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Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 16 / 1568
16. Wahlperiode
06. 02. 2017
Antrag
der Abg. Sascha Binder u. a. SPD
und
Stellungnahme
des Ministeriums für Inneres,
Digitalisierung und Migration
Umgang mit der verfassungsfeindlichen NPD
Antrag
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen,
I. zu berichten,
1. welche Bedeutung sie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 zur Verfassungsfeindlichkeit der NPD beimisst;
2. welche Konsequenzen sie aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des Umgangs mit der NPD im öffentlichen Diskurs zieht;
3. welche Konsequenzen sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
für die Vermietung von Räumen durch die öffentliche Hand an die als verfassungsfeindlich eingestufte NPD und die Nutzung des öffentlichen Raums
durch die NPD ergeben;
4. welchen Umgang mit einer als verfassungsfeindlich eingestuften Partei sie
öffentlichen Institutionen und Einrichtungen empfehlen wird;
5. welche Konsequenzen sie aus dem Urteil für die Einstellung von Mitgliedern
oder Unterstützern der NPD in den öffentlichen Dienst des Landes BadenWürttemberg sowie der baden-württembergischen Kommunen zieht;
6. welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, der NPD die öffentliche Parteienfinanzierung zu entziehen bzw. von steuerlichen Vergünstigungen auszuschließen;
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Eingegangen: 06. 02. 2017 / Ausgegeben: 31. 03. 2017
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 16 / 1568
II.die Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen vom 24. Januar 2017 zu unterstützen mit dem Ziel, die Parteienfinanzierung von höchstrichterlich als verfassungsfeindlich eingestuften Parteien soweit wie möglich einzuschränken.
06. 02. 2017
Binder, Hinderer, Stickelberger,
Rolland, Weirauch SPD
Begründung
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 die NPD
zwar nicht verboten, aber verfassungsfeindliche Ziele in ihrem Programm festgestellt. Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen aus diesem Urteil zu ziehen
sind, insbesondere hinsichtlich des Umgangs der öffentlichen Hand mit der NDP
als verfassungsfeindliche Partei. Außerdem gilt es zu klären, wie sich das Land
Baden-Württemberg zur Bundesratsinitiative aus Niedersachsen verhält. Die Bundesratsinitiative verfolgt das Ziel, die Parteienfinanzierung von verfassungsfeindlichen Parteien soweit wie möglich einzuschränken.
Stellungnahme
Mit Schreiben vom 2. März 2017 Nr. 4-0151/42-2 nimmt das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministerium für
Finanzen und dem Ministerium für Verkehr zu dem Antrag wie folgt Stellung:
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen,
I. zu berichten,
1. welche Bedeutung sie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 zur Verfassungsfeindlichkeit der NPD beimisst;
Zu I. 1.:
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Urteil vom 17. Januar 2017 die
NPD als verfassungsfeindlich bewertet, sie aber wegen fehlender Anhaltspunkte
für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele nicht verboten.
Mit der Entscheidung hat das BVerfG richtungsweisende Maßstäbe für künftige
Parteiverbotsverfahren aufgestellt. Die Schwelle für ein Parteiverbot wurde angehoben. Es geht nicht mehr um die Feststellung einer „aggressiv-kämpferischen
Haltung“ als Verbotsvoraussetzung, sondern um das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass die Partei durch ihr
Handeln ihre verfassungsfeindlichen Ziele erreichen kann. Dieser Maßstab stellt
eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG dar (KPD-Urteil,
BVerfG 5, 85, 143).
Das Urteil hat rechtsextremistischen Parteien klare inhaltliche Grenzen aufgezeigt.
Es hat deutlich gemacht, dass in Parteien kein Platz für Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit ist. An diesen Grenzen müssen sich alle Parteien
messen lassen. Das BVerfG hat der NPD – trotz Zurückweisung des Parteiverbotsantrags – keinen Freibrief im Hinblick auf die verfassungsfeindlichen Aktivitäten
der Partei ausgestellt, sondern deutlich gemacht, dass die NPD eine rassistische,
antisemitische und demokratiefeindliche Partei ist. Es hat deren verfassungsfeindliche Ausrichtung klar bestätigt. Die NPD bleibt daher weiterhin ein bedeutendes
Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden.
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2. welche Konsequenzen sie aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des Umgangs mit der NPD im öffentlichen Diskurs zieht;
Zu I. 2.:
Den Parteien sind durch das Grundgesetz und insbesondere das Parteiengesetz weitgehende Rechte zugebilligt, damit diese wirksam agieren können. Dem
Grundgesetz liegt jedoch auch die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für
eine wehrhafte Demokratie zugrunde. Die verfassungsrechtlich gebotene Toleranz
anderer Meinungen und Ziele endet dort, wo konkrete extremistische Bestrebungen
zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung genutzt werden.
An den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten hat sich durch das Urteil des
BVerfG nichts geändert. Es gilt, sich mit den rassistischen, antisemitischen und demokratiefeindlichen Ansichten der NPD weiterhin politisch auseinanderzusetzen.
3. welche Konsequenzen sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für
die Vermietung von Räumen durch die öffentliche Hand an die als verfassungsfeindlich eingestufte NPD und die Nutzung des öffentlichen Raums durch die
NPD ergeben;
4. welchen Umgang mit einer als verfassungsfeindlich eingestuften Partei sie öffentlichen Institutionen und Einrichtungen empfehlen wird;
Zu I. 3. und I. 4.:
Das Urteil des BVerfG ändert nichts an der geltenden Rechtslage. Die Partei wurde
nicht nach Art. 21 Absatz 2 Satz 2 GG i. V. m. §§ 43 ff. BVerfGG verboten. Sie
unterfällt daher nach wie vor dem grundgesetzlichen Parteienprivileg des Art. 21
GG. Sie kann damit weiter am politischen Prozess teilnehmen und die ihr nach
derzeitiger Rechtslage verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich zustehenden
Rechte wahrnehmen.
Die politischen Aktivitäten einer nicht verbotenen Partei sowie ihrer Mitglieder
und Anhänger dürfen nicht durch eine Ungleichbehandlung beim Zugang zu gemeindlichen Einrichtungen behindert werden. Es gilt der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien gem. § 5 Absatz 1 Satz 1 Parteiengesetz in Verbindung mit
Art. 3 Absatz 1, Absatz 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 21 Absatz 1 GG (vergleiche dazu Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 23. März 2015,
Aktenzeichen 1 VB 56/14 – NPD-Bundesparteitag in Weinheim).
Die Verbreitung politischer Informationen oder die Wahlwerbung findet auch im öffentlichen Straßenraum statt und ist daher wege- und straßenrechtlich zu bewerten.
Die Verteilung von Flugblättern und politischen Broschüren sowie das Ansprechen
einzelner Passanten und die Diskussion in Kleingruppen ist straßenrechtlich jedermann zustehende Gemeinnutzung (§ 13 Absatz 1 Straßengesetz Baden-Württemberg). Die darüber hinausgehende Verwendung von Informationsständen, Tischen,
Plakatständern, etc. ist als Sondernutzung erlaubnispflichtig (§ 16 Straßengesetz
Baden-Württemberg). Dabei ist das behördliche Erlaubnisermessen im Einzelfall
unter Beachtung der Meinungs- und Parteienfreiheit (Artikel 5 Absatz 1 GG, Art.
21 GG) und des Gleichbehandlungsgrundsatzes in § 5 Parteiengesetz auszuüben.
Wenn keine Beeinträchtigung gegenläufiger Interessen der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer oder der Anliegerinnen und Anlieger zu befürchten ist, wird
regelmäßig ein Anspruch auf Erlaubniserteilung bestehen.
5. welche Konsequenzen sie aus dem Urteil für die Einstellung von Mitgliedern
oder Unterstützern der NPD in den öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg sowie der baden-württembergischen Kommunen zieht;
Zu I. 5.:
Nach § 7 Absatz 1 Nummer 2 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) darf in das
Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für
die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur
freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes beken-
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nen und für deren Erhaltung eintreten (§ 33 Absatz 1 Satz 3 BeamtStG). Diese
besondere Treuepflicht von Beamtinnen und Beamten gegenüber dem Staat und
seiner Verfassung ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums (Artikel
33 Absatz 5 GG) und gehört deshalb zu deren Kernpflichten. Sie gilt für jedes Beamtenverhältnis und für jede Funktion, in der die Beamtin oder der Beamte tätig
ist beziehungsweise in der die Bewerberin oder der Bewerber tätig werden soll.
Vor der Berufung in das Beamtenverhältnis muss jeder Einzelfall für sich geprüft und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit entschieden
werden. Es dürfen keine Umstände vorliegen, die nach Überzeugung der Ernennungsbehörde die künftige Erfüllung der Pflicht zur Verfassungstreue zweifelhaft
erscheinen lassen.
Der Beitritt oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, kann für die Beurteilung der besonderen Treuepflicht
erheblich sein. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verfassungswidrigkeit der Partei durch Entscheidung des BVerfG festgestellt ist oder nicht. Die Mitgliedschaft
in einer Partei oder Organisation mit verfassungsfeindlichen Zielen oder ein der
Mitgliedschaft vergleichbares Verhalten, beispielsweise ein aktives Eintreten für
die Partei oder Organisation, kann Anhaltspunkte für Zweifel bieten, denen die
Ernennungsbehörde nachzugehen verpflichtet ist.
6. welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, der NPD die öffentliche Parteienfinanzierung zu entziehen bzw. von steuerlichen Vergünstigungen auszuschließen;
Zu I. 6.:
Die Parteien erhalten Mittel als Teilfinanzierung der allgemein ihnen nach dem
Grundgesetz obliegenden Tätigkeit (§ 18 Absatz 1 Satz 1 Parteiengesetz). Das
BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2017 deutlich gemacht, dass
es dem verfassungsändernden Gesetzgeber unbenommen ist, verfassungsfeindliche Parteien im Wege der Kürzung oder Streichung staatlicher Finanzmittel zu
sanktionieren.
Durch eine Grundgesetzänderung und entsprechende Folgeänderungen einfachgesetzlicher Normen, insbesondere des Parteiengesetzes, kann die staatliche Teilfinanzierung für verfassungsfeindliche Parteien ausgeschlossen werden.
Neben der Versagung der direkten staatlichen Parteienfinanzierung besteht die
Möglichkeit, den Spendenabzug hinsichtlich politischer Parteien im Sinne des
§ 10 b Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Steuerermäßigung bezüglich politischer Parteien und unabhängiger Wählervereinigungen im
Sinne des § 34 g EStG einzuschränken, sofern die jeweilige Partei oder unabhängige Wählervereinigung Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland verfolgt.
II.die Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen vom 24. Januar 2017 zu
unterstützen mit dem Ziel, die Parteienfinanzierung von höchstrichterlich als
verfassungsfeindlich eingestuften Parteien soweit wie möglich einzuschränken.
Die Landesregierung unterstützt es grundsätzlich, den Handlungsspielraum von
Parteien einzuschränken, deren Verfassungsfeindlichkeit höchstrichterlich festgestellt wurde und wird sich im Bundesrat entsprechend positionieren.
Strobl
Minister für Inneres,
Digitalisierung und Migration
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