zuge der demografischen Entwicklung müssen sich geriatrisch tätige Ärzte zunehmend mit Fragen der rechtlichen Einwilligungsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit ihrer Patienten befassen. Seite 27 4 27 D E R M AT O L O G I E : D E K U B I T U S Dekubitus – Entstehung, Prophylaxe und Versorgung Kerstin Protz, Hamburg 31 GERIATRIE JOURNAL 4/06 I N H A LT K A R Z I N O LO G I E : E R N Ä H R U N G Malnutrition und Krebs im Alter G. Röhrig, G. Wucherpfennig und B. Wullenkord, Bornheim-Merten 36 Patienten mit eingeschränkter Mobilität können insbesondere in den Körperbereichen, in denen die Knochen aufliegen, Dekubitalulzera entwickeln. Der Artikel erläutert Risikofaktoren, Prophylaxe und Behandlung. Seite 31 ERNÄHRUNG: KNOCHENMINERALSTOFFE Knochengesund Essen und Trinken Dr. Susanne Nowitzki-Grimm, Schorndorf ZUR DEFINITION Multimorbidität im Alter Martin Holzhausen, Ulrike Bornschlegel und Andrea Mischker, Berlin 42 Foto: Baxter Deutschland GmbH M U LT I M O R B I D I T ÄT : A N R E G U N G E N 41 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Erektile Dysfunktion: Zusammenhang mit endothelialen Schäden Erkrankungen des Bewegungsapparates: Stellenwert des Acemetacins Tumorschmerzen/Opioide: Zirkadianer Schmerzrhythmus erfordert flexible Medikation Behandlung des hormonrefraktären Prostatakarzinoms: Empfehlungen zur Chemotherapie mit Docetaxel Intraokularlinsen: Brillenfreies Sehen für mehr Lebensqualität Rheumatoide Arthritis Ankylosierend Spondylitis: Frühe Therapie mit TNF alpha-Blocker verhindert Glenkzerstörung Feuchte, altersabhängige Makuladegeneration: Neuer Therapieansatz durch Hemmung des VEGF165 46 46 47 48 48 49 50 GERIATRIE JOURNAL 4/06 37 Titelbild DIVERSES Termine/Impressum Da die Inzidenz der Krebserkrankungen im höheren Alter zunimmt, wird auch die Zahl der Tumorpatienten deutlich ansteigen. Vorhandensein und Ausmaß von Malnutrition spielen in Bezug auf Prognose und Krankheitsverlauf eine bedeutende Rolle. Seite 51 © photodisc 5 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Prof. Dr. med. Robert Heinrich verstorben Am 4. Juli 2006 ist Prof. Dr. med. Robert Heinrich, Chefarzt des Zentrums für Akutgeriatrie und Frührehabilitation (ZAGF) am Klinikum Neuperlach, im Alter von 58 Jahren verstorben. Prof. Heinrich hat in Berlin Medizin studiert. Von dort führte ihn sein Weg über Tübingen 1987 nach Herne, wo er nach seiner Habilitation erste Erfahrungen in der Geriatrie sammelte. Am 1. Oktober 1991 wurde er zum Chefarzt der neu zu gründenden Akutgeriatrie in München berufen. Die Besonderheit seiner chefärztlichen Tätigkeit liegt in Gründung, Strukturierung und Etablierung der ersten Abteilung für Akutgeriatrie und Frührehabilitation Münchens. Gegründet wurde die Geriatrie als Internistisches Fachkrankenhaus Gauting. Im Mai 1993 zog sie in das Städtische Krankenhaus München-Neuperlach um. Bedarfsgerechte klinische Versorgung akut erkrankter multimorbider geriatrischer Patienten benötigt u.a. einen hohen Grad innerklinischer Leistungsdifferenzierung. Prof. Heinrich gelang es in hervorragender Weise, diese Aufgabe im städtischen wie innerklinischen Umfeld zu lösen, das auf keine geriatrische Tradition zurückgreifen konnte. Innerhalb der Weiterentwicklung des ZAGF hat Prof. Heinrich im Mai 1995 in Neuperlach die erste akutgeriatrische Tagesklinik Bayerns ins Leben gerufen. Diese umfasst heute 30 Behandlungsplätze, wovon 15 als „Memory-Klinik“ Prof. Robert Heinrich war Chefarzt des Zentrums für Akutgeriatrie und Frührehabilitation am Klinikum Neuperlach. ausgelegt sind. Seine unermüdliche Arbeit wurde durch den Stadtrat durch die Ernennung des ZAGF zum Kompetenzzentrum Geriatrie für die Landeshauptstadt München gewürdigt. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt Prof. Heinrichs war die Weiterentwicklung der Bayerischen Geriatrie. So wurde unter seiner Leitung eine zentrale Datenbank der geriatischen Einrichtungen Bayerns einschließlich der Entwicklung der entsprechenden Software unter Berück- Psychosomatische Tagesklinik 55+ Am Klinikum Nürnberg hat Anfang April 2006 die bundesweit erste Psychosomatische Tagesklinik, die speziell für Menschen über 55 Jahre eingerichtet wurde, ihre Arbeit aufgenommen. Sie verfügt über neun Plätze und wird von Chefarzt Prof. Dr. Wolfgang Söllner geleitet. Neben Gruppentherapie werden dort Einzelgespräche, Gespräche mit Angehörigen, Kunst- und Gestaltungstherapie sowie Entspannungs- und Bewe- 6 gungstraining angeboten. Die Patienten kommen für zwei bis vier Wochen, im Einzelfall auch länger, täglich zur Therapie in die Klinik. Danach werden sie – falls nötig – an niedergelassene Psychotherapeuten überwiesen. Die Psychosomatische Tagesklinik arbeitet eng mit der Klinik für Geriatrie im Klinikum Nord (Chefarzt Prof. Dr. Cornel Sieber) zusammen, die bei Bedarf die medizinische Behandlung übernimmt. sichtigung geriatrischer Besonderheiten aufgebaut. Diese ist Grundlage des multizentrischen GIB-DAT Forschungsprojektes, das von der Bayerischen Landesstiftung bzw. dem Bayerischen Gesundheitsministerium gefördert wurde. Daneben engagierte sich Prof. Heinrich in mehreren Fachgesellschaften. Von 1991-1993 war er 2. Vorsitzender der Gesellschaft für geriatrische Medizin. 1993 wurde er zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie gewählt, der er bis 1997 vorstand. Als Tagungspräsident richtete er im Oktober 1997 den Jahreskongress dieser Gesellschaft aus. Die Besonderheiten des Bayerischen Geriatrieplanes legten eine Vereinigung der Geriatrie in Bayern nahe. So wurde federführend von ihm 1997 die „Ärztliche Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Geriatrie in Bayern“ (AFGIB) gegründet, deren erster Vorsitzender er lange Jahre war. Bei mehreren wissenschaftlich-geriatrischen Fachzeitschriften war Prof. Heinrich Mitglied der Herausgebergremien. Zusätzlich arbeitete er in projektbezogenen Geriatrie-Arbeitskreisen des Bayerischen Sozialministeriums, regionaler und überregionaler Kostenträger, des Bayerischen Städtetages und der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. In der Lehre engagierte er sich über den PJ-Unterricht hinaus auch in der studentischen Ausbildung nach neuer Approbationsordnung, wofür dem ZAGF der Titel „extrauniversitäre Lehrabteilung für Geriatrie der LMU München“ verliehen wurde. Trotz dieser großen inner- und außerklinischen Arbeitsbelastung hatte Prof. Heinrich sowohl für seine Patienten als auch für seine Mitarbeiter immer ein offenes Ohr für ihre menschlichen Ängste, Sorgen und Nöte. Er war ein ganz besonderer Mensch und eine herausragende Persönlichkeit, die für alle eine nicht zu schließende Lücke hinterlässt. ZAGF GERIATRIE JOURNAL 4/06 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Neubau des Harz-Klinikums Wernigerode-Blankenburg eröffnet Anfang Juli 2006 ist in Wernigerode der Neubau des Harz-Klinikums eröffnet worden. Herzstück des Gebäudes ist die Geriatrische Klinik mit Tagesklinik. Außerdem beherbergt das Gebäude u.a. ein La- bor, die Physiotherapie, 64 Patientenbetten sowie einen Raum der Stille. Das Geriatrische Zentrum wird von Dr. Susanne Perpeet-Kasper, Chefärztin der Klinik für Innere Medizin/Geriatrie, geleitet. Verbesserung der Frühdiagnose der ankylosierenden Spondylitis Die Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e.V. (DVMB) hat Prof. Dr. Joachim Sieper und PD Dr. Martin Rudwaleit von der Charité in Berlin für ihre Arbeit „Rationale Frühdiagnostik der ankylosierenden Spondylitis (Morbus Bechterew)“ mit dem diesjährigen Forschungspreis ausgezeichnet. Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro wurde diesmal von Abbott Immunology gestiftet. mit dem ein Verdacht auf eine AS überprüft werden kann. Ausgehend von chronischen Rückenschmerzen, die in etwa 5% aller Fälle auf einer ankylosierenden Spondylitis oder einer Frühform dieser Erkrankung beruhen, entwickelten sie ein diagnostisches Verfahren, bei dem verschiedene für die Erkrankung typische Aspekte untersucht werden. Für jedes Untersuchungsergebnis errechneten die Preisträger eine Wahr- Foto: Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e.V. Von links: Alexander Würfel (Abbott), die Preisträger Prof. Dr. Joachim Sieper, PD Dr. Martin Rudwaleit (beide Charité Berlin), Franz Gadenz (DVMB), Prof. Ernst Feldtkeller (München). In ihrer Arbeit fassen die Wissenschaftler ihre Vorschläge zur Früherkennung der ankylosierenden Spondylitis (AS) zusammen. Da die Diagnostik einer AS besonders im Frühstadium schwierig ist, vergehen im Mittel ca. 5-9 Jahre bis zur Diagnosestellung. Während dieser Zeit aber kommt es in der Regel zu irreversiblen Schädigungen der Wirbelsäule, so dass eine dann einsetzende Therapie in ihrer Wirksamkeit reduziert ist. Um diese Situation zu verbessern, haben die Preisträger ein Verfahren entwickelt, GERIATRIE JOURNAL 4/06 scheinlichkeit für das Vorliegen eines Morbus Bechterew. Aus diesen Ergebnissen kann eine Gesamtwahrscheinlichkeit berechnet werden. Beträgt sie über 90%, ist vom Vorliegen einer ankylosierenden Spondylitis auszugehen, und es sollten geeignete Therapiemaßnahmen ergriffen werden. Mit diesem Verfahren wird Ärzten ein Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem sie nach einem standardisierten Vorgehen den Verdacht auf eine AS erhärten bzw. entkräften können. L I T E R AT U R : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Assessment- Instrumente Das Sturzrisiko nach Schlaganfall ermitteln Die meisten der in der Geriatrie Verwendung findenden Balance- und Mobilitäts-Scores sind nicht speziell an die Situation nach Schlaganfall adaptiert. S tudie: Es handelt sich um eine prospektive Kohorten-Studie, die multizentrisch an sechs Schlaganfall-Rehabilitationskliniken in Nordengland durchgeführt wurde. Studien-/BeobachtungsDauer: sechs Monate. Erfasst wurden der Barthel-Index, die Mobilität per Rivermead-Mobilitäts-Index, die Kognition per eines verkürzten Minimental-Status, der Neglect mittels Albert’s Test. Messzeitpunk- te: wöchentlich und zusätzlich 48 Stunden vor geplanter Entlassung. Nachuntersuchung: drei Monate nach Entlassung. Erfasst wurden die bezeichneten Assessments in Korrelation mit Sturzereignissen. Ergebnisse: Von den 387 in die Studie eingeschlossenen Patienten nahmen 225 bis zum Tag 28 teil, 234 nahmen den Nachuntersuchungstermin wahr. Die verwendeten Assessment-Instrumente erwiesen sich nicht als geeignet für die Vorhersage von Stürzen nach Schlaganfall. Bezogen auf die ersten 28 Tage ergab sich eine Sensitivität von 11,3%, eine Spezifität von 89,5%. Im Nachuntersuchungszeitraum Einfache Intervention fördert Selbstständigkeit Multiprofessionelle Therapie verhindert funktionellen Abbau Eine amerikanische Studie prüfte die Hypothese, ob eine multiprofessionelle Therapie einen funktionellen Abbau im Alter verhindern kann. S tudie: In die Studie wurden 319 zu Hause lebende ältere Personen (Durchschnittsalter 79 Jahre) eingeschlossen. Die Studienteilnehmer, zu 80% weiblich, waren kognitiv unauffällig, bei mindestens einer Alltagsaktivität in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt, hatten aber keine professionelle Pflege. Die Probanden wurden durch Randomisation auf zwei Gruppen verteilt. In der Interventionsgruppe ermittelten die Therapeuten durch ein teilstrukturiertes Interview die funktionellen Defizite der älteren Probanden. Es folgten eine physiotherapeutische und vier ergotherapeutische Therapieeinheiten von 90 Minuten Dauer, in denen durch gezielte Maßnahmen wie Balance- und Krafttraining die Problembereiche der Teilnehmer behandelt wurden. Die häusliche Umgebung wurde je nach Bedarf mit Hilfsmit- 8 teln wie Handläufen oder Toilettensitzerhöhungen versehen. Zudem gab es einen 20-minütigen Telefonkontakt. In der Kontrollgruppe erfolgte keinerlei Therapie oder Beratung. Ergebnisse: Nach sechs Monaten berichteten die Probanden aus der Interventionsgruppe signifikant weniger über Probleme bei den instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (p = 0,04) und bei den Alltagsaktivitäten (p = 0,03), wobei sich der größte Erfolg beim Baden und bei der Toilettenbenutzung nachweisen ließ. Die Probanden gaben zudem deutlich seltener Angst vor Stürzen an, hatten weniger häusliche Unfälle und setzten erfolgreicher Anpassungsstrategien zur Kompensation ihrer Defizite ein. Bei den meisten Punkten ließ sich der Nutzen auch noch nach zwölf Monaten belegen. Die Kosten pro Intervention lagen bei 1.222 $, von denen etwa ein Drittel auf die Maßnahmen zur Umgebungsmodifikation entfiel. Diskussion: Die Studie konnte zeigen, dass unter hoch motivierten, kognitiv in- nach Entlassung eine Sensitivität von 16,3% und eine Spezifität von 86,4%. Diskussion: Die verwendeten Assessment-Instrumente, die nachweislich als gute Prädiktoren zur Vorhersage von Stürzen geeignet sind, versagen im Fall von Schlaganfällen. Kommentar: Die klinische Erfahrung, dass eine entsprechende Schwere des Handicaps nach Schlaganfall vorausgesetzt die nicht unterstützte Fortbewegung ein eigenes Risiko darstellt, umgekehrt aber das Immobilitäts-Handicap wiederum die beste Sturzprophylaxe darstellt, wird durch die vorliegende Studie – natürlich – bestätigt. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Smith J., Forster A., Young J. Use of the „STRATIFY“ falls risk assessment in patients recovering from acute stroke. Age and Ageing 2006; 35: 138-143. takten, zuhause lebenden älteren Personen eine einfache Intervention funktionelle Einbußen wirksam verhindern kann. Der Effekt dieser wenig aufwändigen Therapie war auch mehr als ein halbes Jahr nach Beendigung der Intervention nachweisbar. Die Kosten von 1.222 $ ergeben rechnerisch auf ein Jahr bezogen Tagestherapiekosten von 3,34 $ – eine Summe, die hinter mancher medikamentösen Therapie zurücksteht. Unklar ist, ob der hier beobachtete Nutzen auch in anderen Kollektiven, insbesondere bei weniger motivierten oder kognitiv beeinträchtigten Personen, nachweisbar ist. Kommentar: Es handelt sich um typische geriatrische Studie: Hauptendpunkte sind funktionelle Parameter älterer Patienten unabhängig von zugrunde liegenden Erkrankungen; die Intervention besteht aus einer multiprofessionellen Komplextherapie. Damit die wissenschaftliche Basis der Geriatrie breiter wird, sind mehr Studien dieser Art sehr zu wünschen. PD Dr. Rupert Püllen, Frankfurt am Main Gitlin LN: A Randomized Trial of a Multicomponent Home Intervention to Reduce Functional Difficulties in Older Adults J Am Geriatr Soc 2006; 54: 809-816 GERIATRIE JOURNAL 4/06 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z Frühe Bindungserfahrungen und Demenz Wilhelm Stuhlmann, Erkrath Bindung ist ein emotionales Band, das sich während der Kindheit entwickelt, dessen Einfluss aber nicht auf diese frühe Entwicklungsphase beschränkt ist, sondern sich auch auf alle weiteren Lebensabschnitte erstreckt. Somit stellt Bindung eine emotionale Basis während des ganzen Lebens bis ins höhere Lebensalter hinein dar. Bindungen beeinflussen die Art und Weise, wie wir Beziehungen wahrnehmen, bewerten und gestalten. D ie Erfahrungen mit den ersten Bezugspersonen sind gleichzeitig auch die ersten Muster, nach denen Bindungen und Beziehungen erlebt und gestaltet werden. Die Bindungsforschung hat wesentliche Erkenntnisse über die Grundlagen menschlicher Bindungen und deren Auswirkungen auf das spätere Leben untersucht. Der entwicklungspsychologische Begriff der Bindung ist eng mit dem Namen John Bowlby verbunden, der als Begründer der modernen Bindungsforschung gilt [1]. Der Begriff der Bindung nach Bowlby Foto: Deutsche Seniorenliga e.V. Bowlby geht davon aus, dass es ein biologisch angelegtes Bindungssystem gibt, das einen Säugling und ein Kleinkind dazu veranlasst, im Falle einer Gefahr die Nähe eines Menschen zu suchen, der Schutz und Sicherheit garantieren kann – zu einer Bindungsperson. Hauptbindungsperson ist normalerweise diejenige Bezugsperson, mit der das Neugeborene in seinen ersten Lebensmonaten den intensivsten und häufigsten Kontakt hat. Neben der Mutter kommt hier immer häufiger auch der Vater ins Spiel. Erste Bezugspersonen können aber auch die GERIATRIE JOURNAL 4/06 Daher ist ein Zeichen einer sicheren Bindung auch die konzentrierte und aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt und deren Erkundung (Explorieren). Das ist ohne Risiko möglich, wenn im Schutz der Bindungsperson die Umwelt sicher ist oder bei drohender Gefahr sofort Schutz gesucht werden kann. Allein die Gewissheit, dass die Bindungsperson verfügbar ist, oder die Möglichkeit, die Sicherheit Großeltern, Geschwister oder andere Per- der Bindung über eine Distanz durch sonen sein. Die Erfahrungen im Kontakt Blickkontakt oder andere Signale hermit dieser Bindungsperson sind spezi- stellen zu können, reichen in vielen Sifisch und bleiben, wie tuationen aus. Damit wird Untersuchungen zeidie Bezugsperson zur „BaKenntnisse über gen, über viele Jahre – das Bindungskonzept sisstation“ im Sinne eines sivermutlich sogar lecheren Fundaments oder eikönnen in der Arbeit benslang – wirksam. nes sicheren Hafens. Wird mit älteren Personen die Sicherung des GrundbeBindungen erfüllen zwei wesentliche Funkdürfnisses nach Sicherheit sehr hilfreich tionen. Sie sollen so(mit dem Ziel der Reduzieumgesetzt werden wohl Schutz und Entrung von Stress und Angst) spannung bei Angst nicht gewährt oder gefährund Gefahr sicherstellen als auch eine det, wird ein psychisches System aktiaktive Auseinandersetzung mit der Um- viert, damit Fürsorge, Zuwendung und welt von einer sicheren Basis aus fördern. Entspannung wieder hergestellt oder erBeide Aspekte sind notwendige Voraus- halten werden. setzungen für Anpassung und UmweltDie grundlegenden Bindungsmuster erkundung auch im biologischen Sinn. konnte Bowlby [1, 4] bereits bei Kindern im Alter von 12-18 Monaten nachweisen, wenn diese in eine (experimentelle) Situation gebracht werden, in der durch vorübergehende Trennung von der Bezugsperson Bindungsverhalten aktiviert wird. Dabei werden im Allgemeinen zwei grundlegende Bindungstypen beInsbesondere die Feinfühligkeit der Bezugsperson hat sich als wesentlicher Faktor zur Unterstützung einer sicheren Bindung erwiesen. 9 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z obachtet: die sichere und die unsichere Bindung. Die unsichere Bindung teilt sich in drei Unterformen, die unsicher ambivalente, die unsicher vermeidende und die unsicher desorganisierte Bindung. dungsmuster zu entwickeln. Nähe wur- naler Verschaltungen, erhalten. Diese de oft mit Angst und Gefahr erlebt. Ge- Muster können unter belastenden oder lingt es nicht, diese Erfahrungen zu in- retraumatisierenden Bedingungen wietegrieren, können schwerwiegende psy- der aktiviert werden. Das hat auch Auschische Probleme im späteren Leben wirkungen auf den Umgang mit Belasauftreten. Auch Mütter, die selbst trau- tungen im Alter und der Bewältigung Sicher gebundene Kinder bringen der matisiert sind, können oft kein sicheres von Verlusten, Unsicherheit, Krankheit Bindungsperson Vertrauen entgegen. Sie Bindungsmuster weitergeben. oder Abhängigkeit [7]. haben die Erfahrung maNeue Forschungen zur Entwicklung Bindungsunsicherheit Die Grundlinien der chen können, dass sie von entsteht durch das Erle- des neuronalen Netzwerkes in den ersten der Bezugsperson nie im Bindungsmuster sind ben müssen von Unzu- Lebensjahren haben gezeigt, dass frühe Stich gelassen werden. verlässigkeit, Wechsel- Prägungen und Erfahrungen die Strukauch bei Personen mit Aber auch die Fähigkeit, haftigkeit, von Hunger tur des Netzwerkes mit lebenslangen AusDemenz erkennbar negative Emotionen wie und Durst sowie der wirkungen formen. Die frühe Plastizität Trauer und Ärger der BeNichtverfügbarkeit, Ver- und Lernfähigkeit dieses Netzwerkes sind zugsperson gegenüber zeigen zu können weigerung oder Entzug der Unterstüt- eine Grundlage für die spätere geistige oder zeigen zu dürfen, ist für die Ent- zung. Auch Überbehütung, starke Kon- Leistungsfähigkeit und die Entwicklung wicklung einer sicheren Bindung ent- trolle oder Überstimulation wirken sich von Begabungen und Interessen (Bilscheidend. Als Belastung beim Aufbau negativ aus. dung). einer sicheren Bindung wirken sich beDie Wechselwirkungen zwischen Binsonders von Seiten der Mutter nicht verdung und Bildung werden in letzter Zeit Veränderung und Konstanz der Binarbeitete traumatische Erlebnisse aus. Perhäufig diskutiert. Bildung hat in der sonen, die in emotional belastenden Si- dungsmuster im Verlauf des Lebens Demenzforschung eine Bedeutung als tuationen auf eine sichere Bindungsbasis Zwar werden in der frühen Kindheit we- Risikofaktor erlangt. Hüther [8] weist zurückgreifen können, entwickeln siche- sentliche Weichen für das spätere Erleben darauf hin, dass die Qualität der frühre innere Muster über das eigene Selbst und Verhalten gestellt, es besteht aber kindlichen Bindungsbeziehungen in Verimmer die Möglichkeit, durch neue Er- bindung mit emotionaler Aktivierung und die Bindungsfigur. fahrungen den eingeschlagenen Weg zu und Vertrauen die Entwicklung und AusUnsicher-ambivalent gebundene Kin- verändern und in sich in eine neue Rich- differenzierung neuronaler Verschaltunder erleben ihre Bindungsfigur als unbe- tung zu bewegen. So können durch gu- gen, sowohl im positiven als auch im nerechenbar und unzuverlässig. Entspre- te Erfahrungen im späteren Leben auch gativen Sinn, entscheidend beeinflusst. chend reagieren diese Kinder mit ge- frühe negative Bindungserfahrungen Bindungserfahrungen werden so in langgensätzlichen, das heißt ambivalenten kompensiert werden. Zu den guten Er- fristigen Denkmustern und GefühlsGefühlen der Bezugsperson gegenüber. fahrungen kann auch eine Psychothera- strukturen verankert. Ambivalent gebundene Kinder sind oft pie gehören [3]. Die neuere empirische BindungsforJe nach Intensität und Dauer der frü- schung hat die Konstanz der vier grundzwischen Ärger und Aggression oder anklammerndem, ängstlichen und abhän- hen Erfahrungen bleiben besonders bei legenden Bindungsmuster, die bei KleinBindungsstörungen, die Spuren lebens- kindern gefunden werden, auch bei Jugigen Verhalten hin und hergerissen. lang erfahrbar [2]. Latente Muster von la- gendlichen, bei Erwachsenen und bei Unsicher-vermeidend gebundene Kin- bilem Grundvertrauen bleiben, u.a. auch Personen mit den verschiedensten psyder vermeiden die Nähe zur Bindungs- in strukturellen Veränderungen neuro- chischen Störungen nachweisen können person. Das vermeidende Muster hat sich aus oftmaliger Zurückweisung oder VerTab. 1: Bindungsmuster beim Kleinkind und bei Erwachsenen weigerung von Trost und Schutz durch @ Untersuchungsmethoden die Bezugsperson entwickelt. Es konnte Im Alter von 12-18 Monaten Als Erwachsener gezeigt werden, dass vermeidend gebunInduzierung von kurzdauerndem Bindungsinterviews (AAI u.a.), dene Kinder in belastenden Situationen Trennungsstress (sog. fremde Situation) Fragebögen, Ratingskalen, Projektinegative Gefühle nach außen nicht zeiver Bindungstest [Überblick bei 5, 11] gen (scheinbar autonom), dabei aber innerlich unter hohem Stress stehen. @ Bindungsmuster Unsicher-desorganisiert gebundene Kinder haben durch Erfahrungen des Missbrauchs oder der Misshandlung keine Chance gehabt, eines der anderen Bin- 10 sicher Unsicher – vermeidend Unsicher – ambivalent Unsicher – desorganisiert sicher Unsicher – distanziert Unsicher – verstrickt Unbewältigtes Trauma GERIATRIE JOURNAL 4/06 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z [3, 11]. Die Frage nach der individuel- in anderen Beziehungen, z.B. der Pflege, len Konstanz wurde, überwiegend aus wirksam sind und im Umgang genutzt methodischen Gründen bei Langzeitstu- werden können, um Bindungssicherheit dien, bis heute noch nicht zufriedenstel- zu fördern (Tab. 2). lend beantwortet. Werden Bindungstypen bei Kindern Gefährdung der sicheren im 2. Lebensjahr und Bindungsmuster bei Jugendlichen oder Erwachsenen mit ei- Bindungsanteile bei Demenz nem Bindungsinterview, einem Frage- Kenntnisse über das Bindungskonzept bogen, einer Skala oder einem Test unter- können in verschiedenen Pflege- und sucht, finden sich weitgehend überein- Therapieansätzen in der Arbeit mit ältestimmend die von Bowlby eingeführten ren Personen sehr hilfreich umgesetzt werden. In der Arbeit mit DemenzkranGrundmuster von Bindungen (Tab. 1). In späteren Phasen des Lebens trägt ken können wir an Bindungserfahrungen Bindung dazu bei, ein sicheres Gefühl zu aus der Lebensgeschichte anknüpfen – im Umgang mit verschieentwickeln, sich vor VerIn späteren Phasen denen Bindungsmustern lust von Zuneigung zu soll ein möglichst großer schützen, Besitz oder Kondes Lebens trägt Anteil an sicherer Bindung trolle zu behalten und kann Bindung dazu bei, (wieder) aktiviert werden. helfen, die negativen Folein sicheres Gefühl Die Grundlinien der gen eines Verlustes zu bezu entwickeln Bindungsmuster sind auch wältigen. Die Bindungsbei Personen mit Demenz muster sichern die soziale Anpassung und lassen bei positivem Ver- erkennbar. Dabei bestätigen sich die Erlauf, eine effektive sozio-emotionale Kom- fahrungen im Pflegealltag, dass es eine petenz entstehen. Sie können unter unter- Gruppe von Demenzkranken gibt, die schiedlichen Lebensbedingungen entwe- Hilfe dankbar annehmen kann, Wohlder einen positiven, bei der Bewältigung befinden äußern und mit der Situation von Krisen stärkenden Effekt haben oder der vollkommenen Abhängigkeit von ansie können bei negativen oder traumati- deren, im Allgemeinen jüngeren Pfleschen Bindungserfahrungen die psycho- genden, gut zurechtkommt [10]. Andesoziale Anpassung schwächen und den rerseits gibt es Demenzkranke, für die Boden für psychische Störungen bereiten Nähe eine Bedrohung (ihrer Autonomie) darstellt oder die mit einer abweisend[4, 12]. Sichere Bindung stellt nach der der- misstrauischen Bewältigungsstrategie auf zeitigen Auffassung einen lebenslang wirk- die Situation in der Pflege reagieren [13]. samen Schutzfaktor bei der Bewältigung Durch die Demenzerkrankung stehen die von Lebenskrisen dar. Auch das Selbst- bisherigen Bewältigungsmuster nicht wertgefühl, das Leistungsverhalten, die mehr zur Verfügung. Es werden Muster Flexibilität im Denken und Handeln und wirksam, die auf frühere oder sehr frühe die Möglichkeiten das soziale Netzwerk Erfahrungen zurückgehen. Die rechte Spalte der Tab. 3 beruht auf positiv zu gestalten, stehen im Zusamder Beobachtung von Verhaltensmustern menhang mit der Bindungsbasis. Günstige Eigenschaften der Bezugsperson Aus der Bindungsforschung hat sich insbesondere die Feinfühligkeit der Bezugsperson als der wesentliche Faktor zur Unterstützung einer sicheren Bindung erwiesen. Feinfühligkeit ist die Fähigkeit zur Wahrnehmung und Umsetzung von Grundbedürfnissen. Diese umfasst ein Bündel von Verhaltensweisen, die auch 12 im Pflegealltag, deren Ursprünge aus der Biographie oft nachvollziehbar sind. Die Perspektive der Bindung gibt nicht nur eine Erklärung für problematisches Verhalten, sondern weist auch auf das dahinterliegende Bindungsmuster hin. Bindung als Ressource bei Demenz Auch bei Demenz werden bindungssuchendes Verhalten und die Aussendung der entsprechenden Signale zur Sicherstellung einer zuverlässigen Bindung mit dem Ziel der Beruhigung beobachtet. Die gewünschte Nähe umfasst die Grundbedürfnisse nach Schutz, Geborgenheit, Sicherheit sowie gewärmt und genährt zu werden. Ein relativ neuer Aspekt dabei ist, Bindung und Bindungsverhalten als Ressource zu sehen und in der Versorgung und Pflege von Personen mit Demenz nutzbar zu machen. Insbesondere die sichere Bindung wird dabei als stabile und emotional bedeutungsvolle Beziehung zu versorgenden Personen gesehen. Zu diesen Personen besteht zudem auf Grund von Pflegebedürftigkeit, Veränderungen der Alltagskompetenz u.a. eine besondere Form der Abhängigkeit. Bei eher unsicheren Bindungsanteilen wird die in der Pflege zunehmend notwendig werdende Nähe als Bedrohung der Autonomie bis hin zur Wiederbelebung von traumatischen Ängsten erlebt. Das entsprechende innere Bindungsmodell zur Wahrnehmung und Bewertung von Beziehungen wird in Bindungssymbolen sichtbar, die der Welt des Kranken mit Demenz durch besondere Weisen des Erlebens und Verhaltens entsprechen. Diese zu verstehen bedeutet auch, sich den Ressourcen zu nähern und ein Verhalten, dass nach außen als Stö- Tab. 2: Elemente der Feinfühligkeit [nach 13] @ Wahrnehmung von Signalen – durch aufmerksames Beobachten von Mimik, Gestik, Stimme u. a. @ Richtige Interpretation der Signale aus der Sicht der Person heraus, d.h. nicht gefärbt durch die Bedürfnisse und Erwartungen der Bezugsperson @ Prompte Reaktion – damit wird das Erleben der eigenen Wirksamkeit der (pflege)abhängigen Person verstärkt @ Angemessene, die Würde wahrende Reaktion, (situations-, alters- und krankheitsangemessen) Anwendung in den Alltagssituationen der Betreuung, Pflege und Behandlung @ GERIATRIE JOURNAL 4/06 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z rung erscheint, in Wirklichkeit als notwendige Suche nach Sicherheit und Geborgenheit (als bindungssuchendes Verhalten) zu verstehen. Kolanowski und Whall [9] untersuchten die Persönlichkeitsveränderungen im Verlauf einer Demenzerkrankung. Sie kamen zu dem Schluss, dass Personen mit Demenz auf Verhaltensmuster zurückgreifen, mit denen sie früher einmal erfolgreich waren oder bestimmte Situationen bewältigt haben. Im Altgedächtnis gespeicherte Erfahrungen von Kompetenz werden zeitversetzt auf eine Situation in der Gegenwart übertragen und zur Bewältigung eingesetzt. Im Bewusstsein bleibt ein Erleben von Kompetenz, das allerdings nur in der Zeitreise zu verstehen ist. In dieser Zeitreise treten auch die ursprünglichen Bindungspersonen wieder auf und die Muster, die diese Beziehungen geprägt haben. Häufig haben Demenzkranke, den Wunsch nach Hause zu wollen. Oft ist dies der Ausdruck der Suche nach Geborgenheit und Sicherheit (Elternsuche). Häufig ist der Wunsch nach Hause zu wollen oder zu müssen mit wieder erinnerten Verpflichtungen verbunden. „Die Kinder kommen aus der Schule, da muss ich zu Hause sein.“ Die Akzeptanz des Gefühls der Sorge um die Kinder und ihrer Kompetenz als zuverlässige, sich sorgende und helfende Mutter führen zu Beruhigung und geben die Möglichkeit der Ablenkung auf eine aktuelle Situation zur Folge. Hier spielt neben den transformierten Kompetenzen auch der Bindungsaspekt der guten, zuverlässigen und nährenden Mutter eine wesentliche Rolle. Im Alltag der Betreuung und Pflege können diese Zeit versetzten Kompetenzen genutzt werden, wenn ihre Bedeutung aus der Lebensgeschichte verstanden wird. Es ist schützend für das Selbstwertgefühl, Tab. 3: Bindungstypen Bindungstyp Sicher Unsicherambivalent bzw. verstrickt Unsicher – distanziert Unsicher – desorganisiert Erwachsener vor der Demenzerkrankung Wertschätzung von Bindung, ausgeglichen, einfühlsam, gutes Selbstvertrauen, Selbstsicherheit, Sicherheit gebend, hilfsbereit, positive Gefühlsäußerungen, Gleichgewicht von Nähe und Distanz in Beziehungen Unsicher in Beziehungen, Neigung zu Panik, Depressionen und Ängsten, überstarke Abhängigkeit und Verlustängste, Sicherheit fordernd, Idealisierung und Abwertung von Beziehungen Sich autonom gebend, nach außen abweisend und scheinbar unbeeindruckt – nach innen angespannt, Betonung von Autonomie, weniger Empathie, mehr Misstrauen, Probleme mit Nähe und Körperkontakt, kann nicht gut Hilfe annehmen Ungelöstes Trauma, stark wechselnde Affekte, keine Integration oder Zugang zum Trauma GERIATRIE JOURNAL 4/06 Demenzkranker Akzeptanz von Hilfe und Umgehen mit Abhängigkeit, Dankbarkeit zeigen, Vertrauen in Bezugspersonen, Freude, selber helfen wollen, weitgehendes Wohlbefinden Anklammernd, ängstlich, Hilflosigkeit betonend und Hilfe suchend (rufen), Regression, Wechselnde Stimmungslage, stark aktiviertes Bindungsverhalten (s. Tab. 5) Verleugnung, Projektion, Misstrauen,wahnhafte Erlebnisverarbeitung und Fehlinterpretation von Situationen, mehr Verhaltensauffälligkeiten mit dem Ziel der Distanzierung, wenig kooperationsfähig Situationen der Trauma-Reaktivierung wie z. B. bei (notwendigen?) Grenzüberschreitungen in der (Intim)Pflege oder Erinnerungen an ältere traumatische Ereignisse weiterhin als zuverlässig und fürsorglich anerkannt zu werden. Dieses Beispiel macht auch deutlich, dass Ressourcen nur aus der subjektiven Sichtweise erschlossen werden können. Bei Demenz sehen wir eine Schwächung der Ressourcen durch Vergessen und gleichzeitig das Entstehen neuer Ressourcen aus alten Quellen. Oft zusammen mit dem Erleben von Unsicherheit und Angst – manchmal aber auch mit Zufriedenheit und innerer Beruhigung. Zugänge zu Ressourcen zu suchen bedeutet für die Bezugspersonen auch, Zugang zu der Welt des Kranken zu suchen und zu finden sowie sein Bedürfnis nach Sicherheit aus Lebenserfahrungen u.a. anzuerkennen. Es ist aber auch zu respektieren, dass dies kein kontinuierlicher Prozess ist, sondern ein ständiges Ausgleichen und Aushandeln erfordert. Die Pflegenden haben die Aufgabe, die Einschränkungen und Veränderungen durch die Krankheit über einen Zeitraum so zu kompensieren, dass eigene Bewältigungs-Ressourcen noch wirksam werden können. Dies sind im Pflegealltag Strukturen, die Halt geben – aber nicht erdrücken und entmündigen. Ein Rahmen, der Halt gibt, schützt und begrenzt – und lässt damit einen Freiraum für den Inhalt. Er schafft auch einen Raum für Begegnungen und Erleben von Zugehörigkeit und Vertrautheit. Arbeiten mit dem Bindungskonzept Durch die Beachtung der Wechselseitigkeit von Bindungsprozessen in der Pflege ergeben sich neue Perspektiven. Sie ermöglichen die Einleitung von Entwicklungen, die vorher verschlossen waren. Im idealen Fall sollte die Pflegeperson ungehindert auf ihre eigenen Ressourcen zurückgreifen können – diese müssen gestärkt und entwickelt werden. Immer ist auch der Bezug zur eigenen Person und der eigenen Entwicklung gegeben [14]. Je sicherer der Anteil der Bindung ist, desto mehr können Ressourcen und Kompetenzen mobilisiert werden – akutes bindungssuchendes Verhalten blockiert dagegen Kompetenzen. Wer ständig auf der Suche nach Schutz und Nä- 13 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z he ist oder Angst vor übermächtigen Bindungspersonen hat, ist nicht in der Lage, sich den Erfordernissen der Umgebung anzupassen oder Neues zu verarbeiten bzw. einen Ortswechsel (immer verbunden mit Verlusten) zu verkraften. Die Präsenz einer Sicherheit vermittelnden Bindungsperson wirkt Angst mindernd. Deren Anwesenheit kann durch alle Bindungssignale unterstützt werden, die in einer Situation möglich sind. Bei Vergrößerung der räumlichen Distanz müssen die Bindungssignale, die eine Entfernung überbrücken, eingesetzt werden. Ein wesentliches Element ist dabei die Möglichkeit, jederzeit Blickkontakt aufnehmen zu können oder zumindest die Bezugsperson im Blick haben zu können. Bestätigende Signale wirken zusätzlich beruhigend. Wichtigstes Ziel der Pflege auf dieser Grundlage ist die Bildung von gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung, ohne das eine sichere Basis nicht gestärkt werden kann. Die sicheren Bindungsanteile der Pflegenden müssen so herausgearbeitet und gestärkt werden, dass die psychischen Belastungen in der Pflege auf dieser Basis besser bewältigt werden können. Mit qualifizierenden und unterstützenden Maßnahmen, wie Fallbesprechungen unter besonderen Aspekten oder Teamsuper- vision, können diese Chancen genutzt Struktur gekennzeichnet sind, kann das werden. Störungsbild des Hospitalismus beobEine besondere Rolle für die sichere achtet werden. Die Kranken schaffen sich Basis spielen Strukturen. Strukturen be- selbst einfachste Strukturen der Selbststehen aus klar bestimmbaren einzelnen stimulation, indem sie stundenlang mit Elementen, die sich in einer vorhersag- dem Oberkörper vor- und zurückschaubaren Weise wiederholen. Es entstehen keln (Tab. 4). Muster, Rhythmen, Schablonen oder RiAuch bei Personen mit Demenz lassen tuale. Strukturen übernehmen die Auf- sich Situationen beobachten, in denen gaben einer Rahmenfunktion, die Inhal- sie auf ihre Weise versuchen, sich selbst te zur Geltung bringen, einen haltenden Rahsie aber auch begrenmen zu schaffen. Die..., dass Personen mit zen und schützen. Sie se eigenen Strukturen Demenz auf Verhaltenssollen die Übersichtaus vorhersehbaren und muster zurückgreifen, lichkeit verbessern. Im sich wiederholenden mit denen sie früher täglichen Leben helfen Elementen, schafft sich Strukturen, sich auf Sider Kranke durch stäneinmal erfolgreich waren tuationen einzustellen, oder bestimmte Situatio- dige Wiederholungen zu planen und dabei von Fragen, von Wornen bewältigt haben die Kräfte optimal einten oder von Handzusetzen. Die Vorherlungen. Gelegentlich sagbarkeit von Ereignissen gibt Sicherheit sind sie auf Rituale und feste Umgeund spart somit auch Kräfte der An- bungsbezüge festgelegt und reagieren unspannung, Konzentration und Sorge, die ruhig auf kleinste Veränderungen. nun wieder zur Verfügung stehen. Sind Eine Person mit Demenz, die ständig die Strukturen neu, unvorhersagbar oder dieselbe Frage stellt, ist nicht primär an ständig im Wechsel, werden unverhält- der richtigen Antwort interessiert, sie nismäßig viele Kräfte gebunden, Kräfte möchte eine Bestätigung und einen Bedie im Falle einer gleichzeitigen anderen weis, dass sie sich sicher fühlen kann, Anforderung nicht mehr zur Bewälti- dass alles in vorhersehbaren Weise abgung ausreichen. In länger andauernden laufen wird und dabei als zuverlässig Situationen, die durch einen Mangel an (pünktlich) anerkannt wird. Daher sind (Zeit-)Fragen mit den Inhalten: „Wann kommt …“? oder „Wann müssen wir Tab. 4: Elemente einer sicheren Bindungs-Basis [13] nach …“? besonders häufig. Diese VerWas gehört zu einer sicheren Basis bei der Pflege von Demenzkranken? haltensweisen geben einen Hinweis auf Pflegeperson Konstanz der Bezugspersonen (Bezugspflege), absolute Zudas Erleben von Unsicherheit und sind verlässigkeit bei Zusagen, Reflektion der eigenen BindungsAusdruck eines Bindungsbedürfnisses im geschichte und Bindungsbedürfnisse durch Supervision, KläSinne einer Sehnsucht (Suche) nach rung von Rollen und Aufgaben, Teamzugehörigkeit und UnterWahrgenommen werden, Bestätigung stützung durch die Leitung. und Sicherheit. Die Verlässlichkeit und Im Umgang mit Teilhabe am gesellschaftlichen Leben soviel und solange es Demenzkranken möglich ist, Stützen der Identität aus der Biographie – der Vorhersagbarkeit der Ereignisse kann bei rote Faden der Lebensgeschichte, Anerkennen und Bestätigen Personen mit Demenz in unübersichtder Gefühle, Gespür für das Gleichgewicht zwischen Nähe und lichen Situationen nicht mehr durch das Distanz entwickeln, Erkennen von bindungssuchendem Verinnere Gefühl der Sicherheit gewährleishalten und Verhaltensweisen anderer Ursachen, eindeutiges tet werden. Die Schaffung klarer StrukRespektieren von Grenzen und Schutz vor Grenzüberschreituren und Abläufe ist eine Möglichkeit tungen, Förderung von jeglichem konkreten Verhalten – Stabider Mobilisierung und Unterstützung lisieren durch Handeln stärkt das Erleben von Autonomie und eigener Handlungsfähigkeit. von Ressourcen, sie sind wesentliche EleUmgebung Normalität, Übersichtlichkeit, Sicherheit und Vertrautheit der mente der sicheren Basis, wie sie in Tab. 4 Umgebung, Erkennbarkeit der Individualität der Person an der zusammengestellt sind. biographisch orientierten Einrichtung des Zimmers. Die Beziehung wird als positive ResStrukturell Verlässlichkeit der Zeitabläufe, Prinzip der Handlungskette: source inhaltlich thematisiert. Dabei helein Element nach dem anderen, Prinzip der Einzeitigkeit – nur fen Formulierungen wie: „Wir kommen eine Information zur selben Zeit, Realitätsbezug herstellen. gut miteinander aus.“, „Zusammen kön- 14 GERIATRIE JOURNAL 4/06 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z nen wir was erreichen.“, „Gelernt ist gelernt.“ oder „Gut, dass sie uns helfen wollen.“ Die Bezugspersonen verhalten sich so, dass der Patient die Beziehung als positiven Teil seines Daseins erleben kann. Die Qualitäten der zwischenmenschlichen Beziehungen werden in ihrer positiven Bedeutung hervorgehoben. Dabei ist Bindungsverhalten keine Persönlichkeitseigenschaft, sondern ein Charakteristikum der Beziehung zwischen zwei Personen. Typische Situationen, die eine Aktivierung von Signalen der Bindungssuche zur Herstellung von Bindungssicherheit auslösen, sind in Tab. 5 dargestellt. Abschließend sollen noch einmal die Chancen der Arbeit nach dem Konzept der Bindungsressourcen [nach 12] zusammengefasst werden: @ Biographiebezug bis in die ersten Lebensjahre zurückgehend, @ ganzheitliche systemische Sichtweise, @ Integration verschiedener Ansätze, wie Bezugspflege, Validation, aktivierende Pflege und verschiedene milieutherapeutische Ansätze, @ Generationen übergreifende Sichtweise (Oma – Kind – Enkel), rasche Identifikation und richtige Deutung von Bindungsverhalten, @ direkt ableitbare Konsequenzen für den Umgang mit Demenzkranken, @ gute Umsetzbarkeit in Stations- und Pflegekonzepten, @ Beachtung der eigenen Bindungsbedürfnisse der Pflegenden, @ Ansatz zur Burn-out-Prophylaxe der Pflegenden, @ wirksamer Ansatz zur Prävention von Gewalt in der Pflege, @ besseres Verstehen von problematischem und herausfordernden Verhalten unter dem Aspekt der Aktivierung der Bindungssuche, @ Einbeziehung von Übergangsobjekten (Puppen, Stofftiere, Spielzeug oder Tiere) als Bindungsvermittlern. Die Beschäftigung mit dem Bindungskonzept im Umgang mit demenzkranken Personen bietet eine doppelte Chance. Problematisches oder herausforderndes Verhalten kann häufig als Suche nach Bindung und als Versuch, mit Beziehungen in der Pflege entsprechend umzugehen, verstanden werden. Der alte Mensch kann Verluste in seiner Beziehungsfähigkeit im Kontakt mit der Pflegeperson aufarbeiten und positiv bewältigen. Auch die Pflegenden werden mit ihrem eigenen Beziehungs- und Bindungsmustern konfrontiert und lebensgeschichtlich gu- Tab. 5: Typische Situationen Verhalten zur Bindungssuche und Bindungsvermeidung bei Demenzkranken Bindungssuche Bindungsvermeidung Auslösende Einschränkung der Autonomie, Einschränkungen der AutonoSituationen Einschränkung der Bewegungs- mie durch Zulassen müssen von freiheit, Trennung (real oder Nähe und Grenzüberschreitunbefürchtet) Bedrohung, Übergen bei der (Intim)pflege, unforderung, Erschöpfung, Krank- erwünschte oder unangenehme heit, Schmerzen, Isolation, Berührungen, Fehlinterpretation Umgebungswechsel, ständig von Situationen, wahnhaftes wechselnde Bezugspersonen, Erleben, Retraumatisierung – realer oder vermeintlicher real oder (re)aktiviert Verlust von Besitz, Angst und aus früheren Erfahrungen Panik, Krankenhausaufenthalt, diagnostische Maßnahmen, schmerzhafte Eingriffe Verhaltens- Rufen, Weinen, ständiges Wie- Misstrauen, (Wieder)herstellen weisen derholen von Fragen (häufig der Kontrolle durch Rückzug, Zeitfragen), Schreien, (Hin)lau- Verweigerung (Essen, Trinken, fen, Elternsuche, Überzeugung Pflege, Medizin), Zurückweiverlassen worden zu sein, Nach- sung, Abwehr, verbale und/oder laufen, Sammeln und Horten, körperliche Aggressivität, aber auch helfen wollen, helUmdeuten von Situationen der fen dürfen, Dankbarkeit zeigen Nähe als Bedrohung 16 te oder negative Erfahrungen werden (überwiegend unbewusst) wiederbelebt. Dies kann bei ungeklärten Beziehungen zu Verstrickungen und zur Verhinderung von feinfühligem, zu grenzüberschreitendem oder vernachlässigenden Verhalten führen. Entscheidender als Techniken sind die menschliche Basis der Beziehung, die Haltung, die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich als feinfühlige und zuverlässige Bindungsperson zur Verfügung zu stellen. Literatur 1. Bowlby J. (2006): Bindung und Verlust, Reinhardt Verlag, Neuausgabe der Trilogie: Attachment and loss: Attachment (1), Separation, anxiety and anger (2) und lsadness and depression (3). New York: Basic Books 2. Brisch, K. H., Hellbrügge, T. (Hrsg.): Bindung und Trauma – Risiken und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern. Klett-Cotta, Stuttgart 2003 3. Buchheim, A., Brisch, K.H. und Kächele, H. (1998) Einführung in die Bindungstheorie und ihre Bedeutung für die Psychotherapie, Psychother. Psychosom. Med. Psychol. 48 128-138 4. Ettrich, K. U. (Hrsg.) 2004, Bindungsentwicklung und Bindungsstörung, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 5. George, C., Kaplan, N., Main, M. (1985) The Adult Attachment Interview. Berkeley: University of California 6. Heine, H. (2004): Die perineurale Matrix bei Alzheimer Demenz. Geriatrie Journal 6:31-36 7. Heuft, G. (1999): Trauma-Reaktivierung im Alter. Z. Gerontol Geriat 32: 225-230 8. G. Hüther, G. und Gebauer, K. (2001): Kinder brauchen Wurzeln – Neue Perspektiven für eine gelingende Entwicklung. Walter Verlag 9. Kolanowski, A. M., Whall, A. L. (1996): Life-Span perspective of personality in dementia. Image J Nurse Sch 28, 315-320 10. Magai, C. und Cohen, C.I. (1998): Attachment style and emotion regulation in dementia patients and their relation to caregiver burden. J Gerontol B Psychol Sci Soc Sci 53 (3): 147-154 11. Strauß, B., Buchheim, A., Kächele, H. Hrsg. (2002): Klinische Bindungsforschung. Schattauer Verlag, Stuttgart, New York 12. Stuhlmann, W. (2000): Psychotherapie im Alter. In: Möller, H.J. (Hrsg.) Lehrbuch der psychiatrischen Therapie. Thieme Verlag, Stuttgart/ New York 13. Stuhlmann, W. (2004) Demenz - Bindung und Biographie einsetzen, Reinhardt Verlag, 14. Willutzki, U. (2003): Ressourcen: Einige Bemerkungen zur Begriffsklärung. In: Schemmel, H. und Schaller, J. (Hrsg.): Ressourcen – Ein Hand- und Lesebuch zur therapeutischen Arbeit. dgvt Verlag, Tübingen Dr. med. Dipl.-Psych. Wilhelm Stuhlmann, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapie – Klinische Geriatrie, Rathelbecker Weg 3D, 40699 Erkrath GERIATRIE JOURNAL 4/06 P S Y C H I AT R I E : A L K O H O L I S M U S Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit im Alter Dirk K. Wolter, Münster Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit sind im Senium seltener als im mittleren Erwachsenenalter und üblicherweise nimmt Alkoholkonsum mit dem Lebensalter ab. Neuere Studien zeigen jedoch, dass der Anteil der älteren Menschen mit problematischem Trinkverhalten ansteigt. Auch sich wandelnde Lebensstile und verändertes Konsumverhalten tragen dazu bei, dass künftige Seniorengenerationen mehr Alkohol trinken als frühere. Der Artikel erläutert Epidemiologie und Diagnostik und gibt Hinweise zur Therapie. I GERIATRIE JOURNAL 4/06 Von „Missbrauch“ bzw. „schädlichem Gebrauch“ (ICD-10) spricht man, wenn eine Substanz trotz negativer Folgen und des Wissens darum konsumiert wird. Bei der Definition fokussiert die ICD-10 ausschließlich auf negative gesundheitliche Folgen (körperlich, aber auch psychisch), während das DSM-IV in der Definition des Substanzmissbrauchs auch die soziale Dimension einbezieht: @ wiederholter Konsum mit Folge von Versagen in Schule/Beruf/Familie, Foto: Tom Schmucker – Fotolia m Jahre 1964 empfahl die WHO, den Begriff „Sucht“ (engl. addiction) als unwissenschaftlich aufzugeben und durch „Abhängigkeit“ (engl. dependence) zu ersetzen, die in psychische bzw. physische Abhängigkeit spezifiziert werden kann. Die moderne Klassifikation in ICD-10 und DSM-IV unterscheidet daneben als unabhängige Störung den „schädlichen Gebrauch“ (ICD-10) bzw. „Missbrauch“ („Abusus“, engl. abuse) (DSM-IV). Der englische Begriff misuse bezeichnet demgegenüber den nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch von nichtpsychotropen Pharmaka (z.B. Diuretika oder Laxanzien). Die Definition der Abhängigkeit ist in den beiden Klassifikationssystemen ICD10 und DSM-IV weitgehend ähnlich. Innerhalb eines 12-Monatszeitraumes müssen mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sein: @ starker Wunsch nach Konsum des Mittels (im DSM-IV alternativ erfolglose Absetzversuche), @ verminderte Kontrolle über den Konsum (zu oft, zu viel, zu lange), @ Entzugssymptome, @ Toleranzentwicklung, @ Vernachlässigung anderer Interessen, hoher Zeitaufwand für Konsum bzw. Beschaffung der Substanz, @ anhaltender Konsum trotz schädlicher Folgen. Alkoholmissbrauch wird häufig übersehen oder fehldiagnostiziert, bei älteren Menschen deutlich häufiger als bei jüngeren. wiederholter Konsum in Situationen, in denen es dadurch zu körperlichen Gefährdungen kommen kann, @ wiederkehrende Probleme mit dem Gesetz im Zusammenhang mit dem Substanzkonsum, @ fortgesetzter Konsum trotz häufiger sozialer Probleme, die auf den Substanzkonsum zurückgehen. Das Vorliegen von Entzugssymptomen ist das entscheidende Kriterium zur Unterscheidung zwischen psychischer und physischer Abhängigkeit. Neben Abhängigkeit und Abusus werden Störungen durch den Substanzkonsum (substanzinduzierte Störungen) unterschieden: Intoxikation, Entzug (mit oder ohne Delir) sowie andere psychische Störungen (z.B. psychotische Störungen, amnestisches Syndrom, Persönlichkeits- oder Verhaltensstörungen, Demenz). @ Epidemiologie Das Phänomen „Sucht“ wird gemeinhin überwiegend mit illegalen Drogen und dem Jugend- bzw. Adoleszenzalter verbunden. Sucht im Alter war bis vor einigen Jahren weder für die Wissenschaft noch für die Öffentlichkeit oder das Gesundheitssystem ein Thema. In der Tat sind Abhängigkeitserkrankungen im Alter insgesamt seltener. Mitunter kommt es bei Abhängigkeitskranken im fortgeschrittenen Erwachsenenalter zu einem Rückgang des Konsums oder sogar zu weitgehender Abstinenz, häufig verbunden mit einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Residualsyndrom (Antriebsmangel, affektive Einschränkung, sozialer Rückzug). Diese Entwicklung wurde früher als „maturing out“ bezeichnet. Man ging davon aus, dass es im Alter keine bedeutsame Zahl von Suchtkranken mehr gäbe, weil die Suchtpro- 17 P S Y C H I AT R I E : A L K O H O L I S M U S bleme entweder mit dem Alter durch auch auf den Wegfall sozialer Kontroll- Koma auf. Oft Amnesie. Bei tiefer Into„maturing out“ verschwinden bzw. auf instanzen bzw. äußerer Abstinenzmoti- xikation ist der Übergang zum kompliGrund der erhöhten Mortalität nur sehr vation (z.B. Berufstätigkeit) zurück zu zierten Rausch fließend. wenige Suchtkranke das Die Existenz des pathologischen Rauführen sein; in diesen Das Phänomen Senium erreichen würFällen ist als Hinter- sches ist umstritten; das Syndrom ist in den. Diese Einschätzung „Sucht“ wird gemeinhin grund eine bis dahin der forensischen Psychiatrie von Bedeuist heute nicht mehr gülkompensierte psychi- tung: schwere Verhaltensentgleisungen überwiegend mit tig – zumal die Medikasche Störung zu disku- mit Amnesie bei geringer Alkoholmenillegalen Drogen und mentenabhängigkeiten tieren. Dasselbe gilt für ge auf dem Boden einer zerebralen Vordem Jugend- bzw. einen deutlichen Altersdie Fälle, in denen alte schädigung. gang aufweisen. Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit Menschen trotz offenAdoleszenzalter Der Alkoholkonsum sichtlich nachlassender führen zu vielfältigen internistischen verbunden nimmt mit dem LebensAlkoholtoleranz ihren Komplikationen: Leberschädigung bis alter ab. Abstinenz ist Konsum nicht verrin- zur Leberzirrhose, Leberzellkarzinome unter Frauen und in den höchsten Al- gern und es hierdurch zu Komplikatio- treten gehäuft auf; akute und chronische tersklassen häufiger anzutreffen. Alko- nen kommt. Je höher der Alkoholkonsum Pankreatitiden; Schleimhautschäden im holmissbrauch und -abhängigkeit sind im mittleren Lebensabschnitt, umso grö- gesamten Verdauungstrakt mit erhöhtem im Senium seltener als im mittleren Er- ßer das Risiko eines Alkoholproblems im Risiko für Malignome im Rachenbereich wachsenenalter, mit einer Jahrespräva- Alter. Raucher sind stärker gefährdet so- bei Spirituosen, Gastritiden; Kardiomyolenz von 3,1% der Männer und 0,5% wie Personen, die Problemen aus dem pathie, Hypertonie, Herzrhythmusstöder Frauen ab 65 Jahren in einer großen Weg gehen, die unter Belastung vermehrt rungen; hämotologische und immunoepidemiologischen Studie in den USA in trinken und deren Umfeld den Alkohol- logische Störungen. Im Übergangsbeden 1980er Jahren aber keineswegs un- konsum unterstützt. Funktionierende so- reich zur Neurologie sind Muskelerbedeutend [8]. Neuere Studien geben hö- ziale Netzwerke, Hilfe von Bezugsperso- krankungen und das erhöhte Schlaghere Prävalenzraten von ca. 10% der Al- nen haben einen proanfallrisiko zu nennen. Alkoholprobleme tenbevölkerung mit problematischem tektiven Effekt [15]. Neurologische KompliTrinkverhalten an [9]. Veränderungen Alkoholprobleme könkationen: (Entzugs-) können mit anderen der Lebensstile und des Konsumverhal- nen mit anderen psychi- psychischen Störungen Krampfanfälle, Kleintens führen dazu, dass bereits die heuti- schen Störungen in Zuhirnatrophie und zerein Zusammenhang gen und wahrscheinlich in noch stärke- sammenhang stehen bellare Ataxie, zentrale stehen rem Ausmaß künftige Seniorengenera- (z.B. als Selbstbehandpontine Myelinolyse, tionen mehr Alkohol konsumieren als lungsversuch bei einer Hinterstrangläsionen, frühere. Depression oder als Symptom einer Ma- Polyneuropathien, die Wernicke EnzeBei alten Menschen mit Alkoholpro- nie). Schließlich sind die alt gewordenen phalopathie sowie kognitive Beeinträchblemen wird zwischen „early onset“ und chronisch-mehrfach geschädigten bzw. tigungen [5]. „late onset“- unterschieden. Zur erstge- behinderten Alkoholiker zu erwähnen, Alkoholmissbrauch kann auf verschienannten Gruppe gehört, wer seit dem bei denen i.d.R. ausgeprägte hirnorgani- denen Wegen direkt oder indirekt zu kogfrühen Erwachsenenalter mehr oder we- sche Veränderungen vorliegen. nitiven Einbußen führen oder beitragen: nig durchgängig Alkoholmissbrauch beneben (kurzfristigen – Intoxikation bzw. trieben hat. „Late onset“-Alkoholiker haEntzug – und langfristigen) direkten neuKlinik, Komplikationen, ben erst im Alter begonnen, in problerotoxischen Effekten des Alkohols kommatischem Umfang zu trinken, oft Folgeprobleme men metabolische Dysfunktion (z.B. ausgelöst durch alterstypische Belas- Eine veränderte Verarbeitung von Alko- hepatische Enzephalopathie), immunotungssituationen. In dieser Gruppe sind hol (First-pass-Metabolisierung in der logisch bedingte Schädigungen, SchädelTherapieerfolge deutlich häufiger als bei Magenschleimhaut reduziert, Körper- Hirn-Traumata, vaskuläre Schädigungen den „early onset“-Alkoholikern, die an- wasseranteil reduziert) führt im Alter zu („Schlaganfall“, Ischämien, Blutungen) gesichts ihrer langjährigen Suchtkarriere einer erhöhten Blutalkoholkonzentration oder nutritive Mangelzustände (Thiameist belangvolle Persönlichkeitsverän- (BAK) bei gleicher Trinkmenge [6]. min, Vitamin B12, Folsäure) in Betracht Die Symptomatik des Alkoholrausches [16]. derungen und soziale Desintegration aufweisen und kaum auf ein erfolgreich be- (Alkoholintoxikation) ist allgemein bewältigtes Leben zurückblicken können. kannt: initial kommt es meist zu einer AkKognitive Einbußen, „Early onset“-Alkoholiker weisen häufi- tivierung und Euphorisierung, später bzw. ger eine positive Familienanamnese und bei höherer BAK treten Affektlabilität, Korsakoff-Syndrom und Demenz mehr schwere Intoxikationen auf [12, kognitive und motorische Beeinträchti- Die klassische Form der alkoholassozi25]. „Late onset“-Alkoholismus kann gungen (Ataxie) sowie Sedierung bis zum ierten kognitiv-mnestischen Störung 18 GERIATRIE JOURNAL 4/06 P S Y C H I AT R I E : A L K O H O L I S M U S stellt die chronische Form des Wernicke-Korsakoff-Syndroms dar, bei der es sich allerdings um ein Thiaminmangelsyndrom und damit nur um eine mittelbare Alkoholfolgekrankheit handelt. Relativ neu ist die Erkenntnis, dass sich das chronische Stadium ohne klinisch apparente akute Wernicke-Enzephalopathie einstellen kann. Das Korsakoff-Syndrom zeichnet sich durch eine (fast) reine oder zumindest dysproportional im Vordergrund stehende Neugedächtnisstörung aus. Hinzu tritt ein Komplex kognitiver, affektiver und motivationaler Defizite, der einem Frontalhirnsyndrom ähnelt. Charakteristisch sind Beeinträchtigungen von Arbeitsgedächtnis, exekutiven Funktionen und höheren Frontalhirnfunktionen wie Urteilsvermögen, Kreativität und Krankheitseinsicht. Die pathognomonische Konfabulationsneigung erklärt sich aus der Kombination von Amnesie und frontalen Defiziten. Ausmaß und Spektrum der kognitiven Störungen variieren stark, viele Patienten sind vom Schweregrad her als dement einzuordnen. Besserungen unter Abstinenzbedingungen sind in Einzelfällen beschrieben, dann aber nur geringfügig [22]. Ein fortgeschrittenes „Alzheimer-typisches“ Demenz-Syndrom ohne dysproportional im Vordergrund stehende Neugedächtnisstörungen kann nicht auf Alkohol (allein) zurückgeführt werden, hier liegen andere Ursachen vor [22]. Der Begriff „Alkohol-Demenz“ („Alcohol-related dementia“) sollte nach [16] für solche kognitiven Beeinträchtigungen reserviert bleiben, die allein auf die direkten neurotoxischen Effekten des Alkohols zurückzuführen sind. Diese rein alkoholinduzierten Syndrome sind relativ selten; sie zeigen nicht das typische Bild des Korsakoff-Syndroms und die kognitiven Beeinträchtigungen sind weniger ausgeprägt als bei degenerativen Demenzerkrankungen. Auch hier finden sich zusätzlich oder führend unspezifisch frontal-subkortikale Symptome; die Besserung oder zumindest Stabilität unter Abstinenzbedingungen (ab sechs Wochen nach Ende des Entzugs) gilt als wesentliches diagnostisches Merkmal [16, 22]. Bei dieser (zumindest partiell 20 reversiblen) Alkoholenzephalopathie lässt sich häufig im Längsschnittverlauf parallel zur klinisch-neuropsychologischen Besserung unter Abstinenzbedingungen auch neuroradiologisch eine Rückbildung der Hirntrophie beobachten. Die pathophysiologische Erklärung hierfür liegt wahrscheinlich nicht, wie früher vermutet, in Verschiebungen im Flüssigkeitshaushalt, sondern in einer reversiblen Rarifizierung der Dendritenbäume [22]. Ausgeprägte kognitive Defizite bei Alkoholabhängigkeit weisen eine hohe Korrelation mit körperlichen Alkoholfolgekrankheiten auf, die ebenfalls ursächlich oder zumindest modifizierend von Bedeutung sind [10]. Zwischen Alkoholkonsum und (Alzheimer-) Demenzrisiko besteht offenbar ein U-förmiger Zusammenhang: das niedrigste Risiko weisen Menschen mit ei- nem leichten bis mäßigen Alkoholkonsum, unabhängig von der Art des Alkohols, auf. Abstinenz ist statistisch mit einem erhöhten Risiko assoziiert, ein noch höheres ist mit starkem Alkoholkonsum verbunden [2, 20], wobei dem Apolipoprotein E4 Status möglicherweise modifizierende Bedeutung zukommt [2]. Diagnostik Alkoholmissbrauch wird häufig übersehen oder fehldiagnostiziert, bei älteren Menschen deutlich häufiger als bei jüngeren [24]. Ein wichtiger Grund dafür liegt in der fehlenden Spezifität der Symptome bzw. Folgeprobleme (Tab. 1), die häufig dem „Alter an sich“ angelastet werden. Die vielfältigen körperlichen Folgeerkrankungen werden leicht als eigenständige „Alters“-Krankheiten fehlinterpretiert, die zumindest mitverursa- Tab. 1: Symptome Mögliche Hinweise auf Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit im Alter @ Sozialer Rückzug @ Verlust von Antrieb und Interesse @ Depressivität @ Schlafstörungen @ Nachlassen der geistigen Leistungskraft @ Vernachlässigung der (Körper-) Hygiene @ Gangunsicherheit/Stürze @ Verletzungen/Blutergüsse @ Häufige Inanspruchnahme von Notarzt/Notaufnahme @ Magen-Darm-Probleme/Durchfall @ Inkontinenz @ Mangelernährung/Gewichtsverlust @ Bluthochdruck @ Hyperurikämie @ instabiler Diabetes mellitus Tab. 2: Fragebogen zur Diagnosestellung Screening auf Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit (CAGE) @ Haben Sie schon einmal das Gefühl gehabt, dass Sie Ihren Alkoholkonsum verringern sollten? (Cut down) @ Hat Sie schon einmal jemand durch Kritisieren Ihres Alkoholtrinkens ärgerlich gemacht? (Annoyed) @ Haben Sie schon einmal wegen Ihres Alkoholtrinkens ein schlechtes Gewissen gehabt oder sich schuldig gefühlt? (Guilty) @ Haben Sie schon einmal morgens als erstes Alkohol getrunken, um sich nervlich wieder ins Gleichgewicht zu bringen oder einen Kater loszuwerden? (Eye opener) GERIATRIE JOURNAL 4/06 P S Y C H I AT R I E : A L K O H O L I S M U S chende Alkoholwirkung nicht einkal- le können aber auch ohne Delir auftrekuliert. Außerdem ist Sucht für die meis- ten. ten alten Menschen ein peinliches TheEine Gefahr besteht darin, dass in der ma. Wichtig ist deshalb vor allem das vielfältigen akuten Symptomatik eines „Daran-Denken“. schweren Alkoholentzuges eine gleichScreening-Fragebögen können die zeitig vorhandene Wernicke-EnzephaDiagnosestellung erleichtern, aber nicht lopathie übersehen wird – mit der Folallein herbeiführen [19]. Im Vergleich ge eines weitgehend irreversiblen Kormit umfangreichen Instrumenten er- sakoff-Syndroms. Deshalb sollte im weist der kurze CAGE-Fragebogen als Alkolentzug immer eine Prophylaxe erbrauchbar [3, 12] (Tab. 2). Für alte Men- folgen. Die akute Wernicke-Enzephaloschen werden ergänzend die beiden fol- pathie ist gekennzeichnet durch schwegenden Fragen empfohlen: re kognitiv-mnestische Defizite, ausgeprägte Ataxie – oft Stand- oder sogar @ Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Alkoholkonsum zugenommen hat, nach- Sitzataxie – sowie äußere Augenmusdem eine nahestehende Person ver- kelstörungen. Sie entwickelt sich innerstorben ist? halb weniger Tage und ist häufig mit einem Delir verbunden. @ Macht Alkohol Sie so müde, dass Sie öfter einmal in Ihrem Stuhl einschlaDer Alkoholentzug dauert i.d.R. nur fen? [1] wenige Tage. Medikamentöse BehandAußerdem sollen die Konsumgewohn- lung der vegetativen Symptome: β-Bloheiten und -mengen detailliert erfragt cker, Clonidin, Carbamazepin, Clomewerden. thiazol, BZD. Medikamentöse BehandLabor: Eine Erhöhung der Transami- lung der psychiatrischen Symptome: nasen, insbesondere der γ-GT sowie ein Halluzinationen – zusätzlich hochpohyperchrom-megalotente Neuroleptika zytär verändertes rotes (Haloperidol, RisperiDie vielfältigen Blutbild sind häufige, don); Unruhe: Clomekörperlichen Folgeaber nicht sehr spezifithiazol, Benzodiazepierkrankungen werden sche Auffälligkeiten. ne, ggf. Carbamazepin, leicht als eigenständige an niederpotenten NeuSpezifischer ist die Erhöhung des carbohyroleptika ggf. Pipampe„Alters“-Krankheiten dratdefizienten Transron, Melperon oder fehlinterpretiert ferrins (CDT), der Prothipendyl. Keine Stellenwert in der kliSubstanzen mit antinischen Routine, namentlich bei alten cholinergen oder erheblichen vegetatiPatienten, ist noch nicht abschließend ven Nebenwirkungen wie z.B. Levomegeklärt. promazin! Bei allen Substanzen sind die für alte Menschen häufiger zutreffenden UAW/Kontraindikationen zu beEntzug und Entzugsbehandlung achten! Die Anwendung von standardiDas Alkoholentzugssyndrom ist durch sierten Schemata, die sich an vegetativegetative Symptome (Puls und Blut- ven Parametern orientieren, ist im Alter druckerhöhung, Schwitzen usw.) ge- problematisch, da häufig ohnehin karkennzeichnet, die psychischen Sympto- diovaskuläre Erkrankungen vorliegen. me ähneln den „minor symptoms“ beim Wichtig ist die Allgemeinbehandlung Entzug von Benzodiazepinen (BZD). (Flüssigkeitszufuhr, Elektrolyte, GlukoDas Entzugsdelir stellt einen Spezialfall sestoffwechsel usw.). Zur Behandlung des Delirs dar; charakteristisch sind ne- (bzw. bei gefährdeten Patienten zur Proben den allgemeinen Symptomen opti- phylaxe) von Entzugskrampfanfällen ist sche Halluzinationen von (kleinen) be- Valproat dem Carbamazepin wegen der wegten Objekten und eine ausgeprägte besseren Verträglichkeit vorzuziehen. Suggestibilität. Das Alkoholentzugsde- Zur Prophylaxe einer Wernicke-Enzelir wird nicht selten von einem Krampf- phalopathie sollte im Alkoholentzug anfall eingeleitet, Entzugskrampfanfäl- stets Thiamin (bzw. wegen besserer ReGERIATRIE JOURNAL 4/06 sorbierbarkeit Benfotiamin) oral gegeben werden. Wenn hingegen eine WernickeEnzephalopathie sicher vorliegt oder wahrscheinlich ist, muss unverzüglich Thiamin für mehrere Tage hochdosiert (100-200 mg/d) i. v. verabreicht werden; die gleichzeitige Infusion von Glukose ist zu vermeiden, da der Thiaminumsatz hierdurch erhöht wird. Nach der Entgiftung – die weitere Therapie Suchtkrankheiten sind chronische Krankheiten mit häufigen Rückfällen und oft deprimierenden Verläufen – man sollte also keine überzogenen Erwartungen hegen. Gleichwohl sind erfolgreiche Behandlungen möglich. Bei Verdacht auf ein Suchtproblem werden heute sog. Früh- bzw. Minimalinterventionen propagiert, d.h. ein aufklärendes ärztliches Gespräch. Hiernach ist ein Teil der Betroffenen in der Lage, eigenständig den Konsum zu reduzieren oder sogar ganz zu beenden [12]. Bei Alkoholmissbrauch bzw. -abhängigkeit erweist sich Abstinenz oft als zumindest kurz- und mittelfristig nicht erreichbares Ziel. Unerreichbare Ziele aber erzeugen Frustration bei Patienten und Therapeuten. Realistische, erreichbare Ziele führen bei den Patienten zu einer Zunahme des Selbstvertrauens und der Überzeugung, dass sie in der Lage sind, Kontrolle über die Situation zu gewinnen und zu behalten. In einer Hierarchie der Therapieziele geht es zunächst um die Sicherung des Überlebens. Diese Aufgabe bildet gewissermaßen den Sockel einer Pyramide, erst auf dieser Basis können weitere Therapieziele aufbauen: Zunächst geht es um die Sicherung des „möglichst guten Überlebens”, d.h. um die Verhinderung von schweren körperlichen Folgeschäden und sozialer Desintegration („harm reduction“). Es folgt das Ziel der Reduzierung der Trinkmenge und der Trinkexzesse und der Verlängerung der alkoholfreien Perioden (Konsumstabilisierung). Erst jetzt kommt über Einsicht in die Grunderkrankung – wozu die konstruktive Bearbeitung von Rückfällen gehört – die Akzeptanz des Ziels dauer- 21 P S Y C H I AT R I E : A L K O H O L I S M U S hafter Abstinenz durch den Patienten. angebote (mit entsprechenden ModiDie dauerhafte Abstinenz selbst bildet fikationen des psychotherapeutischen immer noch nicht die Spitze der Pyra- Vorgehens) sind einem altersgemischten mide; sie ist nicht Ziel an sich, vielmehr Setting überlegen [4, 11], die Behandsteht am Ende das eigentliche Therapie- lungsergebnisse bei älteren Suchtpatienziel der möglichst autonoten insgesamt tendenziell Wichtig ist vor men Lebensgestaltung und besser als bei jüngeren, bei -bewältigung in Zufrieden„late onset“ Alkoholikern allem das heit. deutlich besser [12, 16, 23]. „Daran-Denken“ Die untersten Stufen dieSeit die Suchtmedizin erser Pyramide – die Sichekannt hat, dass mit dem rirung des Überlebens bzw. die Sicherung gorosen Abstinenzparadigma und den des möglichst gesunden Überlebens – überkommenen Versorgungsstrukturen spielen im Alter eine geringere Rolle. Sie (stationäre Entgiftung und stationäre sind aber keinesfalls völlig bedeutungs- Entwöhnung in gemeindefernen Fachlos, denn auch bei alten Menschen kom- kliniken) nur ein kleiner Teil der Pamen schwere Intoxikationszustände mit tienten erreicht wurde, hat ein Umdenvitaler Gefährdung vor. ken „von der Behandlungskette zum BeBei Alkoholabhängigen werden mit handlungsnetz“ eingesetzt. Flexible und mäßigem Erfolg die „Anticraving“- Me- gemeindenahe Angebote sind dabei von dikamente Naltrexon und Acamprosat großer Bedeutung; dies gilt insbesondezur Rezidivprophylaxe eingesetzt. Vor al- re für alte Menschen mit häufig eingelem in den ersten 6-12 Monaten nach ei- schränkter Mobilität. Bisher verschliener stationären Entwöhnungsbehand- ßen sich die meisten Sucht-Facheinrichlung wird das Rückfallrisiko vermindert tungen noch alten Menschen gegenüber, [12]. Für die Behandlung alter Men- so dass einige wenige Fachkliniken mit schen liegen keine gesicherten Daten vor. spezialisierten Programmen, die GeronDie lange Zeit wenige beachtete Aver- topsychiatrie und die Hausärzte die Besionsbehandlung mit Disulfiram erlebt handlung übernehmen müssen. eine gewisse Renaissance; auch hier gibt es aber keine wegweisenden Erfahrungen Literatur: 1. AMA – American Medical Association (Council on mit der Anwendung im Alter. Scientific Affairs) (1996): Alcoholism in the Entwöhnungstherapie ist ein längerElderly. JAMA 275: 797-801 2. Anttila T, Helkala E-L, Viitanen M, Kåreholt I, fristiger Prozess. Voraussetzung ist eine Fratiglioni L, Winblad B, Soininen H, Tuomilehto J, vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung, Nissinen A, Kivipelto M (2004): Alcohol drinking die Umgebung (Angehörige) sollte imin middle age and subsequent risk of mild cognitive impairment and dementia in old age: a mer einbezogen werden. Auf dieser prospective population based study. BMJ 329: Grundlage kann der Patient überhaupt 539-542 erst die Motivation zur weiteren Aus3. Beullens J, Aertgeerts B (2004): Screening for alcohol abuse and dependence in older people einandersetzung mit seinem Suchtprousing DSM criteria: a review. Aging Ment Health blem entwickeln („motivierende“, d.h. 8: 76-82 4. Dupree LW, Broskowski H, Schonfeld L (1984): The nicht konfrontierende Gesprächsführung Gerontology Alcohol Project: A Behavioral Treat[14]). Die weiteren Therapieziele werden ment Program for Elderly Alcohol Abusers. Geronvon Patient und Therapeut gemeinsam tologist 24: 511-516 5. Feuerlein W, Küfner H, Soyka M (1998): Alkohoformuliert; es geht um Ziele, für die es lismus – Mißbrauch und Abhängigkeit. Stuttgart: sich aus Sicht des Patienten lohnt, den Thieme. 5. Aufl. Suchtmittelkonsum weiter einzuschrän6. Gastpar M, Mann K, Rommelspacher H (Hrsg.): (1999): Lehrbuch der Suchterkrankungen. Stuttken. Sie sollten individuell, konkret, umgart: Thieme schrieben und lebensnah sein, der Pa7. Havemann-Reinecke U, Weyerer S, Fleischmann H (Hrsg.) (1998): Alkohol und Medikamente, Mißtient muss einen Sinn darin erkennen brauch und Abhängigkeit im Alter. Freiburg. können (z.B. den Enkelkindern SpielLambertus kamerad und Vorbild sein können). Al8. Helzer JE, Burnam A, McEvoy LT (1991): Alcohol Abuse and Dependence. In: Psychiatric Disorders tersspezifische Problemkonstellationen in America: The Epidemiological Catchment Area besitzen dabei eine herausragende BeStudy. Ed. By Robins LN, Regier DA. New York: the Free Press. 81-115 deutung. Altersspezifische Behandlungs- 22 9. Johnson I (2000): Alcohol problems in old age: a review of recent epidemiological research. Int J Geriatr Psychiatry 15: 575-581 10. Kasahara H, Krasawa A, Ariyasu T, Thukahara T, Satou J, Ushijima S (1996): Alcohol Dementia and Alcohol Delirium in Aged Alcoholics. Psychiatr Clin Neurosci 50: 115-123 11. Kofoed, LL, Tolson RL, Atkinson RM, Toth, RL, Turner JA (1987): Treatment Compliance of Older Alcoholics: An Elder-Specific Approach is Superior to „Mainstreaming“. J Stud Alcohol 48: 47-51 12. Mann K, Mundle G, Heinz A (2002): Alkoholismus und Alkoholfolgekrankheiten. In: Lehrbuch der Gerontopsychiatrie und -psychotherapie. Hrsg. v. Förstl H. Stuttgart: Thieme. 2. Aufl. 516-524 13. Michna E, Ross EL, Hynes WL, Nedeljkovic SS, Soumekh S, janfaza D, Palombi D, Jamson RN (2004): Predicting aberrant drug behavior in patients treatment for chronic pain: impoartance of abuse history. J Pain Symptom Manage 28: 250-258 14. Miller WR, Rollnick CS (1999): Motivierende Gesprächsführung. Freiburg: Lambertus 15. Moos RH, Schutte K, Brennan P, Moos BS (2004): Ten-year patterns of alcohol consumptionand drinking problems among older women and men. Addiction 99:829-838 16. Oslin D, Atkinson RM, Smith DM, Hendrie H (1998): Alcohol related dementia: proposed clinical criteria. Int J Geriatr Psychiatry 13: 203212 17. Oslin DW, Cary MS (2003): Alcohol-Related Dementia. Validation of Diagnostic Criteria. Am J Geriatr Psychiatry 11: 441-447 18. Oslin D, Pettinati H, Volpicelli J (2002): Alcoholism treatment adherence: older age predicts better adherence and drinking outcome. Am J Geriatr Psychiatry 10: 740-749 19. Reid MC, Anderson PA (1997): Geriatric Substance Use Disorders. Med Clin North Am 81: 999-1016 20. Ruitenberg A, van Swieten JC, Wittemann JCM, Mehta KM, van Duijn CM, Hofman A, Breteler MMB (2002): Alcohol consumption and risk of dementia: the Rotterdam study. Lancet 359: 281286 21. Sattar SP, Petty F, Burke WJ (2003): Diagnosis and treatment of alcohol dependence in older alcoholics. Clin Geriatr Med 19(4):743-761 22. Schmidtke K (2002): Alkoholinduzierte kognitive Defizite. In: Demenzen. Grundlagen und Klinik. Hrsg. v. Beyreuther K, Einhäupl KM, Förstl H, Kurz A. Stuttgart: Thieme. 354-364 23. Soeder M (1989): Abhängigkeit und Sucht. In: Handbuch der Gerontologie, Bd. 5: Neurologie, Psychiatrie. Hrsg.v. Platt D. Stuttgart, New York: G. Fischer. 337-355 24. Trabert W (1998): Klinik der Alkoholabhängigkeit im Alter. In: Havemann-Reinecke U, Weyerer S, Fleischmann H (Hrsg.): Alkohol und Medikamente, Mißbrauch und Abhängigkeit im Alter. Freiburg. Lambertus. 97-105 25. Wetterling T, Veltrup C, John U, Driessen M (2003): Late onset alcoholism. Eur Psychiatry 18 (3): 112-118 Dr. Dirk K. Wolter, Chefarzt Gerontopsychiatrie, Stellvertretender Ärztlicher Direktor, Westfälische Klinik Münster, Postfach 202 252, 48103 Münster GERIATRIE JOURNAL 4/06 1. gemeinsamer Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG) 14. Jahreskongress der DGG und 46. Jahreskongress der ÖGGG 16.11. – 18.11. 2006 in Berlin Alter ist Vielfalt veranstaltungsort: Maritim proArte Hotel Berlin Friedrichstraße 151 10117 Berlin In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP) und dem Dachverband der Gerontologischen und Geriatrischen Wissenschaftlichen Gesellschaften Deutschlands (DVGG) 1414 www.dggeriatrie.de VORPROGRAMM 1. gemeinsamer Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG) Allgemeines Donnerstagabend, 16.11.2006 Festvortrag: @ Prof. Dr. med. Roberto Bernabei, Rom (Präsident der italienischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie): "CGA or how to take internal medicine away from us?" Freitagabend, 17.11.2006 key-note lecture: @ Prof. Dr. med. Rémy Meier, Liestal (Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährungsmedizin): „Fasern und Bazillen anstatt Pillen“ (Prä- und Probiotika in der Geriatrie) State of the art lectures (jeweils morgens von 08.15 - 09.00) Freitag, 17.11.2006 Samstag, 18.11.2006 @ Dr. Daniel Grob, Zürich: Multidimensionales geriatrisches @ Prof. Dr. Klie, Freiburg: Interdisziplinär abgestimmte Ver- Assessment: Bedeutung für das geriatrische Weiterbildungscurriculum @ Dr. Ann-Kathrin Meyer, Hamburg: Stand der Therapie des Diabetes mellitus bei Betagten im Jahre 2006 sorgungsleitlinien in der stationären Pflege am Beispiel des Qualitätsniveaus Mobilität und Sicherheit @ Dr. Katharina Pils, Wien: Schach und Kartenspiel – eine soziale Aktivität zur Demenzprävention Satelliten-Symposien Freitag, 17.11.2006 – 11.00 Uhr - 12.30 Uhr @ Janssen-Cilag GmbH: Demenz und Verhaltensstörungen @ Hoffmann-La Roche AG: Restless Legs Syndrom @ Berlin-Chemie AG: Herzinsuffizienz Samstag, 18.11.2006 – 11.00 Uhr - 12.30 Uhr @ Sanofi Pasteur MSD GmbH: Vorbeugen statt behandeln – Impfen im Alter @ CMA Centrale Marketing-Gesellschaft der Deutschen Agrarwirtschaft mbH: Mangelernährung im Alter durch frühzeitige Intervention verhindern @ Merz Pharmaceuticals GmbH: Alzheimer-Therapie: vorhandene Möglichkeiten optimal nutzen @ Heel Biologische Heilmittel GmbH: Homöopathie in der Altersmedizin am Beispiel „Gefässverjüngung mit Vertigoheel“ Blöcke 1-20 Block 1 Malnutrition – Metabolismus 1 – Freitag, 17.11.2006 Vorsitz: Steinhagen-Thiessen / Frühwald (Mitorgansiation durch Bauer / Wirth) @ Schindler, Wien: Nutrition Day in European Hospitals – unzureichende Energieversorgung im Krankenhaus – Mythos oder Realität @ Frühwald, Wien: Erkenntnisseund Konsequenzen aus dem Ernährungsassessment in einer Akutgeriatrie @ Nitschke, Leipzig: Gerostomatologie (angefragt) @ Lapin, Wien: Labordiagnostik der Mangelernährung im Alter – Zwischen Erwartung und Wirklichkeit Sieber, Nürnberg: Allianz gegen Mangelernährung im Alter @ @ Bauer, Nürnberg: Hormone, Appetitregulation und Ernährung im Alter Block 2 Malnutrition – Metabolismus 2 – Freitag, 17.11.2006 Vorsitz: Nitschke / Wirth (Mitorgansiation durch Bauer / Wirth) @ Schulz, Berlin: Stabilisierung des Flüssigkeitshaushaltes und parenterale Ernährung im Alter @ Lenzen-Grossimlinghaus, Potsdam: Qualitätsmanagement in der Ernährungsmedizin Volkert, Erlangen: Die Ernährunfssituation in deutschen @ Seniorenheimen – neue Daten @ Pirlich, Berlin: Interventionen bei Malnutrition im Pflegeheimbereich (angefragt) @ Benz, München: Zahnversorgung in Pflegeheimen @ Wirth, Borkum: Die PEG in der Geriatrie – neue Daten Block 3 Ernährung – Metabolismus 3 – Freitag, 17.11.2006 Vorsitz: Benz / Sieber @ Pientka, Herne: Vorstellung der neuen DVO-Richtlinien (angefragt) @ Becker, Stuttgart: Vitamin D: Duale Wirkung auf Knochen und Muskulatur (angefragt) @ Lüttje, Osnabrück: Osteoporosetherapie aus EBM-Sicht @ Nielsen, Hamburg: Diagnostik, Prävalenz und Therapie von Eisenmangel im Alter @ NN: Künstlicher Speichel @ NN ALTER IST VIELFALT 16.11.18.11. 2006 BERLIN VORPROGRAMM 1. gemeinsamer Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG) Block 4 Diabetes mellitus – Diagnostik und neue Therapieformen – Samstag, 18.11.2006 Vorsitz: Egger / Meyer (Mitorgansiation durch Meyer und Zeyfang) @ Zeyfang, Stuttgart: Leitlinien der DGG und DGD @ Walter, Nürnberg: Glukose-unabhängige Effekte von oralen Antidiabetika @ NN @ NN @ NN @ NN Block 5 Diabetes mellitus – Endorganschäden – Samstag, 18.11.2006 Vorsitz: Meisel / Zeyfang (Mitorgansiation durch Meyer und Zeyfang) @ Egger, Wien: Spätfolgen des Diabetes mellitus – overview @ Meisel, Dessau: PAVK @ Mitarbeiterin Meisel, Dessau: Mikroangiopathie (angefragt) @ Benvenuti-Falger, Zirl: Alternsassoziierte Funktionseinschränkung bei älteren Diabetiker – Ergebnisse einer Querschnittsuntersuchung @ NN @ NN Block 6 Demenz – Freitag, 17.11.2006 Vorsitz: Böhmer / Füsgen @ Füsgen, Wuppertal: Versorgungsproblematik bei Demenz @ Böhmer, Wien: Somatische Begleiterkrankungen der Demenz @ Fruhwürth, Eisenstadt: Demenz und Lebensqualität @ Gutzmann, Berlin: Depression und Demenz @ Sieb, Stralsund: M. Parkinson und Demenz @ Myllymäki-Neuhoff, Nürnberg: Neue Wohnformen bei Demenz Block 7 Schlaganfall 1 – Freitag, 17.11.2006 Vorsitz: Fruhwürth / Kuipers (Mitorgansiation durch Kolb/Kuipers) @ Leischker, Lingen: Ernährung bei Schlaganfall – Literaturübersicht @ Heppner, Nürnberg: Pneumonien bei Schlaganfall – rationelle Therapie – Literaturübersicht (vorgeschlagen) @ Jaeger: Schluckstörungen bei Schlaganfall – Literaturübersicht (vorgeschlagen) @ Kapeller, Villach: Magnetresonanzuntersuchungen beim geriatrischen Insultpatienten @ Vieregge, AG Neurologie: (angefragt) @ Vieregge, AG Neurologie: (angefragt) Block 8 Schlaganfall 2 – Freitag, 17.11.2006 Vorsitz: Kolb / Neubarth (Mitorgansiation durch Kolb/Kuipers) @ Kuipers/Albers, Lingen: Frühkomplikationen auf der Stroke unit @ Hardt, Mainz: Geriatrische Schlaganfalleinheit in Mainz – erste Ergebnisse @ Neubart, Woltersdorf: Leitlinien Schlaganfall der DGG (angefragt) @ NN @ NN @ NN Block 9 "The future is now" – Nachwuchsförderung 1 (BOSCH-Forschungskolleg Geriatrie) – Freitag, 17.11.2006 Vorsitz: Nikolaus / NN @ Thiem, Herne: Determinanten ambulanter Arztbesuche bei Patienten mit Kniebeschwerden @ Mentoren wurden angefragt @ Mentoren wurden angefragt @ Mentoren wurden angefragt @ Mentoren wurden angefragt @ Mentoren wurden angefragt Block 10 "The future is now" – Nachwuchsförderung 2 (Young Geriatricians of Europe) – Freitag, 17.11.2006 Vorsitz: Gross / Leischker (Mitorgansiation Gross / Leischker) @ Gross, Darmstadt: NN @ Leischker, Lingen: NN @ Landi, Rom: ADHOC project (in Italy) @ Saltvedt, Stockholm: NN @ NN @ NN Block 11 Herz-Kreislauf Vorsitz: Gosch / Hardt @ Lechner, Villach: Differentialtherapie der Hypertonie @ Pinter, Klagenfurt: Stress – Depression – Herzinsuffizienz: Komplexe Zusammenhänge bei mehrdimensional erkrankten Menschen @ Hardt, Mainz: Klappenprobleme beim Betagten (angefragt) @ Gosch, Rosenheim: Stellenwert der Physiotherapie bei herzinsuffizienten Patienten @ Nikolaus, Ulm: Spezifika der Herzinsuffizienz beim Betagten @ NN Block 12 Notfall- und Intensivmedizin Vorsitz: Heppner / Langner (Mitorgansiation durch Heppner / Langner) @ Heppner, Nürnberg: NN @ NN @ NN @ NN @ NN @ NN Block 13 Urin- und Stuhlinkontinenz Vorsitz: Füsgen / Pfisterer @ Pfisterer, Heidelberg: Leitlinien Urininkontinenz @ Füsgen, Wuppertal: Neuigkeiten 2006 zum Thema Urininkontinenz ALTER IST VIELFALT 16.11.18.11. 2006 BERLIN VORPROGRAMM 1. gemeinsamer Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG) @ Gruss, Witten-Herdecke: Neuigkeiten 2006 zum Thema Stuhlinkontinenz (angefragt) @ Welz-Barth, Wuppertal: Inkontinenz bei dementen Heimbewohnern @ Mühlich, Bamberg: Die Therapie der überaktiven Blase – typische Fallbeispiele aus der urologischen Praxis @ NN Block 14 Geriatrisches Assessment – was taugt (es) wirklich? – Freitag, 17.11.2006 Vorsitz: Höltmann / Pils @ Trögner, Nürnberg: Qualitätssicherung in der geriatrischen Rehabilitation @ Leischker, Lingen: Geriatrisches Assessment in der Onkologie @ Mann, Rankweil: Standardisiertes Assessment für ältere Menschen in der Hausarztpraxis @ Gisinger, Wien: Vorstellung und Ergebnisse eines Messinstrumentes zur Einschätzung der medizinischen Betreuungsintensität in Geriatrischen Langzeiteinrichtungen @ Mrak und Frank, Hörgas: Benchmarking AGR/Rehabilitation – Steirische Stichtagerhebung @ NN Block 15 Was ist palliative Geriatrie? – Freitag, 17.11.2006 Vorsitz: Klaschik / Kolb (Mitorganisation durch Pfisterer) @ Sandgathe-Husebo, Bergen: NN @ Pfisterer, Heidelberg: Kurs in Palliativmedizin der DGG @ Grafinger, Wien: Palliativmedizin und Geriatrie @ NN @ NN @ NN Block 16 Pharmakotherapie Vorsitz: Mühlberg / v. Renteln-Kruse (Mitorgansiation v. Renteln Kruse/Mühlberg) @ v. Renteln-Kruse, Hamburg: NN @ Mühlberg, Frankfurt: NN @ Anditsch, Wien: Medikamentencocktails im Alter – Gefahr von Interaktionen @ Anders, Hamburg: NN @ Dragonas, Nürnberg: Genpolymorphismus und Digitoxinintoxikationen @ NN Block 17 Strukturelle Rahmenbedingungen für die Geriatrie (in Memoriam Robert Heinrich) – Samstag, 18.11.2006 Vorsitz: Lüttje / Schmidl @ Lüttje, Osnabrück: Wo steht Deutschland in der geriatrischen Aus-, Fort- und Weiterbildung im europäischen Vergleich @ Meisel, Dessau: Schwerpunktstitel Geriatrie in Deutschland – gelebte Realität @ Schramm, Bayreuth: GiB-DAT und der bayerische Weg @ Van den Heuvel; Berlin: BAG – Stellung und Aufgaben im deutschen geriatrischen Netzwerk @ Schmidl, Wien: Geriatrische Strukturen in Wien – Gesundheitsplanung @ Dovjak, Gmunden: Positionierung des geriatrischen Patienten im Krankenhaus Block 18 Geriatrie und Pflege – Samstag, 18.11.2006 Vorsitz: Klie / Thiesemann (Mitorganisation durch Thiesemann) @ Gerber, München: Erkenntnisse zu einem alternativen Begutachtungsverfahren zur Pflegebegutachtung @ Wagener, Köln: Zukünftige Herausforderungen bei der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung im Bereich der PPV @ Kieslich, Starnberg: Einbahnstrasse Pflegeheim – umkehrbar!? – Rückkehrquote von bis zu 70% der Heimbewohner in die eigene Häuslichkeit – erste Ergebnisse einer stiftungsbasierten Studie @ Bartelmes, Mainz: Osteuropäische Hilfskräfte in der Pflege – Schwarzmarktarbeit oder Ergänzung des Dienstleistungsangebotes? Thiesemann, Bad Neuenahr: Osteuropäische Hilfskräfte @ in der Pflege aus Sicht der klinischen Geriatrie und der Pflegeversicherungsbegutachtung @ Hotze, Osnabrück: Kompetenzförderung pflegender Angehöriger und Patienten in der nachstationären Versorgungssituation Block 19 Geriatrische Onkologie Vorsitz: Kolb / NN (durch Kolb organisiert) @ NN @ NN @ NN @ NN @ NN @ NN Block 20 Varia 2 – Samstag, 18.11.2006 Vorsitz: Pinter / Oswald @ NN @ NN @ NN @ NN @ NN @ NN Kongressorganisation: gerikomm Media GmbH Der Verlag der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie Kampstr. 7 30629 Hannover Telefon: 05 11 / 58 15 84 Telefax: 05 11 / 58 32 84 Email: [email protected] www.dggeriatrie.de www.gerikomm.de ALTER IST VIELFALT 16.11.18.11. 2006 BERLIN P S Y C H I AT R I E : J U R I S T I S C H E A S P E K T E Geschäfts- und Einwilligungsfähigkeit in der Geriatrie Lutz M. Drach, Schwerin Im Zuge der demografischen Entwicklung werden sich geriatrisch tätige Ärzte zunehmend mit Fragen der rechtlichen Einwilligungsfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit ihrer Patienten befassen müssen. Zwei Fallbeispiele beleuchten die Problematik bei geschäfts- und einwilligungsunfähigen Patienten in der Geriatrie und geben eine Anleitung für eine fundierte ärztliche Stellungnahme. D Fallbeispiel Geschäftsunfähigkeit Eine 87jährige, bisher alleine lebende Patientin erleidet einen akuten Verwirrtheitszustand und wird ins Krankenhaus aufgenommen. Fremdanamnestisch ergeben sich keine Hinweise auf eine vorbestehende Demenz oder eine andere frühere psychiatrische Erkrankung. Als Ursache des Verwirrtheitszustandes finden sich Pneumonie und Exsikkose. Unter einer antibiotischen Behandlung und Flüssigkeitszufuhr klingen Halluzinationen und Agitiertheit in wenigen Tagen ab. Es bestehen aber noch erhebliche Auffassungs-, GedächtnisGERIATRIE JOURNAL 4/06 Rechtliche Grundlagen Geschäftsfähigkeit Foto: htuller - Fotolia urch die zunehmende Verrechtlichung des Verhältnisses von Arzt und Patient treten insbesondere bei alten und psychisch kranken Patienten immer häufiger Probleme der Einwilligungsfähigkeit auf. Auch wird der geriatrisch tätige Arzt gelegentlich als sachverständiger Zeuge oder Sachverständiger bei Gericht zu der Frage Stellung nehmen müssen, ob ein Patient bezüglich eines geplanten oder erfolgten Eingriffs einwilligungsfähig ist oder war. Im Rahmen von zivilrechtlichen Auseinandersetzungen werden mit der demographischen Entwicklung zunehmend die behandelnden Ärzte zu Fragen der Geschäftsfähigkeit ihrer Patienten Stellung nehmen müssen. der Sohn ein Haus der Patientin an einen seiner Geschäftspartner. Einige Monate nach Entlassung stirbt die Patientin. Es kommt im Rahmen von Erbstreitigkeiten zu einem Prozess, der die Geschäftsunfähigkeit der Patientin zu Zeitpunkt der Beurkundung der Generalvollmacht zum Gegenstand hat. Die behandelnden Ärzte werden als sachverständige Zeugen geladen. Geschäftsunfähigkeit hat die krankhafte Störung der Geistestätigkeit zur Voraussetzung. und Konzentrationsstörungen. Zur rechtlichen Absicherung von Fixierungsmaßnahmen war die Tochter der Patientin vom Amtsgericht im Eilverfahren zur vorläufigen gesetzlichen Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge und Zustimmung zu Unterbringung und unterbringungsähnlichen Maßnahmen bestellt worden. Ein Sohn bringt einen Notar mit auf die Station, der eine Generalvollmacht beurkundet. Der Notar erkundigt sich weder vor noch nach der Beurkundung bei den Ärzten der Station nach dem Gesundheitszustand der Patientin. Mittels der Generalvollmacht verkauft Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) billigt jedem Volljährigen Geschäftsfähigkeit zu. Dies geschieht unter der Annahme, dass ein Mindestmaß an Urteilsvermögen und intellektuellen Fähigkeiten vorhanden ist, unabhängig ob davon auch zweckentsprechender Gebrauch gemacht wird. Deshalb ist Geschäftsunfähigkeit die Fragestellung, mit der der Arzt als Sachverständiger oder sachverständiger Zeuge konfrontiert ist. Das Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit muss bewiesen werden. Ist der dafür notwendige hohe Grad von Wahrscheinlichkeit nicht zu erreichen, ist das strittige Rechtsgeschäft wirksam. Nach § 104 BGB ist geschäftsunfähig: @ wer nicht das 7. Lebensjahr vollendet hat, @ wer sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nach § 105 BGB nichtig. Im selben Paragraphen werden auch die Fälle von strittigen Willenserklärungen geregelt, bei denen vorübergehende Stö- 27 P S Y C H I AT R I E : J U R I S T I S C H E A S P E K T E rung der Geistestätigkeit bestanden ha- disch oder schubweise auftretenden psy- Rechtliche Würdigung des ben. Die Formulierung „Nichtig ist auch chischen Erkrankungen wie z.B. bipola- Fallbeispiels Geschäftsunfähigkeit die Willenserklärung, die im Zustande rer Störung (manisch-depressive Erkrander Bewusstlosigkeit kung) oder rezidivieren- Im unserem Fallbeispiel bestand zum oder vorübergehender der Depression besteht Zeitpunkt der Beurkundung mit SiBei der GeschäftsunStörung der Geistestäin den gesunden Zeiten cherheit eine krankhafte Störung der fähigkeit muss die Geistestätigkeit (abklingendes Delir bei tigkeit abgegeben wird“ Geschäftsfähigkeit. krankhafte Störung hat auf ärztlicher Seite Beschränkt geschäfts- Pneumonie), die nach den ärztlichen der Geistestätigkeit schon zu viel Verwunfähig (§ 106 BGB) sind und pflegerischen Aufzeichnungen am derung geführt. Mit Kinder zwischen dem Tage der Beurkundung noch mit erdie freie Willens„Bewusstlosigkeit“ im vollendeten 7. bis zur heblichen Störungen der Vigilanz, der bildung ausschließen Sinne des BGB ist aber Vollendung des 18. Le- Konzentration, der Auffassung und des nicht der medizinische bensjahres. Ein Volljäh- Gedächtnisses einherging. Dadurch war Begriff, sondern eine Bewusstseinsstö- riger ist mit einer Ausnahme (s.u.) ent- die Patientin krankheitsbedingt nicht in rung z.B. infolge eines Delirs oder eines weder geschäftsfähig oder geschäfts- der Lage, den Ausführungen des Notars Rausches gemeint. unfähig. Allerdings kann sich die zu einer vierseitigen (!) Generalvollmacht Die Geschäftsunfähigkeit hat die Geschäftsunfähigkeit bei psychischen zu Gunsten ihres Sohnes zu folgen und krankhafte Störung der Geistestätigkeit Erkrankungen nur auf einen bestimm- die Konsequenzen ihrer Willenserkläzur Voraussetzung. Dies ist unabhängig ten gegenständlich abgegrenzten Kreis rung zu überblicken. Damit war auch das von der Ursache der Störung und um- von Angelegenheiten beschränken. Die Kriterium eines Ausschlusses der freien fasst alle Fälle, in denen infolge einer psy- psychische Krankheit äußert sich dabei Willensbestimmung gegeben. Allerdings chischen Krankheit, abnormen seeli- nur bei bestimmten Vorgängen oder in handelte es sich ja bei dem Delir der Paschen Veranlagung, geistigen Behinde- einem bestimmten Lebensbereich z.B. tientin um eine vorübergehende und rung, Suchtkrankheit oder anderen bei einer Wahnerkrankung, wenn das nicht eine andauernde Störung der GeiHirnschädigung das Urteilsvermögen Wahnthema betroffen ist. Man spricht stestätigkeit, da keine Hinweise auf eiund die Willensbildung so sehr gestört dann von partieller Geschäftsunfähig- ne vorbestehende Demenz oder andere psychische Erkrankung bestanden und sind, das mit einer normalen Motivation keit. und Urteilsfindung nicht gerechnet werMit der Einrichtung einer gesetzlichen das Delir nach den Aufzeichnungen des den kann. Betreuung ist nicht mehr die konstitu- Hausarztes innerhalb einiger Wochen Nach dem Gesetzestext muss die tive Feststellung der Geschäftsunfähig- nach Entlassung vollständig abgeklunkrankhafte Störung der Geistestätigkeit keit verbunden, wie es vor 1992 beim gen war. Somit war die Nichtigkeit der Generalvollmacht nicht die freie Willensbildung ausschließen. Rechtsinstitut der Entdurch GeschäftsunfäDies ist nach Gebauer der Fall, wenn der mündigung der Fall geEinwilligungsfähighigkeit nach § 104 (2) Erklärende nicht mehr die Fähigkeit be- wesen war. Deshalb ist keit meint die FähigBGB, sondern durch die sitzt, die Bedeutung einer abgegebenen auch beim Betreuten keit des Patienten, Abgabe einer WillenserWillenserklärung zu erkennen und nach rechtlich zunächst von rechtsgültig in klärung im Zustand der dieser Einsicht zu handeln. Reichsge- Geschäftsfähigkeit aus„Bewusstlosigkeit“ (Bericht (RG) und Bundesgerichtshof zugehen. Dies gilt inseinen medizinischen wusstseinsstörung durch (BGH) sahen als Kriterium, wenn der Be- besondere für Patienten Eingriff einzuwilligen das Delir) und vorübertroffene nicht mehr in der Lage ist, sei- mit funktionellen psygehender Störung der ne Entscheidungen von vernünftigen Er- chiatrischen Erkranwägungen abhängig zu machen. Da auch kungen wie Depressionen oder Wahn- Geistestätigkeit nach § 105 (2) BGB beim normalen Rechtsverkehr Menschen erkrankungen, dagegen sind Patienten gründet. Die Tatsache, dass ein Notar die häufig unvernünftig handeln oder Kon- mit fortgeschrittenen Demenzen ge- Generalvollmacht beurkundet hatte, besequenzen nicht bedenken, reicht das schäftsunfähig. Letzteres muss aber für gründet ebenso wenig ihre Gültigkeit, Unvermögen, die Tragweite einer abge- das strittige Rechtsgeschäft bewiesen wie die bestehende gesetzliche Betreugebenen Erklärung zu erfassen, nicht aus werden, was bei bekannter Demenz und ung per se eine Geschäftsunfähigkeit be(BGH). Auch bloße Willensschwäche ausreichenden fremdanamnestischen deutet. oder leichte Beeinflussbarkeit reichen Angaben zum Verlauf nicht schwer fällt, nicht aus, wohl aber wenn sich jemand bei unzureichenden Informationen aber Fallbeispiel in krankhafter Weise von dem Willen schwierig sein kann. Die Anordnung eieines anderen beherrschen lässt (RG). nes Einwilligungsvorbehaltes zur Be- Einwilligungsfähigkeit Es wird eine „überdauernde Erkran- treuung (§ 1903 (2) BGB) stellt den Be- Ein 75jähriger grenzbegabter Patient kung“ vorausgesetzt, wobei es auf deren treuten wie einen beschränkt Ge- (IQ 76), der mit Mühe den Abschluss der 4. Klasse erreicht hat, Hilfsarbeiten Heilbarkeit nicht ankommt! Bei perio- schäftsfähigen (s.o.). 28 GERIATRIE JOURNAL 4/06 P S Y C H I AT R I E : J U R I S T I S C H E A S P E K T E in der Landwirtschaft verrichtete und nach der Berentung zunehmend verwahrloste, hat bereits seit Jahren einen gesetzlichen Betreuer (Berufsbetreuer) mit allen Aufgabenkreisen. Da der Patient schon lebenslang panische Angst vor Ärzten hat, waren größere Eingriffe (z.B. Sanierung des Gebisses in Narkose bei Kieferabszess) nur gegen den Willen des Patienten möglich gewesen. Ein ausgedehntes Basaliom der Nase erfordert eine mehrzeitige Operation zur Exzision des Tumors und plastischen Deckung. Der Patient lehnt den Eingriff ab. Die behandelnden Ärzte werden vom Vormundschaftsrichter um eine Stellungnahme zur Einwilligungsfähigkeit des Patienten gebeten. Rechtliche Grundlagen und Begutachtung der Einwilligungsfähigkeit Die Einwilligungsfähigkeit stellt einen Sonderfall der Geschäftsfähigkeit dar und meint die Fähigkeit des Patienten, rechtsgültig in einen medizinischen Eingriff einzuwilligen. Dabei gilt, dass sich die Einwilligungsfähigkeit stets auf einen konkreten Sachverhalt bezieht und keine globale Eigenschaft ist. Ein depressiver Patient kann so z.B. in eine Zahnextraktion einwilligen, ist aber gleichzeitig mit einer Entscheidung über verschiedene Behandlungsalternativen bei einem Tumorleiden völlig überfordert. Bei diesem Beispiel wird deutlich, dass es bei gleichem psychopathologischen Befund auf die Komplexität und Tragweite der zu treffenden Entscheidung ankommt. Es gibt keine eingeschränkte Einwilligungsfähigkeit, sondern bezüglich der konkreten medizinischen Intervention besteht Einwilligungsfähigkeit oder nicht. Es kommen in der Praxis drei Möglichkeiten vor: 1. Der Patient ist trotz einer psychischen Krankheit oder Behinderung in der Lage über den geplanten Eingriff selbst zu entscheiden. Hier liegt Ein- willigungsfähigkeit vor, selbst wenn der Patient einen gesetzlichen Betreuer hat. 2. Der Patient besitzt keine Einwilligungsfähigkeit bezüglich des geplanten Eingriffs, und es muss deshalb ein Betreuer bestellt werden, der an Stelle des Patienten entscheidet. 3. Bei besonders risikoreichen medizinischen Eingriffen ist zusätzlich zur Einwilligung des Betreuers die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts einzuholen (§ 1904 BGB). Hierbei wird die begründete Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden Schadens ab einer Wahrscheinlichkeit von 20% gesehen [5]. Nach Helmchen [3] begründen die folgenden Merkmale Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit: 1. Der Patient hat keine wirkliche Einsicht in die Natur seiner Situation und seiner Krankheit. ANZEIGE GERIATRIE JOURNAL 4/06 29 P S Y C H I AT R I E : J U R I S T I S C H E A S P E K T E 2. Der Patient versteht die gegebene In- 1. Wie versteht der Patient seine konformation nicht. krete Situation? 3. Der Patient verhält sich so, als kön- 2. Was hat er von der Aufklärung bene er eine Wahlmöglichkeit nicht nutzüglich des geplanten Eingriffs verzen. standen? 4. Der Patient kann die verstandene Si- 3. Wie ordnet der Patient die Vorschlätuation nicht für eine realitätsbezoge der Ärzte in seine eigene Situation gene, vernünftige und angemessene ein? Entscheidung nutzen. 4. Welche Schlüsse zieht er daraus? 5. Der Patient kann sich nicht authen- 5. Welche Konsequenzen seiner Enttisch selbst entscheiden, d.h. nicht scheidung kann er benennen? mehr in Übereinstimmung mit seinen 6. Welche Alternativen sieht er zu seieigenen „charaktergebundenen“ Werner Entscheidung und wie bewertet ten, Zielen und Handlungen stehen. er sie? 6. Der Patient kann seine Entscheidung Keine Zeichen von Einwilligungsfähignicht zum Ausdruck bringen. keit sind Routineleistungen von KomAnalog zur Begutachtung der Ge- munikation und Handlungen, die nicht schäftsunfähigkeit muss dann zunächst auf die spezifische Situation abgestimmt das Vorliegen einer psychischen Er- werden müssen. Das bedeutet, dass das krankung festgestellt werden. Falls dies Gespräch tiefer gehen muss, als die „Fasbejaht wird, muss in einem folgenden sade“ um die Einwilligungsfähigkeit beSchritt die Intaktheit vier komplexer urteilen zu können. psychischer Funktionen überprüft werden [3]: Rechtliche Würdigung des Fall1. Verständnis (des Sachverhaltes) 2. Verarbeitung (angemessene Verarbei- beispiels Einwilligungsunfähigkeit Im Gespräch mit dem Arzt über den getung der gegeben Informationen) 3. Bewertung (angemessene Bewertung planten Eingriff, äußert der Patient stereotyp „Ich will nach Hause“. Er kann der gegebenen Informationen) infolge seiner angstbedingten Denk4. Bestimmbarkeit des Willens Hierbei wird deutlich, dass die Beurtei- einengung dem Aufklärungsgespräch lung der Einwilligungsfähigkeit ein län- nicht folgen. Der Versuch, ihm in an geres Gespräch mit dem Patienten und seine einfache Struktur angepasster Informationen über Biografie, Werte Form die Prognose eines unbehandelnden Basalioms zu verund religiöse ÜberzeuDie Beurteilung mitteln, scheitert. Der gungen erfordert. So Patient kann nicht ankann die Ablehnung eider Einwilligungsgeben, was ohne den ner Bluttransfusion z.B. fähigkeit erfordert Eingriff vermutlich mit entweder auf einer panähere Informationen ihm geschehen wird, thologischen Angst vor über Biografie, Werte noch welcher Eingriff AIDS bei einer schweren geplant ist oder welche hypochondrischen Deund religiöse Gefahren durch den pression beruhen oder Überzeugungen Eingriff drohen. Angstsie kann logische Konerfüllt äußert er auch in sequenz einer gefestigten religiösen Überzeugung sein (Zeu- Anwesenheit des Betreuers und anderer gen Jehovas). Im ersten Fall besteht Ein- vertrauter Personen immer wieder, dass willigungsunfähigkeit, im zweiten ist der er nach Hause will. Da bei dem PaPatient einwilligungsfähig und kann die tienten in dieser konkreten Situation geplante Transfusion (für die eigene Per- und für den geplanten Eingriff einerseits son aber nicht für andere!) rechtsgültig infolge der Grenzbegabung, aber vorwiegend wegen der akuten Belastungsablehnen. Nach Kröber [4] empfiehlt es sich, im reaktion (ICD-10: F43.0), offensichtGespräch mit dem Patienten die fol- lich keine Einwilligungsfähigkeit besteht, muss der Betreuer des Patienten genden Punkte zu behandeln: 30 eine Entscheidung treffen. Da die Wahrscheinlichkeit des Todes oder eines schweren und länger dauernden Schadens deutlich unter 20% liegt, kann und muss der Betreuer die Entscheidung über den geplanten Eingriff selbst treffen. Die Genehmigung des zuständigen Vormundschaftsgerichts ist nicht erforderlich. Zusammenfassung Die Geschäftsunfähigkeit nach §§ 104, 105 BGB hat eine die freie Willensbestimmung ausschließende krankhafte Störung der Geistestätigkeit zur Voraussetzung und betrifft – mit Ausnahme der seltenen beschränkten Geschäftsunfähigkeit bei psychotischen Patienten – die allgemeine Fähigkeit rechtsgültige Willenserklärungen abzugeben. Dagegen bezieht sich die Einwilligungsunfähigkeit immer auf einen konkreten geplanten Eingriff und einen umschriebenen Zeitpunkt. Das Bestehen einer gesetzlichen Betreuung bedeutet nicht zwingend Geschäfts- oder Einwilligungsunfähigkeit, sondern ihr Vorliegen muss gesondert überprüft werden. Literatur 1. Diederichsen U (2004): Zivilrecht: Juristische Voraussetzungen. In: K Foerster (Hrsg) Psychiatrische Begutachtung. Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen. Urban & Fischer, München 2. Foerster K (2004): Zivilrecht: Begutachtung bei zivilrechtlichen Fragen. In: K Foerster (Hrsg) Psychiatrische Begutachtung. Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen. Urban & Fischer, München 3. Helmchen H (1995): Kriterien und Konsequenzen von Einwilligungsfähigkeit. In: R Töllner & U Wiesing (Hrsg) Wissen-Handeln-Ethik. Strukturen ärztlichen Handelns und ihre ethische Relevanz. Fischer, Stuttgart-Jena-New York 4. Kröber H-L (1998): Psychiatrische Kriterien zur Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit. Rechtsmedizin 8: 41-46. 5. Wiebach K, Peters H, Wächter C, Kreyßig M, Winterstein P (1997): Was ist „gefährlich“? Ärztliche und juristische Aspekte bei der Anwendung des § 1904 BGB. Betreuungsrechtliche Praxis 2: 48-53. Dr. med. Lutz M. Drach, Chefarzt der Klinik für Alterspsychiatrie, HELIOS-Kliniken Schwerin, Carl-Friedrich-Flemming-Klinik, Wismarsche Str. 393-397, 19049 Schwerin GERIATRIE JOURNAL 4/06 D E R M AT O L O G I E : D E K U B I T U S Dekubitus – Entstehung, Prophylaxe und Versorgung Kerstin Protz, Hamburg Patienten mit eingeschränkter Mobilität können insbesondere in den Körperbereichen, in denen die Knochen aufliegen, Dekubitalulzera entwickeln. Der Artikel gibt Hinweise zu Risikofaktoren, Prophylaxe und Behandlung. D ie Zeitspanne in der sich ein Dekubitus entwickelt, ist je nach Patient individuell unterschiedlich lang. Als auslösende Faktoren gelten neben der Zeit, die ein Patient, der sich nicht selbständig ausreichend bewegt und ohne Positionsveränderung bleibt, immer Druck, Reibung und Scherkräfte. Besonders gefährdet sind immobile Patienten. Ein Dekubitus ist eine Schädigung von Haut- und darunter liegendem Gewebe infolge einer andauernden Druckeinwirkung, die den arteriellen und venösen Blutfluss unterbricht. Dekubitusentstehung Sobald die Haut für längere Zeit einer Druckeinwirkung ausgesetzt ist, verändert der menschliche Körper selbstständig die Position. Patienten, die beispielsweise im Koma, unter längerer Narkose liegen oder eine Neuropathie haben, sind besonders gefährdet, einen Dekubitus zu entwickeln, weil dieser natürliche Reflex bei ihnen nicht mehr greifen kann. Die Komprimierung der Gefäße führt zu einer Mangeldurchblutung des Gewebes bis hin zur Ischämie. Eine ausreichende Sauerstoffversorgung ist nicht mehr gewährleistet. Zusätzlich lagern sich saure Stoffwechselprodukte und Metabolite in den mangeldurchbluteten Gefäßen an. Die Ansammlung von solchen Giftstoffen führt zu einer Azidose und einer dadurch ausgelösten Gefäßerweiterung, erkennbar durch eine verstärkte Rötung der Haut. Durch die aus dem Intravasalraum austretende Flüssigkeit kommt GERIATRIE JOURNAL 4/06 es zur Ausbildung von Blasen und Ödemen. Die andauernde Hypoxie in Verbindung mit der bestehenden Ischämie führt zum Absterben des Gewebes und somit zur Ausbildung eines Dekubitus. Dekubitusfördernde Faktoren und Krankheitsbilder: @ Erkrankungen wie z.B. pAVK, Stoffwechselerkrankungen insbesondere Diabetes mellitus, Genuss- und Drogensucht, konsumierende Grunderkrankungen, Demenz, Frakturen, Polyneuropathie, neurologische Erkrankungen, psychische Erkrankungen @ Bewegungseinschränkung bis zur Immobilität @ Medikamente z.B. Sedativa (fördern durch Ruhigstellung -> Bewegungseinschränkungen), Antibiotika (Förderung von Resistenzen, Abwehrschwäche), Diuretika (-> Elektrolytausschwemmung), Chemotherapeutika, Antikoagulantien @ Blasenverweilkatheter @ Ernährungs- und Flüssigkeitszustand @ Hautzustand und Hautveränderungen wie Allergien/Psoriasis/Neurodermitis @ Hautfeuchtigkeit/Mazeration: Fieber, Kontinenzsituation, Schwitzen @ mangelndes Schmerzempfinden @ langandauernde Narkosezeiten @ Kontrakturen, Skelettdeformierungen, Paresen Zusammenfassend gelten als dekubitusauslösende Faktoren: Druck, Druckzeit, Druckstelle, Motivation, Körperform, Hautzustand und die Stoffwechselsituation. Prophylaxe Ein routinemäßiger Bestandteil der täglichen Pflege sind Prophylaxemaßnahmen zur Dekubitusvorsorge. Der Pflegekraft obliegt die Einschätzung des individuellen Dekubitusrisikos, um die notwendigen Maßnahmen einleiten zu können. Zur Vereinheitlichung der Dekubitusprophylaxe wurde vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) ein Expertenstandard Dekubitusprophylaxe herausgegeben. Dieser formuliert hierzu: „Die Pflegefachkraft beurteilt das Dekubitusrisiko aller Patienten/Betroffenen, bei denen die Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, unmittelbar zu Beginn des pflegerischen Auftrages und danach in individuell festzulegenden Abständen sowie unverzüglich bei Veränderungen der Mobilität, der Aktivität und des Druckes u.a. mit Hilfe einer standardisierten Einschätzungsskala, z.B. nach Braden, Waterlow oder Norton“. Eine Lagerung erfolgt immer in einem individuellen Zeitabstand. Die Wirksamkeit des bekannten „Zwei-Stunden-Intervalls“ ist durch keine wissenschaftliche Untersuchung belegt. Für einen kachektischen Patienten mit Halbseitenlähmung nach Apoplex kann diese Zeitspanne möglicherweise bereits zu lang zu sein. Um eine genaue Aussage über die individuellen Lagerungsabstände treffen zu können, empfiehlt es sich den Patienten zunächst für zwei Stunden zu lagern. Lassen sich nach dieser Zeit bereits Hautrötungen beobachten, erfolgt eine Verkürzung des Intervalls um eine halbe Stunde. Weist die Haut jedoch keinerlei Schädigungen auf, kann die Pflegekraft das Intervall um eine halbe Stunde verlängern. Dieses Procedere wird solange fortgesetzt, bis die individuell passende Zeitspanne ermittelt ist. Ein anschließend erstellter Bewe- 31 D E R M AT O L O G I E : D E K U B I T U S Dekubitus 1. Grades, Rötung gungsplan hält diese Daten fest. Dieser beinhaltet zusätzliche Fakten zur Bewegungsanalyse wie: @ Was motiviert den Patienten, sich zu bewegen und wodurch wird dies beeinflusst? @ Wie viel Antrieb, welche Fähigkeiten hat der Patient? Daraus ergibt sich: wie viel und welche Unterstützung ist notwendig? Der aus den Ergebnissen dieser Bewegungsanalyse erstellte Bewegungsplan ist ein wichtiges Dokument, welches jeder Einrichtung zur Verfügung stehen sollte. Zusätzlich erforderliche Dokumente sind: der Expertenstandard Osnabrück, eine auf die Gegebenheiten der Einrichtung zugeschnittene Arbeitsanweisung und Richtlinien für den Einsatz eines Antidekubitussystems. Es gibt eine Vielzahl von Lagerungsmöglichkeiten. Für alle gilt jedoch, nicht Haut auf Haut zu lagern, die Gelenke in Funktions- oder Mittelstellung zu belas- Dekubitus 2. Grades, Blasenbildung sen und für eine leichte Erhöhung der Extremitäten zur Beschleunigung des venösen Rückflusses zu sorgen. Die Lagerung verbessert die pulmonale Situation und erhöht die Fähigkeit zur Eigenbewegung bei gleichzeitiger Druckentlastung der aufliegenden Regionen. Gleichzeitig bedeutet regelmäßiges Lagern für den Patienten Zuwendung und steigert sein psychisches Wohlbefinden. Insbesondere für depressive oder demente Patienten ist eine ausgeglichene Psyche ein leider immer noch häufig unterschätzter Faktor der Prophylaxe. Nur wenn der Patient die Notwendigkeit zur Mitarbeit erfassen kann und gleichzeitig ausreichend Antrieb hat, ist die Grundlage für den Erfolg der Behandlung gelegt. Selten ist ein Patient überhaupt nicht lagerungsfähig. Gängig und praktikabel sind eine 30°- und 135°- sowie Weich- und Hohllagerung. Bei der Lagerungsform „schiefe Ebene“ wird eine aufgerollte Decke längs unter die Bettmatratze gelegt. Ei- Tab. 1: Dekubitus-Klassifikation nach NPUAP 1989* Grad 1: Persistierende (= nicht wegdrückbare) , umschriebene Hautrötung bei intakter Haut. Weitere klinische Zeichen können Ödembildung, Verhärtung und lokale Überwärmung sein. Grad 2: Teilverlust der Haut, Epidermis bis hin zu Anteilen der Dermis sind geschädigt. Die Haut ist oberflächlich geschädigt: Blase, Hautabschürfung oder flaches Geschwür. Grad 3: Tiefenschädigung von Haut- und Gewebe. Verlust aller Hautschichten und Schädigung oder Nekrose des subkutanen Gewebes, die bis auf die darunter liegende Fascie reichen kann. Der Dekubitus zeigt sich klinisch als tiefes, offenes Geschwür. Grad 4: Verlust aller Hautschichten mit ausgedehnter Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung von Muskeln, Knochen oder unterstützenden Strukturen (Sehnen, Gelenkkapsel) * NPUAP = National Pressure Ulcer Advisory Panel 32 ne Bobathlagerung erfolgt bei halbseitig gelähmten Patienten durch z.B. Apoplex. Die ehemals weit verbreitete 90°-Lagerung sollte keine Anwendung mehr finden, da sie nur eine Problemverschiebung darstellt: der Dekubitus an der Sakralregion wird zwar verhindert, entsteht dafür nun aber an der Hüfte. Die Mikrolagerung stellt eine gute Ergänzung zur Dekubitusprophylaxe dar, kann aber im Gegensatz zu den eben beschriebenen Methoden nur prophylaktisch und nicht therapeutisch eingesetzt werden, denn sie bewirkt lediglich eine zeitweilige Entlastung, ersetzt aber nicht das turnusmäßige Umlagern. Durch Verlagerung des Schwerpunktes führt der Körper stündlich bis zu 40 kaum sichtbare Positionsveränderungen durch. Das Prinzip der Mikrolagerung orientiert sich an diesem natürlichen Vorgang. Durch minimale Veränderungen der Lage an Kopf, Schultern, Hüfte und Oberschenkeln, können kleine Entlastungen erreicht werden. Ein zieharmonikaartig gefaltetes Handtuch wird abwechselnd unter die zu entlastenden Körperregionen gelegt. Durch leichtes Ziehen ergibt sich bereits ein geringer Positionswechsel. Gerade schmerzbeeinträchtigte Patienten nehmen diese Lagerungsform gut an. Insbesondere in der nächtlichen Ruhephase wird die Mikrolagerung durch den Patienten gut toleriert, denn die geringfügigen Lageveränderungen stören seinen Schlaf in der Regel nicht. Diagnostik Eine umfassende Anamnese ist die Basis für eine Diagnostik, die frühzeitig GeGERIATRIE JOURNAL 4/06 D E R M AT O L O G I E : D E K U B I T U S Dekubitus 3.Grades, feuchte Nekrose fährdungen aufdeckt, die Entwicklung eines Dekubitus ggf. verhindert oder minimiert und nachhaltige Schäden vermeidet: @ Anamnese @ Alter des Patienten @ Alter der Wunde @ Entstehungsursache (s.o. „Dekubitusfördernde Faktoren und Krankheitsbilder“) @ Inspektion und Wundbeurteilung: Lokalisation, Größe/Tiefe/Taschenbildung/Fistel, Exsudation, Wundstadium, Geruch, Wundrand/-umgebung, Schmerzen, Infektionszeichen, Hautzustand @ Technische Untersuchung: ggf. Abstrich/PE, Blutanalyse b.V. auf eine Infektion und mikrobiologische Diagnostik; ggf. Nativröntgen z.A. von Osteolysen; ggf. Fisteldarstellung Dekubitusklassifikation. Dekubitalucera werden je nach Gewebsschädigung, Tiefe und Aussehen in unterschiedliche Grade unterteilt. Hierfür gibt es mehrere Klassifikationssysteme z.B. nach Seiler, Shea, Daniel. International gebräuchlich ist die Einteilung des NPUAP (National Pressure Ulcer Advisory Pannel) von 1989 (Tab. 1). Eine Rötung der Haut kann auf einen Dekubitus Grad I hindeuten. Gewissheit verschafft der sogenannte Fingertest. Bleibt das Areal unter leichtem Druck rötlich, ist also nicht wegdrückbar (= Weißfärbung), handelt es sich um einen Dekubitus ersten Grades. Die entstehende Wunde (Grad II bis IV) kann zusätzlich in unterschiedliche Stadien nach Seiler unterteilt werden (Tab. 2) GERIATRIE JOURNAL 4/06 Dekubitus 4.Grades mit Knochenbeteiligung, Stadium B Therapie Kausale Therapie. Sie ist darauf ausgerichtet, durch Bewegung, Lagerung und geeignete Hilfsmittel eine Druckentlastung der betroffenen Körperregion zu erreichen. Als Lagerungshilfsmittel sind einfache Kissen, Decken oder spezielle Kissen wie zum Beispiel Corpomed®-Kissen (= Still-/Bananenkissen) geeignet. Wasserkissen und -matratzen sowie wassergefüllte Handschuhe sind für die Dekubitusprophylaxe und -therapie nicht geeignet. In der Grundsatzstellungnahme Dekubitus (MDS) vom Juni 2001 äußert sich die Projektgruppe 32 in Punkt 6.3.1.3 sehr deutlich zu diesem Thema: „Wassergefüllte Kissen sind nicht nur auf Grund ihrer hohen Wärmeleitfähigkeit und daher ihres körpertemperatursenkenden Effektes, vielmehr auch ob des Seegangeffekts der ungekammert großen Wassermassen und den hieraus resultierenden Scherkräften auf die druckulkusgefährdete Haut ungünstig. Ihr Einsatz mit der Zeilerichtung einer Dekubitusprophylaxe oder auch im Rahmen der Dekubitustherapie gilt heute als obsolet.“ (Schröder et. al. 1997) Lagerungsfelle und Fellfersenschoner sind unhygienisch und bieten keine adäquate Druckentlastung. Da Patienten auf dem Fell z.T. stark schwitzen, kann es nicht nur zu Hautproblemen kommen, sondern auch zu Verklumpungen, die ein zusätzliches Druckrisiko darstellen. Luftringe und Lochkissen ermöglichen zwar mittig eine Entlastung, aber am Rand ist der Druck unverhältnismäßig höher. Daher kommt ihr Einsatz heutzutage nicht mehr in Frage. Eine gute Alternative stellen ROHO®-Kissen (sog. „NegerkussKissen“ -> luftgefüllte, miteinander verbundene aufrechtstehende Kammern), Vicair®-Kissen (-> mit luftgefüllten Dreiecksbeutelchen, die sich gut der Körperkontur anpassen und eine optimale Druckentlastung ermöglichen) und individuell aufpumpbare Luftkammerkissen, zum Beispiel Airtech® oder Repose™Sitzkissen dar. Eine angemessene Wechseldruckmatratze sollte nach Dekubitusgrad und Auswertung einer Risikoskala wie Braden oder Norton ausgewählt werden. Ein solches System kann allerdings keine Lagerung ersetzen. Die Lagerungsintervalle müssen auch auf Wechseldruckmatratzen weiter eingehalten werden. Der Heilungsprozess des Dekubitus bei Alzheimer oder Schlaganfallpatienten kann durch ein Wechseldrucksystem u.U. negativ beeinflusst werden (-> Störung des Körperbildes, eine Einschränkung der körperbezogenen Wahrnehmung, Koordinationsstörungen). Zusätzlich wird eine vorhandene Schmerzempfindlichkeit durch die He- Tab. 2: Entstehende Wunden (–> Grad II bis IV)* Stadium A: Wunde sauber, Granulationsgewebe vorhanden, keine Nekrosen Stadium B: Wunde schmierig belegt, Restnekrosen, keine Infiltration des umliegenden Gewebes Stadium C: Wunde wie Stadium B mit Infiltration des umliegenden Gewebes und/oder Allgemeininfektion/Sepsis * nach Seiler 33 D E R M AT O L O G I E : D E K U B I T U S bebewegungen/Spitzendrücke der Matratze gefördert. Ebenfalls oft als störend empfunden, sind die Vibrationen, Geräusche – insbesondere nachts. Noch teilmobile Patienten haben Probleme, von diesen Matratzen selbstständig aufzustehen (-> weitere Mobilitätseinschränkung, ggf. Ausbildung von Kontrakturen/Spastiken). Moderne Micro Stimulationssysteme (MiS), die die Eigenbewegung des Patienten durch kleine Anreize fördern, stellen möglicherweise eine Alternative dar. Moderne Wundversorgung Lokale Therapie. Hautbestandteil der lokalen Therapie eines Dekubitus ist eine zeitgemäße, stadiengerechte Wundversorgung. Weitere wesentliche Faktoren dieser lokalen Therapie sind angepasster Hautschutz und -pflege. Keine noch so gute Hautpflege kann einen Dekubitus verhindern. Bei trockener Haut sind Wasser-in-Öl Emulsionen zu empfehlen. Der spezielle, alkoholfreie 3M™ Cavilon™ reizfreie Hautschutzfilm beugt bei durch Inkontinenz gereizter oder mazerierter Haut weiteren Schädigungen vor. Die Haut wird bis zu drei Tage vor Feuchtigkeit wie Stuhl und Urin geschützt. Durch die Transparenz des Produktes ist jederzeit eine optimale Wundbeobachtung gewährleistet. Melkfett, Babyöl, Zink-, Lebertranpaste bedecken die Haut mit einem regelrecht dicken „Schmierfilm“ und verkleistern die Poren. Der Gasaustausch mindert sich und unterhalb dieser Substanzen trocknet die Haut noch weiter aus. Zink begünstigt systemisch verabreicht die Wundheilung, kann aber lokal aufgetragen seine Wirkung nicht entfalten. Bei der Versorgung eines Patienten mit einem Druckgeschwür in der Sakralregion Moderne Wundversorgung. Von Kerstin Protz. Elsevier, Urban & Fischer Verlag, München, 2005. 136 Seiten mit 26 Abb., kartoniert, ISBN 3-437-27880-0, Euro 18,95 Moderne Wundversorgung bedeutet Vernetzung von Krankenkassen, Ärzten und Pflegeeinrichtungen. Die Autorin beschäftigt sich tagtäglich mit Wundmanagement und berät zu dem Thema. Mit diesem Buch beleuchtet sie die Zusammenhänge sowie die konträren Methoden und Meinungen rund um die Wundversorgung. Die beilegende CD-ROM enthält Standards, Dokumentationsvorlagen und Abbildungen zu Kompressionsverbänden mit gleichzeitiger Stuhlinkontinenz kann mit Hilfe eines Peristeen®-Analtampons (Coloplast) der schädigende Einfluss der Ausscheidung unterbunden werden. Analtampons sollten 2-3-mal täglich gewechselt werden, um nicht die Entstehung eines Ileus zu riskieren. Bei Patienten, die unter Durchfall leiden, ist diese Versorgung nicht möglich. Operative Therapie. Hierbei wird ein bestehender Dekubitus durch ggf. Wundkonditionierung/ausführliches Debridement in Narkose, Vakuumversiegelung, Lappen- oder Verschiebeplastik behandelt. Zusätzlich erfolgt eine systemische Therapie bei auftretenden Schmerzen (Analgetika) oder klinisch infizierten Wunden (Antibiotika). Unterstützende und begleitende Maßnahmen. Mobilisation verbessert die Blutzirkulation, wodurch der Heilungsprozess Versorgungsleitfaden „Auswahl von Hilfsmitteln gegen Dekubitus“ Das Dekubitusforum des Bundesverbandes Medizintechnologie, BVMed, hat einen Versorgungsleitfaden „Auswahl von Hilfsmitteln gegen Dekubitus“ erarbeitet und als Broschüre veröffentlicht. Der Leitfaden soll die Auswahl von Hilfsmitteln gegen Dekubitus erleichtern und nachvollziehbar machen. Zielgruppe sind u.a. Ärzte, Pflegekräfte, Physio- und Ergotherapeuten, Sanitätshäuser und Sachbearbeiter bei Krankenkassen. Er kann unter www.bvmed.de/publikationen/publ_hilfsmittel/ online bestellt werden. Informationen: Bundesverband Medizintechnologie e.V., Reinhardtstr. 29b, 10117 Berlin, Tel.: 030/2462550, Fax: 030/24625599, e-mail: [email protected] 34 initiiert und beschleunigt wird. Ein Bewegungsplan sollte sich an den individuellen Bedürfnissen des Patienten orientieren. Angepasste Ernährung (eiweißreich, ggf. hochkalorisch, Vitamine: A, C, K, B-Vitamine; Mineralstoffe: Zink, Eisen, Kalzium, Kalium, Magnesium) und eine Flüssigkeitszufuhr von 3040 ml/kg/KG pro Tag sind wichtige unterstützende Maßnahmen. Generell sollten weitere Komplikationen vermieden und zusätzliche Risikofaktoren minimiert bis ausgeschaltet werden. Ebenfalls ist ein Augenmerk auf den Schutz nicht betroffener Körperregionen zu legen. Begleit- und Grunderkrankungen werden mittherapiert und bei Bedarf geeignete kontinenzerhaltene Versorgungen angepasst. Je optimaler der Patient aufgeklärt ist und auf seine individuellen Bedürfnisse eingegangen wird, desto besser kann die Entstehung eines Dekubitus vermieden oder wenn vorhanden, effizienter behandelt werden. Eine regelmäßige, adäquate Verlaufkontrolle und Wunddokumentation ermöglichen die zeitnahe Erfassung von Problemen und ein frühzeitiges Behandeln. Literatur 1. Expertenstandard Dekubitusprophylaxe (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)/Fachhochschule Osnabrück/Postfach 1940/49009 Osnabrück/Fax: 0541/969-2971. E-Mail: [email protected]. Internet: http://www.dnqp.de 2. MDS Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (2001): Grundsatzstellungnahme „Dekubitus“, Essen 3. Initiative Chronische Wunde e.V. (ICW e.V.); www.icwunden.de; Angehörigenbroschüre zur Dekubitusprophylaxe; Leitlinie Dekubitus 4. Institut für Innovationen im Gesundheitswesen und angewandte Pflegeforschung (IGAP); www.igap.de; Dekubitus- Pflege Ratgeber 5. Qualitätsvergleich in der Dekubitusprophylaxe in Hamburg; www.equip-hamburg.de; Dekubitusprojekt Hamburg 6. Robert-Koch-Institut (RKI): www.rki.de; Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 12 Dekubitus 7. Universität Witten Herdecke; www.patientenleitlinien.de/Dekubitus/dekubitus.html; Leitlinie für Betroffene, Angehörige und Pflegende Kerstin Protz, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Managerin im Sozial- und Gesundheitswesen, [email protected] GERIATRIE JOURNAL 4/06 K A R Z I N O LO G I E : E R N Ä H R U N G Malnutrition und Krebs im Alter G. Röhrig, G. Wucherpfennig und B. Wullenkord, Bornheim-Merten Ältere Menschen erkranken häufiger an Krebs als jüngere [6]. Die Anzahl der über 65-Jährigen liegt derzeit bei etwa 17% und wird in den nächsten Jahren weiter ansteigen, um im Jahr 2030 bei etwa 25% bis 27% zu liegen [44]. Da die Inzidenz der Krebserkrankungen im höheren Alter zunimmt [6, 44], wird auch die Zahl der Tumorpatienten deutlich ansteigen. Vorhandensein und Ausmaß von Malnutrition spielen dabei in Bezug auf Prognose und Krankheitsverlauf eine bedeutende Rolle. D mitter, Zytokine und Hormone kommt es zu einer verminderten Nahrungszufuhr im Zusammenhang mit einem verminderten Verlangen nach Nahrungsaufnahme [49, 53]. Die Körperzusammensetzung weist im Alter eine Umverteilung der Fettanteile auf, mit Abnahme des peripheren zugunsten des viszeralen Fettes [36]. Gleichzeitig nimmt der Anteil fettfreier Körpermasse ab im Sinne einer Atrophie der Skelettmuskulatur (Sarkopenie). Die Sarkopenie bedingt ihrerseits eine Abnahme der Muskelkraft und der Knochendichte, was eine Zunahme des Sturz- und Frakturrisikos nach sich zieht [68]. Weiterhin nimmt der Gesamtenergieumsatz mit zunehmendem Alter ab, da bei nachlassender körperlicher Aktivität und abnehmender Körperzellmasse der Grundumsatz sinkt. Der Energiebedarf älterer Menschen variiert interindividuell stark und wird durch den Einfluss von Multimorbidität und Medikamenten zusätzlich erhöht [29]. Während jüngere Menschen auf Grund ausreichender Energiereser- Foto: AOK ie Malnutrition ist in der Geria- Altersbedingte Veränderungen von trie von großer Bedeutung: un- Nahrungsaufnahme und Stoffwechsel abhängig von den verwendeten Bewertungsinstrumenten und Ernäh- Im Alter treten wesentliche physiologirungsparametern zeigt die Literatur ei- sche Veränderungen auf, die den ne bedeutende Häufigkeit von mangel- Ernährungszustand direkt beeinflussen [79]. Diese Verändeernährten geriatriAm ausgeprägtesten rungen betreffen die schen Patienten auf. Die Auswertung an- stellte sich der Gewichts- Hunger- und Sättigungsregulation sowie thropometrischer oder verlust bei Patienten die Körperzusammenbiochemischer Messmit Magen- und setzung. Auf Grund parameter fiel bei bis Pankreaskarzinom dar abnehmender Sinneszu 92% der jeweils bewahrnehmungen bei trachteten Population pathologisch aus [3, 13, 26, 40, 55, 56]. gleichzeitig gesteigerter Aktivität gasAndere Autoren, welche gleichzeitig trointestinaler Sättigungsfaktoren und mehrere Parameter berücksichtigten, Veränderungen diverser Neurotranswiesen so bei 16-61% der betrachteten Patientenpopulationen auf eine Malnutrition hin [7, 8, 14, 28, 47, 54]. Die Anwendung des Mini Nutritional Assessment nach Vellas [78] ergab bei 726% der untersuchten akut-geriatrischen Patienten das Vorliegen einer Malnutrition, bei 26-62% bestand ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung [18, 19, 20, 42, 57,59]. Die retrospektive Aufarbeitung eigener Patientendaten ergab für das Jahr 2005 bei 20% der akut-geriatrischen Patienten das Vorliegen einer Malnutrition, wobei für die Diagnosestellung das Vorliegen eines laborchemisch nachweisbaren Eiweiß- bzw Albuminmangels ausschlaggebend war. Kodierungsmängel können dabei eine möglicher- Ideenreichtum bei der Nahrungszubereitung und die soziale Integration besitzen für weise höhere Dunkelziffer verschleiern. die Nahrungsaufnahme eine hohe Bedeutung. 36 GERIATRIE JOURNAL 4/06 K A R Z I N O LO G I E : E R N Ä H R U N G ven metabolischen Stress gut auszu- war wie bei den ausreichend ernährten nären Aufenthaltsdauer um knapp eine gleichen vermögen, ist diese Fähigkeit Patienten. Rich et al [67] berichteten ganze Woche während der Intervenbei älteren Menschen auf Grund gerin- ebenfalls von vermehrten Komplika- tionsphase ihrer Ernährungsstudie auf gerer Reserven an Aminosäuren und tionen und häufigeren postoperativen die Nahrungssubstitution zurück. Glykogen deutlich Verwirrtheitszuständen bei Auf eine erhöhte Mortalität bei untereingeschränkt. So sind herzoperierten älteren Pa- ernährten geriatrischen Patienten soUntersuchungen am ältere Menschen wetienten mit erniedrigten wohl im stationären als auch im ambueigenen Patientensentlich weniger stressAlbuminwerten im Ver- lanten Bereich nach Entlassung hat eiklientel zeigten eine belastbar als jüngere gleich zu geriatrischen Pa- ne Reihe Autoren bereits früher Malnutrition bei 44% tienten mit höheren Al- hingewiesen [3, 56, 8, 18, 21, 43]. Flound relativ kurze Stressphasen führen buminwerten. Andere din et al [35] identifizierten den Body der geriatrischen schnell zu einer VerAutorengruppen assoziier- Maß Index (BMI) als Prädiktor für die Karzinompatienten schlechterung des Erten ein erhöhtes Infek- 1-Jahres-Mortalität, wobei in ihrer Stunährungszustandes. tionsrisiko mit Mangeler- die 48% der Patienten mit einem BMI Gastrointestinal kommt es im Alter nährung während des Klinikaufenthal- < 20 kg/m2 innerhalb eines Jahres nach ebenfalls zu physiologischen Verände- tes sowohl bei gemischten Kollektiven Diagnosestellung verstarben im Verrungen, wobei die gastrospezifischen geriatrischer Patienten [8, 66] als auch gleich zu 18% der Patienten mit einem Veränderungen die am weitesten rei- bei älteren Apoplexpatienten [7, 21, BMI > 25 kg/m2. Zudem zeigten niedrige Albuminchenden Folgen haben. Die Reduktion 39]. Tkatch et al zeigten 1992 [73] in der mukosalen Durchblutung hat eine ihrer Untersuchung, dass ältere Patien- werte bei enteral ernährten geriatrischen Funktionseinbusse der Mukosazellen ten mit Oberschenkelhalsfrakturen un- Patienten eine Assoziation mit einer zur Folge mit Einschränkung des Ener- ter oraler Eiweiß-Supplementierung ei- deutlich erhöhten Mortalität [58, 38]. giestoffwechsels. Zudem kommt es zu nen deutlich besseren klinischen Verlauf Mangelernährte Patienten haben somit einer Einschränkung der Schleimhaut- erwiesen als Patienten ohne Eiweiß- nicht nur ein erhöhtes Risiko für Komintegrität mit sekundärer Atrophie und Supplementierung und auch eine ge- plikationen während eines stationären Gefahr der Ulzeration. Die Minderung ringere Abnahme der Knochendichte Aufenthaltes sondern auch ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. der Funktionstüchtigkeit der Mukosa- aufzeigten. zellen führt zu einer verminderten MaDer Einfluss von Malnutrition auf gensäuresekretion und damit zur Gefahr die Wundheilung wurde von mehreren Malnutrition in der Onkologie einer bakteriellen Überwucherung, Arbeitsgruppen untersucht. Pathophyebenso wie zu einer verminderten Re- siologisch ist dabei von dem Vorliegen Bisher gibt es kein international akzepsorption und Bioverfügbarkeit von Kal- eines katabolen Hypermetabolismus tiertes Standardverfahren zur Erfassung zium, Eisen und Vitamin B12 mit der auszugehen, der die ohnehin einge- des Ernährungszustandes bei onkologiGefahr der Ausbildung sekundärer Man- schränkten Reservekaschen Patienten. Gegelerscheinungen. Weiterhin führt die pazitäten geriatrischer mäß der Deutschen Das Ansprechen der schwächer werdende Rektummuskula- Patienten zusätzlich beGesellschaft für ErTumortherapie tur verbunden mit einer verminderten lastet. Durch gezielte nährungsmedizin [46] ist vermindert, Rektumsensibilität im Alter zu einer Protein- und Vitamindefiniert sich eine Zunahme der Obstipationsneigung [69, substitution kann daMalnutrition über eiLeistungsfähigkeit und 11]. nen Gewichtsverlust bei der WundheilungsLebensqualität der von mindestens 10% prozess positiv beeinPatienten sind stark des Körpergewichtes flusst werden [51, 4]. Einfluss von Mangelernährung auf eingeschränkt, [9] oder eine SubjectiDass Unterernähden Krankheitsverlauf ve Global Assessment rung auch Einfluss auf wenn eine Malnutrition In mehreren Untersuchungen konnte eine Verlängerung der Zugehörigkeit zur vorliegt bisher eine erhöhte Morbiditäts-, Kom- Rekonvaleszenzdauer Gruppe C [24]. Das plikations- und Mortalitätsrate bei nehmen kann, zeigten Subjective Global Asunterernährten geriatrischen Patienten Incalzi et al [43] bei einem gemischten sessment ermöglicht die Zuteilung des im Vergleich zu ausreichend ernährten Kollektiv geriatrischer Patienten. Da- Patienten zu einer MalnutritionsstatusAltersgenossen gezeigt werden. So be- valos et al [21] kamen bei älteren Apo- gruppe über eine bestimmte Fragenschrieben Tuchschmidt und Tschantz plexpatienten zu einem ähnlichen Er- kombination zu Anamnese und kör[75] bei 250 über 65-jährigen chirur- gebnis, ebenso wie Lumbers et al [47] perlicher Untersuchung: Ergebnisse der gischen Patienten eine Komplikations- bei älteren orthopädisch-chirurgischen Gruppe C signalisieren dabei eine rate von 25% der mangelernährten Pa- Patienten. Pepersack et al [65] führten mittelgradig bis schwere Malnutrition, tienten der Studie, die doppelt so hoch die dramatische Verkürzung der statio- Ergebnisse der Gruppe A schließen das GERIATRIE JOURNAL 4/06 37 Vorliegen einer Malnutrition weitgehend aus und Ergebnisse der Gruppe B legen den Verdacht auf eine leichtgradige Malnutrition nahe [24]. Gewichtsverlust ist ein häufig beschriebenes Symptom bei erstdiagnostizierten Tumorerkrankungen. DeWys et al [25] beschrieben eine Prävalenz in Abhängigkeit von der Tumorentität bei 31-87% der untersuchten Patienten. Am ausgeprägtesten stellte sich der Gewichtsverlust bei Patienten mit Magen- und Pankreaskarzinom dar [25]. Untersuchungen am eigenen Patientenklientel zeigten eine Malnutrition bei 44% der geriatrischen Karzinompatienten. Der Gewichtsverlust wird durch eine Einflussnahme der Tumorerkrankung auf den Stoffwechsel bedingt. Im Rahmen einer Malignomerkrankung kommt es in unterschiedlichem Ausmaß zu systemischen, proinflammatorischen Prozessen, welche Auswirkungen auf alle Stoffwechselwege haben [52]. Der Tumorwirtsorganismus schüttet Zytokine, katabole Hormone und andere regulatrorische Peptide [52, 22, 23] als Antwort auf die maligne Neubildung aus. Diese Mediatoren konnten bei Tumorpatienten inzwischen für die Entwicklung von Appetitlosigkeit [45], und Gewichtsverlust [80, 32, 80, 32, 37, 71] verantwortlich gemacht werden. Zudem verhindern sie einen Zugewinn an Körperzellmasse [30] bei kachektischen Patienten und sind mit einer verkürzten Lebenserwartung dieser Patienten assoziiert [50, 60]. Tumorpatienten weisen oft eine gestörte Glukosetoleranz auf, welche mit Insulinresistenz im Zusammenhang steht [48]. Bei vermehrt katabolen Hormonspiegeln zeigt sich eine vermehrte Kortisolsekretion bei einem gesenkten Insulin/Kortisol-Verhältnis. Daraus resultiert ein gesteigerter Glukoseumsatz sowie eine gesteigerte Glukoneogenese. [22]. In Bezug auf den Fettstoffwechsel wird bei Tumorpatienten oft eine gesteigerte Lipolyse beobachtet [70, 83], wobei jedoch die Ursachen für diese Änderungen im Lipidstoffwechsel bis heute nicht eindeutig geklärt sind [22]. 38 Foto: Baxter Deutschland GmbH K A R Z I N O LO G I E : E R N Ä H R U N G Zudem wird bei Tumorpatienten die zweithäufigste Todesursache neben meist ein gesteigerter Eiweißumsatz ge- einer Sepsis ist und somit eine nicht zu sehen, welcher mit einer gesteigerten vernachlässigende Rolle spielt [81]. Proteolyse und damit mit einem massiven Abbau der Muskelmasse einherTherapieansätze zum Malnutritionsgeht. Gleichzeitig kommt es zu einem Anstieg der akuten Phase Proteine. Das ausgleich bei onkologischen Patienten Proteolysesystem der Proteasomen ist Ziele der Ernährungstherapie bei gegesteigert [82, 10], ausgelöst durch die riatrisch onkologischen Patienten sind inflammatorischen, tumorassoziierten neben dem Vermeiden bzw. Überwinden von Tumorkachexie und dem MalMediatoren. In mehreren Längsschnittuntersu- nutritionsausgleich auch die Verbessechungen wurde der Zusammenhang rung der Lebensqualität sowie die Steizwischen Ernährungsstatus und Krank- gerung der Effektivität therapeutischer Maßnahmen bei Reheitsverlauf untersucht. Es duktion der Nebenkonnte gezeigt werden, dass Die Kachexie ist wirkungsrate. Die das Ansprechen der Tubei Tumorpatienten Entwicklung einer mortherapie vermindert ist, die zweithäufigste Tumorkachexie beLeistungsfähigkeit und Leruht nicht allein auf bensqualität der Patienten Todesursache neben einer mangelnden stark eingeschränkt sind, einer Sepsis Nahrungszufuhr, sonwenn eine Malnutrition dern ist an mehrere vorliegt. Auch das Überleben ist dann signifikant verkürzt [25, 5, Faktoren geknüpft [16]. Sie wird zu74, 72, 77, 64, 33, 17, 76, 61, 12, 63, dem durch individuelle krankheitsspe34, 62, 27]. Warren zeigte bereits 1932, zifische oder therapieassoziierte Verändass die Kachexie bei Tumorpatienten derungen der Stoffwechselwege beeinflusst, wie beispielsweise tumorbedingte gastrointestinale Stenosebildungen oder chemotherpeutikainduzierte Mukositiden. Zudem spielen marantische Prozesse im Rahmen einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung eine wesentliche Rolle. So konnten Fainsinger und Gramich [31] in ihrer Todesursachenanalyse zeigen, dass bei 20% der Tumorpatienten mit fortgeschrittener Erkrankung allein die Kachexie als Todesursache verantwortlich zu machen war. Voraussetzung für den Beginn einer effizienten Ernährungstherapie ist die Definition der Malnutrition. Gärtner et al [41] identifizierten diesbezüglich eine Kombination aus anthropometrischen und laborchemischen Daten (Körpergewicht im Verlauf, Serumalbumin, Transferrin, Lymphozytenzahl, indirekte Kalorimetrie), wobei dieses Schema auf Grund der individuellen und krankheitsspezifischen Unterschiede nicht unreflektiert auf geriatrisch-onkologische Patienten Eine supportive parenterale Ernährung übertragen werden kann. Hier fehlt biskann die Lebensqualität von Tumorher ein validierter Algorithmus. patienten steigern und ihre ÜberlebensGrundsätzlich unterscheidet man drei zeit verlängern. Formen von Ernährung: die konvenGERIATRIE JOURNAL 4/06 K A R Z I N O LO G I E : E R N Ä H R U N G tionelle orale Form, die enterale Form Interesse gewinnenden Teilbereich der über Sonden und die parenterale Form geriatrischen Onkologie fehlen bisher über zentralvenöse Zugänge (Venenka- Untersuchungen von vergleichbarem theter oder PortsysteAusmaß. Assessmentme). Zum Erhalt der prozesse und TherapieBei 20% der TumorLebensqualität des Paalgorithmen müssen dapatienten mit tienten sollte die Mögher derzeit noch aus den fortgeschrittener lichkeit einer oralen großen Bereichen überNahrungszufuhr stets so nommen und an die beErkrankung war lange wie möglich aufsonderen Bedürfnisse allein die Kachexie recht erhalten werden. der geriatrisch-onkoloals Todesursache Dabei spielen regelmägischen Patienten angeßige, kompetente Erpasst werden. Mit dieverantwortlich zu nährungsberatungen sosem Artikel wollen die machen [31] wie die Applikation eiAutoren auf die drinner adaptierten, jedoch gende Notwendigkeit den Wünschen des Patienten angepas- der Berücksichtigung und Therapie von sten Kost wesentliche Rollen. Ein ok- Malnutrition im klinischen Alltag bei troyierter Ernährungsplan sollte grund- geriatrisch onkologischen Patienten aufsätzlich vermieden werden. Die Bedeu- merksam machen. tung eines angenehmen Ambientes bei der Nahrungsaufnahme verbunden mit Literatur 1. Aulbert E, Zech D. Lehrbuch der Palliativmedizin. einer konsekutiven Förderung des Schattauer, Stuttgart (1997) Ideenreichtums bei der Nahrungszube2. Adhikari D, Baxi J, Risal S et al. Oxidative stress reitung und der sozialen Intergration and antioxidant status in cancer patients and healthy subjects, a case-control study. Nepal des Patienten konnte durch UntersuMed Coll J (2005), 7 (2): 112-115 chungen belegt werden [1, 15]. 3. Agarwal N; Acevedo F, Cayten, Pitchumoni CG. Nutritional status of the hospitalized very Die Möglichkeit von Nahrungszuelderly from nursing homes and private homes sätzen wie z.B. Methoxyprogesterona(abstr.). Am J Clin Nutr (1986), 43: 659 cetat (MPA) oder Selen muss im indi4. Albina JE. Nutrition and wound healing. J Parent Ent Nutr (1994); 18: 367-376. viduellen Fall geprüft werden. Der ver5. Andreyev HJN, Norman AR, Oates J, Cunningham mutete Einfluss von oxidativem Stress D. Why do patients with weight loss have a auf die Kanzerogenese macht eine ausworse outcome when undergoing chemotherapy for gastrointestinal malignancies? Eur J Cancer reichende Zufuhr von Antioxidantien (1998); 34: 503-509 notwendig [2]. 6. Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsbezogener Zur adäquaten Überprüfung der EfKrebsregister in Deutschland (Hrsg) in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch Institut: fizienz einer Ernährungstherapie haben Krebs in Deutschland. Häufigkeiten und Trends. sich klinische Parameter bewährt wie 4. überarbeitet Auflage, (2004) 7. Axelsson K, Asplund K, Norberg A, Alafuzoff I. Gewichtsverlauf, Volumenbilanz, BlutNutritional status in patients with acute stroke. druck, Puls und Hautturgor ebenso wie Acta Med Scand (1988); 244: 217-224 organspezifische Laborparameter. Ganz 8. Bienia R, Ratcliff S, Barbour GS, Kummer M. Malnutrition in the hospitalized geriatric pawesentlich ist die Berücksichtigung des tient. J Am Geriatr Soc (1982); 30: 433-436 subjektiven Befinden des Patienten, da9. Blackburn GL, Bistrian BR, Maini BR, Schlamm mit sich die Ernährungstherapie nicht HT, Smith MF. Nutritional and metabolic assessment of the hospitalized patient. JPEN (1977); 1: unter kommerziellen Aspekten zu ver11-22 selbständigen droht. 10. Bossola M, Muscaritoli M, Costelli P et al. Fazit Bedeutung, Ausmaß und Therapie der Malnutrition im Bereich von Geriatrie und Onkologie sind durch eine Reihe von Untersuchungen seit langem belegt. Für den aufkeimenden und erst in den letzten Jahren an zunehmendem GERIATRIE JOURNAL 4/06 Increased muscle ubiquitin mRNA levels in gastric cancer patients. Am J Physiol Regulatory Integrative Comp Physiol (2001); 280: R1518R1523 11. Bowman BA, Rosenberg IH, Johnson MA. Gastrointestinal function in the elderly. In: Munro HN, Schlierf G (eds): Nutrition of the elderly. New York: Raven Press, (1992): 43-50 12. Bruning PF, Egger RJ, Gooskens AC et al. Dietary intake, nutritional status and well-being of cancer patients: a prospective study. Eur J Cancer (1985); 21: 1449-1459 13. Cederholm T, Hellström K. Nutritional status in recently hospitalized free-living elderly subjects. Gerontology (1992), 38: 105-110 14. Cederholm T, Jägren C, Hellström K. Nutritional status and capacity in internal medical patients. Clin Nutr. (1993); 12: 8-14 15. Clemm C. Aspekte der Palliativtherapie in der Onkologie. Krebs in Diagnostik und Therapie. EBM Verlag (1997); 4-15 16. Clemm C. Ernährungstherapie, in Höffken, K, Kolb G, Wedding U. (Hrsg) Geriatrische Onkologie. Springer Verlag Heidelberg / Berlin (2002); 357-368 17. Coates RJ, Clark WS, Eley JW, Greenberg RS, Huguley CM, Brown RL. Race, nutritional status and survival from breast cancer. J Natl Cancer Inst (1990); 82: 1684-1692 18. Cohendy R, Gros T, Arnaud-Battandier F, Tran G, Plaze JM, Eledjam J-J. Preoperative nutritional evaluation of elderly patients: the Mini-Nutritional Assessment as apractical tool. Clin Nutr (1999); 18: 345-348, 19. Compan R, Castri A di, Plaze JM, Arnaud-Battandier F. Epidemiological study of malnutrition in elderly patients in acute , aub-acute and longterm care using the MNA. J Nutr Health Aging (1999); 13: 146-151 20. Coutaz M, Morisod J, Biselx S, Hermann F, Michel JP. Comparaison de l`état nutritionnel de la personne âgée séjournant à domicile, en institution ou à l`hôpital dans unse region semirurale. Rev Med Suisse Romande (1997); 117: 691-695 21. Davalos A, Ricart W, Gonzalez-Huix F, et al. Effect ofmalnutrition after acute strokeon clinical outcome. Stroke (1996); 27: 1028-1032 22. de Blaauw I, Deutz NEP, von Meyenfeldt MF. Metabolic changes of cancer cachexia – first of two parts. Clin Nutr. (1997) (1); 16: 169-176 23. de Blaauw I, Deutz NEP, von Meyenfeldt MF. Metabolic changes of cancer cachexia – second of two parts. Clin Nutr. (1997) (2); 16: 223-228 24. Detsky AS, McLaughlin JR, Baker JP, et al. What is Subjective Global Assessement of Nutritional Status? JPEN (1987); 11: 8-13. 25. DeWys WD, Begg C, Lavin PT, et al. Prognsotic effect of weight loss prior to chemotherapy in cancer patients. Am J Med (1980); 69: 491-497 26. Dornenval V, Budtz-Jorgensen E, Mojon P, Bruyère A, Rapin C-H. Association between malnutrition poor general health and oral dryness in hospitalized elderly patients. Age and Ageing (1998), 27: 123-128 27. Edington J, Winter PD, Coles SJ, Gale CR, Martyn CN. Outcomes of undernutrition in patients in the community with cancer or cardiovascular disease. Proc Nutr Soc (1999); 58: 655-661 28. Ek A-C, Unosson M, Larsson J, Ganowiak W, Bjurulf P. Interrater variability and validity in subjective nutritional assessment of elderly patients. Scan J Caring Sci (1996); 10: 163-168 29. Elia M, Ritz P, Stubbs RJ. Total energy expenditure in the elderly. Eur J Clin Nutr. (2000); 54: 92-103 30. Espat NJ, Moldawer LL, Copeland EM. Cytokinemediated alterations in host meabolism prevent nutritional repletion in cachectic cancer patients. J Surg Oncol (1995); 58: 77-82 31. Fainsinger RL, Gramich LM. How often can we justify parenteral nutrition in terminally ill cancer patients? J Palliat Care (1997); 13(1): 48-51 32. Fearon KCH, Barber MD, Falconer JS, McMillan DC, RossJA, Preston T. Pancreatic cancer as a 39 K A R Z I N O LO G I E : E R N Ä H R U N G model: Inflammatory mediators, acutre phase response and cancer cachexia. World J Surg (1999); 23: 584-588 33. Fein R, Kelsen DP, Geller N, Bains M, McCormack P, Brennan MF. Adenocarcinoma of the esophagus and gastroesophageal junction. Cancer (1985); 56: 2512-2518 34. Fietkau R, Principles of feeding cancer patients via enteral or parenteral nutrition during radiotherapy. Strahlentherapie und Onkologie (1998); 174: 47-51 35. Flodin L, Svensson S, Cederholm T. Body maß index as a predictor of 1 year mortality in geriatric patients. Clin Nutr (2000); 19: 121-125 36. Forbes GB. Human body composition. Growth, aging, nutrition and activity. New York, Berlin, Heidelberg: Springer Verlag (1987) 37. Fordy C, Glover C, Henderson DC, Summerbell C, Wharton R, Allen-Mersh TG. Contribution of diet, tumour volume and patient related factos to weight loss in patients with colorectal liver metastases. Br J Surg (1999); 86: 639-644 38. Friedenberg F, Jensen G, Gujral N, Braitman LE, Levine GM. Serum albumin is predictive of 30 – day survival after percutanous endoscopic gastrostomy. J. Parent Ent Nutr (1997); 21: 72-74 39. Gariballa SE, Parker SC, Taub N, Castleden CM. Influence of nutritional status on clinical outcome after acute stroke. Am J Clin Nutr. (1998); 68: 275-281 40. Gariballa SE, Parker SG, Taub N, Castleden M. Nutritional status of hospitalized acute stroke patients. Br J Nutr (1998), 79: 481-487 41. Gärtner U, Seitz HK, Schauder P. Ernährungsmedizinsiche Betreuung von Tumorpatienten. In Fritze D (Hrsg) Palliative Krebsbehandlung. Zuckschwerdt, Germering (1996); 248-257 42. Gazzotti C, Albert A, Pepinster A, Petermans J. Clinical usefulness of the mini nutritional assessment (MNA) scale in geriatric medicine. J Nutr Health Aging (2000); 4: 176-181 43. Incalzi RA, Landi F, Cipriani IL et al. Nutritional assessment: A primary component of multidimensional geriatric assessment in the acute case setting. J Am Geriatr Soc. (1996); 44: 166-174 44. Initiative Geriatrische Hämatologie und Onkologie. Medizinsiche Aufgabe der Zukunft: Krebs im Alter, in Geriatrie Journal (2005); 6: 25-26 45. Inui A. Cancer anorexia – cachexia syndrome: Are neuropeptides the key? Cancer Res (1999); 59: 4493-4501 46. Leitlinien der DGEM, Aktuel Ernaehr Med 2003; 28: Supplement 1: 61-68 47. LumbersM, Driver LT, Howard RJ, Older MWJ, Williams CM. Nutritional status and clinical outcome in elderly female surgical orthopaedic patients. Clin Nutr (1996); 15: 101-107 48. Lundholm K, Holm G, Schersten T. Insulin resistance in patients with cancer. Cancer Res (1978); 38: 4665-4670 49. Macintosh C, Morley JE, Chapman IM. The anorexia of aging. Nutrition (2000) 16: 983-995 50. Martin F, Santolaria F, Batista N et al. Cytokine levels (IL-6 and IFN-gamma), acute phase response and nutritional status as prognsotic factors in lung cancer. Cytokine (1999); 11: 80-86 51. Meyer NA, Muller MJ, Herndon DN. Nutrient support of the healing wound. New Horizons (1994); 2: 202-214 52. Moldawer LL, Copeland EM,. Proinflammatory cytokines, nutritional support, and the cachexia syndrom. Cancer (1997); 79: 1828-1839 40 53. Morley JE. Anorexia of aging: physiologic and pathologic. Am J Clin Nutr. (1997); 66: 760-773 54. Mowé M, Bohmer T, Kindt E. Reduced nutritional status in elderly population (>70) is probable before disease and possibly contributes to the development of disease. Am J Clin Nutr. (1994); 59: 317-324 55. Mowé M, Bohmer T. The prevalence of undiagnosed protein-calorie undernutritionin a population of hospitalized elderly patients. J Am Geriatr. Soc (1991), 39: 1089-1092 56. Mühlethaler R, Sruck AE, Minder CE, Frey BM. The prognostic significance of protein-energy malnutrition in geriatric patients. Age and Aging (1995); 24: 193-197 57. Murphy MC, Brooks CN, New SA, Lumbers ML. The use of the Mini-Nutritional Assessment (MNA) tool in elderly orthopaedic patients. Eur J Clin Nutr. (2000); 54: 555-562 58. Nair S, Hertan H, Pitchumoni CG. Hypoalbuminemia is a poor predictor of survival after percutaneous endoscopic gastrostomy in elderly patients with dementia. Am J Gastroenterol (2000); 95: 133-136 59. Nes MC Van, Herrmann FR, Gold C, Michel JP, Rizzoli R. Does the mini-nutritional assessment predict hospitalization outcomes in older people? Age Ageing (2001); 30: 221-226 60. O`Gorman P, McMillan DC, McArdle CS. Prognostic factors in advanced gastrointestinal cancer patients with weight loss. Nutr Cancer (2000); 37: 36-40 61. Ollenschläger G, Thomas W, Konkol K, Diehl V, Toth E. Nutritional behaviour and quality of life during oncological polychemotherapy: results of a prospective study on the efficacy of oral nutrition therapy in patients with acute leukaemia. Eur J Clin Invest (1992); 22: 546-553 62. Ovesen L, Allingstrup L, Hannibal E, Mortensen EL, Hansen P. Effect of dietary counseling on food intake body weight, response rate, survival and quality of life in cancer patients undergoing chemotherapy: a prospective randomized study. J Clin Oncol (1993); 11: 2043-2049 63. Padilla GV. Psychological aspects of utrition and cancer. Surg Clin North Am (1986); 66: 1121-1135 64. Pedersen H, Hansen HS, Cederquist C, Lober J. The prognsotic significance of weight loss and ist integration in stage-grouping of oesophageal cancer. Acta Chir Scand (1982); 148: 363-366 65. Pepersack T, Corretge M, Beyer I, Beyer B, Namias B, André S, Benoit F, Mergam A, Simonetti C. Examinig the effect of intervention to nutritional problems of hospitalised elderly: a pilot project. J Nutr (2002); 5: 306-310 66. Potter J, Klipsetin K, Reilly JJ, Roberts M. The nutritional status and clinical course of acute admissions to a geriatric unit. Age and Aging (1995); 24: 131-136 67. Rich MW, Keller AJ, Schechtmann KB, Marshall WG. Increased complications and prolonged hospital stay in elderly surgical patients with low serum albumin. AM J Cardiol (1989); 63: 714-718 68. Roubenoff R. Sarcopenia and ist implication for the elderly. Eur J Clin Nutr. (2000); 54: Suppl. 3: 40-47 69. Russell RM. Gastrointestinal function and aging. In: Morley JE, Glick Z, Rubenstein LZ (eds): Geriatric nutrition. A comprehensive review. New York: Raven Press (1990): 231-238 70. Shaw JHF, Wolfe RR. Fatty acid and glycerol kinetics in septic patients and in patients with gastrointestinal cancer. Ann Surg (1997); 205: 368-376 71. Simons JPFHA, Schols AM, Buurman WA, Wouters EF. Weight loss and low body cell mass in males wih lung cancer: relationship with systemic inflammation, acute phase response, resting energy expenditure and catabolic and anabolic hormones. Clin Sci (1999); 97: 215-223 72. Swenerton KD, Legha SS, Smith T et al. Prognostic factors in metastatic breast cancer treated with combination chemotherapy. Cancer Res (1979); 39: 1552-1562 73. Tkatch L, Rapin CH, Rizzoli R, Slosman D, Nydegger V, Vasey H, Bonjour JP. Benefits of oral protein supplementation in elderly patients with fracture of the proximal femur. J Am Coll Nutr (1992); 11: 519-525 74. Tubiana M, Attié E, Flamant R, Gérard-Marchant R, Hayat M. Prognostic factors in 454 cases of Hodgkin`s Disease. Cancer Res (1971); 31: 18011810 75. Tuchschmidt Y, Tschantz P. Complications en geronto-chirurgie: rôle de l`état nutritionele et de l`albuminémie. Helv. Chir Acta (1992); 58: 771-774 76. van Bokhorst –de van der Schueren MAE, van Leeuwen PAM, Kuik DJ et al. The impact of nutritional status on the prognoses of patients with advanced head and neck cancer. Cancer (1999); 86: 519-527 77. van Eys J. Effect of nutritional status on response to therapy. Cancer Res (1982); 42: 747-753 78. Vellas B, Guigoz Y, Garry PJ et al. The Mini Nutritional Assessment (MNA) and its use in grading the nutritional state of elderly patients. Nutrition (1999); 15: 116-122 79. Volkert D. Leitlinie Enterale Ernährung: Ernährungszustand, Energie- und Substratstoffwechsel im Alter. Aktuel Ernaehr. Med (2004); 29: 190-197 80. von Meyenfeldt MF. Nutritional support during treatment of biliopancreatic malignancy. Ann Oncol (1999);10: 273-277 81. Warren S. The immediate cause of death in cancer. Am J Med Sci (1932); 184: 610-615 82. Williams A, Sun X, Fischer JF, Hasselgren PO. The expression of genes in the ubiquitin-proteasome proteolytic pathway is increased in skeletal muscle from patients with cancer. Surgery (1999); 126:744-750 83. Zuijdgeest-van Leeuwen SD, van den Berg JWO, Wattimena JLD et al. Lipolysis and lipid oxidation in weight losing cancer patients and healthy subjects. Metabolism (2000); 49: 931-936 Korrespondenzadresse: Dr.med. Bert Wullenkord, Krankenhaus zur Heiligen Familie / Zentrum für Altersmedizin, Klosterstr. 2, 53332 Bornheim-Merten, eMail: [email protected] GERIATRIE JOURNAL 4/06 ERNÄHRUNG: KNOCHENMINERALSTOFFE Knochengesund Essen und Trinken Bewegung stimuliert den Knochenaufbau, Essen und Trinken liefern die benötigten Nährstoffe. Dabei ist nicht nur der Mineralstoff Kalzium für die Knochenintegrität essenziell, sondern auch eine ausreichende Proteinversorgung und eine ausgewogene Zufuhr weiterer Mineralstoffe und Vitamine. Zudem greifen andere Lebensmittelinhaltsstoffe in den Kalzium-Haushalt ein – ein komplexes System, das durch eine vielseitige Lebensmittel- und Getränkeauswahl optimiert wird. O b Protein, Kalzium, Magnesium und Phosphor, Vitamin D, Vitamin K und Vitamin C, Laktose, Aminosäuren und Phytoöstrogene: sie alle sind für den Knochenstoffwechsel von Bedeutung. Dennoch steht das Thema Kalzium-Versorgung im Zusammenhang mit Osteoporose im Vordergrund. Warum? Kalziumzufuhr ist oft deutlich zu niedrig Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt alten Menschen eine tägliche Kalziumzufuhr von 1000 mg. Nach dem Ernährungsbericht 2000 erreichen Senioren jedoch durchschnittlich nur 80% dieser Menge. Eine beträchtliche Zahl alter Menschen (etwa 15%) nimmt sogar weniger als die Hälfte täglich auf. Eine Erhöhung der Kalziumzufuhr ist also wünschenswert. Milchprodukte sind die idealen Kalziumlieferanten. Vor allem Senioren sollten auf Grund des nachlassenden Energiebedarfs bei konstantem Nährstoffbedarf Milchprodukte mit hoher Nährstoffdichte wie z.B. Buttermilch, Milch und Hartkäse bevorzugen. Aus Milch, auch Buttermilch, wird Kalzium am besten vom Körper aufgenommen. Dazu tragen Inhaltsstoffe der Milch wie z.B. Laktose, Aminosäuren und so genannte bioaktive Peptide bei. Liegt eine Laktoseintoleranz vor, wird sehr häufig Joghurt und fast immer lang gereifter GERIATRIE JOURNAL 4/06 Hartkäse vertragen. Aber nicht nur Milchprodukte, sondern auch bestimmte Gemüsesorten wie Lauch, Fenchel und Broccoli sowie Kräuter oder Mineralwässer (bis zu 500 mg/L) tragen zur Kalziumversorgung bei. Vitamin D – das Sonnenvitamin Ohne Vitamin D ist die Kalziumaufnahme in Körper und Knochen unzureichend. Seniorenstudien zeigen immer wieder, dass die empfohlene Vitamin DZufuhr von 10 µg/Tag nicht erreicht wird. Als Vitamin D-Quellen eignen sich z.B. Hering und Lachs (21 bzw. 16 µg/100 g), Hühnerei (1,2 µg/Stück) oder Champignons (2 µg/100 g). Daneben sollten bei Senioren Spaziergänge oder Ruhephasen an der frischen Luft zur körpereigenen Vitamin D-Synthese täglich auf dem Programm stehen. Vitamin und Mineralstoffe – Aufgaben im Knochenstoffwechsel Vitamin C spielt bei der Kollagensynthese eine wichtige Rolle, Vitamin K ist an der Bildung von Osteocalcin beteiligt. Eine Unterversorgung würde die Knochenintegrität negativ beeinflussen. Beide Vitamine kommen in Obst und Gemüse, Vitamin K v.a. in grünem Gemüse vor. Bei einer vielseitigen Lebensmittelauswahl ist eine ausreichende Zufuhr gewährleistet. Foto: CMA Dr. Susanne Nowitzki-Grimm, Schorndorf Milch und Milchprodukte sollten täglich auf dem Speiseplan stehen, denn sie liefern wichtige Nährstoffe für die Knochengesundheit. Neben Kalzium sind Phosphor und Magnesium wichtige Knochenmineralstoffe. Phosphor ist in Lebensmitteln überall zu finden. Magnesium wird über Getreideprodukte im Durchschnitt ausreichend aufgenommen. Der lange Zeit dargestellte negative Einfluss einer hohen Phosphorzufuhr auf die Kalziumbilanz steht derzeit in der Diskussion. Protein – die Knochenbasis Knochen bestehen zu einem erheblichen Anteil aus Proteinen. So verwundert es nicht, dass eine ausreichende Versorgung einen positiven Einfluss auf die Knochengesundheit hat. Bei im Alter abnehmender Nahrungszufuhr sollten Proteinquellen mit hoher biologischer Wertigkeit wie z.B. Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte bevorzugt werden. Knochengesund = vielseitig Der Knochenstoffwechsel ist ein klassisches Beispiel für das vielschichtige Ineinandergreifen von Nährstoffen. Eine vielseitige Lebensmittelauswahl verhindert Defizite in der Zufuhr einzelner Nährstoffe und ist damit eine wichtige Komponente der Knochenintegrität. Dr. Susanne Nowitzki-Grimm, Schurwaldstr. 37, 73614 Schorndorf 41 M U LT I M O R B I D I T ÄT : A N R E G U N G E N ZUR DEFINITION Multimorbidität im Alter Martin Holzhausen, Ulrike Bornschlegel und Andrea Mischker, Berlin Was beinhaltet der Begriff „Multimorbidität im Alter“? Umfasst er lediglich das Vorhandensein mehrerer gleichzeitig bestehender Erkrankungen? Nach Auffassung der Autoren muss er – will er den individuellen Auswirkungen der Erkrankungen auf Autonomie und Lebensqualität der Betroffenen gerecht werden – die Komplexität der Interaktion von Schädigungen, Behinderungen, Partizipation und insbesondere individuelle Kontextfaktoren einbeziehen. W 1 Im vorliegenden Kontext beschränkt sich die Betrachtung auf körperliche Erkrankungen. Psychiatrische Erkrankungen innerhalb eines vielschichtigen Krankheitsgeschehens stellen vermutlich nochmals andere Anforderungen an eine Definition und Bewertung von Multimorbidität. 42 Begriffsüberschneidungen Zur Vermeidung begrifflicher Verwirrungen sollte der Begriff „Multimorbidität“ klar von verwandten Konstrukten abgegrenzt werden. So bezeichnet nach Böhmer [1] der Begriff „Polypathie“ das gleichzeitige Vorhandensein von „ruhenden (Alters)leiden und Gebrechen“, die meist nur als Nebendiagnosen geführt werden. Hingegen verweist der Ausdruck „Komorbidität“ gemeinhin auf Foto: Stephen Coburn - Fotolia enngleich Multimorbidität1 ein Krankheitsphänomen ist, welches in jeder Altersgruppe auftreten kann, so besteht doch ein enger Zusammenhang zwischen dem Alter und der Anzahl der Erkrankungen einer Person. Die Zunahme der Erkrankungshäufigkeit mit dem Alter ist in starkem Maße durch eine Zunahme von chronischen Erkrankungen (z.B. Osteoporose, Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen) gekennzeichnet [1]. Dabei sind es in erster Linie die differentiellen Krankheitsfolgen, nicht die Erkrankungen selbst, welche das Ausmaß der Hilfs- und Pflegebedürftigkeit sowie die Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen bestimmen [19]. Will man die Charakteristika von „Multimorbidität im Alter“ näher bestimmen, stellt sich somit die Frage, ob Multimorbidität nicht mehr ist als das reine Vorhandensein mehrerer gleichzeitig bestehender Erkrankungen. Die folgenden Anregungen zur Definition des Begriffs zielen darauf ab, eine gängige medizinische Fokussierung auf die Anzahl der Erkrankungen zu einer ganzheitlichen Sichtweise auf die Lebenswelt alter Menschen zu ergänzen, um die komplexen Erscheinungsformen der Multimorbidität angemessener beschreiben zu können. „Nebendiagnosen bei einer oder mehreren Hauptdiagnosen“, welche im Vordergrund stehen [6]. In diesem Kontext ist zudem eine Unterscheidung zwischen kausal abhängigen Kombinationserkrankungen auf der einen und kausal unabhängigen Begleiterkrankungen auf der anderen Seite gebräuchlich [14]. Mit dem Alter nehmen die kausal abhängigen Erkrankungen zu, was sich in Form typischer Krankheitsketten manifestieren kann: Ein Leiden (wie beispielsweise ein Lungenemphysem), welches die Reservekapazität eines Organs kontinuierlich erschöpft, kann sich durch relativ geringe externe Einflüsse (wie Infektionen) zu einem aktiven Krankheitsbild (z.B. Pneumonie) entwickeln, welches dann wiederum andere Altersgebrechen (beispielsweise eine latente Herzinsuffizienz) dekompensiert (Beispiel nach [14]). Eine weitere begriffliche Unschärfe tritt im Zusammenhang mit dem Begriff „chronische Erkrankung“ auf. Chronische Krankheit ist durch Stagnation und Fortschreiten in unregelmäßiger Frequenz gekennzeichnet. Manifeste chronische Krankheiten bestehen im Allgemeinen schon längere Zeit unentdeckt [3]. Wie eingangs erwähnt, nehmen die chronischen Erkrankungen mit dem Alter stark zu, sind jedoch nicht notwendigerweise Teil eines multiplen Krankheitsgeschehens. Im Zusammenhang mit Multimorbidität tauchen zudem häufig die Begriffe „Polypharmazie“ oder „Multimedikation“ auf. Mit der Anzahl der Erkrankungen nimmt in unserem Gesundheitssystem meist auch die Anzahl der (verschriebeAus einer Schädigung resultieren individuelle Einschränkungen, die wiederum zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führen können. GERIATRIE JOURNAL 4/06 M U LT I M O R B I D I T ÄT : A N R E G U N G E N ZUR DEFINITION nen) Medikationen zu, Suchwort in ZusamInsbesondere im Alter so dass einige Autoren menfassung, Titel oder gestaltet sich die diavon der MultimedikaStichworten führten, gnostische Abgrenzung tion als dem „Spiegelidentifiziert werden. bild“ der Multimorbi- von Multimorbidität und Die Zusammenfassundität sprechen [9, 16]. gen dieser Artikel wurKomorbidität Im Kontext von Multiden anschließend auf vielfach schwierig morbidität sind genuiexplizite Definitionen ne Krankheitssymptovon Multimorbidität me oftmals nur schwer von uner- untersucht. Lediglich in acht der 110 wünschten Arzneimittelwirkungen oder identifizierten Artikel wird in der ZuInteraktionswirkungen verschiedener sammenfassung genauer beschrieben, was Medikamente zu trennen [15]. der Begriff Multimorbidität bezeichnet. Der überwiegende Teil der Artikel verzichtet auf eine genauere Spezifikation Multimorbidität in der von Multimorbidität und verwendet den medizinischen Fachliteratur Begriff unbestimmt im Sinne von „mehEs mangelt in der medizinischen Fachli- rere Erkrankungen“. teratur zwar nicht an Publikationen zu Im Folgenden findet sich eine Auswahl Multimorbidität, wohl aber an klaren der unterschiedlichen „Definitionen“ von Definitionen. Wenige versuchen eine tat- Multimorbidität aus den Zusammenfassächliche Erklärung des Begriffs (diese sungen der betrachteten Zeitschriftenarist meist nur implizit zu ersehen) und tikel: viele Ansätze entbehren jeder theoreti- @ two or more chronic illnesses schen Begründung. Die einfachste Defi- @ three or more of eleven chronic conditions nition liefert die direkte Übersetzung des lateinischen Terminus: „viele Krankhei- @ cardiovascular multimorbidity, arbitrarily defined as a clinically relevant diten“ (lat. multi = viele, lat. morbus = sease of at least two major vascular beds Krankheit). Allgemein lässt sich in der in a single individual Medizin feststellen, dass Definitionen der Multimorbidität sich entweder auf die @ more than two disorders bestimmte (z.B. „zwei“, „mindestens @ multiple disorders fünf“) oder unbestimmte („mehrere“) nu- @ multimorbidity, i.e. multiple impairments, disabilities and handicaps merische Anzahl von Erkrankungen beziehen. Weitere Unterschiede bestehen @ two or more diseases dahingehend, ob eine direkte Behand- @ three different diseases at the same time for each person lungsbedürftigkeit vorausgesetzt wird oder nicht, um eine Erkrankung in die Obgleich nur eine geringe Anzahl der untersuchten Artikel den Begriff genauZählung aufzunehmen [vgl. 1, 15]. Um eine grobe Einschätzung der er spezifiziert, wird die UnterschiedlichSpannweite der Definitionen von Mul- keit und Uneinheitlichkeit dessen, was als timorbidität in der aktuellen internatio- Multimorbidität bezeichnet wird, deutnalen Fachliteratur zu gewinnen, wurde lich. Dies ist unter anderem dadurch ereine exemplarische Literaturrecherche klärlich, dass derselbe Begriff in unterdurchgeführt. In den Datenbanken Med- schiedlichen Kontexten (z.B. Kardiologie, line und Embase wurden alle Einträge Onkologie) Verwendung findet. Gleichder Jahre 2000 bis 2005 nach dem en- zeitig gestaltet sich insbesondere im Alglischen Stichwort „multimorbidity“2 ter die diagnostische Abgrenzung von durchsucht. Auf diese Weise konnten 110 Multimorbidität und Komorbidität vielmedizinische Fachartikel, welche das fach schwierig. Genau diese Problematiken werden in einigen Fachbeiträgen neuEs sei darauf hingewiesen, dass im englischsprachigen Raum eren Datums thematisiert [5, 18]. der Begriff "multimorbidity" vergleichsweise selten VerObwohl jedoch beispielsweise die Forwendung findet. Auch hier besteht eine Vielfalt an Begriffen (z.B. „comorbidity“, „multiple Diseases“), welche mehr schungsgruppe um van den Akker [18] oder weniger synonym verwendet werden, um Mehrfacherkrankungen zu beschreiben. eine einheitliche und klar systematisie2 GERIATRIE JOURNAL 4/06 rende begriffliche Klärung anmahnt, bleibt sie dennoch dem rein medizinischen Blickwinkel verhaftet, so dass nach wie vor lediglich Anzahl und Art der Erkrankungen von Bedeutung sind [17, 18]. Eine inhaltliche Begriffserweiterung um beispielsweise die Komponenten Krankheitsfolgen, subjektive Beeinträchtigung der Lebensqualität oder Inanspruchnahme verschiedener pflegerischer oder psychosozialer Leistungskomplexe steht weiterhin aus. Objektive und subjektive Sicht auf Morbidität im Alter Zuverlässige und umfassende epidemiologische Daten aus Deutschland zur genauen Prävalenz von Erkrankungen im Alter sind schwer zu finden [19]. Die für die Westberliner Bevölkerung repräsentative Stichprobe der Berliner Altersstudie (BASE) [11, 12] erlaubt eine Abschätzung der Morbiditätsstruktur städtischer deutscher Männer und Frauen von 65 Jahren und älter. Im Zuge der BASE wurden im Rahmen eines ausführlichen geriatrischen Assessments umfangreiche physiologische, neurologische und funktionelle Untersuchungen vorgenommen; die resultierenden Diagnosen wurden in einer Konsensuskonferenz beteiligter Geriater abgeklärt. Steinhagen-Thiessen und Borchelt [15] definieren den Begriff der Multimorbidität als „gleichzeitiges Vorliegen von mindestens fünf (mittel- bis schwergradigen) körperlichen Erkrankungen“. Sie gehen dabei auf Grund ihrer Daten von einer starken Unterdiagnostizierung von Erkrankungen in der allgemeinen medizinischen Primärversorgung aus. In der BASE wurden zudem subjektiv berichtete und objektiv festgestellte Erkrankungen unterschieden und hinsichtlich ihrer Prävalenzen verglichen [15, 12]. In Tab. 1 sind die subjektiv berichteten und objektiv festgestellten Prävalenzen von mittel- bis schwergradigen Erkrankungen (nach ICD-9) der repräsentativen Berliner Bevölkerungsstichprobe über 70Jähriger aus BASE dargestellt [12]. Darin fällt zuerst die große Diskrepanz von fast 24 Prozentpunkten zwischen objektiv festgestellter und subjektiv berichteter Multimorbidität ins Auge. Auf der Ebe- 43 M U LT I M O R B I D I T ÄT : A N R E G U N G E N ZUR DEFINITION ne einzelner Krankheitsbilder stehen subjektiv schmerzhafte Erkrankungen des Bewegungsapparates im Vordergrund, während z.B. die objektiv gefährlicheren Herzerkrankungen sehr viel weniger wahrgenommen werden. Die Auswirkung einer Dauermedikation hingegen wird z.B. besonders bei Herzerkrankungen wahrgenommen [12]. In zahlreichen Untersuchungen zeigt sich über die Lebensspanne insgesamt ein Zusammenhang zwischen objektivem und subjektive Gesundheitszustand [13]. Allerdings scheint die subjektive Gesundheitseinschätzung über das Alter bei gleichzeitig steigendem Morbiditätsrisiko relativ stabil zu bleiben. Dies zeigt sich darin, dass ältere Menschen ihren Gesundheitszustand trotz bestehender Risiken und Einschränkungen häufig unerwartet positiv einschätzen [z.B. 2, 7, 22]. Damit scheint bei zunehmendem Alter die subjektive Gesundheitseinschätzung immer weniger vom objektiven Gesundheitszustand abhängig zu sein. Die Stärke des Zusammenhangs variiert zudem in Abhängigkeit von den verwendeten Indikatoren und bewegt sich im Rahmen von 5% bis 30% gemeinsamer Varianz [13]. Diese Beobachtungen sprechen gegen eine Betrachtungsweise von subjektiver Gesundheit als direkter Reflektion des physischen Gesundheitsstatus. Ein sehr enger Zusammenhang zeigt sich hingegen zwischen Maßen der funk- tionellen Kapazität, d.h. der Krankheits- sorgungsleistungen. Besonders wichtig folgen und -wirkungen, und der objek- erscheinen hier die persönlichen Getiven Gesundheit [2, 22]. Es gibt Hin- sundheitseinstellungen [11] und die soweise darauf, dass mit zunehmendem ziale Situation [8]. So sind beispielsweise Alter an Stelle von objektiven Gesund- viele Sozialindikatoren mit den Auswirheitskriterien besser ADL- und IADL- kungen funktioneller BeeinträchtigunIndikatoren zur Erklärung von Varianz in gen über die Zeit signifikant assoziiert subjektiven Einschätzungen der eigenen [4]. Gesundheit herangezogen werden sollten [2]. So sind gerade mit MultimorbiAktuelle Weiterentwicklungen des dität im Alter meist funktionelle Einschränkungen assoziiert, die zu einer po- Krankheitskonzeptes tentiell dauerhaften Beeinträchtigung der Medizinische Versorgung, die sich auf Bewältigung des Alltags und in vielen Diagnostik und Behandlung von KrankFällen zu anhaltender Pflegebedürftig- heitssymptomen beschränkt, ohne deren Auswirkungen im Allkeit führen. Bestehende Definitionsansätze zur Bei zunehmendem Alter tag des Erkrankten mit einzubeziehen Multimorbidität im Alter scheint die subjektive wird mehr und mehr fokussieren im WesentGesundheitsvon einer Medizin ablichen auf die Diagnoseeinschätzung immer gelöst, die diese in die und Schädigungsebene, ohne die Auswirkungen weniger vom objektiven Behandlungskonzepte integriert. Man auf Handlungsfähigkeit Gesundheitszustand spricht auch von eioder soziale Partizipation abzuhängen nem „Paradigmender Betroffenen zu intewechsel in der Medigrieren. Eine wachsende Zahl an Querschnittsstudien zeigt jedoch zin“ – von einem biomedizinischen die zentrale Bedeutung von Fähigkeits- Krankheitsbild zu einem biopsychosozistörungen für Aussagen zu Prognose und alen Krankheitsbild. In diesem neuen Risiko von Pflegebedürftigkeit, zur In- Rahmen wird heute nicht mehr von anspruchnahme von Versorgungsleis- Krankheit und Krankheitsprozessen gesprochen, sondern von Behinderung und tungen sowie zur Mortalität [vgl. 19]. Neben der Morbidität an sich und den Behinderungsprozessen [10]. Die Notwendigkeit des Managements funktionellen Auswirkungen bestimmen noch weitere Faktoren den Bedarf an Ver- von Behinderungen und der Akzentuierung chronischer Krankheiten (auch unter dem Aspekt der Lebensqualität der BeTab. 1: Prävalenzen mittel bis schwergradiger Erkrankungen troffenen in einer adäquaten mediziniPrävalenz mittel- bis schwergradiger Erkrankungen schen Versorgung) spiegelt sich ebenfalls Diagnose objektiv Rang subjektiv Rang in dem seit den 1970er Jahren von der Fettstoffwechselstörung 36,9 1 – – WHO entwickelten KlassifikationssysVenenleiden 36,2 2 9,7 5 tem von Krankheitsauswirkungen wider. Dieses Klassifikationssystem, die InterZerebralarteriosklerose 15,2 8 6,1 7 national Classification of Impairment, Herzinsuffiziens 24,1 4 25,1 2 Disability and Handicap – ICIDH-1 Osteoarthrose 31,6 3 32,1 1 [20], betrachtet den Gesundheitszustand Dorsopathien 20,6 5 20,4 3 als interaktiven, multidimensionalen ProHypertonie 18,4 6 0,8 8 zess, der sich auf drei Ebenen von ErHarninkontinenz 7,6 9 6,8 6 krankung und Erkrankungsfolgen beArterielle wegt: Strukturelle und funktionelle Verschlusskrankheiten 18,4 6 10,4 4 Schädigung (impairment), FähigkeitsMind. 1 Diagnose 96,0 – 71,3 – störung (Einschränkung im Alltag, disability) und Partizipationsstörung (sozi5 und mehr Diagnosen 30,2 – 6,0 – ale/ökonomische Krankheitsfolgen, hanModifiziert nach [15] dicap). 44 GERIATRIE JOURNAL 4/06 M U LT I M O R B I D I T ÄT : A N R E G U N G E N ZUR DEFINITION Aus einer Schädigung resultieren indi- wicklung des definitorischen Konzeptes viduelle Einschränkungen von Fähigkei- von Multimorbidität im Alter. Multiten, die wiederum zu einer Beeinträchti- morbidität geht über eine direkte oder ingung der Erfüllung sozialer Rollen füh- direkte numerische Bestimmung und ren können: Die Schlaganfallpatientin über die medizinische Behandlungsbemit Hemiparese, Fadürftigkeit von ErkranMit Multimorbidität im zialisparese und Dyskungen hinaus. Multiarthrie (impairment) Alter sind meist funktio- morbidität im Alter ist braucht seither Untermit Funktionsverlust, nelle Einschränkungen stützung beim WaHilfebedarf bzw. Inanassoziiert, die zu schen, Anziehen und spruchnahme medizieiner dauerhaften Essen und kann nur nisch-pflegerischer Leismit einem Rollator als Beeinträchtigung und in tungen und einer VerHilfsmittel laufen (disänderung der sozialen vielen Fällen zu Pflegeability). Weil sie durch Teilhabe verbunden. Eibedürftigkeit führen ihre Dysarthrie in ihrer ne Definition von MulSprechverständlichkeit timorbidität im Alter, eingeschränkt ist und sich ihres hängen- die den individuellen Auswirkungen der den Mundwinkels schämt, besucht sich Erkrankungen auf Autonomie und Lenicht mehr wie früher die regelmäßigen bensqualität der Betroffenen gerecht werTreffen mit ihren Freundinnen und den will, muss die Komplexität der Intersingt nicht mehr im Kirchenchor, was aktion von Schädigungen, Behinderunihre Kontakte stark einschränkt (handi- gen, Partizipation und insbesondere cap). individuelle Kontextfaktoren einbezieMit dem Ansatz der ICIDH werden hen. Es sollte nicht nur die Frage gestellt nun nicht mehr nur Diagnosen erstellt, werden, welche Anzahl und Art an Ersondern deren Folgen unter den Aspek- krankungen bei einer Person vorliegen, ten ihrer körperlichen („Schädigung“), sondern auch, welche dauerhaften Ausindividuellen („Fähigkeitsstörung“) und wirkungen Mehrfacherkrankungen auf gesellschaftlichen („Beeinträchtigung“) den alten Menschen und sein Leben haDimension beurteilt. Im Mai 2001 ver- ben und wie diese von ihm selbst erlebt abschiedete die WHO die zweite behin- und bewältigt werden. derungsspezifische Klassifikation, die International Classification of Functio- Literatur 1. Böhmer, F. (2000). Multimorbidität. In I. Füsgen ning, Disability and Health – ICF [21]. (Hrsg.), Der ältere Patient. Problemorientierte Diese Weiterentwicklung der ICIDH beDiagnostik und Therapie (S. 63-69). München: Urban und Fischer zieht stärker als der Vorgänger Kontext2. Borchelt, M., Gilberg, R., Horgas, A. L., Geiselfaktoren als Gesundheitskomponenten mann, B. (1996). Zur Bedeutung von Krankheit mit in die Beschreibung des Gesundund Behinderung im Alter. In K. U. Mayer & P. B. Baltes (Hrsg.), Die Berliner Altersstudie (S. 449heitszustandes ein. Die Komponenten 474). Berlin: Akademie Verlag Körperfunktionen, Aktivitäten und Par3. Corbin, J.M. & Strauss, A. (2003). Weiterleben tizipation werden in der ICF um die lernen. Verlauf und Bewältigung chronischer Krankheit (2., vollst. überarb. u. erw. Aufl.). Komponenten Umweltfaktoren und PerBern: Huber sönliche Faktoren erweitert. Somit finden 4. Grundy, E. & Glaser K. (2000). Socio-demografic differences in the onset and progression of nun einerseits persönliche und externe disability in early old age: a longitudinal study. Ressourcen (beispielsweise das soziale Age and Aging, 29, 149-57 Netz), über die eine Person verfügt, aber 5. Fortin, M., Lapointe, L., Hudon, C., Vanasse, A., Ntetu, A. L., & Maltais, D. (2004). Multimorbidity auch sozioökonomische Faktoren (beiand quality of life in primary care: a systematic spielsweise die Wohnsituation) Eingang review. Health and Quality of Life Outcomes, 2, 51-62 in die Beurteilung. Multimorbidität im Alter Die dargestellten Sichtweisen geben unseres Erachtens Anlass zur WeiterentGERIATRIE JOURNAL 4/06 6. Franke, H. & Schramm, A. (1993). Multimorbidität und Polypathie in der Praxis. München: MMV Medizin Verlag 7. Idler, E. L. (1993). Age differences in self-assessments of health: age changes, cohort differences, or survivorship? Journal of Gerontology: Social Sciences, 48, S289-S300 8. Knopf, H., Ellert, U., Melchert, H.-U. (1999). Sozialschicht und Gesundheit. Gesundheitswesen, 61, S169-S177 9. Kruse, A. (1992). Multimorbidität und Polypathie: Analyse des subjektiven Gesundheitszustandes und Vorschläge für ein erweitertes Verständnis der Gesundheit im Alter. In R. D. Hirsch, J. Bruder, H. Radebold, H. K. Schneider (Hrsg.), Multimorbidität im Alter. Herausforderung für die Psychotherapie (S. 62-74). Bern: Hans Huber 10. Leistner K. (2001). Ist die ICIDH für die geriatrische Rehabilitation geeignet? Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 34, I/30-I/35 11. Linden, M. Gilberg, R., Horgas, A. L., SteinhagenThiessen (1996). Die Inanspruchnahme medizinischer und pflegerischer Hilfe im hohen Alter. In K. U. Mayer & P. B. Baltes (Hrsg.). Die Berliner Altersstudie. Berlin: Akademie Verlag. 12. Mayer, K. U. & Baltes, P. B. (Hrsg.) (1996). Die Berliner Altersstudie. Berlin: Akademie Verlag 13. Pinquart, M. (2001). Correlates of subjective health in older adults: a meta-analysis. Psychology and Aging, 16, 414-426 14. Schramm, A. (1988). Polypathie und Multimorbidität. In E. Lang (Hrsg.), Praktische Geriatrie (S. 81-84). Stuttgart: Ferdinand Enke 15. Steinhagen-Thiessen, E., Borchelt, M. (1996). Morbidität, Medikation und Funktionalität im Alter. In K. U. Mayer, P. B. Baltes (Hrsg.), Die Berliner Altersstudie (S. 151-183). Berlin: Akademie Verlag 16. Steinhagen-Thiessen, E., Gerok, W., Borchelt, M. (1992). Innere Medizin und Geriatrie. In P.B.Baltes, J. Mittelstrass (Hrsg.), Zukunft des Alterns und gesellschaftliche Entwicklung (S. 124-150). Berlin: Walter de Gruyter 17. van den Akker, M., Buntinx, F., Roos, S., Knottnerus, J. A. (2001). Problems in determining occurrence rates of multimorbidity. Journal of Clinical Epidemiology, 54, 675-679 18. van den Akker, M., Buntinx, F., Knottnerus, J. A. (1996). Comorbidity or multimorbidity: what’s in a name? A review of literature. European Journal of General Practice, 2, 65-70 19. von Renteln-Kruse, W. (2001). Epidemiologische Aspekte der Morbidität im Alter. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 34, I/10-I/15 20. World Health Organisation (1980). International classification of impairments, disabilities and handicaps. Genf: Eigenverlag 21. World Health Organisation (2001). International classification of functioning, disability and health. Online: http://www3.who.int/icf/icftemplate.cfm (Stand: 08.11.2005) 22. Yi, Z. & Vaupel, J. W. (2002). Functional capacity and self-evaluation of health and life of oldest old in China. Journal of Social Issues, 58, 733-748 Korrespondenzadresse: Arbeitsgruppe „Multimorbidität“, c/o Dipl.-Psych. Martin Holzhausen, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Zentrum für Human- und Gesundheitswissenschaften, Graduiertenkolleg Multimorbidität im Alter, Luisenstr. 13, 10117 Berlin, eMail: [email protected] 45 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Erektile Dysfunktion Zusammenhang mit endothelialen Schäden Viele Arzneimittel können zu sexuellen Dysfunktionen wie Potenz- bzw. Erektionsstörungen führen. Zu diesen zählen auch Betablocker, deren Hauptaufgabe die Blutdrucksenkung ist. Der Therapieerfolg ist aber nicht nur von der Wirksamkeit eines Präparates abhängig, sondern auch von der Verträglichkeit und damit der Compliance der Patienten. So führen unerwünschte Wirkungen oft zum Therapieabbruch bzw. zur Einschränkung der Lebensqualität. Typische Nebenwirkungen der Betablocker sind Kältegefühl in den Extremitäten, Kopfschmerzen und erektile Dysfunktion. Nebivolol (Nebilet®) senkt als hochselektiver beta-1-Rezeptorenblocker den Blutdruck, wirkt protektiv auf das Gefäßsystem und reduziert die unerwünschten „Betablocker-typischen“ Nebenwirkungen. Den positiven Effekt von Nebivolol auf die erektile Dysfunktion führt PD Dr. Klara Brixius aus Köln auf die Aktivierung der endothelialen Stickstoffmonoxid-Synthase (eNOS) zurück. Dies ist ein zusätzlicher Wirkmechanismus von Nebivolol, der für zahlreiche therapeutische Zusatzeigenschaften verantwortlich ist, z.B. die vasodilatierende Wirkung: die Endothelzellen geben das synthetisierte NO an die umliegende Gefäßmuskulatur ab. Dadurch erweitern sich die Gefäße und die Durchblutung wird verbessert. Nebivolol verbessert somit die Endothelfunktion. Umgekehrt kommt es bei reduziertem NO-Angebot zu arteriosklerotischen Gefäßveränderungen. Diese sog. endotheliale Dysfunktion stellt den Anfang einer systemischen Gefäßerkrankung dar mit dem Risiko eines Schlaganfalls oder ei- Erkrankungen des Bewegungsapparates Stellenwert des Acemetacins Das nichtsteroidale Antirheumatikum Acemetacin (Rantudil®) ist seit mehr als 20 Jahren im klinischen Einsatz. Seine Wirksamkeit und Verträglichkeit wurden in zahlreichen Studien nachgewiesen. Dabei zeigte Acemetacin im Vergleich zu anderen Substanzen aus der NSAR-Klasse und zu modernen Hemmern des Cyclooxygenase2 (Cox-2-Hemmern) eine vergleichbar gute antiphlogistische und analgetische Wirksamkeit, jedoch deutliche Vorteile im Hinblick auf die Verträglichkeit. Dies gilt vor allem für die retardierte Darreichungsform mit einer rasch einsetzenden und lang anhaltenden Wirksamkeit. Segura et al. [1] veröffentlichen 2002 die Ergebnisse der ETAPAM-Studie, in die mehr als 5.600 Patienten aufgenommen wurden. Alle Patienten erhielten Acemetacin aus unterschiedlichen Gründen: Sportverletzungen (ca. 30%), Gelenkarthrose (ca. 20%), rheumatoide Arthri- 46 tis (ca. 17%), Fibromyalgie, Morbus Bechterew usw. Die Nachbeobachtungszeit betrug sechs Monate. In dieser Zeit wurde u.a. die Wirksamkeit anhand der visuellen Analogskala geprüft: Zu Therapiebeginn gaben 76,9% der Patenten Werte zwischen 6-9 an und nach sechs Monaten lagen die Werte bei 77,7% der Patienten zwischen 1-3. Insgesamt beurteilten 94,1% der Patienten die Therapie als gut oder sehr gut, eine ähnlich gute Wirksamkeit bescheinigten auch die Prüfärzte. In 7,23% traten Nebenwirkungen auf, 5,3% waren gastrointestinale Symptome – im Vergleich zu anderen NSAR eine niedrige Quote. Leeb et al. [2] untersuchten in einer randomisierten Doppelblindstudie die Wirksamkeit von retardiertem Acemetacin im Vergleich zu dem Cox-2-Hemmer Celecoxib an 105 Patienten mit Gonarthrose. Hinsichtlich der Kriterien „Bewegungsschmerz“ und „Ruheschmerz“ kam es in nes Herzinfarkts dar. Die penilen Gefäße und das Endothel des Corpus cavernosum unterliegen denselben Mechanismen wie die übrigen Gefäße. Zudem ist die NO-Produktion essentiell für die physiologische Erektion. Endothelschäden können sich daher auch in Form von Erektionsstörungen bemerkbar machen. Den Zusammenhang zwischen erektiler Dysfunktion und koronarer Herzkrankheit belegen mehrere Studien. Auf Grund dieser Assoziation wäre es denkbar, die erektile Dysfunktion als Prädiktor für das Vorhandensein von Risikofaktoren einer KHK bzw. einer manifesten KHK zu werten. Es ist auch vorstellbar, so Brixius, die erektile Dysfunktion durch Aktivierung der eNOS zu behandeln. RM/JB Symposium „Nicht-interventionelle Therapie und Lebensqualität im Alter“ im Rahmen der 72. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, 22. April 2006, Mannheim; Berlin-Chemie AG, Berlin, www.berlin-chemie.de beiden Behandlungsgruppen zu vergleichbar guten Ergebnissen. Beide Substanzen erwiesen sich als wirksam bei der Beurteilung der Schmerzen, Gelenksteifheit und Gelenkfunktionalität. Unerwünschte Wirkungen traten unter Acemetacin nicht häufiger auf als unter der Vergleichssubstanz. Dies betraf auch für gastrointestinale Beschwerden. Damit bestätigt Acemetacin nach wie vor seinen festen Stellenwert in der Therapie von entzündlichen oder degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates, nicht nur wegen seiner guten Wirksamkeit, sondern insbesondere auch wegen seiner guten Verträglichkeit. RM Literatur 1. Segura et al.: Efficacy and Tolerability of Acemetacin, a Non-Steroidal Anti-Inflammatory Drug, in Mexican Patients: Result of the ETAPAM Study. Proc. West. Pharmacol., Soc. 2002; 45: 104-107 2. Leeb et al.: Behandlung der gonarthrose. Wirksamkeit und Verträglichkeit von retardiertem Acemetacin im Vergleich zu Celecoxib. Der Orthopäde 2004; 33: 1032-1041 Information der Meda Pharma GmbH & Co. KG, Bad Homburg GERIATRIE JOURNAL 4/06 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Tumorschmerzen/Opioide Zirkadianer Schmerzrhythmus erfordert flexible Medikation Aus chronopharmakologischer Sicht gelten für ein Arzneimittel folgende Forderungen: richtige Menge, richtige Substanz, Erreichen des richtigen Zielorgans zur richtigen Zeit. Dies gilt auch für Schmerzmittel. Wie Prof. Dr. med. Dr. h. c. Björn Lemmer aus Heidelberg erläuterte, weiß man aus Konzentrationsmessungen von Endorphinen und Enzephalinen im Gehirn, dass sie einen zirkadianen Rhythmus aufweisen. Daher zeigen auch Lokalanästhetika und Analgetika tageszeitliche Wirkungsschwankungen. Ein Beispiel: Bei der rheumatoiden Arthritis treten die Schmerzen vorwiegend morgens auf, daher sollte die Medikation abends erfolgen. In zahlreichen anderen Studien konnte gezeigt werden, dass eine selbst gesteuerte Zu- fuhr von Hydromorphin bei Karzinompatienten ebenfalls rhythmisch war: Den größten Schmerzmittelbedarf hatten diese Patienten während des Tages. Diese rhythmischen Schmerzmuster erfordern also Medikamente, die nicht nur die Art der Schmerzen berücksichtigen, sondern auch ihre tageszeitliche Variation. Die Konsequenz lautet: chronobiologische Schmerztherapie, so Dr. med. Uwe Junker aus Remscheid. Die häufig angewendete transdermale Zufuhr eines Schmerzmittels zeigt zwar über 24 Stunden einen konstanten Plasmaspiegel, berücksichtigt jedoch nicht den erhöhten Bedarf des Tumorpatienten etwa zwischen 10.00 und 22.00 Uhr, während der Plasmaspiegel in der Nacht unnötig hoch ist. Dr. Junker empfiehlt bei Tumorpatienten das retardierte und schnell wirkende Hydromorphon (Palladon® retard) als Therapie der ersten Wahl. Hydromorphon weist eine geringe Plasmaeiweißbindung auf und hat eine vom Cytochrom P 450-Enzymsystem unabhängige Metabolisierung, immer ein Vorteil bei Patienten mit einer Polypharmakotherapie. Zudem kann unter retardiertem Hydromorphon die analgetische Bedarfsmedikation eingespart werden – in der vorgetragenen multizentrischen Kohortenstudie sogar um 50%. Hydromorphon zeigte darüber hinaus im Vergleich zu Fentanyl eine bessere Wirksamkeit und Verträglichkeit mit Reduktion auch der gastrointestinalen Symptome. Eine Kombination mit Cox-2-Hemmern bietet einen zusätzlichen antiphlogistischen Effekt, die mit Antiepileptika empfiehlt sich bei neuropathischen Schmerzen. Bei den meisten Krebspatienten ist eine Opioid-Langzeittherapie erforderlich. Die Gabe schwacher Opioide birgt die ANZEIGE GERIATRIE JOURNAL 4/06 47 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Gefahr, dass die Bedarfsmedikation maximal gesteigert wird und dadurch Nebenwirkungen hervorgerufen werden, ohne einen optimalen Effekt zu erzielen. Um dieses Risiko abzuwenden, sollte man unter Auslassung der ersten beiden Stufen gleich mit Opioiden der WHO-Stufe III in niedriger Dosis beginnen. Fazit: auch unter chronobiologischen Aspekten sind orale Opioide wie Hydromorphon wirksame und sichere Medikamente in der Behandlung starker Schmerzen. RM Pressegespräch „Ein Unterschied wie Tag und Nacht – Auch in der Tumorschmerztherapie? 24-Stunden-Rhythmus erfordert flexible Medikation“ 25. März 2006 im Rahmen des 27. Deutschen Krebskongresses in Berlin; Mundipharma GmbH, Limburg, www.mundipharma.de Behandlung des hormonrefraktären Prostatakarzinoms Empfehlungen zur Chemotherapie mit Docetaxel Mit jährlich 35.000 Erkrankungen ist Prostatakrebs in Deutschland die häufigste Krebsart bei Männern. Diese Zahl verdeutlicht die Notwendigkeit der jährlichen Vorsorgeuntersuchung ab dem 45. Lebensjahr. Denn je früher mit einer Therapie begonnen wird, umso höher sind die Überlebensraten. Therapeutisch kommen in frühen Stadien operative Entfernung und Strahlentherapie zur Anwendung, in fortgeschrittenen Fällen die Hormon- und Chemotherapie. Letztere ist ein wichtiger Bestandteil der therapeutischen Alternativen, vor allem bei Versagen der Hormontherapie und wenn der Krebs bereits gestreut hat. Intraokularlinsen Brillenfreies Sehen für mehr Lebensqualität Der Vorteil für Katarakt-Patienten, denen multifokale Intraokularlinsen (IOL) eingesetzt werden, ist weitgehende Unabhängigkeit von der Lesebrille. Nachteile dieses optischen Prinzips sind nicht selten beeinträchtigende Blendeffekte sowie ein verschlechtertes Kontrastsehen. IOL ohne Korrektur für die sphärische Aberration der Kornea zeigen bei Pupillenweiten von über 3 mm zudem abnehmende optische Qualität. Die Folgen davon können, gerade für die zumeist betagten Patienten, erhöhte Sturzgefahr und reduzierte Nachtfahrtauglichkeit sein. Die Tecnis® Multifokallinse ist eine wavefrontdesigned Multifokallinse, die sphärische Aberrationen ausgleicht. Das Ergebnis ist ein schärferes, kontrastreicheres Bild und ein insgesamt besserer funktioneller Visus – unabhängig von der Pupillenweite. Tecnis® ZM900, die diffraktive Multifokallinse der dritten Generation, ermöglicht Katarakt-Patienten eine überwiegend brillenfreie Fern-und Nahsicht. 48 Ein innovativer Ansatz ist Mix & Match. Hier werden die Vorteile einer diffraktiven Multifokallinse mit denen einer refraktiven kombiniert. Dem Patienten wird dabei in ein Auge eine diffraktive Multifokallinse eingesetzt, in das andere eine refraktive. Im Zusammenspiel beider optischen Prinzipien zeichnet sich eine praktische Rundum-Lösung für Patienten ab, die damit – entsprechend aktueller Studien (Akaishi & Fabri, ASCRS 2006) ganz ohne Brillen auskommen. Fachpressegespräch „Brillenunabhängigkeit versus Abrechnungsdschungel: Wie Patienten und Behandler vom Einsatz multifokaler IOL bei Katarakt profitieren“ anlässlich des 19. Kongresses der Deutschen Ophtalmochirurgen, 26. Mai 2006, Nürnberg; AMO Advanced Medical Optics Germany GmbH, Ettlingen, www.amo-inc.de Seit Ende 2004 ist das neue Präparat Docetaxel (Taxotere®) in Kombination mit Prednison für den Einsatz bei fortgeschrittenem hormonrefraktärem Prostatakarzinom zugelassen. In klinischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass mit Docetaxel die Überlebensrate der Patienten signifikant verbessert wurde. Damit konnte erstmals ein lebensverlängernder Effekt einer Chemotherapie bei hormonrefraktärem Prostatakarzinom nachgewiesen werden, sagte Dr. med. Klaus Becker aus Hamburg anlässlich eines Symposiums in Berlin. Die neue Therapie löste aber auch kontroverse Diskussionen aus, vor allem hinsichtlich des Beginns, der Durchführung und der Dauer der Chemotherapie. Um diese Fragen zu klären, hat sich im Juli 2005 ein interdisziplinäres Expertenteam zusammengesetzt und Empfehlungen für den Einsatz von Docetaxel beim fortgeschrittenen hormonrefraktären Prostatakarzinom erarbeitet. Wie Prof. Dr. med. Kurt Miller, Berlin, erläuterte, bestand in der Expertenrunde Einigkeit über folgende Punkte: Die Therapie mit Docetaxel soll bei Patienten erfolgen, @ deren Erkrankung progressiv ist und sich hierdurch klinische Symptome wie Schmerzen zeigen, @ die einen asymptomatischen Verlauf aufweisen, aber ein schneller PSA-Anstieg oder eine Progression nachgewiesen wurde, @ die einen PSA-Anstieg aufweisen und den dringenden Wunsch nach Therapie äußern. Zur erfolgreichen Dosierung von Docetaxel wird die drei-wöchentliche Gabe von 75 mg/m2 per infusionem über einen Zeitraum von 60 Minuten empfohlen. Dies basiert auf einer Vergleichsstudie mit Mitoxantron: Die 3-wöchentliche Verabreichung war gegenüber dem Vergleichspräparat sowie der wöchentlichen Gabe von 35 mg/m2 Docetaxel deutlich überlegen. GERIATRIE JOURNAL 4/06 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Die PSA-Kontrolle nach drei Zyklen erlaubt die erste Beurteilung der Effektivität der Docetaxel-Therapie. Im weiteren Verlauf der Behandlung sollten PSA-Kontrollen nach jedem Zyklus durchgeführt werden. Studien belegen, dass die Wirksamkeit der Therapie mit den abnehmenden PSA-Werten korreliert. Die Therapiekontrolle erfolgt anhand von Blutbildbestimmungen: Bei einer Neutrophilenzahl unter 2/nl und Thrombozytenzahl unter 80/nl und fehlen von schweren, nicht-hämatologischen Nebenwirkungen kann der nachfolgende Therapiezyklus begonnen werden. Andernfalls wird empfohlen, den Therapiezyklus um eine Woche zu verschieben und bei Nebenwirkungen ggf. die 3-wöchentliche Docetaxel-Dosis auf 60 mg/m2 zu reduzieren. Bei einer PSA-Verdopplungszeit unter drei Monaten sollte die Docetaxel-Therapie abgebrochen werden. Steigen die PSA-Werte nur langsam, entscheiden klinische Parameter über die Fortsetzung der Chemotherapie. In jedem Fall setzt die Chemotherapie des Prostatakarzinoms die Erfahrung des behandelnden Arztes voraus. Mit entsprechenden Kenntnissen und Qualifikationen, so Dr. med. Götz Geiges, Berlin, stellt der Einsatz von Docetaxel/Prednison in den oben genannten Dosierungen eine sehr effektive Therapie mit beherrschbaren Nebenwirkungen dar. JB/RM Mittagssymposium „Interdisziplinäre Therapieempfehlungen zur Behandlung des hormonrefraktären Prostatakarzinoms“ und Pressekonferenz „Die systematische Therapie des HRPC: Aktuelle Empfehlungen zur Behandlung mit Taxotere®“ anlässlich des 27. Deutschen Krebskongresses, 23. März 2006 in Berlin; Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main, www.sanofi-aventis.de Rheumatoide Arthritis Ankylosierend Spondylitis Frühe Therapie mit TNF alpha-Blocker verhindert Glenkzerstörung Die Behandlung rheumatischer Erkrankungen hat in den letzten Jahren deutliche Fortschritte erzielt. Durch Kombinationen von bis zu drei Basistherapeutika und zusätzlichem Einsatz von Kortison und Schmerzmitteln konnte in 50% der Fälle ein Therapieerfolg erzielt werden, der allerdings mit einer hohen Nebenwirkungsrate erkauft werden musste. Die Methotrexat Monotherapie weist bei einer ähnlichen Erfolgsquote eine wesentlich bessere Verträglichkeit auf. Mit der Einführung von TNF alpha-Hemmern wie Etanercept wird ein weiterer großer Fortschritt erzielt Die Daten der TEMPO Studie (Trial of Etanercept and Methotrexat with Radiographic Patient Outcome) zeigten für die Kombinationstherapie von Methotrexat (MTX) und Etanercept (Enbrel®) nach drei Jahren eine deutlich überlegene Wirkung gegenüber den MonotheraGERIATRIE JOURNAL 4/06 pien beider Substanzen erläuterte Prof. Dr. J. Kekow, Vogelsang/Magdeburg, anlässlich eines Presseworkshops während des EULAR in Amsterdam. Die mittleren Veränderungen des Total Sharp Scores (TTS, Summe der Punktwerte für Erosionen und Gelenkspaltverschmälerungen) gegenüber den Ausgangswerten fielen in der Kombinationsgruppe signifikant niedriger aus. Im Gegensatz zu den Entwicklungen des TTS in den Monotherapiegruppen lag die mittlere Veränderung des Scores unter der Null-Linie. Die günstige Entwicklung ist in erster Linie auf eine Abnahme der Erosionen zurück zu führen, welches sogar auf einen Heilungsprozess in einzelnen Fällen schließen lässt. Bei 76% der mit der Kombination behandelten Patienten konnte das Fehlen der Progression der Gelenkzerstörung röntgenologisch nachgewiesen werden, Ansprechraten, die bislang von keinem Rheumatherapeutikum und keiner Kombination erreicht werden konnten. Eine einjährige offen geführte Studienerweiterung von TEMPO zeigte am Ende dieses vierten Jahres eine Remissionsrate bei 50% der Patienten bei weiterhin nachhaltig guter Wirkung und Verträglichkeit. Bei den Patienten, die in den ersten drei Jahren eine MTX Monotherapie erhielten, konnte durch die zusätzliche Gabe von Etanercept eine verbesserte klinische Wirksamkeit mit einer ähnlich hohen Ansprechquote wie in der kontinuierlichen Kombinationsgruppe nachgewiesen werden. In der Etanercept Monotherapiegruppe konnten durch Hinzufügen von MTX bei einer leicht verbesserten klinischen Wirkung, die Ansprechquoten der Kombinationsgruppe jedoch nicht erzielt werden. Auch für die Behandlung der AS (Morbus Bechterew) liegen überzeugende Studienergebnisse für TNF alpha- Blocker vor, die zu einer Therapieempfehlung (ASAS/EULAR) führten. Dabei besteht eine deutliche Korrelation zwischen Krankheitsdauer und Ansprechen der Therapie, wie die von Prof. Dr. Sieper, Berlin, vorgestellten Daten belegen. Bei einer Krankheitsdauer von unter zehn Jahren wird eine Verbesserung im BASDAI von 50% bei 73% der Patienten erzielt. Der Prozentsatz sinkt kontinuierlich bei späterem Therapiebeginn. Dabei stellt die ausgeprägte Verzögerung zwischen Krankheitsbeginn und Erstdiagnose ein größeres Problem dar. In der Regel vergehen bis zu zehn Jahre bis zur Diagnose. Der Rückenschmerz als Leitsymptom einer frühen AS ist so häufig, dass der Nicht-Orthopäde oder NichtRheumatologe nur selten an diese Möglichkeit denkt. Daher wurden kürzlich Kriterien entwickelt, die eine Diagnosestellung bereits vor röntgenologisch nachweisbaren Veränderungen der Sakroiliakalgelenke ermöglichen. Die Screening Methoden helfen dem Hausarzt diese Patienten aus der großen Menge von Rückenschmerzpatienten herauszufiltern. Bei einem hohen Prozentsatz der Patienten, die in Berlin von den nach diesen Methoden arbeitenden Ärzten überwiesen wurden, konnte die Diagnose AS oder frühe AS auch verifiziert werden. 49 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Vor kurzem veröffentlichte Empfehlungen betonen auch bei der Therapie der AS die herausragende Rolle der TNF alpha-Blocker. Die Krankheitsaktivität konnte bei 50% der Patienten die intensiv konventionell vorbehandelt wurden durch zusätzliche Gabe von Etanercept um mindestens 50% gebessert werden. Die Besserung der Symptome geht einher mit einem in der Kernspintomographie deutlich nachweisbaren Rückgang der Entzündung der betroffenen Knochen. Ein Absetzen der Therapie ist wegen der dann regelmäßigen Rezidive nicht zu empfehlen. Eine kontinuierliche Gabe ist jedoch wegen der geringen Nebenwirkungsquote unproblematisch. Neben der Besserung der rheumatischen Beschwerden wird auch das Auftreten der Regenbogenhautentzündung als häufige Komplikation der Erkrankung reduziert. Die Ergebnisse der vorgestellten Studien und die sich abzeichnenden Möglichkeiten die Patienten zu identifizieren, die auf Feuchte, altersabhängige Makuladegeneration Neuer Therapieansatz durch Hemmung des VEGF165 Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist die häufigste Ursache für einen Visusverlust und für eine Erblindung bei Personen über 50 Jahren. Bei der trockenen (atrophischen) AMD treten gelblichweiße Ablagerungen der Netzhaut, Pigmentstörungen des retinalen Pigmentepithels, eine Atrophie und ggf. Netzhautschäden auf. Seltener, jedoch schwerwiegender ist die feuchte Form; sie führt in 90% der Fälle zur Erblindung. Bei der feuchten (exsudativen, neovaskulären) AMD kommt es zur irreversiblen Schädigung der zentralen Netzhaut, basierend auf der Ausschüttung von Wachstumsfaktoren wie VEGF (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor). Diese führen zu choroidalen Neovaskularisationen, zur Leckage und schließlich zur Schädigung der Makula mit Verlust der zentralen Sehfunktion. VEGF ist bei allen choroidalen Neovaskularisationen nachweisbar, sagte Prof. Dr. Salvatore Grisanti aus Tübingen anlässlich einer Pressekonferenz. Im Tierversuch zeigte die Hemmung des VEGF eine deutliche Inhibition der neovaskulären Prozesse. Ein therapeutisches Vorgehen durch Hemmung des VGEF muss jedoch selektiv erfolgen, da sonst auch die physiologischen Vorgänge beeinflusst werden. VEGF121 und VEGF165 sind die Hauptisoformen, die im Auge exprimiert werden. Durch selektive Hemmung der 50 VEGF165-Isoform kann die pathologische Gefäßneubildung wirksam inhibiert werden, ohne die physiologischen Vorgänge anzugreifen. Mit Pegaptanib-Natrium (Macugen®) wurde ein Wirkstoff entwickelt, der nach intravitrealer Injektion das VEGF165 spezifisch blockiert. Dadurch lässt sich ein weiteres Gefäßwachstum verhindern und damit die Verschlechterung des Sehvermögens aufhalten. Dies zeigt u. a. die VISION-Studie, eine randomisierte, doppelblinde und kontrollierte Phase-III-Studie an 1.186 Patienten mit subfovealen choroidalen Neovaskularisationen bei AMD. Wie Prof. Dr. Frank G. Holz aus Bonn erläuterte, trat nach 54 Wochen eine Stabilisierung (Verringerung der Sehschärfe von weniger als drei Zeilen auf einer standardisierten Lesetafel) bei 70% der Patienten auf, die in sechswöchigen Intervallen mit Pegaptanib-Natrium behandelt wurden (gegenüber 55% in der Kontrollgruppe). Neuere Daten über eine Therapiedauer von 102 Wochen zeigen, dass die längere Behandlung effektiver war als die kürzere. Wurde die Behandlung nach einem Jahr abgebrochen, wiesen zahlreiche Patienten erneut neovaskuläre Prozesse auf. Die Effektivität der Behandlung war darüber hinaus vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns abhängig: Bei 76% der Patienten mit leichtem Visusverlust und frühen Läsionen trat eine Stabilisie- die Therapie mit TFN alpha- Blockern gut ansprechen, lassen hoffen, dass dieses Therapieprinzip häufiger eingesetzt wird, um gerade bei den hochentzündlichen Rheumaformen die Option eines Krankheitsstopps oder gar der Heilung zu erhalten. RM Presseworkshop „Remission im Fokus – Moderne Therapie von RA und AS“ 21. Juni 2006, Amsterdam, Wyeth Pharma GmbH, ww.wyeth.de rung nach 54 Wochen auf (50% in der Kontrollgruppe). Bei etwa einem Drittel der Patienten, die mit Pegaptanib-Natrium behandelt wurde, konnte die Sehkraft erhalten werden (18% in der Kontrollgruppe). 12% der Patienten zeigten sogar eine Visusverbesserung. Das Risiko eines schweren Verlustes der Sehkraft konnte durch Pegaptanib-Natrium deutlich reduziert werden (3% gegenüber 29% in der Kontrollgruppe). Damit erwies sich die Behandlung der feuchten AMD mit Pegaptanib-Natrium als effektiv, insbesondere bei frühen Läsionen. Die Zulassungsstudien zeigen auch eine sehr gute Verträglichkeit der Substanz. Wie Prof. Dr. Stefan Dithmar aus Heidelberg berichtete, kommt es durch die intravitreale Injektion von Pegaptanib-Natrium zu keinen systemischen Nebenwirkungen oder lokalen Problemen wie Erhöhung des Augeninnendrucks oder Kataraktentstehung. Linsen- oder Netzhautverletzungen treten nur bei falscher Injektionstechnik auf. Die Behandlung sollte daher nur von erfahrenen Fachärzten für Augenheilkunde mit Kenntnissen über intravitreale Medikamentenapplikation erfolgen. Unter streng aseptischen Bedingungen kann das Risiko für eine Endophthalmitis minimiert werden. Pegaptanib-Natrium ist seit Januar 2006 für die Behandlung aller angiographischen Subtypen der feuchten AMD zugelassen. RM „Selektive VEGF-Hemmung: Ein neuer Weg in der Therapie der feuchten AMD“, Launch-Pressekonferenz, 25. April 2006 in Frankfurt; Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe, www.pfizer.de GERIATRIE JOURNAL 4/06 IMPRESSUM/TERMINE Impressum Termine 2006 Herausgeber: @ 30. August 2006, Woltersdorf Prof. Dr. Dr. med. G. Kolb, Lingen; Prof. Dr. med. I. Füsgen, Wuppertal; Prof. Dr. med. C. Sieber, Nürnberg; Prof. Dr. med. B. Höltmann, Grevenbroich; Prof. Dr. R. Hardt, Trier; PD Dr. M. Haupt, Düsseldorf; Dr. D. Lüttje, Osnabrück Parenterale Ernährung und Diabetes Redaktion: Jola Horschig (Ltd. Redakteurin, presserecht- Demenz - Grundlagenwissen und Vertiefung, lich verantwortlich), Im Kampe 9, 31832 Springe, Telefon: 0 50 41 / 98 90 58, Telefax: 0 50 41/ 98 90 59, e-Mail: [email protected] Herstellung: Sabine Löffler (verantwortlich) Informationen: Akademie bei König & Müller, Semmelstr. 36/3, 97070 Würzburg, Tel. 09 31/46 07 90-33, Fax -34, eMail: [email protected], www.neuropsychologie.de Grafik: Sabine Löffler (verantwortlich) @ 20. bis 23. September 2006, Bad Ischl (Österreich) Verlag: gerikomm Media, Kampstr. 7, 30629 Hannover 3. Internationaler Kongress für Interdisziplinäre Gerontologie – mit Alzheimer Akademie Verlagsleiter: Uwe Wegner, Telefon: 05 11 / 58 15 84, Telefax: 05 11 / 58 32 84, e-Mail: [email protected] Anzeigen: Uwe Wegner, Telefon: 05 11 / 58 15 84, Telefax: 05 11 / 58 32 84, e-Mail: [email protected] Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 01.01.2004 Anzeigenschluss: 3 Wochen vor Erscheinen Rechte: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mirkoverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag behält sich das ausschließliche Recht der Verbreitung, Übersetzung und jeglicher Wiedergabe auch von Teilen dieser Zeitschrift durch Nachdruck, Fotokopie, Mikrofilm, EDVVerwertung on- und off-line, Funk- oder Fernsehaufzeichnung vor. Jede gewerblich hergestellte oder benutzte Fotokopie verpflichtet nach Paragraph 54 (2) UrhRG zur Gebührenzahlung an die VG Wort, Abt. Wissenschaft, Goethestr. 49, 80336 München, von der die Modalitäten zu erfragen sind. Hinweise: Die in dieser Zeitschrift angegebenen Dosie- rungen vor allem von Neuzulassungen sollten in jedem Fall mit den Beipackzetteln der verwendeten Medikamente verglichen werden. Alle Informationen werden nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für die Richtigkeit gegeben. Vertrieb: gerikomm Media, Heike Niemann, Telefon: 05 11 / 58 15 84, Telefax: 05 11 / 58 32 84 Bezugspreise: Jahresbezugspreise für 6 Ausgaben inkl. Versandkosten: Inland: Euro 42,– Ausland: Euro 46,– Studenten/AiP (gegen Vorlage einer Bescheinigung): Inland: Euro 28,– Studenten/AiP (gegen Vorlage einer Bescheinigung): Ausland: Euro 32,– Institutionen: Euro 62,– Einzelheft: Euro 12,– Für Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Informationen: Ev. Krankenhaus „Gottesfriede“ GmbH, Schleusenstr. 50, Woltersdorf, Tel. 0 33 62/779-0, Fax -109, eMail: [email protected], www.krankenhaus-woltersdorf.de @ 15./16. September 2006, Berlin Informationen: Verein M.A.S. – Morbus Alzheimer Syndrom, Kongressleitung, Lindaustr. 28, 4820 Bad Ischl (Österreich), Tel. 00 43/61 32/214 10, Fax 00 43/61 32/214 10-10, eMail: [email protected], www.mas.or.at @ 21. bis 23.September 2006, Loveno di Menaggio (Italien) 14th Glycosaminoglycan Symposium – Anticoagulants/Characterisation of glycosaminoglycans/Structure-function relationship/ Clinical studies Informationen: Universitätsklinikum Mannheim, Prof.Dr. J.Harenberg, IV. Medizinische Klinik, Theodor-Kutzer-Ufer, 68167 Mannheim, Tel. 06 21/383-33 78, Fax -38 08, eMail: [email protected] @ 28. September - 1.Oktober 2006, Bad Griesbach Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für Präventivmedizin e.V. Informationen: Zahnarztpraxis Dr. Klaus-Peter Prechtl, Geschäftsstelle Internationale Gesellschaft für Präventivmedizin e.V., Gleichmannstr. 4, 81241 München/Pasing, Tel. 089/82 99 53-0, Fax -12, eMail: [email protected], www.internationale-gesellschaft-fuerpraeventivmedizin.de @ 25. Oktober 2006, Woltersdorf Diagnostik und Behandlung kognitiver Störungen im Alter Informationen: Ev. Krankenhaus „Gottesfriede“ GmbH, Schleusenstr. 50, Woltersdorf, Tel. 0 33 62/779-0, Fax -109, eMail: [email protected], www.krankenhaus-woltersdorf.de @ 21. Oktober 2006, Berlin 4. Demenz-Symposium am Evangelischen Geriatriezentrum Berlin, „Demenz – den Menschen nicht vergessen“ Informationen: Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Geriatrie, Reinickendorfer Str. 61, 13347 Berlin, Tel. 030/45 94-18 30/ -18 31, Fax -18 20, eMail: [email protected], www. egzb.de Gerichtsstand und Erfüllungsort: Hannover. @ 17./18. November 2006, Berlin Druck: Verlag Gödicke Druck & Consulting, Hannover Diagnostik und Therapie von Schluckstörungen in Neurologie, Geriatrie und freier Praxis © gerikomm Media 2006 Druckauflage: 5.500 Exemplare GERIATRIE JOURNAL 4/06 ISSN 1439-1139 III. Quartal 2006 Informationen: Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Geriatrie, Reinickendorfer Str. 61, 13347 Berlin, Tel. 030/45 94-18 30/ -18 31, Fax -18 20, eMail: [email protected], www. egzb.de 51