KAPITEL 3 Kapitel 3: INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Gliederung 1. 2. 3. 4. 5. 6. Verhandlungslösungen Staatliche Einflussnahme auf Preise - speziell Besteuerung Staatliche Einflussnahme auf Mengen - Auflagen, Zertifikate Beurteilung von Preis- und Mengensteuerung Beurteilung von Preis- und Mengensteuerung unter Unsicherheit Staatliche Einflussnahme auf das „Umweltbewusstsein“ In diesem Kapitel werden verschiedene Möglichkeiten zur Internalisierung externer Effekte vorgestellt und beurteilt. Der Schwerpunkt liegt bei der Internalisierung negativer externer Effekte, da diese für den Umweltbereich besonders wichtig sind. Darüber hinaus konzentrieren sich die Ausführungen auf Internalisierungen im nationalen Rahmen, oder anders ausgedrückt: auf die Internalisierung nationaler Externalitäten. Die Internalisierung globaler Externalitäten, wie sie etwa im Klimabereich vorliegen, wird in Kapitel 5 behandelt. 1. Verhandlungslösungen Grundidee: Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts waren sich die Ökonomen darüber einig, dass externe Effekte nur mit Hilfe staatlicher Markteingriffe (Steuern, Subventionen, Mindest- bzw. Höchstpreise etc.) internalisierbar seien. 1961 hat R.H. Coase jedoch in seinem Artikel "The Problem of Social Costs" darauf hingewiesen, dass es zur Internalisierung externer Effekte nicht unbedingt dieser Art der staatlichen Regulierung bedarf. Stattdessen brauche es lediglich Eigentums- und Nutzungsrechte, die klar zugewiesen und durchsetzbar seien. Der Staat müsse nur dafür sorgen, dass die Verursacher und die Betroffenen von externen Effekten eine Verhandlungsbasis haben – nämlich die Eigentums- und Nutzungsrechte für das Gut, welches beide Akteure nutzen. Auf der Basis genau zugewiesener Rechte könnten die betroffenen Akteure, d.h. Betroffene und Verursacher der externen Effekte, Verhandlungen aufnehmen. Die Kernaussage des CoaseTheorems ist, dass das Ergebnis dieser freiwilligen Verhandlungen effizient ist, d.h. dass die (negativen) externen Effekte vollständig internalisiert werden, unabhängig davon, wem das Eigentums- bzw. Nutzungsrecht zugewiesen ist. Der Staat muss hierbei für die Zuteilung der Eigentumsrechte sorgen und dafür, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie Vertragsfreiheit und Rechtssicherheit, gegeben sind, damit die Rechte auch wahrgenommen werden können. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie die Eigentumsrechte zugewiesen sein können: Variante I – Verursacherprinzip Die Eigentumsrechte liegen beim (potentiell) Betroffenen. Der (potentielle) Verursacher der Effekte zahlt dem Inhaber des Eigentumsrechts dann (und nur dann) einen Schadensersatz, wenn er die Produktions- bzw. Konsummöglichkeiten des Betroffenen durch seine Aktivitäten einschränkt. 1 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Variante II – Geschädigtenprinzip Die Eigentumsrechte liegen beim (potentiellen) Verursacher der Effekte. Der (potentiell) Betroffene zahlt dem (potentiellen) Verursacher der Effekte dann (und nur dann) eine Kompensation, wenn er den Schaden der Effekte vermeiden will. Wie in Abb. 3.1 dargestellt, zahlt in diesem Fall der Betroffene als Transferbetrag maximal den Wert der Fläche (Rechteck) FAEC (gelbe Fläche unter der Kurve) und realisiert durch die Erreichung des Optimums bzw. die Verringerung seines Grenzschadens seinen Gewinn maximal im Ausmass der Fläche (Dreieck) CEB (orange Fläche unter der Kurve). Eine weitergehende Gewinnminderung wie im Fall nicht-internalisierter Externalitäten kann dadurch verhindert werden. Ergebnis: Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche: Die optimale Verschmutzungsmenge F wird erreicht. Dies kommt dadurch zustande, dass der Transferbeitrag - also der Beitrag (Schadensersatz oder Kompensation), den eine Partei an die andere Partei zahlt - in die Kostenrechnung des (potentiellen) Verursachers oder des (potentiell) Betroffenen der Effekte mit einfliesst. Die externen Kosten werden auf diese Weise internalisiert. Der Zusatz “potentiell” in obigen Definitionen soll hierbei andeuten, dass die externen Effekte und die damit verbundenen Veränderungen der Produktionsbzw. Konsummöglichkeiten durch die Antizipation der Transfers eventuell gar nicht mehr auftreten. Allerdings: Die Verteilungsergebnisse der beiden Internalisierungsformen sind sehr unterschiedlich: Beim Verursacherprinzip trägt vor allem der (potentielle) Schadensverursacher die Last. Häufig sind dies grössere Unternehmen oder finanzkräftige Akteure. Beim Geschädigtenprinzip hingegen zahlen die (potentiell) Betroffenen, bei denen es sich häufig um einzelne Individuen oder Haushalte mit geringer Liquidität handelt. Bezüglich derartiger Verteilungsunterschiede ist eine gesellschaftliche Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Internalisierungsform zu treffen. Eine solche Entscheidung ist immer eine Werturteilsentscheidung. Grenzkosten der Vermeidung Grenzschaden Abb. 3.1: Coase Theorem G Gr en zk os te n Ve rm e id Gr un en z h sc ad en B g C D 0 E Emissionen F Emissionsminderung A Emissionen Abb. 3.1: Coase Theorem 2 KAPITEL 3 Beispiel: Ein Viehbauer und ein Weizenbauer teilen sich ein Grundstück für ihre jeweilige Produktion. Durch die ökonomische Aktivität des Viehbauern sind die Produktionsmöglichkeiten des Weizenbauern beeinträchtigt (Kühe zertrampeln beispielsweise die Weizenfelder), ohne dass sich dies in Preisveränderungen auf den Märkten niederschlägt (Weizen wird beispielsweise nicht insgesamt knapper und damit teurer, so dass der quantitative Verlust über den Preis nicht ausgeglichen wird). Internalisierungsmöglichkeiten: 1) Verursacherprinzip: Die Eigentumsrechte liegen beim Weizenbauern; der Viehbauer zahlt dem Weizenbauern einen Schadenersatz für die Ernteeinbussen. Wird dies vom Viehbauern antizipiert, wird er eventuell von vorne herein für Schutzmassnahmen (z.B. Zaun) sorgen, so dass der Schaden für den Weizenbauern gar nicht erst entsteht. In diesem Fall würden durch die Kosten für die Schutzmassnahmen die externen Kosten internalisiert. 2) Geschädigtenprinzip: Die Eigentumsrechte liegen beim Viehbauern; der Weizenbauer zahlt dem Viehbauern eine Kompensation dafür, dass er weniger Kühe auf dem gemeinsamen Grundstück hält oder einen Zaun zwischen den beiden Grundstücksteilen errichtet. Auch hier kann durch die Internalisierung der externen Kosten (Kompensation oder Zaunbau) das Entstehen des effektiven Schadens verhindert werden. Kritik: Das Modell von R.H. Coase ist zunächst einfach und einleuchtend. Wegen der erwähnten Verteilungsproblematik stellt es aber hohe Anforderungen an die Möglichkeiten gesellschaftlicher Konsensfindung. Darüber hinaus wird eine praktische Anwendung im nationalen Rahmen durch folgende Aspekte erschwert: • Unvollständige Information: In der Regel hat es nicht nur einen (potentiellen) Verursacher und einen (potentiellen) Betroffenen, sondern eine Vielzahl von Akteuren auf beiden Seiten. Nicht alle beteiligten Akteure haben eine vollständige Übersicht über Art und Höhe der externen Effekte. Es stellen sich folgende Fragen: Werden alle Betroffenen an den Verhandlungen beteiligt? Wie hoch sind die „wahren“ Grenzschadenskosten bzw. die Grenzvermeidungskosten? Wie hoch müssen die Transferzahlungen verschiedener Akteure sein? An wen genau gehen die Zahlungen? Die Antworten auf diese Fragen sind komplex und stellen die einfache und effektive Wirksamkeit des CoaseAnsatzes in Frage. • Asymmetrische Information: Die Information der Akteure ist nicht nur unvollständig, sondern auch ungleich verteilt, d.h. asymmetrisch. In der Regel sind nicht alle relevanten Informationen (z.B. über Grenzvermeidungskosten) allen Akteuren gleichermassen zugänglich. Dies wirft folgende Fragen auf: Welches strategische Verhalten wenden die Vertragspartner an? Wer nutzt welchen Informationsvorteil wie aus? Kann es bei strategischem Verhalten noch ein effizientes Ergebnis geben? • Transaktionskosten: Die Verhandlungskosten können hoch sein, denn die Verhandlungen involvieren meistens viele Akteure, können lange dauern und direkte und indirekte Kosten mit sich bringen. Ausserdem können Kontrollkosten entstehen. Es stellt sich die Frage, ob diese 3 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Transaktionskosten nicht den Effizienzvorteil der Internalisierung an sich überkompensieren. • Verhandlungsmacht: Im Modell von Coase wird die Verhandlungsmacht nicht berücksichtigt; (potentielle) Verusrsacher und Betroffene werden als gleich mächtig angesehen. Es ist jedoch in Verhandlungen zu beobachten, dass Verhandlungsmacht eine Rolle spielt. Dies gilt vor allem dann, wenn sich wenige finanzstarke Akteure einerseits und viele finanzschwache Akteure andererseits gegenüberstehen. Das Ergebnis weicht vom optimalen (ökonomischen) Verhandlungsergebnis ab, wenn Verhandlungsmacht von Bedeutung ist. Fazit: Für die nationale Umweltpolitik ist die Bedeutung des Coase Theorems wegen der erwähnten Probleme eher gering. Hier scheint eine Politik mit stärkerer staatlicher Aktivität sinnvoll. Trotz der Modellkritik ist die Bedeutung des Coase-Theorems für die Lösung internationaler Umweltprobleme aber eher gross. Dies hat vor allem damit zu tun, dass im internationalen Rahmen auf freiwillige Verhandlungen gesetzt werden muss, weil eine supranationale Regierung nicht existiert, die analog zur nationalen Politik aktiv werden könnte. Ein Beispiel sind etwa die Debatten über die Kompensationszahlungen von Industrieländern an Entwicklungsländer zur Vermeidung von Schadstoffemissionen, insbesondere CO2-Emissionen. Ausserdem können Zertifikate oder „Debt-for-nature-Swaps“ als Konkretisierung des Coase-Theorems angesehen werden (siehe Kapitel 5). 4 KAPITEL 3 2. Staatliche Einflussnahme auf Preise - speziell Besteuerung Neben der Möglichkeit über Verhandlungen der beteiligten Parteien das soziale Optimum zu erreichen und die externen Effekte zu internalisieren, ist ein alternativer, weit verbreiteter Ansatz die Internalisierung der Kosten über eine staatliche Einflussnahme, z. B. auf die Preise. Diese Einflussnahme kann beispielweise über eine Steuer, die so genannte Pigou-Steuer, oder mittels des Standard-Preis-Ansatzes geschehen. Bei der Behandlung des Themas "Problematik externer Effekte" (Kapitel 2) wurde festgestellt, dass die am Markt getauschte Menge (x2) eines Gutes X nicht der Menge x1 entspricht, die das gesellschaftliche Optimum B darstellt. In diesem Punkt B entsprechen die Grenzkosten der Gesellschaft den Grenznutzen der Gesellschaft. Aus Abb. 3.2 ist ersichtlich, dass bei der Menge x2, verglichen mit der Situation bei der Menge x1, zwar der Nutzen der Gesellschaft um die Fläche x1x2BA grösser ist, die gesamten Kosten der Gesellschaft aber um die noch grössere Fläche x1x2CB zugenommen haben; die Fläche ABC stellt also den Nettowohlfahrtsverlust aus den externen Effekten dar. Die externen Kosten müssen internalisiert werden, um die gesellschaftlich optimale Menge zu gewährleisten. Grenzkosten Grenznutzen Preis GrenzkostenGESELLSCHAFT C p2G p1 Abb. 3.2: Externe (negative) Effekte I GrenzkostenUNTERNEHMEN B A p2U GrenznutzenGESELLSCHAFT x1 x2 Gut X Abb. 3.2: Externe (negative) Effekte I Frage: Wie kann man durch Einflussnahme auf die Preise Unternehmer dazu bewegen, die gesellschaftlich optimale Menge des Gutes zu produzieren? 1. Möglichkeit: Pigou-Steuer Grundidee: Die Idee der Pigou-Steuer wurde von Arthur C. Pigou 1920 in seiner „Economics of Welfare“ vorgestellt. Bei vollständiger Information über die Grenzkosten- und Grenznutzenkurve der Unternehmen bzw. der Gesellschaft kann man durch die Festlegung eines Steuersatzes t in der Höhe der Differenz zwischen GKGesellschaft und GKUnternehmen die gesellschaftlich optimale Menge des Gutes x1 erreichen. p1 = GKUnternehmen(x1) + Steuersatz t(x1) = GKGesellschaft(x1) 5 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Grenzkosten (GK) Grenznutzen (GN) Preis (P) Abb. 3.3: Pigou-Steuer FT HA SC L EL ES GK G p1 Steuersatz t N ME EH N ER NT GK U T GN X1 X0 Menge des Gutes X Abb. 3.3: Pigou-Steuer Der Steuersatz (t) wird so festgelegt, dass für unterschiedliche Mengen x die GKUnternehmen zuzüglich dem Steuersatz t den GKGesellschaft entsprechen. So wird die gesellschaftlich optimale Menge x1 des Gutes X produziert. Die Fläche T stellt die Steuereinnahmen des Staates dar (vgl. Abb. 3.3). Probleme bei der praktischen Umsetzung: Der Pigou-Ansatz ist aus theoretischer Sicht sehr überzeugend. Seine praktische Anwendbarkeit ist aber sehr begrenzt wegen der Schwierigkeit, die in Abb. 3.3 zu findenden Kurven genau zu schätzen. Bereits eine Abschätzung des Grenznutzens bzw. der Nachfrage ist schwierig, häufig aber mit Hilfe von Marktforschung noch einigermassen machbar. Die Grenzkosten von Unternehmen werden ungern preisgegeben, sollte aber – mit einigem Aufwand – grob abschätzbar sein. Heikel wird es bei den gesellschaftlichen Grenzkosten. Die Grenzkosten der Gesellschaft sind sehr schwer zu schätzen, da alle verursachten externen Effekte bekannt und in Geld bewertet (monetär bewertbar) sein müssten. Eine Inventarisierung und monetäre Bewertung der Effekte (z.B. Erfassung und Bewertung der Effekte auf die Biodiversität) stellt eine oft unüberwindbare oder mit sehr hohen Kosten verbundene Hürde dar. Die Ermittlung der Differenz zwischen Grenzkosten der Gesellschaft und Grenzkosten des Unternehmens ist daher nur schwer bzw. nur mit einem sehr hohen Aufwand möglich. Der Pigou-Ansatz ist folglich für die praktische Umsetzung nicht geeignet. Ein möglicher Ausweg ist der Standard-Preis-Ansatz. 2. Möglichkeit: Standard-Preis-Ansatz Grundidee: Aus den Problemen der Pigou-Steuer ist die Idee des StandardPreis-Ansatzes entstanden. Da man die Grenzkosten der Gesellschaft und somit auch die optimale Menge x1 nicht genau kennt, wird nun eine bestimmte, für optimal gehaltene Menge xS als „Standard“ festgelegt. xS soll dabei möglichst nahe an der theoretisch optimalen (aber unbekannten) Menge x1 liegen (vgl. Abb. 3.4). Entscheidungsträger müssen also eine möglichst gute Einschätzung dazu entwickeln, wie weit „links“ von der bekannten Marktmenge x0 die Standardmenge xs liegen soll. Je erfahrener die Entscheidungsträger, desto besser dürfte diese Einschätzung sein. Anschliessend wird der Steuersatz tS mit dem Ziel festgelegt, dass bei der Standardmenge xS das neue Marktgleichgewicht erreicht wird. Wenn die sich 6 KAPITEL 3 dann einstellende Marktmenge der gewünschten Standardmenge xS entspricht, ist der Steuersatz tS „richtig“. Andernfalls muss der Steuersatz in einem „trial-and-error“-Prozess entsprechend nach oben bzw. unten korrigiert werden, bis die Standardmenge xS erreicht ist. Die gewünschte Standardmenge wird im Rahmen des politischen Prozesses festgelegt. Es bleibt offen, wie nahe sie der gesellschaftlich optimalen Menge kommt. Grenzkosten (GK) Grenznutzen (GN) Preis (P) FT Abb. 3.4: Standard-Preis-Ansatz + ts HA ES GK G U IGO SC L EL EN + tP HM NE R TE K UN pD F D pE EN GK G HM A E RN E NT tPIGOU pC E ES HA SC LL B pB =G T GK U tS GN C GE SE LL SC HA FT E XS X1 X0 Menge des Gutes X Abb. 3.4: Standard-Preis-Ansatz PD: Nachfragepreis bei tS PB: Nachfragepreis bei tPigou PC: Produzentenpreis bei tPigou PE: Produzentenpreis bei tS xS: gewünschte Standardmenge x1: gesellschaftlich optimale Menge x0: optimale Menge für Unternehmen, Marktgleichgewicht A: privates Optimum, Marktgleichgewicht B: gesellschaftliches Optimum Probleme bei der praktischen Umsetzung Der Standard-Preis-Ansatz kann externe Effekte partiell internalisieren. Die Frage, wie die Qualität des fixierten Standards xS zu bewerten ist und wie nahe der gesetzte Standard xS an der gesellschaftlich optimalen Menge x1 ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Darüber hinaus treten eine Reihe praktischer Umsetzungsprobleme auf: • Die Suche nach dem „richtigen“ Steuersatz tS ist kostenintensiv, nicht zuletzt weil häufig auch präzise Informationen über die Grenznutzenkurve fehlen. Der oben erwähnte „trial-and-error“-Prozess kann langwierig und kostenintensiv für alle Akteure sein. 7 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE • Das Zustandekommen einer Mengenreduktion durch Besteuerung ist abhängig von der Preiselastizität der Nachfrage. Ist die Preiselastizität sehr klein, können Mengenreduktionen nur mit sehr hohen Steuersätzen oder gar nicht erreicht werden (z.B. ε=-0.2, d.h. eine Preiserhöhung um 1% bringt nur eine Nachfragesenkung um 0.2%; in diesem Fall müsste eine Besteuerung sehr hoch ausfallen, was die politische Durchsetzbarkeit erschweren dürfte (vgl. auch Abb. 3.5 (geringere Preiselastizität der Nachfrage) im Unterschied zu Abb. 3.4 (höhere Preiselastizität der Nachfrage)). h Nac T HAF LSC e GESEL frag Preis des Gutes X p Abb. 3.5: Standard-Preis-Ansatz (bei geringer Preiselastizität) EN HM NE R TE r ot UN ue eb l. Ste g An ink B EN HM p1 E RN TE ot UN t p0 A b ge An C X1 X0 Menge des Gutes X Abb. 3.5: Standard-Preis-Ansatz (bei geringer Preiselastizität der Nachfrage) Fazit: Eine staatliche Einflussnahme auf Preise erweist sich als nicht sehr einfaches Instrument zur Internalisierung externer Effekte. Im folgenden Abschnitt wird daher geprüft, ob eine staatliche Mengensteuerung einfacher oder besser geeignet ist für eine Internalisierung. 3. Staatliche Einflussnahme auf Mengen – Auflagen, Zertifikate Varianten der Mengensteuerung: Eine staatliche Einflussnahme auf Marktmengen kann grundsätzlich auf zwei Wegen erfolgen: 1. Auflagen (Vorgabe maximaler Produktionsmengen / Emissionsmengen) 2. Handelbare Zertifikate (Berechtigungsscheine für Emissionen / Produktionsmengen) 1. Variante: Auflagen Grundidee: Umweltauflagen sind vor allem Verbote, die etwa als Emissionsstandards die Menge zulässiger Emissionen nach oben begrenzen. 8 KAPITEL 3 Es wird eine Menge xS (ein sogenanntes Cap) festgelegt, die von den Unternehmen eingehalten werden muss. xS soll dabei möglichst nahe am nicht bekannten gesellschaftlichen Optimum x* liegen (vgl. Abb. 3.6). Die Menge xS ist dabei typischerweise kleiner als die bisherige Gleichgewichtsmenge x0. Grenzkosten (GK) Grenznutzen (GN) Abb. 3.6: Auflagen FT HA SC L EL ES GK G EN HM B E RN E NT GK U A G N G ES EL LS CH AF T x* X xS x0 Abb. 3.6: Auflagen Wird xS überschritten, werden Sanktionen verhängt. 2. Variante: Handelbare Zertifikate Grundidee: Zertifikate sind Berechtigungsscheine für die Emission bestimmter Schadstoffe in einer bestimmten Höhe. Bei Emissionszertifikaten wird die Höchstmenge zulässiger Emissionen politisch festgelegt. Die Zertifikate können grundsätzlich von Unternehmen und auch von Drittparteien gehandelt werden. Die Zertifikatslösung ist insofern eine Marktlösung, als der Preis der Zertifikate über deren Angebot und Nachfrage ermittelt wird. Abb. 3.7 veranschaulicht die Idee von Zertifikaten: Grenzkosten (GK) Grenznutzen (GN) Abb. 3.7: Zertifikate FT HA SC L EL ES GK G N ME EH B N ER NT GK U A G N G ES EL LS CH AF T x* xS x0 X Abb. 3.7: Zertifikate 9 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Mit xS wird eine bestimmte zulässige Höchstmenge an umweltschädlicher Produktion/Emission festgelegt, von welcher man annimmt, dass sie nahe beim unbekannten Optimum x* liegt. Die zulässige Höchstmenge wird nun in kleinere Teileinheiten zerstückelt, für die dann die sogenannten Zertifikate oder Berechtigungsscheine ausgestellt werden. Die Zertifikate werden zu Beginn auf die relevanten Unternehmen verteilt und danach auf dem Zertifikatsmarkt gehandelt. Wie kann die eben angesprochene Anfangsverteilung von Zertifikaten vorgenommen werden? In der ökonomischen Literatur wird von zwei unterschiedlichen Konzepten ausgegangen: 1. Versteigerung der Zertifikate durch den Staat 2. „Grandfathering“: Dabei werden die Zertifikate kostenlos an die Unternehmen abgegeben. Die Zuteilung beruht meist auf historischen Emissionsdaten einer Basisperiode. Unternehmen können allerdings nicht sicher sein, so viele Zertifikate zu bekommen, wie sie für ihre aktuellen CO2-Emissionen bräuchten. Wir werden im folgenden Abschnitt sehen, welche Auswirkungen und Vor- und Nachteile diese beiden verschiedenen Verteilungsmöglichkeiten haben können. Werden Zertifikate auf einem Zertifikatemarkt gehandelt, kommen Unterschiede in den Grenzkosten der Vermeidung bei verschiedenen Firmen (je nach Unternehmensgrösse, Stand der Technologien etc.) zur Geltung: • Unternehmen, welche tiefe Grenzkosten der Vermeidung haben, werden viele Schadstoffemissionen vermeiden, freigesetzte Zertifikate verkaufen und dadurch einen Gewinn erzielen. • Unternehmen, welche hohe Grenzkosten der Vermeidung haben, werden nicht in die Vermeidung von Emissionen investieren, sondern stattdessen Zertifikate kaufen. Die Tatsache, dass solche individuellen Grenzkostenunterschiede im Rahmen eines Systems handelbarer Zertifikate berücksichtigt werden, sorgt dafür, dass die Gesamtkosten einer durch das Cap charakterisierten Emissionsreduktion so gering wie möglich sind. Dies macht Systeme handelbarer Zertifikate ökonomisch effizient. 4. Vergleichende Beurteilung von Preis- und Mengensteuerung Beurteilungskriterien Für die Beurteilung und für einen Vergleich verschiedener Instrumente zur umweltpolitischen Beeinflussung der Märkte werden in der Regel die folgenden Kriterien herangezogen: a) Ökologische Effektivität / Treffsicherheit: Wird ein vorgegebenes umweltpolitisches Ziel, z.B. eine angestrebte Mengenreduktion, erreicht? b) Ökonomische Effizienz: Wird das vorgegebene Ziel mit minimalen gesellschaftlichen Gesamtkosten erreicht? 10 KAPITEL 3 c) Implementierungskosten: Wo sind administrative Kosten (Sanktions/Kontrollkosten) besonders niedrig? d) Dynamische Anreizwirkungen: Werden Anreize dafür gesetzt, dass künftig mit geringeren externen Effekten produziert wird? Werden technologische Veränderungen angestossen? Im folgenden werden nun handelbare Zertifikate, Steuern und pure Caps miteinander verglichen. Der Vergleich orientiert sich an den eben genannten Kriterien. Beurteilung von handelbaren Zertifikaten Einen grossen Einfluss auf die Beurteilung des Instruments „handelbare Zertifikate“ spielt die gewählte Form der Erstverteilung der Zertifikate. Versteigerung als Form der Erstverteilung Handelbare Zertifikate können vom Staat direkt an die Privaten verkauft werden. Will man die Marktkräfte spielen lassen, findet eine Versteigerung statt; die Einnahmen fliessen in die Staatskasse. Ein solches System hat folgende Vorteile: • Die Versteigerungslösung bietet mehr dynamische Anreizwirkungen, denn hier ist es für die Unternehmen bereits vor der Zertifikatausgabe lohnenswert, für die Vermeidung von Verschmutzung zu sorgen. Beim „Grandfathering“ hingegen besteht dieser Anreiz weniger. Es ist im Gegenteil sogar möglich, dass die Unternehmen aus strategischen Gründen ihre Emissionen vor der Zertifikatsausgabe erhöhen (s.u.). • Aus staatlicher Sicht kann dieses Modell attraktiv sein, weil eine Versteigerung Einnahmen für die Staatskasse bringen kann, sofern die Einführung des Zertifikatsystems nicht aufkommensneutral gestaltet wird. In diesem Fall würden etwa im Gegenzug für die Einführung der zusätzlichen Belastung durch den Kauf der Zertifikate andere Kosten, z.B. die Lohnnebenkosten, gesenkt. Neben den Vorteilen treten aber auch Probleme auf: • Erstens werden vor allem Unternehmen mit grosser Liquidität an der Versteigerung teilnehmen und kleinere, weniger finanzstarke Unternehmen verdrängen. • Zweitens sind grosse Unternehmen (mit entsprechenden Mitteln) eher als kleine Unternehmen zur Zertifikatsersteigerung in der Lage, da sie in der Regel die entsprechenden Kosten überwälzen können. Kostenlose Erstverteilung (Grandfathering) Alternativ zur Versteigerung könnten die handelbaren Zertifikate auch gratis an die bisherigen Emittenten vergeben werden. Eine zentrale Frage ist dabei, wer wie viele Zertifikate als Anfangsausstattung erhalten soll. Entspräche die Gratis-Vergabe etwa den tatsächlichen Emissionen des Vorjahres und wäre dies mittel- oder langfristig angekündigt, gäbe dies einen Anreiz für Unternehmen, die Emissionen der Schadstoffe unmittelbar vor dem Zeitpunkt der Zertifikatszuteilung erhöhen, um so mehr Zertifikate zu erhalten. Um dieses strategische Verhalten zu verhindern, müsste die Vergabe von Zertifikaten rasch ausgeführt werden; ausserdem empfiehlt sich eine 11 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Orientierung am Emissionsdurchschnitt der letzten Jahre. Was spricht grundsätzlich für die Grandfathering-Lösung? Hier sind vor allem zwei Vorteile zu nennen: • Bestandsschutz: All diejenigen Unternehmen, die an der Emission des Schadstoffs beteiligt sind, erhalten Zertifikate, und zwar anteilig und ohne Mehrkosten. Die Firmen können auf diese Weise erst einmal mit ihrer Produktion mehr oder weniger unverändert fortfahren. Wird das durch die Zertifikate gesetzte Cap im Laufe der Zeit verringert, was das Ziel sein muss, wenn man sich auf das (unbekannte) umweltökonomische Optimum zu bewegen will, haben die Unternehmen genügend Zeit, sich an die neuen „Spielregeln“ anzupassen. • Politische Durchsetzbarkeit: Sie ist beim Prinzip der kostenlosen Erstverteilung höher als bei der Versteigerung, da die Unternehmen nichts für die Ersteigerung der Lizenzen bezahlen müssen. Ausserdem hat man eine höhere Glaubwürdigkeit der umweltpolitischen Ziele, da keine Staatseinnahmen erzielt werden. Dieser Vorteil entfiele allerdings, wenn man bei der Versteigerungslösung für Aufkommensneutralität sorgen würde. Unabhängig vom Mechanismus der Erstverteilung, bringt das Modell handelbarer Zertifikate als Internalisierungsinstrument noch einige offene Fragen bzw. Probleme mit sich: • Neue Unternehmen im Markt erhalten keine Zertifikate Mögliche Lösung: Eine gewisse Anzahl von Zertifikaten wird zurückgehalten und bei entsprechendem Bedarf an neue Unternehmen verteilt oder versteigert. • Es ist nicht sichergestellt, dass die Grenzkosten der Vermeidung ausschlaggebend für die Erstzuteilung von Zertifikaten sind (beim Versteigerungsmodell werden finanzkräftige Unternehmen, beim kostenlosen Erstverteilungsmodell Unternehmen mit hohen Emissionen bevorzugt). • Die zeitliche Ausgestaltung ist zu definieren - Der Endpunkt ist festzulegen: Definitiver Endpunkt des Rechts auf Emission vs. gestuftes Modell mit Emissionsverringerung von Jahr zu Jahr - Die Gültigkeitsdauer ist festzulegen: Kurze Gültigkeitsdauer bedeutet höhere Flexibilität des Staates; lange Gültigkeitsdauer impliziert intensiveren Zertifikathandel. • Die räumliche Ausgestaltung ist zu definieren Eine breite regionale Steuerung führt zu einer besseren Funktionsfähigkeit der Zertifikatsmärkte, aber auch zu regionalen Hot Spots an Umweltbelastungen. • Die sektorelle Ausgestaltung ist zu definieren Es ist festzulegen, welche Unternehmen in das System mit einbezogen werden sollen bzw. für welche Unternehmen Ausnahmeregelungen gelten sollen. Zu entscheiden ist etwa: Sollen beim CO2-Zertifkathandel nur die 12 KAPITEL 3 Unternehmen des energieproduzierenden Sektors oder auch andere Sektoren, wie z.B. der Zementsektor mit einbezogen werden? • Die ökonomische Effizienz ist abzuklären: Ob das „Grandfathering“ im Vergleich zu einer Versteigerung von Zertifikaten effizienter ist, ist in der Literatur und aufgrund der empirischen Ergebnisse unentschieden. Eine entsprechende Vorstudie im Einzelfall wäre sinnvoll. Rahmenbedingungen: Bei handelbaren Zertifikaten muss zweierlei sichergestellt werden: Die tatsächlichen Emissionen müssen in irgendeiner Weise geprüft werden (können) und es muss Rechtssicherheit bestehen. Der Markt für Zertifikate muss also kontrollierbar sein und die Zertifikate müssen allgemein anerkannt sein, um ein Unternehmen bei Bedarf dazu zwingen zu können, sich „an die Spielregeln zu halten“. Nur so kann das Funktionieren des Marktes gewährleistet werden. Hierzu ist ein gewisser Verwaltungsaufwand (Implementierungskosten) notwendig. Ausserdem sind (wirksame) Sanktionen für den Fall des Nicht-Beachtens der durch die Zertifikate angegebenen Emissionsobergrenzen vorzusehen. Beispiele für den Zertifikatehandel Im Folgenden werden zwei Beispiele angeführt, die zeigen, wie unterschiedlich erfolgreich ein Zertifikatmarkt funktionieren kann. Es soll verdeutlicht werden, welche Rahmenbedingungen über Erfolg und Misserfolg eines Zertifikatsmarktes entscheiden können. Bedeutung in der Praxis: In der Praxis wird häufig die Auflagen- mit der Zertifikatslösung verbunden, d.h. eine bestimmte Emissionsgrenze wird mittels Auflagen festgelegt. Wenn ein Unternehmen die zulässige Höchstmenge an Emissionen unterschreitet, erhält es für die Differenz Emissionsgutschriften. Sie sind handelbar und können an diejenigen Unternehmen verkauft werden, die aus Kostengründen oberhalb der von der Auflage festgelegten Emissionsmenge produzieren. Beispiel 1: Zertifikatlösung für Stickoxid- und flüchtige Kohlenwasserstoffe in der Region Basel Eingeführt 1991 und bald danach wieder abgeschafft, weil aus folgenden Gründen der Markt für Emissionsgutschriften nicht funktionstüchtig war: 1.) Die Auflagen waren zu streng; es gab zuwenig Emissionsgutschriften im Markt 2.) 10%-Klausel: Ein Unternehmen musste die Auflage um mindestens 10% unterschreiten, um eine Emissionsgutschrift zu erhalten. Diese Auflage wurde von nur wenigen Firmen erfüllt. 3.) 80%-Klausel: Nur 80% der Einnahmen wurden den Unternehmen gutgeschrieben. 4.) Zustimmungspflicht für Vergabe und Einsatz der Emissionsgutschrift; hierdurch wurde der Handel verlangsamt und behindert. 13 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE 5.) Rechtsunsicherheit: Die Geltungsdauer der Emissionsgutschrift war unbekannt; dies reduzierte die Bereitschaft, Gutschriften zu kaufen. Beispiel 2: SO2-Zertifikate in den USA Eingeführt 1995 im Rahmen des Acid-Rain-Programms mit dem Ziel, den Ausstoss von SO2 bis 2010 um 10% unter die Werte von 1980 zu senken. Im Jahr 2000 wurden 20 Mio. Zertifikate firmenintern und -extern gehandelt. Strenge Strafmassnahmen (Bussgelder) führten und führen heute noch zu einem funktionstüchtigen SO2-Zertifikate-Markt. Wird die von der Auflage vorgegebene Menge überschritten, müssen Bussgelder von 2000 $/t SO2 bezahlt werden, während der Zertifikatspreis bei 200 $/t SO2 liegt. Dieser Markt war funktionstüchtig, da es genügend Anreize gab, Zertifikate anzubieten und auch zu kaufen. Die in Basel gemachten Fehler gab es hier nicht. Folgende Vorteile charakterisieren den Markt: • Die Kosten der Unternehmen zur Vermeidung von Emissionen liegen um etwa 42% niedriger im Vergleich zu der vorher praktizierten Auflagenlösung. • Durch jährliche Anpassungen (Reduktionen) der maximal zulässigen Menge an Schadstoffemission wird ein ständiger Anreiz zur Verbesserung erzeugt. Dadurch werden im Durchschnitt 25% weniger Emissionen ausgestossen als bei der vorher praktizierten statischen Auflagenlösung mit fixen Höchstmengen für die SO2-Emission. Vergleich von Steuern und Auflagen Nach der isolierten Beurteilung von handelbaren Zertifikaten sollen nun Steuern und pure Auflagen (Caps), die nicht die Möglichkeit des Handelns bieten, verglichen werden. Dabei wird auf die oben erwähnten vier Beurteilungskriterien Bezug genommen. Ökologische Effektivität Auflagen gelten als ökologisch wirksam, da eine maximal zulässige Menge an Schadstoffemissionen nicht überschritten werden darf. Auflagen gelten als ökologisch treffsicherer als Steuern (vgl. dazu auch Abb. 3.4 mit Abb. 3.8). Ausschlaggebend hierfür ist, dass die Preiselastizität der Nachfrage nach dem umweltschädigenden Gut so niedrig sein kann, dass trotz hoher Steuer keine nennenswerte Verringerung von Verbrauchs- bzw. Emissionsmengen zustande kommt (vgl. Abb. 3.4 mit Abb. 3.5). Auflagen hingegen können auch bei tiefer Preiselastizität der Nachfrage noch eine stärkere Verringerung bringen. Da ausserdem die Grenzvermeidungskostenfunktion der Unternehmen nicht bekannt ist, muss der Steuersatz (t) durch den erwähnten „trial and error“-Prozess gesucht werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der im ökologischen Sinne „richtige“ Steuersatz gleich zu Beginn gefunden wird, ist dabei gering. 14 KAPITEL 3 Grenzkosten der Vermeidung Steuer t Abb. 3.8: Gewinnmaximierung eines Unternehmens bei Mengensteuer en n er t Un m eh ng du ei m er KV G Steuer t v1 v* v2 vmax V = vermiedene Umweltbelastung Abb. 3.8: Gewinnmaximierung eines Unternehmens bei Mengensteuer Ökonomische Effizienz Der Hauptnachteil von Auflagen (Caps) liegt in ihrer ökonomischen Ineffizienz, d.h. darin, dass eine angestrebte Emissionsminderung nicht mit minimalen gesamtwirtschaftlichen Kosten erreicht wird. Steuern hingegen sind ökonomisch effizienter, weil sich die jeweils angestrebte Umweltqualität mit minimalen Kosten für die Gesamtwirtschaft erreichen lässt. Dies wird im Folgenden erläutert. Abb. 3.8 zeigt zunächst auf, welche Menge an vermiedener Umweltbelastung für ein gewinnmaximierendes Unternehmen im Falle einer Besteuerung optimal ist. Hierbei ist zu beachten, dass die Grenzkosten der Vermeidung gegen die Menge der vermiedenen Umweltbelastung (nicht gegen die absolute Menge an Umweltbelastung, wie in Kapitel 2) aufgetragen ist, so dass sich ein steigender Verlauf ergibt (statt eines fallenden, wie beispielweise in Abb. 3.1). v* stellt die optimale Vermeidungsmenge dar, bei der die Grenzkosten der Vermeidung einer zusätzlichen Einheit an Umweltbelastung gerade dem Steuerbetrag (t) für eine nicht vermiedene Einheit an Umweltbelastung entsprechen: GK(v*) = t. Bei dieser Menge maximiert das Unternehmen seinen Gewinn. Bei kleineren oder grösseren Mengen als v* an vermiedener Umweltbelastung ist es für ein gewinnmaximierendes Unternehmen sinnvoll, zur Menge v* überzugehen. Bei v1 etwa ist es für das Unternehmen günstiger, eine weitere Emissionseinheit zu vermeiden und dafür Steuern zu sparen (Grenzkosten der Vermeidung GK(v1) < Steuerersparnis t). Bei v2 andererseits ist es für das Unternehmen sinnvoll, weniger Umweltbelastung zu vermeiden (Steuerersparnis t < GK(v2)). Die insgesamt vom Unternehmen zu zahlende Steuer ergibt sich als Produkt aus dem Steuersatz t und der nicht vermiedenen Umweltbelastung (vmax - v*). vmax ist die maximal vermeidbare Emissionsmenge des Unternehmens, mit anderen Worten: die gesamte Emissionsmenge des Unternehmens in der Situation ohne Steuern; (vmax - v*) ist also die effektiv ausgestossene Emissionsmenge, auf die dann die Steuer berechnet wird. 15 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Abb. 3.9 veranschaulicht den Effizienzunterschied zwischen puren Auflagen (Caps) und Steuern anhand zweier Unternehmen U1 und U2 mit unterschiedlichen Grenzkosten der Vermeidung: Abb. 3.9: GK-Vergleich: Auflagen vs. Steuern q = Emissionsreduktion q q q qmax Abb. 3.9: GK-Vergleich: Auflagen vs. Steuern Frage: Wie kann eine fix vorgegebene zulässige Emissionsreduktion qA mit den tiefsten Kosten erreicht werden? a) Auflagenlösung: Wie in der Grafik dargestellt, fallen bei den Unternehmen folgende Gesamtkosten an: Unternehmen 1: Fläche (Dreieck) 0DqA Unternehmen 2: Fläche (Dreieck) 0BqA b) Steuerlösung: Damit die Resultate von Auflagen- und Steuerlösung aus ökologischer Sicht äquivalent sind, wird der Steuersatz so gewählt, dass 2 qA= q1+ q2. Aus der Vorgabe der Steuer t, der Menge qA und der Verläufe der Grenzkosten der beiden Unternehmen ergeben sich die Mengen q1 und q2 an vermiedener Umweltbelastung (Strecken AC und CE sind dann gleich lang). Für eine ökologische Äquivalenz muss bei der Steuerlösung die Summe q1 + q2 der vermiedenen Umweltbelastung der beiden Unternehmen gleich der bei der Auflagenlösung sein, die 2 qA beträgt, da jedes Unternehmen bei der Auflagenlösung gerade die Menge qA vermeidet. Unternehmen 1: U1 wählt q1, was Kosten von der Fläche (Dreieck) 0Eq1 verursacht. Fläche qADEq1 stellt die Mehrkosten im Vergleich zur Auflagenlösung für das Unternehmen 1 dar. Unternehmen 2: U2 wählt v2, was Kosten von der Fläche (Dreieck) 0Aq2 verursacht. Die Fläche q2ABqA stellt die Kosteneinsparungen im Vergleich zur Auflagelösung für das Unternehmen 2 dar. Für den Vergleich zwischen Auflagen- und Steuerlösung betrachten wir nun die Flächen qADEq1 und q2ABqA. Die Mehrkosten des Unternehmens 1 (qADEq1) sind kleiner als die Kosteneinsparungen des Unternehmens 2 16 KAPITEL 3 (q2ABqA). Bei der Besteuerung sind die Gesamtkosten um die Flächen ABC + CDE kleiner als bei einer Auflagenlösung. Fazit: Die Gesamtkosten sind bei der Steuerlösung kleiner als bei der reinen Auflagenlösung. Der Effizienzvorteil der Steuerlösung ist dadurch bedingt, dass es die Steuer möglich macht, Unterschiede in den Grenzkosten der Vermeidung zu berücksichtigen. Wenn nicht alle Firmen die gleiche Menge Emissionen vermeiden, sondern Firmen mit tiefen Grenzkosten viel und Firmen mit hohen Grenzkosten wenig vermeiden, sind die Gesamtkosten einer gegebenen Vermeidungsmenge besonders klein. Implementierungskosten Die Kosten, die für eine Einführung und Aufrechterhaltung von umweltpolitischen Zielen mittels Auflagen oder Steuern anfallen, sind für beide Lösungen in etwa gleich hoch und bestehen aus: 1. Kontrollkosten (wird die Auflage eingehalten bzw. die Steuer bezahlt?): Kontrollkosten(Auflagen) ≈ Kontrollkosten(Steuern) 2. Sanktionskosten (Strafen bei Nicht-Einhaltung von Auflagen bzw. Nicht-Zahlung von Steuer): Sanktionskosten(Auflagen) ≈ Sanktionskosten(Steuern) 3. Kosten der Festlegung von vA bzw. t: Auflagen schneiden etwas besser ab als Steuern, da der „trial-anderror“-Prozess beim Festlegen von t kostenintensiver und langwierig sein kann. Fazit: Es gibt keine wesentlichen Unterschiede bei den Implementierungskosten zwischen Auflagen und Steuern. Ein leichter Vorteil zugunsten von Caps ist auszumachen. Dynamische Anreizwirkungen Auflagen im Sinne von Caps setzen gewisse Anreize für umwelttechnologischen Fortschritt. Mit neuen Umwelttechnologien lassen sich Kosten einsparen, da die bisherigen umweltpolitischen Ziele nun dank neuer Technologien, wie z.B. besserer Filter, zu tieferen Kosten erreicht werden können. Steuern können ebenfalls prinzipiell dynamische Anreizwirkungen haben. Jede Technologieverbesserung schlägt sich in einer Verringerung der für die bisherige Vermeidungsmenge zu zahlenden Steuern nieder. Die Nettoersparnis aus der höheren Vermeidung an Umweltbelastung wird jeweils positiv und insgesamt grösser als bei einer Auflage sein, wie anhand von Abb. 3.10 und Abb. 3.11 gezeigt wird. Sowohl bei Steuern als auch bei Auflagen sind der Verringerung der Kosten durch den umwelttechnologischen Fortschritt die zusätzlichen Kosten aus den Vermeidungsanstrengungen an sich entgegenzusetzen. Beispielhaft kann man etwa an die Kosten für den Kauf oder die Entwicklung neuer Filteranlagen denken. Ein Unternehmen ist nur dann an einer Reduktion der Verschmutzungsmenge interessiert, wenn die daraus entstehenden Kosteneinsparungen grösser sind als die Kosten aus der Entwicklung und Einführung der Sparmassnahmen. 17 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Allgemein gilt auch, dass die Unternehmen kein Interesse an der Entwicklung und Einführung neuer Technologien haben, wenn vom Staat eine Verschärfung der Auflagen droht. Es besteht dann sogar die Gefahr, dass technologische Innovationen zurückgehalten werden, um dem Staat nicht die Gelegenheit zu bieten, die Auflagenwerte entsprechend der neuen technischen Möglichkeiten zu verschärfen ("Schweigekartell der Oberingenieure"). Die folgenden beiden Grafiken veranschaulichen die Antwort auf die Frage, ob es bei der Auflagen- oder Steuerlösung einen grösseren Anreiz gibt, durch technologische Fortschritte Kosteneinsparungen zu erzielen. 1. Auflagenlösung: Abb. 3.10: Dynamische Anreizwirkungen Auflagen Grenzkosten der Vermeidung Steuer t U ng du ei m er KV G ’U ung eid m K Ver G F H 0 qvAA v’AA q' vmax qmax V = vermiedene q = Emissionsreduktion Umweltbelastung Abb. 3.10: Dynamische Anreizwirkungen – Auflagen Durch die Einführung neuer Technologien verschiebt sich die Grenzkostenkurve von GKU nach GK'U, d.h. die Vermeidung wird insgesamt günstiger. Dadurch entstehen Kosteneinsparungen entsprechend der Fläche F bei einer vermiedenen Umweltbelastung vA. Technologische Innovationen kommen dann zustande, wenn die Kosteneinsparungen F, die über die Zeit hin erzielt werden können, grösser sind als die Kosten, die das Unternehmen für die Entwicklung und Einführung neuer Technologien aufwenden muss. Wenn nun die Regierung als Reaktion auf den Technologiewandel die Auflagen verschärft (qA → q'A), entstehen für die Unternehmung Zusatzkosten in der Höhe der Fläche H. Der Nettovorteil aus einer Technologieverbesserung beträgt nur noch F-H und kann sogar Null oder negativ sein. Die Unternehmen haben also einen Anreiz im Auflagenfall nicht die kostengünstigste Vermeidungstechnologie einzusetzen, oft werden die technischen Möglichkeiten sogar bewusst verschwiegen. 18 KAPITEL 3 2. Steuerlösung: Grenzkosten der Vermeidung Steuer t Abb. 3.11: Dynamische Anreizwirkungen Steuern U ng du ei m er KV G ’U ng idu e rm K Ve G K F H 0 v* q* v*’ q*' vmax Vq==vermiedene Emissionsreduktion Umweltbelastung qmax Abb. 3.11: Dynamische Anreizwirkungen - Steuern Durch die Einführung neuer Technologien verschiebt sich die Grenzkostenkurve von GKU nach GK'U. Für die Menge q* können Kosteneinsparungen entsprechend der Fläche F realisiert werden. q* ist durch die Verschiebung der Grenzkosten der Vermeidung nicht mehr die optimale Menge. Stattdessen lohnt es sich nun für das Unternehmen, die Vermeidungseinheiten auf q*' zu erhöhen. Dadurch fallen zusätzliche Vermeidungskosten in der Höhe von H an. Unter Berücksichtigung der bei v*' geringeren Steuerzahlungen der Unternehmung ((qmax - q*’)·t statt (qmax - q*)·t) bleibt ein Nettovorteil durch den Übergang von q* auf q*' in Höhe der Fläche K. F+K bei Steuer ist grösser als F bei Auflage, was zugunsten der Steuer spricht. Fazit: Bei reinen Auflagen (Caps) und Steuern gibt es jeweils grundsätzlich Anreize für umweltfreundliche technische Neuerungen, die jedoch nicht wirksam werden, wenn damit gerechnet wird, dass der Staat auf die Kosteneinsparungen der Unternehmen mit Erhöhungen von Auflagenmengen oder Steuersätzen reagiert. Steuern liefern den grösseren Anreiz, umweltfreundliche Technologien einzuführen. Zusammenfassung: Vergleich handelbaren Zertifikaten von Steuern, Auflagen und Abschliessend werden nun die drei wichtigsten Internalisierungsinstrumente, nämlich Steuern (S), Auflagen (A) und handelbare Zertifikate (Z) im Hinblick auf die vier oben eingeführten Beurteilungskriterien verglichen. Es ergeben sich folgende Rankings: 19 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Gesamtvergleich: Kriterien a)-d) a) Ökologische Effektivität / Treffsicherheit ökologische Eff.(Z) ≈ ökologische Eff.(A) > ökologische Eff.(S) b) Ökonomische (Pareto-) Effizienz ökonomische Eff.(Z) ≈ ökonomische Eff.(S) > ökonomische Eff.(A) c) Implementierungskosten Implement’kosten(S) ≈ Implement’kosten(A) ≈ Implement’kosten(Z) d) Dynamische Anreizwirkungen dyn. Anreiz(Z) ≈ dyn. Anreiz(S) > dyn. Anreiz(A) Steuern und Auflagen liefern dabei jeweils grundsätzlich Anreize für umweltfreundliche technische Neuerungen. Steuern liefern den grösseren Anreiz umweltfreundliche Technologien einzuführen als Auflagen. Falls die Zertifikatsmärkte funktionstüchtig sind, besteht ein Anreiz für technologische Verbesserungen auch bei Zertifikaten. Unter diesen Umständen ist die Zertifikatslösung ähnlich vorteilhaft wie die Steuerlösung (Erzielung zusätzlicher Einnahmen). Allgemein werden die Anreizmechanismen jedoch nicht wirksam, wenn damit gerechnet wird, dass der Staat auf die Kosteneinsparungen der Unternehmen mit Erhöhungen von Auflagenmengen oder Steuersätzen reagiert. Umweltpolitische Empfehlung Basierend auf den Rankings kann man folgende Empfehlungen zum Einsatz von Steuern, Auflagen (Caps) oder handelbaren Zertifikaten mit dem Ziel einer vorgegebenen Emissionsminderung abgeben: - Auflagen als umweltpolitisches Instrument sind empfehlenswert, wenn auf ökologische Effektivität viel Wert gelegt wird, bzw. wenn die Wahrscheinlichkeit einer preisunelastischen Nachfragekurve (ε sehr klein) hoch ist. - Steuern als umweltpolitisches Instrument sind empfehlenswert, wenn die ökonomische Effizienz im Vordergrund steht, wenn die Anreizmechanismen für die Schaffung von umweltfreundlichen Technologien gross sein sollen, und wenn bekannt ist, dass die Preiselastizität der Nachfrage nicht sehr klein ist. - Zertifikate können die Vorteile von Auflagen (ökologische Treffsicherheit) mit den Vorteilen der Steuerlösung (ökonomische Effizienz, dynamische Anreizwirkungen) verbinden, falls die Zertifikatsmärkte funktionieren. Dann stellen Zertifikate das beste umweltpolitische Instrument dar. Trotz der vielen Vorteile von Zertifikatslösungen existieren in der Praxis meist viel mehr Auflagenlösungen, wie Studien belegen. Grund dafür ist, dass die Einführung von Auflagenlösungen für bestimmte Gruppen wie z.B. die Politiker bzw. die Bürokratie oder andere Interessengruppen vorteilhafter ist und deshalb von diesen Gruppen durch Lobbying unterstützt wird. Näheres hierzu ist in Kapitel 5 zu finden. 20 KAPITEL 3 5. Beurteilung Unsicherheit von Preis- und Mengensteuerung unter Wir haben soeben gesehen, dass marktbasierte Regulierungsinstrumente, wie Steuern und handelbare Zertifikate, aus ökonomischer Sicht einer Auflagenlösung vorzuziehen sind. Der massgebliche Grund hierfür ist die ökonomische Effizienz. Ein bestimmtes Niveau an Emissionsreduktionen kann mit Steuern oder handelbaren Zertifikaten zu niedrigeren Gesamtkosten erreicht werden als mit einer Auflage (siehe oben). Die Überlegenheit einer marktbasierten Lösung illustriert die folgende Abb. 3.12, die die geschätzten Vermeidungskosten der Implementierung des Kyoto Protokolls (mehr dazu in Kapitel 5) über zwei verschiedene Wege aufzeigt: Zertifikatehandel zwischen allen Ländern, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben („mit Handel“) und „kein Handel“. Die Vermeidungskosten der Lösung über ein Handelsystem, also einer marktbasierten Lösung, liegen dabei eindeutig unter der Alternativlösung. Abb. 3.12: Vermeidungskosten verschiedener Implementierungsstrategi en Strategien mit Handel Diskontierte Kosten ohne Handel Billionen $ 0 5 10 15 Abb. 3.12: Vermeidungskosten zwei verschiedener Implementierungsstrategien des Kyoto Protokolls (Quelle: Nordhaus, 2005, S. 29) Auf Grund der Vorteilhaftigkeit der marktbasierten Regulierungen werden wir uns bei der folgenden Analyse zur Berücksichtigung von Unsicherheit auf diese Instrumente beschränken. Es geht also um Steuern (im Folgenden auch als Preisregulierung bezeichnet) und um handelbare Zertifikate (auch als Mengenregulierung bezeichnet). Unter der Annahme von Sicherheit über die Kosten und Nutzen von Emissionsreduktionen sind Steuern und handelbare Zertifikate gleich effizient. Wie bereits im Abschnitt 2 dieses Kapitels erwähnt wird, ist die Annahme der Sicherheit über die Verläufe der verschiedenen relevanten Kurven jedoch eine stark vereinfachende und unrealistische Annahme. Im Folgenden werden deshalb Preis- und Mengenregulierungen auf ihre ökonomische Effizienz hin untersucht, wenn die Kosten (K) und die Nutzen (N) aus den Emissionsreduktionen unbekannt sind. Ein solcher Vergleich ist in der Literatur unter dem Namen „Prices vs. Quantities“ bekannt und stammt von einem gleichnamigen Paper, das von M. Weitzman bereits 1974 verfasst wurde. Bevor wir das formal-theoretische Ergebnis von Weitzman diskutieren, werden wir den Vergleich der Instrumente 21 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE grafisch veranschaulichen, was das Verständnis des Problems erheblich vereinfacht. Das Grundproblem ist in Abb. 3.13 skizziert. Auf der horizontalen Achse wird das „Gut“ Emissionsreduktion Q mit den Mengen q abgetragen; dabei entspricht q dem v (vermiedene Umweltbelastung) in den Abbildungen 3.8 ff. Für die Grenzvermeidungskostenkurve (GK) ergibt sich somit ein steigender Verlauf, für die Grenznutzenkurve (GN) ein fallender. Der Grenznutzen der Vermeidung nimmt also ab, je mehr Emissionen bereits vermieden sind. Dahinter steht die Annahme, dass der gesellschaftliche Nutzengewinn aus einer zusätzlich vermieden Emissionseinheit besonders gross ist, wenn man anfängt etwas gegen die Emissionen zu unternehmen. Dann dürfte auch die ökologische Verbesserung besonders signifikant sein. Von der GK- und GN-Kurve wird angenommen, dass sie linear verlaufen. Ohne Internalisierung, d.h. ohne internalisierende Regulierung, werden zu wenig bzw. keine Emissionsreduktionen „produziert“. Maximal können qฬ Emissionen vermieden werden. Um Emissionsreduktionen zu erzielen, kann der Regulierer, d.h. der Staat, entweder eine Steuer auf nicht vermiedene Emissionen erheben oder handelbare Zertifikate ausgeben. Wie bereits erwähnt, sehen wir hier von der Betrachtung weiterer Internalisierungsmassnahmen ab. Der massgebliche Unterschied zwischen den beiden erwähnten Regulierungen besteht nun in Folgendem: Eine Preisregulierung fixiert den Preis einer Emissionseinheit, etwa bei t*. Unternehmen entscheiden auf Grund ihrer Grenzvermeidungskosten über die tatsächliche Menge an Emissionsreduktionen (siehe oben). Sie würden in Abb. 3.13 q* wählen. Bei einer Mengenregulierung hingegen wird vom Staat die Menge an zulässigen Emissionen fixiert, etwa bei q*. Die Höhe des Zertifikatspreises, also der Preis pro Emissionseinheit, wird über die Grenzvermeidungskosten bestimmt. Er würde in Abb. 3.13 p* betragen. Bei vollkommener Kenntnis aller Parameter würden t* und p* einander entsprechen und q* wäre die optimale Menge an Emissionsvermeidung. Die unterschiedliche Fokussierung auf zunächst den Preis oder zunächst die Menge wird die Effizienz der Instrumente unter Unsicherheit massgeblich beeinflussen. Grenzkosten (GK) Grenznutzen (GN) Abb. 3.13: Optimale Preis- bzw Mengenregulierung GK B t*=p* GN q } q* Emissionsreduktion (q) Anzahl Zertifikate Abb. 3.13: Optimale Preis- bzw. Mengenregulierung 22 KAPITEL 3 Nehmen wir nun also an, dass Unsicherheit besteht. Konkret soll sich die Unsicherheit auf die Lage oder die „Höhe“ der Kurven im Diagramm 3.13 beziehen. Die Steigungen der GN- und GK-Kurven seien weiterhin bekannt, lediglich der Achsenabschnitt der Kurven sei unbekannt. Folglich kann der Schnittpunkt B der GK- und GN-Kurve, der die optimale Regulierung determiniert, nicht mehr eindeutig bestimmt werden. Der Regulierer kann lediglich Erwartungen über die Lage der Kurven und somit über den Schnittpunkt der GK- und GN-Kurve bilden. Darüber hinaus wird angenommen, dass die Unsicherheiten bzgl. der Kosten und Nutzen unkorreliert sind. 1 Wir gehen davon aus, dass der Regulierer, gegeben seine Erwartungen, eine „ex-ante“ optimale Preis- oder Mengenregulierung implementiert. Zu beachten ist jedoch, dass die Regulierung „ex-post“, wenn die Unsicherheit beseitigt ist und die tatsächlichen Kurven bekannt sind, in der Regel nicht optimal sein wird. Ex-post nicht-optimale Regulierungen führen aber zu Wohlfahrtsverlusten: bei einer Mengenregulierung auf Grund der Über- oder Unterallokation von Zertifikaten, bei einer Preisregulierung auf Grund eines zu hohen oder zu niedrigen Steuersatzes. Es stellt sich daher die Frage, wie im Falle von Unsicherheit über die Lage der GN- bzw. der GK-Kurve eine „optimale“, d.h. für die grösstmögliche Wohlfahrt sorgende Regulierung gefunden werden kann. Zur Erinnerung: Optimale Regulierung unter Sicherheit Sind beide Kurven, GK und GN, bekannt (siehe Abbildung 3.13), kann der Regulierer die optimal Steuer t* erheben. Dies führt, wie in Abschnitt 4 dieses Kapitels beschrieben, zur Reduktionsmenge q*. Alternativ könnte der Regulierer eine Mengenregulierung einführen. Die Anzahl der Zertifikate wird dabei so gewählt, dass die optimale Menge an Emissionen q* reduziert werden muss. Die Wohlfahrt aus Emissionsreduktionen ๐(๐) = ๐(๐) − ๐พ(๐) wird in beiden Fällen maximiert, weil im Punkt B Grenzkosten und Grenznutzen gleich gross sind. Unsicherheit in der GN-Kurve: Angenommen, der Regulierer erwartet die Grenznutzenkurve GNexp. Der tatsächliche Grenznutzen GNreal kann jedoch höher oder niedriger ausfallen. In Abbildung 3.14 ist eine mögliche GNreal-Kurve abgebildet, die rechts von der im vornherein erwarteten Kurve liegt. Die Regulierungsbehörde wird, gegeben ihre Erwartungen, die ex-ante optimale Regulierung einführen. Wählt der Regulierer das Preisinstrument, erhebt er gemäss seinen Erwartungen den Steuersatz t. Es werden q Emissionen reduziert. Da der tatsächliche Grenznutzen jedoch höher liegt als erwartet, sind der Steuersatz und die daraus resultierende Menge an Emissionsreduktionen zu niedrig. Im Vergleich zur optimalen Regulierung (Menge: q*; Emissionspreis p*=t*) entsteht ein Wohlfahrtsverlust in Höhe des Dreiecks ABC, da der Nutzen aus einer zusätzlichen reduzierten Emissionseinheit grösser wäre als die daraus entstehenden Kosten. Die exante optimale Regulierung ist ex-post nicht mehr optimal, da die Emissionsvermeidung suboptimal klein ist. 1 Ein Vergleich von Preis- und Mengenregulierungen mit korrelierten Unsicherheiten wird in Stavins (1996) diskutiert. 23 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Grenzkosten (GK) Grenznutzen (GN) Abb. 3.14: Unsicherheit in der GNKurve I GK C p*=t* B p=t A GNexp q GNreal Emissionsreduktion (q) q* Abb. 3.14: Unsicherheit in der GN-Kurve I Wählt der Regulierer das Mengeninstrument, werden Zertifikate in dem Umfang vergeben, dass q Emissionseinheiten vermieden werden müssen. Der Zertifikatpreis wird bestimmt durch ๐บ๐พ(๐) = ๐ und ist somit identisch mit dem Steuersatz t, der unter einer Preisregulierung gewählt wurde. Da mit beiden Instrumenten die gleiche Menge an Emissionen q reduziert wird, ist es offensichtlich, dass der Wohlfahrtsverlust im Ausmass der Fläche des Dreiecks ABC auch bei der Mengenregulierung auftritt. Abbildung 3.15 beschreibt die gleiche Situation wie Abb. 3.14, allerdings ist die GN- nun relativ flacher als die GK-Kurve. Wir erhalten das gleiche Ergebnis. Beide Regulierungsinstrumente führen zum identischen Wohlfahrtsverlust im Ausmass der Fläche des Dreiecks ABC. Grenzkosten (GK) Grenznutzen (GN) GK Abb. 3.15: Unsicherheit in der GNKurve II B C p*=t* p=t A GNreal GNexp q q* Emissionsreduktion (q) Abb. 3.15: Unsicherheit in der GN-Kurve II Ist die Lage der GN-Kurve unbekannt, führen Preis- und Mengenregulierungen zum gleichen Wohlfahrtsverlust und sind daher gleich (in-) effizient. Eine Differenzierung zwischen beiden Instrumenten hinsichtlich der ökonomischen Vorteilhaftigkeit ist demnach nicht möglich. 24 KAPITEL 3 Unsicherheit in der GK-Kurve Kommen wir nun zu dem Fall, in dem die Grenznutzenkurve bekannt, die Lage der Grenzkostenkurve jedoch unbekannt ist. Wir betrachten in Abbildung 3.16 eine Situation, in der die erwartete GKexp unterhalb der tatsächlichen Grenzkostenkurve, GKreal, liegt. Grenzkosten (GK) Grenznutzen (GN) C Abb. 3.16: Unsicherheit in der GKKurve I GKreal GKexp D p p*=t* B t A E GN qt q* q Emissionsreduktion (q) Abb. 3.16: Unsicherheit in der GK-Kurve I Bei einer Preisregulierung wird, gegeben die Erwartungen des Regulierers, der Steuersatz t erhoben um das Reduktionsniveau q zu erreichen. Da die tatsächlichen Grenzkosten jedoch höher liegen als erwartet, wird das Unternehmen lediglich die Menge qt reduzieren. Im Vergleich zur optimalen Regulierung (Menge: q*; Emissionspreis p*=t*) ist der Steuersatz und die daraus resultierende Menge an vermiedenen Emissionen zu niedrig. Es entsteht ein Wohlfahrtsverlust in Höhe der Fläche des Dreiecks BCE. Bei einer Mengenregulierung werden Zertifikate vergeben, um das Reduktionsniveau q zu erreichen. Der Zertifikatspreis wird durch die tatsächlichen Grenzkosten der bei q vermiedenen Emissionen bestimmt und beträgt demnach ๐บ๐พ ๐๐๐๐ (๐) = ๐. Es ist unschwer zu erkennen, dass im Vergleich zur optimalen Regulierung zu viele Emissionen reduziert werden (Unterallokation von Zertifikaten). Es entsteht ein Wohlfahrtsverlust in Höhe der Fläche des Dreiecks BDA. Ist die Lage der Kurve der Grenzvermeidungskosten unbekannt, führen Preisund Mengenregulierungen zu verschiedenen Vermeidungsmengen und folglich auch zu unterschiedlichen Wohlfahrtsverlusten. Die beiden marktbasierten Instrumente können somit nach ihrer ökonomischen Effizienz klassifiziert werden. In diesem Fall verursacht die Steuer einen grösseren Wohlfahrtsverlust als das Zertifikatsystems (Fläche BCE > Fläche BDA). Die Abweichung von der optimalen Regulierung ist bei der Preisregulierung grösser als bei der Zertifikatslösung. Eine Mengenregulierung wäre daher einer Emissionssteuer als Regulierungsinstrument vorzuziehen. Dies ist jedoch keine allgemeingültige Aussage. Vielmehr hängt das Ergebnis der Effizienzbeurteilung entscheidend von den Steigungen der GN- und GKKurven ab. 25 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE Abbildung 3.17 gleicht Abbildung 3.16, allerdings wurden die Steigungen der Kurven verändert: die Grenzkostenkurve verläuft nun relativ steiler als die Grenznutzenkurve. Erneut entsteht bei der Verwendung einer Steuer als Regulierungsinstrument ein Wohlfahrtsverlust in Höhe der Fläche des Dreiecks BCE und beim Zertifikatsystem in Höhe der Fläche des Dreiecks BDA. Im Vergleich zu Abb. 3.16 ist der Wohlfahrtsverlust bei Zertifikaten nun aber grösser als bei Steuern. Eine Preisregulierung wäre in diesem Fall das zu bevorzugende Regulierungsinstrument, da die Zertifikate relativ schlechter abschneiden (Fläche BCE < Fläche BDA). Grenzkosten (GK) Grenznutzen (GN) GKreal Abb. 3.17: Unsicherheit in der GKKurve II exp GK p p*=t* t D C B E A GN qt q* q Emissionsreduktion (q) Abb. 3.17: Unsicherheit in der GK-Kurve II Die Konstellation der GK- und GN-Kurven in Abbildung 3.16 sprechen für eine Mengenregulierung, die in Abb. 3.17 für eine Preisregulierung. Beide Abbildungen unterscheiden sich jedoch lediglich in den relativen Steigungen der Kurven. Wenn die Lage der GK-Kurve unbekannt ist, bestimmen also die Steigungen der GN- und GK-Kurven die relative Vorteilhaftigkeit der Regulierungsinstrumente. Martin Weitzman bestätigt dieses Ergebnis in seiner formalen Analyse der ökonomischen Effizienz von marktbasierten Regulierungsinstrumenten unter Unsicherheit. Weitzman berechnet dabei den komparativen Vorteil einer Preisgegenüber einer Mengenregulierung. Weitzman geht von folgenden Funktionen aus: (1) (2) ๐พ = ๐(๐, ๐), mit ๐ als Zufallsvariable mit Erwartungswert ๐ธ(๐) = 0 und Varianz ๐๐ด๐ (๐) = ๐ 2 ; ๐ = ๐(๐, ๐), mit ๐ als Zufallsvariable mit Erwartungswert ๐ธ(๐) = 0 und Varianz ๐๐ด๐ (๐) = ๐ 2 . 26 KAPITEL 3 K und N sind nun also Zufallsvariablen; sie hängen von der Höhe der Emissionsreduktion ๐ sowie von den Realisationen der Zufallsvariablen ๐ und ๐ ab. Der erwartete Nettowohlfahrtseffekt bei einer Preisregulierung ergibt sich als (3) ๐ธ[๐ (๐, ๐) − ๐พ(๐, ๐)]. Wie aus den Abbildungen 3.16 und 3.17 ersichtlich, hängt das für die Berechnung der Wohlfahrt relevante ๐ im Fall der Preisregulierung von der Zufallsvariable ๐ ab: (4) ๐ = โ(๐). Die Begründung für (4) ist darin zu sehen, dass ๐ darüber entscheidet, wie weit die Punkte A und E voneinander entfernt sind, bzw. wie gross der tatsächliche qt-Wert ist. Im Fall einer Mengenregulierung ist der erwartete Nettowohlfahrtseffekt ebenfalls durch Gleichung (3) angegeben. Allerdings ist ๐ in diesem Fall politisch bestimmt und nicht zufallsabhängig. Der komparativ erwartete Nettowohlfahrtseffekt โ der Preis- gegenüber der Mengenregulierung ergibt sich also als (5) โ= ๐ธ{[๐(๐(๐), ๐) − ๐พ(๐(๐), ๐)] − [๐(๐, ๐) − ๐พ(๐, ๐)]}. Der Term in der ersten eckigen Klammer von (5) gibt die Wohlfahrt bei einer Preisregulierung an. Der Nettonutzen aus vermiedenen Emissionen mit einer Mengenregulierung ist im zweiten Term in eckigen Klammern angegeben. โ misst demnach den erwarteten Verlust/Gewinn in der Wohlfahrt, der durch den Einsatz einer Preisregulierung anstelle einer Mengenregulierung erzielt werden kann. Ist die erwartete Wohlfahrtsdifferenz positiv, d.h. โ> 0, ist die erwartete Wohlfahrt mit einer Preisregulierung höher als mit einer Mengenregulierung. In diesem Fall sollte eine Emissionssteuer als Regulierungsinstrument den Zertifikaten vorgezogen werden. Ist die Wohlfahrtsdifferenz hingegen negativ, โ< 0, ist die Mengenregulierung im Vergleich zum Preisinstrument relativ effizienter. Hier empfiehlt sich eine Regulierung über Zertifikate einzuführen. Nur wenn die Wohlfahrtsdifferenz null ist, โ= 0, sind beide Regulierungsinstrumente gleich (in-)effizient. In diesem Fall führen Preis- und Mengenregulierungen zur gleichen Wohlfahrt. Eine Differenzierung zwischen Preis- und Mengenregulierung bezüglich der ökonomischen Effizienz ist demnach nicht möglich. Zusammenfassend gilt: • โ > 0 , Preisregulierungen sind relativ effizienter als Mengenregulierungen (siehe z.B. Abb. 3.17) • โ < 0 , Mengenregulierungen sind relativ effizienter als Preisregulierungen (siehe z.B. Abb. 3.16) • โ = 0 , beide Instrumente sind gleich (in-)effizient. Will man nun nicht nur etwas über das mögliche Vorzeichen von โ, sondern etwas Konkreteres zu Vorzeichen und Wert von โ sagen, muss man die Funktionen von N und K näher spezifizieren. Weitzman tut dies, indem er (1) 27 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE und (2) quadratisch approximiert. Er erhält dadurch lineare Grenzkosten- und Grenznutzenfunktionen. Die Zufallsvariablen ๐ und ๐ gehen in die Approximation so ein, dass sie den Achsenabschnitt der Grenzkosten- und Grenznutzenkurve bestimmen. Unter Berücksichtigung dieser Spezifikationen erhält man für die Wohlfahrtsdifferenz Δ folgendes Ergebnis: 2 (6) โ= wobei ๐2 (๐ ′′ + ๐พ ′′ ) 2(๐พ ′′ )2 - N‘‘ (N‘‘<0) die Steigung der (linearen) Grenznutzenkurve ist, - K‘‘ (K‘‘>0) die Steigung der (linearen) Grenzkostenkurve ist und ๐ 2 die Varianz von ๐, d.h. die Unsicherheit der Kosten K darstellt. - Gleichung (6) ist das Hauptergebnis von Weitzmans formaler Analyse der ökonomischen Vorteilhaftigkeit von Preis- gegenüber Mengenregulierungen. Politikempfehlungen: Unsicherheit in den Grenznutzen hat keinen Einfluss auf die Vorteilhaftigkeit von Preis- gegenüber Mengenregulierungen. Wie wir bereits anhand der Abbildungen 3.14 und 3.15 zeigen konnten, sind die Wohlfahrtsverluste (Fläche des Dreiecks ABC) bei Preis- und Mengenregulierungen identisch. Beide Instrumente sind also im Hinblick auf die ökonomische Effizienz gleich gut. Beide sind im gleichen Mass weniger effizient als die optimale Regulierung bei sicherer Kenntnis der GN- und GK-Kurven. Eine Klassifizierung der Instrumente im Hinblick auf ihre ökonomische Effizienz ist somit nicht möglich. Wenn die Grenzkosten hingegen unsicher sind, liefern die beiden marktbasierten Instrumente unterschiedliche Ergebnisse. Im Fall von Unsicherheit über die Lage der GK-Kurve sind die relativen Steigungen der GN- und GK-Kurve ausschlaggebend dafür, ob eine Preis- oder eine Mengenregulierung effizienter ist. Da der erste Term der Gleichung (6) stets positiv ist, entscheidet das Vorzeichen der Klammer (๐‘‘ + ๐พ‘‘) ob die Wohlfahrtsdifferenz positiv oder negativ ist. Wie bereits erwähnt, ist die Preisregulierung vorzuziehen, falls โ> 0. Für โ< 0 ist die Mengenregulierung ökonomisch effizienter, und bei โ= 0 ist es aus dem Blickwinkel der ökonomischen Effizienz egal, ob sich der Regulierer für eine Preis- oder Mengenregulierung entscheidet. Wann wird nun die erwartete Wohlfahrtsdifferent โ grösser, gleich oder kleiner null sein? Es gilt: • โ > 0 , wenn die Grenzkostenkurve relativ steiler verläuft als die Grenznutzenkurve (๐พ‘‘ > |๐‘‘|), so dass (๐‘‘ + ๐พ‘‘) > 0, • die Grenznutzenkurve (๐พ‘‘ < |๐‘‘|), so dass (๐‘‘ + ๐พ‘‘) < 0, • 2 โ < 0 , wenn die Grenzkostenkurve relativ flacher verläuft als โ = 0 , wenn beide Kurven die gleiche relative Steigung besitzen (๐พ‘‘ = |๐‘‘|), also (๐‘‘ + ๐พ‘‘) = 0. Für eine detaillierte Herleitung der Wohlfahrtsdifferenz โ, siehe Weitzman (1974). 28 KAPITEL 3 Verläuft die Grenzkostenkurve relativ steiler als die Grenznutzenkurve, ist also ein Preisinstrument gegenüber einer Mengenregulierung zu bevorzugen und umgekehrt. Die Intuition hinter diesem Ergebnis ist die Folgende: Bei einer Preisregulierung, werden die Kosten für Emissionen durch den Steuersatz fixiert. Hingegen bleibt die Menge an (vermiedenen) Emissionen unbekannt; sie wird implizit durch die tatsächliche Grenzkostenkurve definiert. Verläuft die GK-Kurve im Vergleich zur GN-Kurve relativ steil, ist die Abweichung von der optimalen Regulierung relativ gering, wenn der Emissionspreis fixiert wird. Der Wohlfahrtsverlust fällt demnach relativ gering aus (siehe Abb. 3.17). Würde hingegen die Emissionsmenge fixiert (Zertifikatsystem), entstünde eine erhebliche Diskrepanz zwischen der eingeführten und der optimalen Regulierung. Der daraus resultierende Wohlfahrtsverlust fällt folglich relativ gross aus. Bei einer solchen Konstellation der Steigungen ist es demnach von Vorteil, den Emissionspreis und nicht die Menge an Emissionen zu regulieren. Verläuft die GN-Kurve jedoch relativ steiler als die GK-Kurve gilt das Gegenteil. Die ex-ante Mengenregulierung unterscheidet sich im Vergleich zur Steuer nur geringfügig von der ex-post optimalen Regulierung. Aus Sicht der ökonomischen Effizienz sollte in diesem Fall eine Zertifikatlösung gegenüber einer Preisregulierung bevorzugt werden. Nach diesen Ergebnissen der Weitzman’schen Modellanalyse stellt sich die Frage, ob bzw. wie diese Ergebnisse in der konkreten Politik berücksichtigt werden. Betrachten wir das am Beispiel der Klimapolitik. Die bisherigen Überlegungen legen es nahe, dass eine CO2 Steuer ökonomisch effizienter wäre als eine Mengenregulierung. Dies könnte man damit begründen, dass im Klimakontext für den Fall von Unsicherheit über die Lage der GK-Kurve mit einer im Vergleich zur GN-Kurve relativ steilen GKKurve zu rechnen ist. Folglich ist von (๐‘‘ + ๐พ‘‘) > 0 auszugehen und eine Preisregulierung wäre vorteilhafter als ein Zertifikatsystem (โ>0). Als Begründung für eine eher flache GN-Kurve lässt sich aufführen, dass die Verminderung der CO2-Emissionen um eine Einheit nur einen geringen Zusatznutzen im Sinne einer Verringerung des Klimawandels mit sich bringt. Klimawandel an sich wird vor allem von den bereits in der Atmosphäre befindlichen Treibhausgasen und erst in zweiter Linie von den „neu“ emittierten Treibhausgasen getrieben. Der Grenznutzen aus einer vermiedener CO2-Emissionen wird demnach über die Gesamtmenge an Emissionsreduktionen relativ konstant und eher klein sein. Hingegen reagieren die Grenzvermeidungskosten relativ sensibel auf die Menge an Emissionsreduktionen. Die Grenzvermeidungskostenkurve wird demnach relativ steil verlaufen. Diese Kombination an GN- und GK-Steigungen impliziert, dass eine Reduktion von CO2-Emissionen durch eine Preisregulierung effizienter erreicht werden kann als durch eine Mengenregulierung. Schätzungen zu Folge liegt etwa der komparative Vorteil einer CO2-Steuer gegenüber handelbaren CO2-Zertifikaten bei etwa 520 Millionen US Dollar (Newell and Pizer (2003)). Ein Blick in die nationale und internationale Klimapolitik zeigt, dass Mengenregulierungen (Zertifikatehandel) eine wichtige Rolle spielen (siehe hierzu auch Kapitel 5). Dies ist durch Überlegungen zur ökonomischen Effizienz nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Neben der ökonomischen Effizienz sind offenbar weitere Überlegungen für die Instrumentenwahl entscheidend. Aspekte wie die politische Durchsetzbarkeit oder auch Fragen 29 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE des Lobbying dürften von Bedeutung sein. Hierauf wird in den folgenden Kapiteln näher eingegangen. 6. Staatliche Einflussnahme auf das Umweltbewusstsein Neben der Festlegung zulässiger Höchstmengen (Auflagen, Zertifikate) und der Setzung monetärer Anreize (Steuern) kann der Staat auch versuchen, mittels Bildungs- und Informationspolitik Einfluss auf das Umweltbewusstsein auszuüben und auf diese Weise dafür sorgen, dass die Nachfrage nach umweltschädigenden Gütern zurückgeht. Zur Veranschaulichung kann man Abbildung 3.18 heranziehen, die analog zu Abbildung 3.2 konstruiert ist. Die gesellschaftlich optimale Menge x1 könnte prinzipiell nicht nur durch eine Verschiebung der privaten GK-Kurve nach oben, sondern auch durch eine Verschiebung der GN-Kurve nach unten erreicht werden. Abb. 3.18: Externe negative Effekte II Grenzkosten Grenznutzen Preis GrenzkostenGESELLSCHAFT C p2G p1 GrenzkostenUNTERNEHMEN B A p2U GrenznutzenGESELLSCHAFT x1 x2 Menge des Gutes X Abb. 3.18: Externe negative Effekte II Will man eine solche Verschiebung der Nachfragekurve erreichen, müssten die Präferenzen der Verbraucher sollen so verändert werden, dass umweltschädigende Güter weniger geschätzt und somit weniger konsumiert werden. 30 KAPITEL 3 Abb. 3.19: Staatliche Handlungsmöglichkeiten Abb. 3.19: Staatliche Handlungsmöglichkeiten Entsprechende Veränderungen könnten zum Beispiel durch die Vermittlung von Umweltwissen und Umweltbildung, durch Aufklärung über Umweltgefahren oder auch durch eine staatliche Unterstützung von privaten Initiativen zu sorgsamerem Umgang mit knappen Ressourcen bzw. zu geringeren Emissionen bewirkt werden. Letzteres wären etwa Initiativen wie Bike-to-work, Mobility Car Sharing u.ä. Vergleicht man die bisher diskutierten Internalisierungsinstrumente mit denjenigen zur Beeinflussung des Umweltbewusstseins, kann man die in Abbildung 3.19 skizzierten Ansatzpunkte festhalten. Die Basis ist dabei das einfache Modell zur optimalen Konsumwahl privater Haushalte. Durch Steuern ((1)) würde man die relativen Preise von umweltschädigenden und anderen Gütern verändern. Dies kommt in Abbildung 3.19 durch die Steigung der Budgetgeraden zum Ausdruck. Auflagen ((2)) fixieren die zulässige Konsummenge. Anders als bei einer Besteuerung ist dann keine optimale Konsumwahl (im Sinne von Tangentialpunkten zwischen Budgetgerade und Indifferenzkurve) mehr möglich. Eine Einflussnahme auf das Umweltbewusstsein ((3)) würde die Nutzenfunktionen der privaten Haushalte und damit ihre Indifferenzsysteme ändern. Vergleicht man Preis- und Mengensteuerungen einerseits, sowie die Einflussnahme auf das Umweltbewusstsein andererseits, wird schnell offensichtlich, dass es schwierig und zeitaufwändig ist, das Umweltverhalten oder -bewusstsein von Personen so zu verändern, dass weniger umweltschädliche Produkte konsumiert werden. Vor allem der Weg von der Bewusstseinsänderung zur Verhaltensänderung scheint lang und schwierig zu sein. Da eine Einflussnahme auf das Umweltbewusstsein meistens erst nach langer Zeit nennenswerte Wirkungen zeigt, sollte dieser Weg durchaus neben der Preis-/Mengensteuerung verfolgt werden. Eine staatliche Einflussnahme auf das Umweltbewusstsein als alleinige Massnahme dürfte allerdings nicht ausreichen, um die angestrebte Internalisierung negativer Externalitäten zu erreichen und um die mit den Externalitäten verbundenen Wohlfahrtsverluste 31 INTERNALISIERUNG EXTERNER EFFEKTE aufzufangen bzw. gar nicht erst auftreten zu lassen. Preis- und Mengenregulierungen erweisen sich also als unerlässliche Massnahmen, und dies auch wenn mit ihrem Einsatz gewisse Wohlfahrtsverluste verbunden sein sollten. Der Netto-Wohlfahrtsverlust (vermiedener Wohlfahrtsverlust aus der Externalität abzüglich der Wohlfahrtsverluste durch eine Massnahme) ist bei sinnvoll gestalteter Politik positiv. 32 KAPITEL 3 Literatur Coase, R. H.: The Problem of Social Cost, Journal of Law and Economics. Vol. 3 (1960), S. 1–44. Endres, A.: Umweltökonomie, Stuttgart/Berlin/Köln: Kohlhammer, 2000, S. 117-141, 208-245. Frey, R.; Staehlin-Witt, E. & Blöchiger, H.: Mit Ökonomie zur Ökologie, Basel/Frankfurt am Main, Stuttgart: Helbing&Lichtenhahn, 1993, 2. Auflage, S. 55-65, 67-110, 173-177. Heltemes, S.; Meliss, M.; Roesler, R.; Zittel, W. & Spreng, D.: Externe Effekte regenerativer Energiesysteme. Externe Effekte bei einem umfassenden System einer Photovoltaikwirtschaft; Bemerkungen zu den externen Effekten durch die Energiegewinnung aus Wasserkraft, Basel: Prognos, 1992, Series: Prognos-Schriftenreihe "Identifizierung und Internalisierung externer Kosten der Energieversorgung"; Band 3. Nordhaus, W.: Life After Kyoto: Alternative Approaches to Global Warming Policies, Yale University, December 9, 2005. Pigou, A. C.: Economics of Welfare, New Brunswick: Transaction Publishers, 2002. Stavins, R.: Correlated Uncertainty and Policy Instrument Choice, Journal of Environmental Economics and Management, 1996, 30, S. 218 – 232. Weitzman, M. L.; “Prices vs. Quantities“, Review of Economic Studies, 1974, 41, S. 474 – 491. 33