sonderausgabe 1 - Herzzentrum

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DAS KÖLNER HERZZENTRUM
FACHZEITSCHRIFT FÜR DEN ARZT
• 6 Jahre im neuen Herzzentrum –
Rückblick aus herz-/thoraxchirurgischer Sicht
• Wie sieht die optimale Koronarintervention 2012 aus? –
Ein kritischer Überblick
• Das Kölner Infarkt Modell
SONDERAUSGABE 1
Oktober/2012
INHALTSVERZEICHNIS / IMRESSUM
Vorwort
4
6 Jahre im neuen Herzzentrum – Rückblick aus herz-/thoraxchirurgischer Sicht
6
– Univ.-Prof. Dr. med. Thorsten Wahlers –
Wie sieht die optimale Koronarintervention 2012 aus? – Ein kritischer Überblick
18
– Univ.-Prof. Dr. med. Erland Erdmann –
Das Kölner Infarkt Modell
21
– Priv.-Doz. Dr. med. Guido Michels, Dr. med. Katharina Seck, Dr. med. Christian Keller,
– Dr. med. Jan Sparwel –
Stellenwert der dreidimensionalen Echokardiographie
23
– Priv.-Doz. Dr. med. Guido Michels –
Die peripartale Kardiomyopathie:
Ein komplexer „Kolibri“ in unserem Herzinsuffizienzalltag
26
– Priv.-Doz. Dr. med. Roman Pfister –
Bronchoskopische Lungenvolumenreduktion –
Option bei Patienten mit COPD und Lungenemphysem?
28
– Priv. Doz. Dr. med. Konrad F. Frank –
Kardiovaskuläre Medizin am Herzzentrum der Uniklinik Köln – ein Ausblick
30
– Univ.-Prof. Dr. med. Stephan Baldus –
Abdominale Aortenaneurysmen –
Die Therapie sollte keinem vorenthalten werden wegen seines Alters
34
– Prof. Dr. Michael Gawenda, Dr. Payman Majd, Priv.-Doz. Dr. Thomas Lübke, Univ.-Prof. Dr. Jan Brunkwall –
Therapie und Prognose von Patienten im kardiogenen Schock nach Reanimation –
Aktuelle Untersuchungen zur Hypothermie-Behandlung
38
– Priv.-Doz. Dr. Hannes Reuter –
Die Klinik und Poliklinik für Kinderkardiologie
40
– Prof. Dr. med. Konrad Brockmeier, Prof. Dr. med. Narayanswami Sreeram,
– Prof. Dr. med. Mathias Emmel –
Interventionelle und Regenerative Therapie der Herzinsuffizienz
42
– Prof. Dr. med. Jochen Müller-Ehmsen –
Rhythmologie am Herzzentrum der Universität zu Köln
45
– Priv.Doz. Dr. med. Fikret Er –
IMPRESSUM
Das Kölner Herzzentrum –
Fachzeitschrift für den Arzt
Herausgeber:
Klinikum der Universität zu Köln,
Vorstand (V.i.S.P.)
Redaktion:
Prof. Dr. med. Erland Erdmann
Prof. Dr. med. Thorsten Wahlers
Universitätsklinikum Köln
Herzzentrum
Kerpener Straße 62 · 50924 Köln
Tel.:
0221 478 32 511
Fax:
0221 478 32 512
E-mail: [email protected]
Web:
www.herzzentrum-koeln.de
Verlag und Anzeigenverwaltung:
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Ausgabe: Oktober 2012
3
VORWORT
v.l.n.r.: Erland Erdmann, Thorsten Wahlers, Jan Brunkwall, Konrad Brockmeier, Stephan Baldus
Sehr verehrte Kolleginnen,
verehrte Kollegen,
2012 – das Jahr der Olympischen Spiele in London. Ein Jahr, das von Höchstleistungen im Sport geprägt ist, aber
auch durch Veränderungen im Kölner Herzzentrum.
Professor Dr. Erland Erdmann, langjähriger Leiter der Klinik für Kardiologie und Kardiologische Intensivmedizin
übergibt den Staffelstab an Herrn Professor Dr. Stephan Baldus, der aus dem Hamburger Herzzentrum kommend
die Leitung der Klinik zum 1. Oktober 2012 übernehmen wird. Dieser Wechsel wird von allen mit Spannung und
Interesse begleitet, denn wie immer fragt man sich, wenn etwas Langjähriges, Bewährtes durch etwas Neues
abgelöst wird, welche Einflüsse dieses für alle Beteiligten haben wird. Doch die Ängste sind unbegründet, denn die
Klinik für Kardiologie wird im besten Allgemeinzustand übergeben, gekennzeichnet durch eine exzellente Auslastung und ein stetiges Wachstum über die letzten Jahre.
Der neue Staffelläufer, Professor Stephan Baldus, zeichnet sich neben seinem grundlagenwissenschaftlichen
Interesse an den entzündlichen Mechanismen von Herz- und Kreislauferkrankungen klinisch durch einen Schwerpunkt in der interventionellen Klappentherapie aus und wird damit die begonnene Schwerpunktbildung in beiden
Bereichen nachhaltig unterstützen.
Somit sind wir zuversichtlich auch weiterhin unter den führenden deutschen Universitätskliniken zum Wohle unserer
Patienten tätig sein zu können und setzen auch auf Sie als Partner in dieser gemeinsamen Behandlungsstrategie.
Diese Arbeit hat in der Vergangenheit durch verschiedene Bewertungsportale positive Kommentare gehabt und wir
hoffen, gemeinsam mit Ihnen, dieses weiter in Zukunft ausbauen zu können. Flankiert durch die Gefäßchirurgie
und Kinderkardiologie ist das Herzzentrum gut aufgestellt in der Rundum-Versorgung unserer gemeinsamen
Patienten.
Univ.-Prof. Dr. Jan Brunkwall
Univ.-Prof. Dr. Konrad Brockmeier
Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann
4
Univ-Prof. Dr. Stephan Baldus
Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers
6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
6 Jahre im neuen Herzzentrum –
Rückblick aus
herz-/thoraxchirurgischer Sicht
– Univ.-Prof. Dr. Th. Wahlers –
Das neue Herzzentrum der Uniklinik Köln
wurde im Jahre 2007 bezogen. Mit dem
Wechsel vom Bettenhaus, der Ebene 15 und
den Operationssälen im Zentral-OP haben
sich entscheidende Verbesserungen für die
Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen
ergeben.
Nach der Operation werden die Patienten auf
einer Intensivstation versorgt, die 24 Beatmungsbetten für die Herz- und Thoraxchirurgie
vorhält. Alle Monitoringeinheiten sind mit
modularen Überwachungsgeräten bestückt,
die die Überwachung aller Herz-/Kreislauffunktionen online ermöglichen. Darüber hinaus
stehen multiple Herz-Zeit-Volumina-Monitoringeinheiten zur Verfügung, die im Einzelfall
zur Anwendung gebracht werden. Alle Patienten können invasiv oder nicht-invasiv beatmet
werden. Die ärztlichen Mitarbeiter werden
hierbei durch modernste Dräger-Technologien
unterstützt.
Alle Formen der maschinellen Herzunterstützung
in Form von IABP, mono- und biventrikulären
Herzunterstützungssystemen (Heart-Ware, Total
Artificial Heart, extrakorporale Pumpen) stehen
hierbei zur Verfügung. In Kooperation mit der
Klinik für Nephrologie kommen alle modernen
Dialyseverfahren zur Anwendung.
Auf der Normalstation stehen auf der Ebene
3.2 insgesamt 35 Normalstations-Betten zur
Verfügung. Hiervon sind 10 mit Telemetrie und
5 mit Monitoring-Lösung ausgestattet. Darüber
hinaus wird in Kürze ein spezieller Intermdiate
Care Bereich zur möglichen Behandlung isolierter Transplantationspatienten und anderen
speziellen Krankheitsbildern eingerichtet.
Ausstattung der Herz-, und
Thoraxchirurgie:
Im Herzzentrum stehen insgesamt 3 1/2 Operationssäle zur Behandlung von Herz- und Thoraxerkrankungen zur Verfügung. Darüber hinaus
wird in Kooperation mit den Gefäßchirurgen
ein modernster Hybrid-OP genutzt. Der HybridOP ist mit einer Philips-Röntgenanlage in
Kombination mit einem Maquet-Operationstisch ausgerüstet, eine Innovation, die weltweit
2007 das erste Mal in Köln eingerichtet wurde.
Alle Operationssäle und der Hybridsaal sind mit
modernsten Laminar-Flow-Arbeitsbedingungen ausgerüstet, wie sie für derartige hochaseptive Operationen notwendig sind.
6
Auf der Ebene 4.2 stehen weitere 13 Normalstationsbetten zur prä- und postoperativen
Versorgung der Patienten zur Verfügung. Die
hohe Akzeptanz des Kölner Herzzentrums im
Umfeld hat dazu geführt, dass durch die
Kooperation mit externen Krankenhäusern die
6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
Übernahme von Patienten zu jedem Zeitpunkt
zu gewährleisten ist. Die Auslastung war in den
vergangenen Jahren, trotz Steigerung der
Bettenzahl, über dem allgemeinen Schnitt des
Universitätsklinikums liegend.
Ambulanz:
Im Ambulanzbereich stehen zahlreiche Diagnostikmöglichkeiten zur Überprüfung von
Schrittmacher, Defibrillatoren interdisziplinär
zur Verfügung. Darüber hinaus wird die gesamte präoperative kardiovaskuläre Diagnostik
in Kooperation mit der Klinik für Kardiologie
(Professor Dr. Erdmann) vorgehalten.
Personal:
Zur Herz- und Thoraxchirurgie gehören insgesamt ca. 35 Ärzte. Darüber hinaus sind in
den vergangenen Jahren jeweils 1 bis 2 Gastärzte aus anderen Ländern, respektive anderen
Institutionen beschäftigt gewesen. Unterstützt
wird das Ärztepersonal durch mehr als 100 Pflegekräfte auf der Intensiv- und Normalstation.
Darüber hinaus sind mehr als 35 Pflegekräfte
im Operationsbereich rund um die Uhr für die
Patienten engagiert.
Die großzügige Gestaltung des Herzzentrums
mit einem einladenden, an ein Hotel erinnernden
Eingangsbereich schafft durch die gelungene
Kombination von Glasflächen, Licht und Infrastruktur eine Atmosphäre, die den Krankenhausaufenthalt sicherlich für viele Patienten
deutlich angenehmer macht. Service-Stationen
an den wichtigsten Schaltpunkten helfen den
Patienten, sich im Umfeld des Universitätsklinikums zurecht zu finden und trotz der Vielzahl
der angebotenen Behandlungen kann sich
jeder Patient als Individuum fühlen, denn:
Der Mensch
steht für uns im Mittelpunkt
Möglich geworden ist das Herzzentrum durch
die Unterstützung des Fördervereins und die
zunehmende Erkenntnis, dass die organzentrierte Behandlung für den einzelnen Patienten
Vorteile bietet. Diese Konzentration in einer
zentrumsorientierten Medizin ist mittlerweile
von vielen Krankenhäusern aufgegriffen worden
und der damit vom Universitätsklinikum Köln
umgesetzte Trend beispielgebend für viele
andere Institutionen. Die hohe Patientenakzeptanz spiegelt die Richtigkeit dieser
Weichenstellung wider. Darüber hinaus sind
viele Innovationen im Hause dadurch realisiert
worden, dass die Unterstützung vom Förderverein Entscheidungen beschleunigt hat oder
im Einzelfall auch komplexe Geräteanschaffungen möglich gemacht hat.
Ein Herz hat – wer es für andere hat.
Dieses Motto des Fördervereins ist sicherlich
auch das Motto für jeden einzelnen Mitarbeiter, der in diesem Herzzentrum im Sinne des
Patienten, im Sinne der Kooperation mit den
Niedergelassenen arbeitet.
Entwicklung der Klinik:
Bis zum Jahre 2005 wurde die Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie von Herrn
Professor Dr. Ernst Rainer de Vivie geleitet. Mit
ca. 1000 Herzoperationen pro Jahr war die
Klinik schon im Jahr 2005 eine der wichtigsten
Kliniken für Herzchirurgie im Lande NordrheinWestfalen.
Mit der Übernahme und Berufung von Herrn
Professor Dr. Thorsten Wahlers im Jahre 2005
konnte mit Unterstützung des Klinikumvor-
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6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
250 dieser Herzoperationen sind komplexe
Kinderherzoperationen, ein Schwerpunkt der
Klinik, der unter der erfahrenen Leitung von
Prof. Dr. Geradus Bennink steht.
Im Vergleich dazu werden in der Bundesrepublik etwa 100.000 Herzoperatioen in 79 Zentren durchgeführt, wobei die Gesamtzahl leicht
rückläufig ist (Abb.1). Köln gehört damit mit
zu den grössten universitären Herzzentren.
Problematik der Altersentwicklung:
Abbildung 1:
Entwicklung der Herzchirurgie 1994 bis 2011
Abbildung 2: Herzchirurgie –
Patienten über 70 Jahre, Bundesrepublik Deutschland
standes und der weichenstellenden Politik das
Behandlungsspektrum noch einmal nachhaltig
ausgebaut werden, so dass mittlerweile ca.
1800 Herzoperationen sowie 200 Thoraxoperationen und etwa 450 Schrittmacher-, und
Defibrillatorimplantationen im Universitätsklinikum und der zweiten Betriebsstätte in
Kalk durchgeführt werden.
Abbildung 3: Das Herzteam bei der interdisziplinären Beratung
8
Die letzten Jahre in der kardiovaskulären
Medizin sind gekennzeichnet durch die Demographieentwicklung in den hoch industrialiserten
Ländern. War es im Jahre 1985 noch so, dass die
über 70-Jährigen nur etwa 5% aller zu behandelnden kardiovaskulären Erkrankungen ausmachte, so wird es 2025 so sein, das dieser
Anteil auf mehr als 25% wachsen wird. Diese
Entwicklung ist auch in der Herz-und Thoraxchirurgie zu verzeichnen und die Abbildung 2
zeigt die kontinuierliche Zunahme der über
70-Jährigen unter den behandelten Patienten.
Im Alter geht die Belastungsfähigkeit des
Menschen zurück, so dass versucht werden
muss, über angepasste Operationsverfahren
komplexe Behandlungen für den einzelnen
Patienten, auch im höheren Lebensalter, zu
ermöglichen.
Innovationen der letzten Jahre:
In den vergangenen 6 Jahren sind verschiedene
Innovationen in den verschiedenen Behandlungsbereichen der Herz- und Thoraxchirurgie
systematisch in das klinische Behandlungskonzept eingeflossen, die im folgenden themenbezogen kurz dargestellt werden sollen.
6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
Bypasschirurgie:
Die Bypasschirurgie stellt nach wie vor das
wichtigste Arbeitsgebiet der Herz- und Thoraxchirurgie dar. Als Alternative zur Bypassoperation
wird vielfach die perkutane Koronarintervention
(PCI) zur Anwendung gebracht und man konnte
in den letzten Jahren den Eindruck gewinnen,
dass hierin womöglich eine vergleichbare
Alternative gegeben sei. Vergleichsstudien über
größere Gruppen fehlten über viele Jahre, bis
2009 die Syntax-Studie (Synergy between pci
with taxus and cardiac surgery) im New England Journal of Medicine publiziert wurde.
Syntax Studie:
Die Autoren haben untersucht, inwieweit
Patienten mit einer koronaren Dreigefäßerkrankung, respektive einer Beteiligung des
Hauptstammes der linken Kranzarterie, durch
beide Behandlungsverfahren therapiert werden konnten. In den mittlerweile vorliegenden
3-Jahres-Daten zu dieser Studie ergab sich eine
signifikant geringere Rate für die Bypasspatienten mit 20 versus 28%. In einer weitergehenden differenzierten Analyse zeigte sich zusätzlich, dass nach 3 Jahren die Rate der Herzinfarkte signifikant geringer in der Gruppe der
Operierten.
Herzteambildung im Herzzentrum
Auf der Basis dieser Studie, zu der mittlerweile
4-Jahres-Daten vorliegend sind, kam man
national und international zu dem Ergebnis,
dass die Entscheidungsfindung zur optimalen
Revaskularisationsmethode patientenorientiert
erfolgen muss. Nur durch die konsensuelle und
am spezifischen Fall ausgerichtete Beurteilung
durch das Herzteams ist der optimale interdisziplinäre Ansatz zur bestmöglichen Versorgung
der gemeinsamen Patienten gewährleistet.
Diese Zusammenarbeit ist im Herzzentrum routinemäßig durch die Herzkonferenz (Abb.3),
aber auch durch die tägliche Absprache im
individuellen Patientenfall gegeben, so dass
auch unter diesen Aspekten eine vorbildliche
Therapie am Herzzentrum vorgehalten wird.
Die zur Anwendung kommenden Operationsverfahren sind die Bypass-Operation mit oder
ohne Herz-Lungen-Maschine.
Da zunehmend nur Dreigefäßerkrankungen
mit komplexer Koronarmorphologie operiert
werden, zeigt sich auch in Köln der bundesweite Trend dahingehend ab, dass nur etwa
10 bis 20% aller Operationen mit der sogenannten Opcab-Methode durchführbar sind
(Abb. 4).
Hierbei wird unter sehr genauem Monitoring
der Anästhesie die Anlage der Bypassanastomosen unter Verwendung spezieller Stabilisatoren
gewährleistet. Vorteile dieser Methodik liegen
darin, dass beim prädisponierten Patienten
womöglich die geringe Rate perioperativer
Schlaganfälle geringer ist. Darüber hinaus sind
in Einzelfällen auch positive Einflüsse auf die
postoperative Nierenfunktion zu verzeichnen.
Abbildung 4: Operationen ohne Herz-Lungen-Maschine
in der Bundesrepublik, Aufschlüsselung aller Zentren
Allerdings ist die Methode im Vergleich zur
konventionellen Herz-Lungen-Maschine nicht
unbedingt kostengünstiger, da die zur Verwendung kommenden Einmalmaterialien im Einzelfall auch einmal den Preis einer konventionellen Herz-Lungen-Maschinen-Operation von
der Seite der Materialien übersteigen können.
So wird diese Technologie in jedem Einzelfall
geprüft, ob sie beim Patienten sinnvoll zum
Einsatz kommen kann.
Die meisten Operationen, ca. 80% werden mit
der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt. Auch
in der Herz-Lungen-Maschinen-Technologie ist
über die vergangenen Jahre eine deutliche
Weiterentwicklung hinsichtlich des Einsatzes
der verwendeten Materialien, der Beschichtung von Schläuchen, der Minimierung des sog.
Priming-Volumens, etz. zu verzeichnen. Köln hat
hier in einigen wichtigen Studien mit dem sog.
Rocsafe-System teilgenommen und es konnte
nachgewiesen werden, dass die Belastung mit
modernen Herz-Lungen-Maschinen dem des
Opcab-Verfahrens vergleichbar ist.
Arterielle Bypässe:
Besonderer Augenmerk wird darauf gelegt,
dass insbesondere bei jüngeren Patienten < 65
Jahre – eine möglichst vollständige Revaskularisation durch sog. arterielle Grafts erfolgt.
Als arterielle Grafts stehen beim Menschen
insbesondere die beiden Brustwandarterien,
die sog. Arteria mammariae als auch die beiden
Radialarterien bei intaktem Hohlhandbogen
zur Verfügung. In der Vergangenheit sind
noch verschiedene andere Arterien chirurgisch
evaluiert worden, aber die Langzeitergebnisse
haben keine entscheidenden Vorteile gegenüber den Vena saphena magna Grafts aufgewiesen. So konzentriert sich die Verwendung in
Köln auf die oben angesprochenen Arteriengrafts. Mit diesen ist eine Einzelversorgung von
Gefäßen am Herzen, auch aber eine Versorgung durch die Konstruktion sog. Y- oder TGrafts möglich. Die Abbildung 5 zeigt die
Anlage einer arteriellen Anastomose im OpcabVerfahren.
In jedem Einzelfall sollte allerdings geprüft
werden, ob der Patient Risikofaktoren zeigt,
die möglicherweise zu einer eingeschränkten
Brustkorbheilung führen können, wie es z.B.
bei Diabetes, COPD, pAVK darstellen. Die individuelle Risikoabwägung ist damit der wichtigste Schritt in der Patientenführung.
9
6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
Abbildung 5:
Anlage einer Bypass-Anastomose an der Herzvorderwand mittels Opcab-Verfahren – Hier: Situation vor Knüpfen der Anastomose
Herzklappenchirurgie
Die meisten Operationen in den letzten 5 Jahren
sind in der Klappenchirurgie zu verzeichnen.
Die Entwicklung geschieht in drei Gebieten, der
sog. minimal-invasiven Mitralklappenchirurgie,
der katheterbasierten Aortenklappentherapie
sowie der Stent-gestützten Aortenklappenprothesenchirurgie. Die folgenden Übersichten
sollen den Leser mit diesen Innovationen, die in
den vergangenen 5 Jahren eingeführt wurden,
vertraut machen.
Minimal-invasive
Mitralklappenchirurgie
Die minimal-invasive Mitralklappenchirurgie ist
2008 mit Unterstützung des Fördervereins
durch die Bereitstellung von geeignetem
Instrumentarium in Köln in der Herz- und
Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums eingeführt worden. Grundprinzip ist, dass über
eine kleine anterolaterale Thorakotomie rechts
der Zugang zur Mitralklappe gewährleistet
wird (Abb.6), während der Kreislauf durch die
Kanülierung der rechten und Arteria und Vena
femoralis in Verbindung mit der Herz-LungenMaschine aufrecht erhalten wird. Über diesen
kleinen Schnitt ist video-endoskopisch unterstützt es möglich, die Mitralklappe zu rekonstruieren. Dieses Verfahren kommt bei uns bei
allen Patienten zur Anwendung, deren präoperative echokardiographische Evaluation zeigt,
dass ein isoliertes Klappenvitium vorliegend ist,
deren Rekonstruktionsmöglichkeiten von der
Seite gegeben sind. Komplexe Patienten wird
man auch weiterhin von vorne operieren, insbesondere dann, wenn zusätzliche Operationen am Herzen, wie z.B. die Anlage eines
Bypassgrafts oder der Ersatz oder Reparatur
einer weiteren Klappe notwendig ist.
10
Darüber hinaus sind die Rekonstruktionsmöglichkeiten von der technischen Breite her im
Einzelfall manchmal leichter nach Sternotomie
anwendbar, als dies im Einzelfall von der Seite
gegeben ist. Der minimal-invasive Zugang hat
eine sehr hohe Akzeptanz bei den Patienten,
da das kosmetische Ergebnis besser ist als nach
einer Sternotomie und die Mobilisierung oftmals schneller von statten geht.
Zur Klappenrekonstruktion kommen eine Vielzahl von Methoden zur Anwendung. Hier steht
insbesondere die Ringimplantation im Vordergrund, die es ermöglicht, die dilatierte Klappe
zu raffen und eine Koadaptation des Segels
wieder zu gewährleisten. Darüber hinaus
haben wir in den vergangenen Jahren die Technologie der Neo-Chorda-Implantation (Abb.7
und 8) eingeführt, die es erlaubt, zerrissene
Sehnenfäden zu ersetzen, um damit hypermobile Segelmomente wieder zu korrigieren. In
der Kombination der verschiedenen Operationstechnologien ist praktisch jede insuffiziente
Klappe zu rekonstruieren. Besonders gute
Ergebnisse sind zu verzeichnen, wenn das posteriore Segel isoliert betroffen ist. Liegt ein
gleichzeitiger Befall von Insuffizienzen im
anterioren und posterioren Segel vor, ist die
Rekonstruktion oftmals anspruchsvoller.
Alle Rekonstruktionen werden intraoperativ
hinsichtlich ihrer Dichtigkeit geprüft, so dass
jeder Patient den Operationssaal mit einer
reparierten geprüften Klappe verlässt. Im
postoperativen Verlauf erfolgt eine erneute
Überprüfung des Rekonstruktionsergebnisses.
Langzeitergebnisse zeigen, dass, wenn früh
postoperativ eine adäquate Dichtigkeit
gegeben ist, die Langzeitergebnisse mit diesem Rekonstruktionsverfahren hervorragend
sind.
6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
Abbildung 6: Minimal-invasive Mitralklappen-Rekonstruktion über Mini-Thorakotomie rechts
Abbildung 7: Mitralklappenrekonstruktion. Implantation von 4 Neochordae im P2-Segment
Abbildung 8: Mitralklappen-Rekonstruktion, Ringimplantation und trianguläre Resektion im P2-Segment
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6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
Kathetergestützter
Aortenklappenersatz
2008 wurde durch unsere Klinik der kathetergestützte Aortenklappenersatz zunächst transapikal, später transfemoral eingeführt.
Das Grundlegende dieser Methode besteht
darin, dass die stenotische Klappe durch einen
sog. Ballonkatheter im rapped pacing des Herzens, ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine,
dilatiert wird. Hiernach werden die jeweiligen
Bestecke gewechselt und dann wird eine
gecrimpte Klappe im Bereich der nativen
Klappe mit einem Ballon aufgeblasen und im
alten Kalk der Wand verankert.
Abbildung 11: Edwards Sapien-Klappe:
Kathetergestütztes Aortenklappenimplantat auf Dilatationsballon
Dieses Therapieverfahren ist 2002 in die Klinik
eingeführt worden und hat in den vergangenen Jahren eine rapide Zunahme gehabt, da es
insbesondere beim älteren Menschen eine Operation auch dann noch ermöglicht, wenn eine
konventionelle Operation aus Belastungsgrün-
Abbildung 12:
Medtronic Ventor: Kathetergestütztes Klappenimplantat
Abbildung 9: Gesamtzahl der Aortenklappen-Ersatzoperationen
in der Bundesrepublik 2006 bis 2011.
Vergleich von Sternotomie und kathetergestützten Klappen.
Abbildung 13: Transapikale Aortenklappenimplantation.
Hier: Positionierung der Klappe im Aortenannulus
Abbildung 10: Die Mitarbeiter der Herz/Thoraxchirurgie bei der Arbeit im Hybrid-Saal
12
6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
den ausgeschlossen ist (Abb.9). Derzeit ist
dieses Operationsverfahren auf der Basis allgemeiner Konsensusregelung nur für den
konventionell nicht operablen Patienten vorgesehen, da die Letalität in Größenordnungen
von 7 bis 15% liegt, während sie für den konventionellen Aortenklappenersatz nur ca 2 bis
4% beträgt. Darüber hinaus ist derzeit unklar,
wie lange diese katheterinterventionell eingebrachten Klappen halten, da Langzeitergebnisse
nicht bekannt sind. Auch wenn die verwendeten Materialien denen der konventionellen
Klappen entsprechen, ist derzeit unklar,
inwieweit der sog. Crimping-Faktor einen
nachteiligen Einfluss auf die Langzeitfunktion
ausübt.
Stent-basierte
Aortenklappenimplantation
Vom Herzzentrum der Universität zu Köln sind
mittlerweile mehr als 300 solcher interventionell eingebrachten Klappen im Hybridop und
Herzkatheter auch in Kooperation mit anderen
Häusern interdisziplnär implantiert worden
(Abb.10).
Aortenklappen-Operationen dauern von der
sog. Ischämie-Periode etwa 45 Minuten. Mit
der zunehmenden Zahl älterer Patienten ist
nun überlegt worden, wie man auch diese
relativ kurze Herzstillstandzeit verkürzen kann
und deshalb ist mit der Stent-Technologie im
Rahmen der katheterbasierten Technik eine
neue Klappenprothese entstanden, die sog.
Stent-gestützte Aortenklappenprothese.
Die verwendeten Klappentypen sind einmal die
sog. Edwards Sapien-Klappe, die MedtronicCorevalve-Klappe als auch die sog. SymetisKlappe (Abb. 11-13).
Es steht zu erwarten, dass mit Fortschreiten der
Technologie weitere Klappentypen auf den
Markt kommen und im Rahmen von Studien
werden diese unter strengen Sicherheitsauflagen im Universitätsklinikum Köln evaluiert.
Für die alten Patienten stellt dieses Behandlungsverfahren eine segensreiche Methode
dar. Dies konnte nicht zuletzt im Rahmen
einer großen Patientenveranstaltung, bei der
Patienten zusammen kamen, die zusammen
mehr als 4000 Jahre gemeinsam gelebt hatten,
demonstriert werden.
Konventionelle Aortenklappen aus Perikard,
die derzeit den höchsten Entwicklungsstand
der sog. biologischen Prothesen widerspiegeln,
halten nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ca. 12 bis 17 Jahre. Die
Langzeithaltbarkeit ist von den sog. Antikalzifizierungsbehandlungen abhängig, aber insbesondere auch von dem Patientenalter, bei dem
diese Bioprothesen Verwendung finden. Es
konnte gezeigt werden, dass die Langzeithaltbarkeit im Alter über 65 Jahre signifikant
besser ist als in den jüngeren Jahren, was derzeit auf immunologische Faktoren bei jungen
Patienten zugeführt wird.
Die sog. Stent-gestützte Aortenklappenprothese ist eine Kombination aus einem Stent und
einer konventionellen Bioprothese. Sie wird im
Rahmen einer konventionellen Operation mit
der Herz-Lungen-Maschine eingesetzt, wobei
dies zum Teil auch minimalinvasiv über einen
sehr kleinen Schnitt erfolgt (Abb.14a und 14b
und 15). Der Vorteil ist, dass die Klappe nur
noch mit 3 Nähten im Unterschied zu 12 bis 15
Nähten bei der konventionellen Prothese in der
Basis verankert wird und die Dichtigkeit über
die Aufdehnung eines Stents hergestellt wird.
Dadurch wird die sog. Aortenklemmzeit signifikant um ein Drittel bis etwa die Hälfte
Abbildung 14a: Implantation einer Stent-gestützten konventionellen Perikard-Aortenklappe
13
6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
Abbildung 14b: Minimal-invasiver Zugang zur Aortenklappe durch Mini-Sternotomie im oberen Sternumdrittel
Abbildung 15:
Triton-Stent-gestützte Aortenklappe, seitliches Röntgenbild
verkürzt. Zudem ist es möglich, diese Klappe
auch minimal-invasiv, d. h. über einen kleinen
Schnitt, einzusetzen. Die Herz- und Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Köln ist im
Rahmen einer internationalen Studie an der
Evaluation dieser Klappe beteiligt und mittlerweile sind mehr als 50 Patienten mit dieser
Klappenprothese mit sehr guten Ergebnissen
versorgt worden. Das Flussverhalten dieser
Klappe ist im Vergleich zu konventionellen Prothesen insofern besser, als dass in Regel eine
Nummer größere Prothesen verwendet werden
können, da weniger Nähte in der Basis zu setzen
sind. Die Nachverfolgung dieser Patienten wird
zeigen, dass diese Vorteile auch im Langzeitverlauf zur Verbesserung führen.
Herzunterstützung und
Transplantation
In den vergangenen 5 Jahren hat sich von der
technologischen Seite einiges im Bereich der
Herzunterstützung getan. Während vor vielen
Jahren noch die sog. extrakorporalen Pumpen
bei Patienten mit Herzversagen zur Anwendung kommen, sind in den letzten Jahren die
14
sog. Rotations-Pumpen, die nach der Zentrifugaltechnik arbeiten, zum Einsatz gekommen.
Diese Zentrifugalpumpen haben den Vorteil,
dass sie im Perikard implantiert werden können
und einen sehr viel geringeren Platzbedarf
aufweisen als die früheren Aggregate. Hierdurch wird das Infektionsrisiko nachhaltig
gesenkt, ohne dass die haemodynamische
Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Das am
meisten verwendete System in den vergangenen
5 Jahren ist das sog. Heartware-System. Hierbei
handelt es sich um ein elektrisch betriebenes
Zentrifugalsystem, welches an der Spitze des
linken Ventrikels implantiert wird und über
einen Dacron-Schlauch das Blut in die Aorta
aszendens fördert. Das System wird durch
einen externen Controller gesteuert, an dem
die Batterien untergebracht sind und erlaubt es
dem Patienten sich über mehrere Stunden
unabhängig zu bewegen, bis die Batterien
wieder aufgeladen werden müssen. Zum Einsatz kommt dieses System beim terminalen
Linksversagen und die besten Ergebnisse
werden bei dem Patienten erzielt, die im
chronischen Herzversagen elektiv operiert
werden.
In den letzten Jahren konnte gezeigt werden,
dass die sog. notfallmäßige Linksherzunterstützungstherapie mit einem sehr hohen Letalitätsrisiko verbunden ist, so dass wir diese nur noch
im Einzelfall nach Ausschöpfung aller konventionellen Therapiemaßnahmen zur Anwendung bringen. Hingegen sollte auf der anderen
Seite die Vorstellung eines Patienten zur elektiven Assist-Device-Implantation frühzeitig
erfolgen. Dies ist immer dann der Fall, wenn
der Patient im chronischen Herzversagen rezidivierend stationär aufgenommen werden
muss, weil die konventionelle medikamentöse
Therapie nicht mehr ausreicht.
6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
Abbildung 18: Übersicht über die univentrikulären Herzunterstützungen in der Bundesrepublik Deutschland von 2004 bis 2011
Bundesweit sind die Zahlen für die Herzunterstützung linksventrikulär zunehmend, 2011
wurden mehr als 600 Implantate eingesetzt
(Abb.18)
Transplantation
Neben der Herztransplantation, die in Köln
schon seit vielen Jahren durchgeführt wird,
haben wir im Jahre 2012 die ersten Lungen
transplantiert. Die Lungentransplantation ist
ein Therapieverfahren für die austherapierte
Lungenerkrankung, wozu hauptsächlich die
Lungenfibrose und das chronische Lungenemphysem zählen. Aufgrund der langen
Wartezeiten, sowohl im Bereich der Herztransplantation als auch im Bereich der Lungentransplantation, ist eine frühzeitige Vorstellung
dieser Patienten in unserer Transplantatiopnsambulanz angezeigt. Die Wartezeiten
für eine Herztransplantation betragen derzeit
ca. 5 bis 9 Monate in Abhängigkeit von der
Blutgruppe. Ähnliches gilt für die Lungentransplantation. Die Rehabilitation dieser oft chronisch
kranken Patienten ist im Einzelfall schwierig,
da postoperativ über einen langen Zeitraum
mit der Unterstützung der Rehabilitation die
präoperativ verlorene Kraft wieder gewonnen
werden muss. Nichts desto trotz stellt diese
Behandlungsform eine segensreiche Therapie
dar und es ist uns ein Anliegen, durch eine
frühzeitige Vorstellung dieser Patienten in
der Herz- und Lungeninsuffizienz eine gute
Planung im Einzelfall gewährleisten zu können.
Thoraxchirurgie
Einen weiteren Schwerpunkt der Klinik stellt
die Lungenchirurgie dar. Das Team um Professor
Wahlers wurde im Jahr 2011 verstärkt durch
Herrn Prof. Dr. Hekmat, der sich über viele
Jahre, zuletzt am Universitätsklinikum Jena, in
das Gebiet der Thoraxchirurgie und insbesondere das Gebiet der minimal-invasiven
Thoraxchirurgie eingebracht hat. Mit der Ausgestaltung dieses Schwerpunktes unter Herrn
Professor Hekmat ist die minimal-invasive
Therapie von Lungentumoren weiter ausgebaut worden und praktisch alle Formen des
Bronchial-Carcinoms werden heute über minimal-invasive Zugänge operiert.
Darüber hinaus haben wir für die Therapie
von Lungenmetastasen einen speziellen Laser
angeschafft, der es erlaubt, auch komplexe
Lungenmetastasen ohne großen Parenchymverlust, blut- und resektionsverschließend zu
resezieren. Die enge Kooperation mit dem
Centrum für Integrierte Onkologie erlaubt eine
individuelle Patientenführung und sorgfältige
Nachtherapie. Eine sehr enge Kooperation
besteht auch mit der Klinik für Kardiologie
und Pneumologie, wo Herr PD Dr. Frank die
Kranken prä- und postoperativ im Rahmen der
Diagnostik und Nachsorge betreut. Darüber
hinaus besteht eine enge Kooperation mit der
Schwester-Klinik in Köln-Kalk, wo gleichfalls
Lungenoperationen in der Zusammenarbeit mit
der dortigen Pneumologie durchgeführt werden.
Schrittmacher- und
Defibrillator-Therapie
Das Herzzentrum der Universitätsklinik Köln
hat einen weiteren Behandlungsschwerpunkt
in der Schrittmacher- und Defibrillator-, respektive Zwei- und Dreikammer-Aggregat-Therapie.
Es werden pro Jahr mehr als 400 Aggregate
implantiert, darüber hinaus werden zahlreiche
Revisionsoperationen für andere Häuser im
Sinne der Maximalversorgung durchgeführt.
Bundesweit zählen damit zu den Spitzenzentren (Abb.16).
Abbildung 16: Übersicht über die
Cardioverter-Defibrillator-Operationen in der Bundesrepublik
Zur Anwendung kommen Aggregate verschiedener Hersteller und in jedem Einzelfall
verfolgt die kritische interdisziplinäre Abstimmung welches Aggregat am besten zur Anwendung kommt. Der stationäre Aufenthalt für
eine Schrittmacher/Defibrillator-Implantation
beträgt ca 2 Tage, wenn keine zusätzlichen
Erkrankungen bei dem Patienten gegeben sind.
In der Regel werden die Aggregate in Lokalanästhesie in einem speziellen OP implantiert.
Besondere Erfahrungen liegen auch bei Schrittmacher-Problem-Patienten vor. Als Haus der
Maximalversorgung erhalten wir sehr viele
Zuweisungen aus anderen Häusern, die über
keine Herzchirurgie verfügen und bei komplexen
Schrittmacher-Revisions-Operationen Probleme
haben. Durch den Einsatz moderner Sondenextraktionssysteme gelingt es in vielen Fällen,
auch die Sonden zu entfernen, die in anderen
Häusern Schwierigkeiten bereiten. Mit diesem
Programm, das Herr PD Dr. Madershahian mit
einer hohen persönlichen Expertise betreut,
werden diese Operationen durchgeführt.
15
6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM – RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT
Pulmonale Hypertonie und Operation
Zusammenfassung
Die Klinik für Kardiologie hat einen besonderen
Schwerpunkt in der Behandlung der pulmonalen
Hypertonie. Der zuständige Oberarzt, Herr
Prof. Dr. Rosenkranz, betreut in seiner Ambulanz eine Vielzahl von ambulanten Patienten,
denen in den meisten Fällen über eine chronische
Medikamentenapplikation bei bestehendem
pulmonalen Hypertonus geholfen werden
kann. In den Fällen, in denen chronische
Lungenembolien zu einer Erhöhung des
pulmonal-arteriellen Drucks geführt hat, der
konventionell nicht mehr therapiert werden
kann, ist im Einzelfall die sog. pulmonale
Thrombendarteriektomie angezeigt. Wir haben
dieses Therapieverfahren in den vergangenen
5 Jahren eingeführt und in der Kooperation mit
der Klinik für Kardiologie und Pulmologie eine
Vielzahl von Patienten erfolgreich operiert.
Über die enge interdisziplinäre Abstimmung ist
es das Ziel, den geeigneten Operationszeitpunkt zu definieren, denn das Operationsrisiko
im Sinne des postoperativen Lungen- oder
Herzversagens erhöht sich signifikant, wenn
der Widerstand der Lungenstrombahn 1000
dyn x sec x cm-5 überschreitet (Abb.17).
Die vorliegende Übersicht mag Ihnen aufgezeigt haben, dass eine Vielzahl von Innovationen in den vergangenen 6 Jahren im Herzzentrum zur Anwendung bei der Behandlung
Ihrer und unserer Patienten eingeführt werden
konnte.
In einer gemeinsamen Konferenz werden diese
Kranken besprochen und die Indikation zur
Operation gestellt. Unter dem Einsatz der
Herz-Lungen-Maschine und einer Operation
mit intermittierendem Kreislaufstillstand werden die Verdickungen der Lungenschlagader
entfernt. Hierdurch kommt es relativ früh postoperativ zu einer nachhaltigen Senkung des
Lungenschlagaderhochdrucks aber auch in
Einzelfällen zu einem Reperfusionsschaden
der Lunge, so dass der individuellen Intensivtherapie bei dieser Therapieform eine hohe
Bedeutung zukommt. Wir haben es uns als
Zentrum zum Ziel gesetzt, interdisziplinär in
Abstimmung die Entscheidungsfindung für
diese Kranken zu treffen.
Die zunehmende Altersproblematik, die zunehmende Komplexität von Erkrankungen, respektive die Multimorbidität unserer Patienten
macht im Einzelfall die immer differenzierte
Abstimmung der Therapieverfahren notwendig. Im Herzzentrum haben wir hierfür eine
Interaktionsform gefunden, die es ermöglicht,
in jedem Einzelfall die beste Therapiewahl sei
es konservativ, sei es operativ zu treffen.
Ein Herz hat – wer es für andere hat!
Wir versuchen,
ein Herz für jeden Einzelnen zu haben,
damit wir jeden einzelnen Patienten
als Individuum behandeln,
um jedem Patienten in seiner
Individualität und in seiner spezifischen
Krankheit gerecht zu werden.
An diesem Anspruch möchten wir uns
messen lassen und setzen auf das Vertrauen
in die Interaktion zwischen Ihnen und uns.
Entsprechende Zuweisungen sollten an die
Pulmonale Hypertonie-Ambulanz der Kardiologie und Pulmologie erfolgen.
Korrespondierender Autor:
Univ.-Prof. Dr. med. Thorsten Wahlers
Klinik und Poliklinik
für Herz- und Thoraxchirurgie
Universität zu Köln
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Abbildung 17: Thrombendarteriektomie-Zylinder, der aus der
Lungenstrombahn bei einer PTE-Operation entfernt wurde
16
E-Mail: [email protected]
PRESSEINFORMATION
Aktualisierte ESC-Leitlinie bei systolischer Herzinsuffizienz:
Neue ESC-Leitlinie stärkt
Rolle von Mineralkortikoidrezeptor-Antagonisten
Belgrad/Berlin: 4. Juni 2012: Die durch die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der
akuten und chronischen Herzinsuffizienz betont die
Bedeutung der Mineralkortikoidrezeptor-Antagonisten (MRAs). Die additive Empfehlung für MRAs
wurde auf alle Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz und niedriger Auswurffraktion (LVEF
< 35 %) ausgeweitet, wenn sie trotz der Therapie
mit einem Betablocker und ACE-Hemmer (oder AT1Blocker, falls ACE-Hemmer unverträglich) symptomatisch bleiben (Empfehlungsgrad IA).2 Damit
berücksichtigt das ESC-Gremium insbesondere die
Ergebnisse der EMPHASIS-HF-Studie mit Eplerenon
(Inspra®). Diese erbrachte den Evidenznachweis für
symptomatische Patienten der NYHA-Klasse II mit
systolischer Dysfunktion. Darauf basiert ebenfalls die
im Februar 2012 erteilte Zulassungserweiterung für
Eplerenon in dieser Indikation (s. Fachinformation).
Vieles hat sich seit der letzten, 2008 publizierten Version
getan, so Prof. John McMurray, Glasgow,1 der als Chairman des ESC-Gremiums die wichtigsten Neuerungen
vorstellte. Bei der Aktualisierung der Empfehlungen
wurde besonderes Gewicht auf neue Erkenntnisse aus
evidenzbasierten Studien gelegt. Ziel der neuen Leitlinien ist es, das Risiko einer Hospitalisierung aufgrund
von Herzinsuffizienz sowie das Mortalitätsrisiko zu
reduzieren.2 MRAs werden in den Leitlinien bei allen
Patienten empfohlen, die trotz Therapie mit einem
ACE-Hemmer (oder AT1-Blocker, falls ACE-Hemmer
nicht toleriert werden) und einem Betablocker, persistierende Symptome (NYHA-Klassen II-IV) und eine
LVEF < 35 % aufweisen (IA).
Neu im Fokus bei chronischer Herzinsuffizienz:
Senkung von Morbidität und Mortalität2
Dies ist umso bedeutender, da trotz der Fortschritte
bei der Behandlung die chronische systolische Herzinsuffizienz weiterhin durch eine schlechte Prognose
charakterisiert ist. Laut neuester epidemiologischer
Daten ist ein Jahr nach Hospitalisierung gut die Hälfte
der Patienten entweder tot oder wird rehospitalisiert,
gab Prof. Piotr Ponikowski, Wroclaw, Polen, anlässlich
des Satellitensymposiums zur praktischen Umsetzung
der Leitlinien zu bedenken. Hierbei spielt die zunächst
adaptive und im chronischen Verlauf pathologische
neurohormonale Aktivierung in der Entwicklung der
Herzinsuffizienz eine zentrale Rolle, so Ponikowski.1
Mineralkortikoidrezeptor-Antagonisten: IAEvidenzgrad durch EMPHASIS-HF untermauert
Wurde in der Vorgängerversion der Leitlinie der additive
Einsatz von MRAs auf Patienten in den NYHA-Stadien
III-IV begrenzt (RALES-Studie6 mit Spironolacton,
Evidenzgrad IB), deckt jetzt das Studien-Duo EMPHASIS-HF/RALES (Evidenzgrad IA) in den aktuellen
ESC-Leitlinien das gesamte Spektrum der symptomatischen Herzinsuffizienz (NYHA II-IV) mit systolischer
Dysfunktion und niedriger Auswurffraktion ab.
Auch wenn Patienten mit leichter Herzinsuffizienz
der NYHA-Klasse II und systolischer Dysfunktion im
Rahmen der bisherigen Standardtherapie mit einem
ACE-Hemmer bzw. AT1-Blocker und Betablocker
optimal behandelt werden, weisen sie eine schlechte
Prognose auf. Der Krankheitsverlauf wird durch häufige
Hospitalisierungen verkompliziert, und die Lebenserwartung bleibt deutlich reduziert. Während einer
medianen Studiendauer von 21 Monaten konnte bei
diesen Patienten in der EMPHASIS-HF-Studie (Eplerenone in Mild Patients Hospitalization And SurvIval
Study in Heart Failure) der kombinierte Endpunkt aus
kardiovaskulärer Mortalität und Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz durch die additive Therapie
mit Eplerenon um 37 %, die Gesamtmortalität um 24 %
sowie die Inzidenz von Herzinsuffizienz-bedingten
Klinikeinweisungen um 42 % signifikant gesenkt
werden.3 Wiederholte Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz, ein wichtiges Indiz für den Krankheitsverlauf, waren im Rahmen des verlängerten 25-monatigen
Follow-up unter Eplerenon um 38 % seltener.4 Auch
Subgruppen mit weiteren Risiken wie Patienten mit
höherem Alter, Diabetes mellitus und eingeschränkter
renaler Funktion profitierten gleichermaßen, erläuterte
Prof. Faiez Zannad, Nancy, Frankreich.1
Leitlinienimplementierung: Optimaler Benefit
durch genaues Therapiemonitoring
In der täglichen Praxis sollte man sich sowohl im
Hinblick auf den Einsatz von Eplerenon als auch auf
die erforderliche Titration zur optimalen Dosis weder
vom Risiko einer Hyperkaliämie noch von etwaiger
Verschlechterung der Nierenfunktion abschrecken
lassen, empfahl Zannad.1 Der klinische Benefit der
Eplerenon-Therapie ist davon unabhängig. Werden
Kaliumspiegel wie vorgeschrieben kontrolliert, ist eine
signifikant höhere Inzidenz schwerer Hyperkaliämien
(> 6,0 mmol/l) nicht zu befürchten. Dies konnte in der
EMPHASIS-HF-Studie gezeigt werden.
–––––––––––––––––––––
Literatur:
1
2
3
4
5
6
7
ESC Heart Failure Congress 2012. Belgrad, 19.-22. Mai 2012
McMurray J et al. Eur Heart J. 19. Mai 2012 (Epub ahead of print)
Zannad F et al. N Engl J Med. 2011;364:11-21
Pitt B et al. ESC Congress 2011. Paris, 27.-31. August 2011
Pitt B et al. N Engl J Med. 2003;348:1309-21
Pitt B et al. N Engl J Med. 1999;341:1349-55
Fachinformation Inspra® 25 mg/50 mg (Februar 2012)
WIE SIEHT DIE OPTIMALE KORONARINTERVENTION 2012 AUS?
Wie sieht die optimale
Koronarintervention 2012 aus?
– ein kritischer Überblick –
– Prof. Dr. Erland Erdmann –
Zur Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft
für Kardiologie in Mannheim 11. – 14. April
2012 war ich gebeten worden, ein möglichst
kontroverses Statement zur heute optimalen
Therapie der Patienten mit Angina pectoris und
Hauptstammstenose abzugeben, damit wir das
„Für und Wider“ unter Fachleuten anschließend
(aus)diskutieren könnten. Nun muss man wissen,
dass die Hauptstammstenose (siehe Abb. 1)
eigentlich eher als eine Operationsindikation
und nicht als eine Domäne der interventionellen
Kardiologie, also als für einen Stent ungeeignet,
angesehen wird. Mir war der „Kontrapart“
zugedacht worden, ich sollte also den Standpunkt vertreten, eine Hauptstammstenose
gehört operiert. Obwohl ich aus erfahrungsbedingten Sicherheitsgründen eher konservativ
denke und deshalb die herzchirurgische Versorgung von Patienten mit komplexer koronarer
Herzerkrankung in der Regel für besser halte
als die katheterinterventionelle, musste ich
mich den meisten Argumenten, die für eine
Dilatation der Herzkranzgefäße und eine
Stentimplantation sogar bei Hauptstammstenosen vorgebracht wurden, doch weitgehend anschließen. Die Fortschritte der Aufdehnung, Wiedereröffnung und Stabilisierung
eingeengter oder verschlossener Herzkranzgefäße sind inzwischen so großartig, dass der
Herzchirurg heutzutage nur noch bei sehr komplexen Situationen, die der Kardiologe (z. Zt.
noch) nicht beherrscht, gefordert ist. Wie ist es
eigentlich dazu gekommen?
Geschichtliches
Prof. Forßmann (1904 – 1979) bekam 1956 zwar
den Nobelpreis dafür, dass er 1929 einen
Katheter von der Armvene aus in das Herz vorgeführt hatte, das betraf aber nur die rechte
Vorkammer und den rechten Ventrikel. Auch
ergaben sich aus seiner damaligen Pioniertat
keine diagnostischen oder therapeutischen
Konsequenzen. Prof. Grüntzig (1939 – 1985)
gelang 1977 erstmalig bei einem symptomatischen Patienten mit einer 80% Stenose der
linken vorderen Herzkranzarterie (LAD) mit
einem selbst verfertigten Ballonkatheter die im
Übrigen auch nach 10 Jahren noch erfolgreiche
Aufdehnung des Koronargefäßes. Sehr bald
stellte sich aber heraus, dass die lediglich
dilatierten Koronarstenosen sich in >50% der
Fälle wieder verengten (Restenose). Dies war
besonders bei proximal gelegenen Stenosen
und insbesondere bei der Hauptstammstenose
wegen der Infarktgefährdung problematisch.
Deshalb haben wir bereits in den 80iger Jahren
die Dilatation der Hauptstammstenose wieder
verlassen. Als Prof. Ulrich Sigwart vor genau
25 Jahren erstmalig erfolgreich Stents in die
Koronarstenosen implantierte, glaubten wir
initial, dass das Restenoseproblem beherrscht
sei. Leider kam es aber zum einen in einem
hohen Prozentsatz zum akuten thrombotischen Verschluss und zum anderen in etwa 30%
der Fälle zur späteren Restenose der Stents. Der
Akutverschluss ließ sich vermeiden, als man
herausfand, dass die duale Plättchenhemmung
(mit Aspirin und Ticlopidin oder Clopidogrel)
diesen praktisch immer verhinderte. Die
Restenosen wurden sehr viel seltener durch
Beschichtung der Stents mit proliferationshemmenden Substanzen (Paclitaxel, Sirolimus
etc.). Da diese Proliferationshemmer aber auch
das Überwachsen des Stentmaterials durch das
körpereigene Gefäßendothel verhindern, muss
die doppelte Thrombozytenaggregationshemmung wenigstens 6, besser 12 Monate lang
fortgeführt werden. Trotzdem bleiben akute
thrombotische Verschlüsse mit 50% Infarktinzidenz eine große Gefahr der beschichteten
Stents, besonders, wenn, aus welchen Gründen
Abbildung 1:
Die 90 % LCA-Hauptstammstenose ist einer Dilatation und Stentimplantation sehr gut zugänglich und bedarf keiner Bypassoperation
18
WIE SIEHT DIE OPTIMALE KORONARINTERVENTION 2012 AUS ?
auch immer, Aspirin oder Clopidogrel abgesetzt
werden (müssen). Da die Lebenserwartung nach
Implantation eines unbeschichteten Stents
(BMS = bare metal stent) oder eines beschichteten Stents ( DES = drug eluting stent) nach
~3 Jahren gleich ist, hängt die Differentialtherapie davon ab, ob große oder kleine Gefäße,
kurze oder lange Stenosen „gestentet“ werden
müssen oder ob der Patient Vorhofflimmern
hat oder ob eine nichtkardiale Operation
bevorsteht. In den letzten beiden Fällen sollte
wegen des höheren Blutungsrisikos kein DES
gegeben werden. Es bleibt also in der Regel
eine ärztliche Einzelfallentscheidung, welcher
Stent implantiert wird.
So kompliziert dieser Sachverhalt erscheinen
mag, so sollte man doch darauf hinweisen,
dass Restenosen heutzutage nur in 10 – 15%
auftreten und in der Regel durch eine erneute
Dilatation, eventuell mit einem beschichteten
Ballon, sehr gut behandelt werden können. Die
langsam sich entwickelnde Restenose des BMS
kündigt sich meist rechtzeitig durch erneute
Angina pectoris oder eine Ischämiereaktion an,
so dass man gut intervenieren und der Patient
nach 1 – 2 Tagen Krankenhausaufenthalt wieder nach Hause gehen kann.
Abbildung 2 a:
Eine „komplexe“ Hauptstammstenose , die sich nicht zur
Stentimplantation eignet und besser operiert werden sollte
Stentimplantation oder
Bypass-Operation?
Wenn technisch möglich wird heute bei symptomatischen Koronarstenosen in der Regel ein
Stent implantiert. Die Bypass-Operation ist
komplikationsbehafteter, dauert länger (u.a.
mehrere Wochen Kliniksaufenthalt) und ist
sehr viel teurer. Dafür gibt es deutlich weniger
Restenosen. Allerdings können sich in ~10%
auch Bypasses akut verschließen, und nach
10 Jahren sollen ~50% der aortokoronaren
Venenbypasses nicht mehr durchgängig sein.
Da in der Regel neben arteriellen- auch Venenbypasses (zusätzlich) verwendet werden müssen,
ist dieser Aspekt nicht unwichtig. Deshalb
empfiehlt man dem Koronarpatienten heute
nur dann eine Bypassoperation, wenn z. B. bei
einer Dreigefäßerkrankung zu viele Stents
gesetzt werden müssten und/oder die Komplikationsgefahr zu groß wird, oder, wenn die
Stentimplantationen z. B. wegen anatomisch
ungünstiger Lage der Stenosen zu schwierig
und damit gefährdend würden.
Der erfahrene und verantwortungsbewusste
Kardiologe weiß sehr genau, bei welchen
Fällen er einen oder mehrere Stents implantiert
oder wann er lieber den Herzchirurgen involviert. Derartige komplizierte Fälle werden
heute regelhaft in der Herzkonferenz mit allen
Fachkollegen ausführlich besprochen, so dass
eine gemeinsam verantwortete Entscheidung
natürlich unter Einbeziehung des Patientenwunsches getroffen werden kann. Man spricht
dann von einer Entscheidung des „Herzteams“,
die immer auch schriftlich fixiert wird.
Abbildung 2 b:
die RCA des Pat. mit der „komplexen“ Hauptstammstenose war
ebenfalls hochgradig atherosklerotisch verändert. Hier empfiehlt
sich eine Bypassoperation
Was tun bei einer
Hauptstammstenose?
Kurz und (etwas) vereinfacht zusammengefasst
besteht aus meiner Sicht wahrscheinlich Konsens
zwischen den meisten Herzchirurgen und
Kardiologen hinsichtlich folgender möglicher
Situationen:
1. es handelt sich um eine isolierte gut mit
einem Stent angehbare Hauptstammstenose
(siehe Abb.1): dann wird (nach Aufklärung
des Patienten über die Alternativen) ein
Stent implantiert
2. es besteht eine koronare Mehrgefäßerkrankung mit zusätzlicher Hauptstammstenose,
alle Stenosierungen erscheinen gut zugänglich für eine Dilatation bzw. eine StentImplantation: in der Regel werden dann die
notwendigen Stents implantiert, die Bypassoperation ist aber eine gute Alternative
3. Die Hauptstammstenose erscheint komplex,
z.B. in der Bifurkation der LAD und der CX
und/oder es bestehen Koronarstenosierungen,
die sich nicht zur Dilatation anbieten (siehe.
Abb. 2a und 2 b): damit ist eine eindeutige
Indikation zur Bypassoperation gegeben.
19
WIE SIEHT DIE OPTIMALE KORONARINTERVENTION 2012 AUS?
Die meisten Kardiologen werden die unter 1)
und (wenn alternativ) unter 2) genannten
Situationen also mit gutem Gewissen koronarinterventionell angehen. Das erscheint mir
nach den durch die Literatur belegten Ergebnissen kontrollierter Studien auch indiziert. Die
SYNTAX-Studie unterstreicht diese Meinung
ebenfalls (1), da die Patienten mit den unter
1. und 2. genannten Koronarbefunden auch
nach drei bzw. 4 Jahren eine mindestens
genauso gute Prognose nach Stentimplantation hatten (2). Hingegen wird die unter 3)
beschriebene Situation aus meiner Sicht auf
absehbare Zeit eine Domäne der Herzchirurgie
bleiben. Hier waren die Studienergebnisse nach
Bypassoperation besser.
sollten komplexe Situationen – mit oder ohne
Hauptstammstenose – immer vorher mit den
Herzchirurgen besprochen werden. Dies dient
nicht nur der gegenseitigen Wertschätzung
sondern auch der Reduzierung von vermeidbaren Notfallsituationen.
Die professionelle, emotionslose gemeinsame
Entscheidung in einem „Herzteam“ sollte überall eine Selbstverständlichkeit sein.
Eine primär operative Koronarrevaskularisation
hat eine geringe Letalität (je nach Alter und
Begleiterkrankungen <5%) und eine gute postoperative Prognose hinsichtlich Beschwerdefreiheit und Leistungsfähigkeit. Das sieht
bei notfallmäßigen Bypassoperationen ganz
anders aus. Deshalb sollte man sich bemühen,
diese so gut es geht zu vermeiden. Die Qualität
eines gut geführten Herzkatheterlabors lässt
sich auch daran ablesen, wie häufig bei
komplexen Interventionen Notfallsituationen
entstehen, die dann die mit deutlich schlechteren
Ergebnissen belastete akute Bypass-Operation
nötig machen. Derartige ungute Situationen
sollten die extreme Ausnahme bleiben, da sie
oft auch die Selbstüberschätzung der Interventionalisten anzeigen. Weiterhin glaube ich
nach mehrfacher gutachterlicher Erfahrung, dass
eine Hauptstammstenose nur in einem Haus
mit Herzchirurgie angegangen werden sollte.
Foto: N. Hanano
Warum ist eine „konservative“
(= operative) Therapieentscheidung
oft besser?
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. med. Erland Erdmann
Herzzentrum der Universität zu Köln
Direktor der Klinik für Kardiologie,
Angiologie, Pneumologie und Internistische
Intensivmedizin
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Tel.: +49 221 / 47 83 25 11
Fax: +49 221 / 47 83 25 12
E-Mail: [email protected]
www.herzzentzrum-koeln.de und
http://herztv.de/
Die Kölner Situation
In Köln besprechen wir alle Hauptstammstenosen auf unserer Herzkonferenz und legen
dort gemeinsam das optimale Procedere fest.
Wirkliche kardiologische/herzchirurgische Kontroversen hat es in den letzten Jahren diesbezüglich nicht gegeben. Aus meiner Sicht
20
Literatur:
1. Serruys et al., N Engl J Med 2009;360:961-72
2. Kappetein et al., European Heart Journal (2011) 32,
2125-2134
DAS KÖLNER INFARKT MODELL
Das Kölner Infarkt Modell
–
–
–
–
Priv.-Doz. Dr. med. Guido Michels,
Dr. med. Katharina Seck,
Dr. med. Christian Keller,
Dr. med. Jan Sparwel –
Das Kölner Infarkt Modell (KIM) wurde im
Oktober 2005 als gemeinsames Projekt des
Rettungsdienstes der Stadt Köln und aller 16
Kölner Kliniken ins Leben gerufen und startete
offiziell im Januar 2006. KIM hat zum Ziel, eine
optimale, schnelle, leitliniengerechte und
sektorenübergreifende Versorgung aller Kölner
Patienten mit ST-Hebungsinfarkt zu gewährleisten. Voraussetzung hierfür war die strukturierte und koordinierte Zusammenarbeit des
Notarztsystems, aller Krankenhäuser der städtischen Regelversorgung sowie der insgesamt
5 kardiologischen Interventionszentren mit
Rund-um-die-Uhr Bereitschaft des Herzkatheterlabors. Seit August 2006 ist KIM e.V. ein eingetragener Verein. KIM erfüllt die geltenden
Versorgungsstandards und kontrolliert diese
durch ein Qualitätssicherungssystem. Gleichzeitig ist KIM das zwischenzeitlich auch international größte kommunale Infarktregister.
Hospital, Herzzentrum am Evangelischen
Krankenhaus Kalk, Krankenhaus Porz),
– den elf Kölner Kliniken mit internistischen
Abteilungen ohne Herzkatheterlabor (Eduardus Krankenhaus, Evangelisches Krankenhaus Köln-Weyertal, Heilig Geist-Krankenhaus, Städtisches Krankenhaus Holweide,
Krankenhaus der Augustinerinnen, Malteser
Krankenhaus St. Hildegardis, St. Agatha
Krankenhaus, St. Antonius Krankenhaus,
St. Elisabeth Krankenhaus, St. Franziskus
Krankenhaus, St. Marien Hospital).
– Eingebunden in das Modell sind zudem die
ärztlichen Notdienstpraxen, die kardiologischen Praxen sowie die Kölner Hausärzte.
Die im Rahmen des Kölner Infarkt Modells
gelungene kooperative Verzahnung zwischen
Präklinik und Klinik gewährleistet eine strukturiert aufeinander abgestimmte Versorgung und
somit gleichzeitig eine Verkürzung der bei STHebungsinfarkten wichtigen Zeitspanne bis zur
Wiedereröffnung des verschlossenen Herzkranzgefäßes.
Zur weiteren Prozessoptimierung sind verschiedene, von KIM initiierte Projekte, wie z.B. das
ECG Navigation System (ENAS) im Stadium der
Umsetzung.
Die zum Kölner Infarkt Modell gehörenden
Pfade sind wie folgt zusammengefasst:
Im Einzelnen verfolgt das Kölner
Infarkt Modell folgende Ziele:
– die kontinuierliche Aufrechterhaltung einer
sektorenübergreifenden Versorgungsstruktur,
– die schnellstmögliche und leitliniengerechte
Versorgung von Patienten mit ST-Hebungsinfarkt,
– die Sicherung der postinterventionellen Versorgung in nachgeschalteten Kliniken,
– die Implementierung von Versorgungsstandards für die präklinische, klinische und
poststationäre Betreuung,
– die Definition von Qualitätsindikatoren und
Einbindung solcher in ein entsprechendes
Qualitätssicherungssystem,
– die kontinuierliche Qualitätssicherung,
– die Sensibilisierung von Patienten bezüglich
der Erkennung von Infarktsymptomen, um
die Zeiten des Infarktmanagements zu verkürzen.
Das Kölner Infarkt Modell wird aktiv
getragen vom
= Telefonische Vorab-Benachrichtigung des
Interventionszentrums
– Rettungsdienst der Stadt Köln,
– den fünf Interventionszentren mit 24-stündiger Herzkatheterbereitschaft an 365 Tagen
im Jahr (Herzzentrum der Universität zu
Köln, Klinikum Köln-Merheim, St. Vinzenz
Abbildung 1:
Kölner Infarkt Modell – Algorithmus zum Management des
ST-Hebungsinfarkts. Das Ideal aller Versorgungswege
besteht in der schnellstmöglichen Versorgung des Patienten
mit ST-Hebungsinfarkt.
21
DAS KÖLNER INFARKT MODELL
Nach Diagnosestellung eines ST-Hebungsinfarkts durch den Notarzt erfolgt unmittelbar
eine Kontaktaufnahme mit einer der fünf
Interventionskliniken. Fast zeitgleich wird das
Notfallherzkatheterteam bestehend aus Kardiologe/-in, Herzkatheter-Pflegekraft, Intensivarzt/-ärztin und Intensiv-Pflegekraft alarmiert.
Nach Eintreffen des Patienten in der Klinik
erfolgt unmittelbar die Notfallherzkatheteruntersuchung, so dass im Idealfall das betroffene
Koronargefäß vollständig wiedereröffnet werden kann (Abb. 2). Dank dieser eingespielten
Szenarien konnten von 2006 bis heute ca. 3000
Patienten schnellstmöglich versorgt werden
(Abb. 3).
Eine kontinuierliche Qualitätssicherung ist integraler Bestandteil des KIM Versorgungsmodells. Die wesentlichen Qualitätsindikatoren
für das Kölner Infarkt Modell sind die Einhaltung der „Versorgungszeiten“. Die Contact-toballon Zeit, d.h. die Zeitdifferenz zwischen Erstkontakt mit dem Notarzt bis zur Koronarintervention, konnte von 93 Minuten (2006) auf 85
Minuten (2011) gesenkt werden (Abb. 4).
Ingesamt demonstriert das Kölner Infarkt
Modell die Machbarkeit einer leitliniengerechten Behandlung des akuten STEMI im kommunalen, institutionsüberschreitenden Netzwerk
durch eine optimierte Rettungskette mit
hohem Anteil an rascher Rekanalisierung mittels Koronarintervention. Das unabhängige
Netzwerk KIM führt zu einer nachhaltigen
Qualitätsbesserung im flächendeckenden
Management des ST-Hebungsinfarktes in einer
urbanen Umgebung.
Korrespondierender Autor:
Priv.-Doz. Dr. med. Guido Michels
Herzzentrum der Universität zu Köln
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Tel.: +49 221 / 47 83 24 01
Fax: +49 221 / 47 83 24 00
E-Mail: [email protected]
Abbildung 2: Akuter ST-Hebungsinfarkt (Hinterwandinfarkt)
22
Abbildung 3:
KIM-Patientenzahlen (kumulativ)
Abbildung 4:
Contact-to-balloon Zeit (2006-2011)
STELLENWERT DER DREIDIMENSIONALEN ECHOKARDIOGRAPHIE
Stellenwert der dreidimensionalen
Echokardiographie
Möglichkeiten der
3D-Echokardiographie
– Priv.-Doz. Dr. med. Guido Michels –
Die 3D-Echokardiographie basiert auf der
Grundlage von speziellen Matrixschallköpfen.
Die matrixförmige Anordnung der Ultraschallkristalle erlaubt erst die Erfassung eines
pyramidenförmigen Ultraschallsektors. Der
dreidimensionale Schallkopf lässt insgesamt
drei Hauptanwendungen zu.
Seit mehreren Jahren besteht neben der zweidimensionalen (2D) Ultraschalluntersuchung
des Herzens die Option der dreidimensionalen
(3D) Darstellung von Strukturen des Herzens.
Die Echokardiographie kann in eine transthorakale (TTE) und eine transösophageale Echokardiographie (TEE) eingeteilt werden. Sowohl die
TTE als auch die TEE können wiederum in ein
zwei- und in ein dreidimensionales Verfahren
unterteilt werden, so dass insgesamt vier Optionen der Herzultraschalluntersuchung bestehen:
2D-TTE, 3D-TTE, 2D-TEE und 3D-TEE.
1. „x-Plane“ Modus (Abbildung 1): Hier besteht
die Möglichkeit, gleichzeitig verschiedene
(meist zwei) Schallebenen zu untersuchen,
die in einem wählbaren Winkel zu einander
stehen (Abbildung 1A). Während des x-Plane
ist ein Zuschalten des Farbdopplers möglich
(Abbildung 1B), um eine zeitliche Zuordnung von Insuffizienzjets zu anatomischen
Strukturen in zwei Ebenen zu ermöglichen.
Klinische
Anwendung
Anwendung in Studien
Linksventrikuläre Funktion
Volumetrie
✔
Ejektionsfraktion
✔
Ventrikelform
✔
Dyssynchronie
✔
Rechtsventrikuläre Funktion
Volumetrie
✔
Ejektionsfraktion
✔
Ventrikelform
✔
2. „3D-Zoom“ oder „Echtzeit“ Modus (Abbildung 2): Untersuchung eines pyramidenartigen
3D-Sektors (Abbildung 2). Alle echokardiographischen Datensätze können während
der Aufnahme oder später mittels spezieller
Programme nachbearbeitet werden. Dieser
Modus, bei welchem ein breiter Ultraschallsektor gewählt wird, hat im Gegensatz zum
„Full-volume Modus“ eine kleinere Bildfrequenz (10-15 Hz).
3. „Full-volume“ Modus (Abbildung 3): 3DUntersuchung mehrerer pyramidenartiger
Sektoren (meist 4-7 Untersektoren). Bei diesem Modus werden mehrere Untersektoren
gewählt und in 4-7 konsekutiven Herzzyklen
benachbarter Volumensegmente zusammengefügt, so dass die umliegenden Strukturen
genau betrachtet werden können (Bildfrequenz 25-40 Hz). An den Übergängen der
Sektoren kann es insbesondere bei Vorliegen
von Arrhythmien zu einer deutlichen Einschränkung der Bildqualität kommen.
Vitien
Mitralkappe
✔
✔
Aortenklappe
✔
✔
Trikuspidalklappe
✔
Pulmonalklappe
✔
Weitere Indikationen
Periinterventionelle
✔
Prozeduren (insbesondere
der Mitralklappe)
✔
Intrakardiale
✔
Raumforderungen
Angeborene Vitien
✔
Indikationen zur
3D-Echokardiographie
Ziel der dreidimensionalen Echokardigraphie
ist es, einen anatomischen bzw. chirurgischen
Blick auf verschiedene Herzstrukturen zu
ermöglichen. Insbesondere Herzklappenerkrankungen lassen sich morphologisch dadurch
besser darstellen und quantifizieren. Mittels
dieser 3D-Technologie erhält man erstmalig
einen strukturellen Eindruck der Pathomorphologie bestimmter Herzklappen. Die räumliche
Zuordnung pathologischer Strukturen ist im
3D-Modus im Gegensatz zur 2D-Echokardiographie deutlich präziser und zuverlässiger. Die
3D-Echokardiographie führt somit zu einer
Erhöhung der diagnostischen Genauigkeit. Des
Weiteren erlaubt die 3D-Technologie eine
exakte morphologisch-qualitative Beurteilung
sowie die Möglichkeit quantitativer Messungen
(z.B. Volumenbestimmung). Die 3D-Echokardiographie ist bei folgenden klinischen Fragestellungen indiziert [1-5].
23
STELLENWERT DER DREIDIMENSIONALEN ECHOKARDIOGRAPHIE
3D-TEE am Beispiel
Mitralklappenprolaps
Am Beispiel eines jungen Patienten mit Palpitationen möchte ich den Stellenwert der dreidimensionalen Echokardiographie darlegen. Die
primäre transthorakale 2D-Echokardiographie
war aufgrund von schlechten Schallbedingungen
nicht aussagekräftig, so dass die Indikation zur
transösophagealen Echokardiographie bestand.
Im Rahmen der 2D-TEE Untersuchung im
x-Plane Modus konnten eine systolische Vorwölbung bzw. eine abnorme Protrusion des
posterioren Mitralsegels (P2) nach atrial während der Ventrikelsystole mit exzentrischem
Refluxjet im Farbdoppler nachgewiesen werden (Abbildung 1), so dass die Diagnose eines
Mitralklappenprolaps gestellt wurde. Zur weiteren räumlichen Zuordnung und Größenabschätzung des Mitralklappenprolaps erfolgte
die 3D-TEE Untersuchung (Abbildung 2 und 3),
bei welcher der 2D-TEE Befund bestätigt werden konnte. Anhand der dreidimensionalen
Darstellung war erstmalig eine genaue Größenzuordnung und Lagebestimmung des Prolaps
möglich, so dass in Zusammenschau aller
Befunde die Indikation zur herzchirurgischen
Mitralklappenrekonstruktion gestellt wurde.
Abbildung 2:
3D-transösophageale Echokardiographie (Ao, Aortenklappe;
Mk, Mitralklappe; al, anterolateral; pm, posteromedial)
Anhand dieser Falldemonstration erklärt sich
gerade die Stärke der 3D-Echokardiographie,
da es dadurch gelingt, die komplexe sattelförmige Geometrie der Mitralklappe in einem
plastischen Gesamtbild zu veranschaulichen.
Der interventionell tätige Kardiologe und der
Kardiochirurg erhalten zum einen eine orientierte Pathomorphologie in Echtzeit und zum
anderen eine räumliche Beziehung zwischen
prolabierenden und nicht prolabierenden
Mitralsegelsegmenten.
3D-TEE bei Klappeninterventionen
Da sowohl der „x-Plane“ als auch der „3DZoom“ Modus in Echtzeit erfolgt, eignen sich
beide Modi neben der Diagnostik auch im
Abbildung 3:
3D-TEE Darstellung der Mitralklappe zum Zeitpunkt der Systole
(Ao, Aortenklappe; Mk, Mitralklappe; TEE, transösophageale
Echokardiographie)
Abbildung 1:
2D-transösophageale Echokardiographie
(LA, linker Vorhof; LV, linker Ventrikel; RV, rechter Ventrikel)
24
Rahmen von Interventionen, wie z.B. bei der
perkutanen Mitralklappenrekonstruktion. Die
3D-TEE Untersuchung im x-Plane und im
3D-Full-volume Modus sind im Rahmen der
perkutanen Mitralklappenrekonstruktion nicht
wegzudenken. Sowohl die transseptale Punktion als auch das Prozedere während des MitraClipping erfolgen unter kontinuierlichem
3D-TEE Monitoring. Das intraprozedurale
Monitoring und die Navigation während des
MitraClipping mittels 3D-TEE gehören zum
Standard dieser speziellen Intervention.
STELLENWERT DER DREIDIMENSIONALEN ECHOKARDIOGRAPHIE
Limitationen der
3D-Echokardiographie
Der routinemäßige Einsatz der 3D-Echokardiographie ist aufgrund der hohen Gerätekosten
noch deutlich limitiert. Obwohl viele Anbieter
3D-TTE Schallköpfe anbieten, sind diese aufgrund ihrer Größe noch sehr umständlich zu
handhaben. In jüngster Zeit bieten einige
Hersteller handliche 3D-TTE Sonden an, jedoch
sei erneut auf den ökonomischen Aspekt hingewiesen.
Des Weiteren bieten die meisten 3D-Sonden
keine Dopplerfunktion an oder es wird eine
3D-Option ohne Möglichkeit der quantitativen
Auswertung angeboten. Obwohl einige Studien
die multidimensionale Echokardiographie vor
die zweidimensionale Darstellung stellen, sei
an dieser Stelle angemerkt, dass die unterschiedliche Expertise des Untersuchers und die
Qualität der Echogeräte neben den technischen Voraussetzungen wesentlich zur Qualität
des 3D-Verfahrens beitragen.
Die 3D-Darstellung der Trikuspidal- und Pulmonalklappe ist im Gegensatz zur 3D-Darstellung
von Aorten- und Mitralklappe häufig erschwert,
so dass die 3D-Echokardiographie bezogen auf
das rechte Herz und seine Klappen aufgrund
der komplexen Anatomie noch keinen Einzug
in die klinische Routine gefunden hat.
Fazit
Die 3D-Technologie in der Echokardiographie
ist eine ergänzende Option zur konventionellen
2D-Echokardiographie. Die 3D-Echokardiographie setzt neben der hohen Expertise des
Untersuchers einen finanziellen und zeitlichen
Mehraufwand voraus.
Die aktuell, wesentliche Indikation besteht in
der Beurteilung von Mitral- und Aortenklappenvitien sowie als intraprozedurales
Monitoring bei katheterinterventionellen Eingriffen an der Mitralklappe.
Korrespondierender Autor:
Priv.-Doz. Dr. med. Guido Michels
Herzzentrum der Universität zu Köln
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Tel.: +49 221 / 47 83 24 01
Fax: +49 221 / 47 83 24 00
E-Mail: [email protected]
Literatur:
1. Biaggi P, Jedrzkiewicz S, Gruner C, Meineri M, Karski J,
Vegas A, Tanner FC, Rakowski H, Ivanov J, David TE,
Woo A. Quantification of mitral valve anatomy by
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2. Lang RM, Badano LP, et al. American Society of Echocardiography; European Association of Echocardiography. EAE/ASE recommendations for image acquisition
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transesophageal echocardiography of atrial septal
defect: a qualitative and quantitative anatomic study.
J Am Soc Echocardiogr. 2011;24(6):600-610
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volumetry. Biomed Eng Online. 2006;5:17
25
DIE PERIPARTALE KARDIOMYOPATHIE
Die peripartale Kardiomyopathie:
Ein komplexer „Kolibri“ in unserem
Herzinsuffizienzalltag
– Priv.-Doz. Dr. med. Roman Pfister –
Im Dezember 2011 wurde uns eine 31-jährige
Frau mit progredienter Abgeschlagenheit,
Beinödemen und schwerer Dyspnoe zugewiesen.
Die Patientin berichtete außerdem über Herzrasen. Es bestanden keine relevanten Vorerkrankungen. Ende August hatte die Patientin nach
komplikationsloser Schwangerschaft entbunden.
Klinisch bot sich das klassische Bild einer schwer
dekompensierten Globalherzinsuffizienz und
echokardiographisch zeigte sich passend dazu
eine hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion mit einer Ejektionsfraktion
von 20% mit sekundärer Mitralinsuffizienz und
pulmonaler Hypertonie. Zwei Jahre vor diesem
Ereignis war bei der Patientin ein echokardiographischer Normalbefund dokumentiert. Aufgrund der zeitlichen Assoziation mit der Entbindung Ende August und dem unauffälligen
Vorbefund wurde die Diagnose einer peripartalen Kardiomyopathie gestellt.
Aufgrund des schweren Befundes mit ausgeprägter Sinustachykardie und Hypotonie
wurde die Patientin auf unsere Intermediate
Care Station aufgenommen. Unter EKG-Monitorüberwachung fanden sich im Verlauf neben
der Sinustachykardie komplexe ventrikuläre
Rhythmusstörungen bis zu selbstlimitierenden
ventrikulären Tachykardien. Kompliziert durch
die ausgeprägte Hypotonie konnte die Medikation nur sehr langsam auftitriert werden und
erst nach mehr als 4-wöchiger Behandlung
unter Monitorkontrolle besserten sich die
ventrikulären Rhythmusstörungen und die
Patientin konnte auf Normalstation verlegt
und schließlich entlassen werden.
Während der ambulanten Weiterbehandlung
bestand klinisch ein stabiler Verlauf im funktionellen Stadium NYHA III. Die linksventrikuläre
Pumpfunktion besserte sich nach 5 Monaten
nicht relevant und in Langzeit-EKG Kontrollen
fanden sich weiterhin sehr viele ventrikuläre
Extrasystolen bis zu Trigemini. Mit einer ICDDevice Implantation konnte sich die Patientin
zu diesem Zeitpunkt nicht abfinden, so dass
zum Schutz vor malignen Rhythmusstörungen
bei persistierend schwer eingeschränkter
Pumpfunktion eine Defibrillatorweste (Lifevest) eingesetzt wurde. Bislang waren in den
Abfragen glücklicherweise keine malignen
Rhythmusstörungen bzw. Defibrillationsaktivitäten dokumentiert.
Was ist die
peripartale Kardiomyopathie?
Herzinsuffizienz in zeitlicher Assoziation mit
einer Schwangerschaft ist lange bekannt und
wird bei Fehlen anderer spezifischer Grunderkrankungen als peripartale Kardiomyopathie
definiert. Funktionell ist die peripartale Kardiomyopathie durch eine Dilatation und Funktionsstörung des linken Ventrikels im Sinne einer
dilatativen Kardiomyopathie gekennzeichnet
26
(1). Die Erkrankung kann sich im letzten
Schwangerschaftsabschnitt bzw. in den ersten
5 Monaten nach Geburt manifestieren, wobei
diese Grenzen nicht als absolut gelten. Die
meisten Fälle werden im ersten Monat nach
Geburt diagnostiziert. Ingesamt handelt es
sich um eine seltene Erkrankung, die Prävalenz
wird auf 1 von 3.000 - 5.000 Geburten geschätzt,
wobei keine zuverlässigen Erhebungen für
Deutschland vorliegen. In unserer Spezialambulanz sehen wir ca. 1-2 Patientinnen pro Jahr.
Die Prognose der Erkrankung ist ernst. Obwohl
sich die kardiale Funktionsstörung in mehr als
der Hälfte der Fälle in den ersten 6 bis 12
Monaten deutlich bessert oder normalisiert,
wird die Mortalität zwischen 0-19% angegeben
und 6-11% müssen dringlich Herz transplantiert werden (2).
Dadurch dass die peripartale Kardiomyopathie
so selten ist, weiss man insgesamt noch sehr
wenig über diese Erkrankung und dadurch
besteht manchmal Unsicherheit bei der
Behandlung. Es ist deshalb ungemein wichtig,
mehr Erkenntnisse über dieses Krankheitsbild
zu gewinnen. Dies ist bei einer derartig seltenen
Erkrankung nicht durch eigene Erfahrungen
alleine zu erreichen und es wurde deshalb ein
deutsches Register für peripartale Kardiomyopathie eingerichtet, an dem sich das Herzzentrum Köln beteiligt. Das Sammeln von
Informationen aus diagnostizierten Fällen soll
helfen, mehr über den Verlauf, Komplikationen
und Behandlungseffekte bei dieser Erkrankung
zu erfahren. In Köln sind statistisch bei ca.
10.000 Geburten pro Jahr 2-3 Fälle mit peripartaler Kardiomyopathie zu erwarten. Bei dieser
niedrigen Zahl ist es umso wichtiger, jeden
dieser Fälle in dem nationalen Register zu
erfassen und wir sind für Zuweisungen dieser
Patientinnen sehr dankbar, um zukünftig die
Versorgung bei diesem Krankheitsbild zu verbessern.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Für die optimale Versorgung von Patientinnen
mit peripartaler Kardiomyopathie ist eine enge
interdisziplinäre Kooperation und kontinuierliche Verfügbarkeit moderner Diagnostik- und
Therapieverfahren in entsprechenden Zentren
essenziell. Dies beginnt mit einer frühen Identifikation der Patientinnen durch Hebammen
oder Gynäkologen und einer raschen Zuführung
zur kardialen Diagnostik, denn die Mortalität
der Erkrankung steigt mit der Zeitdauer bis zur
Diagnosefindung. Bei Fällen, die während der
Schwangerschaft auftreten, ist ein enger Austausch zwischen betreuendem Gynäkologen
und Kardiologen unabdingbar, um einerseits
die Therapie der Mutter zu steuern und andererseits auch frühzeitig eine Gefährdung des
Kindes zu erkennen und ggf. eine vorzeitige
Entbindung einleiten zu können. Auch die Verfügbarkeit Bildgebender Diagnostikverfahren
wie Kardio-MRT zum Ausschluss wichtiger
Differenzialdiagnosen ist wichtig, um frühzeitig
spezifische Therapieinterventionen einleiten zu
können. So wurde bei unserer Patientin eine
Myokarditis im MRT frühzeitig ausgeschlossen
und so die Diagnose der peripartalen Kardiomyopathie gestellt. Die häufig schwere
DIE PERIPARTALE KARDIOMYOPATHIE
Funktionseinschränkung des Herzens macht es
außerdem nicht selten notwendig, frühzeitig
mit einer kardiochirurgischen Abteilung zwecks
Transplantationsplanung oder Implantation
eines Assistsystems in Kontakt zu treten.
Im Herzzentrum der Uniklinik Köln bieten wir
neben unserer lange etablierten Spezialsprechstunde für Herzinsuffizienz und Transplantation
seit einigen Jahren mit dem „Kölner Kardiologie Forum“ eine Plattform für schwere oder
außergewöhnliche Herzinsuffizienzfälle an. In
Kooperation mit der kardiologischen Abteilung
des St.-Vinzenz Krankenhauses besprechen
hier Kardiologen, Kardiochirurgen und Fallspezifisch weitere Fachdisziplinen 6-mal im Jahr
nicht nur Indikationen zu Transplantation oder
Deviceimplantation, sondern auch gesamtmedizinische Konzepte bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Gerade bei Fällen mit peripartaler
Kardiomyopathie ist dieser kollegiale Austausch
sehr hilfreich, um bei fehlender Studienevidenz
die wenigen eigenen Erfahrungen zu bündeln.
zukünftigen Patientinnen damit verwehrt
bleiben würde bzw. trotz fehlenden Nutzens
verabreicht würde. Ansprechpartner für die
Behandlung von Patientinnen mit der Diagnose
einer peripartalen Kardiomyopathie im Herzzentrum Köln sind die Oberärzte Priv.-Doz. Dr.
G. Michels und Priv.-Doz. Dr. R. Pfister.
Fazit
Die Herzinsuffizienz ist ätiologisch sehr heterogen und verlangt klinisch weit mehr als
das Aufdosieren von ACE-Hemmern, Diuretika,
ß-Blockern und Spironolakton. Gerade seltene
Grunderkrankungen wie die peripartale Kardiomyopathie stellen uns vor eine große
Herausforderung, die nur mit interdisziplinärer
Teamarbeit und regem fachinternen Austausch
zu meistern ist. Neueste Erkenntnisse sollten in
die Behandlung einfließen.
Behandlung
Die allgemeinen Behandlungsempfehlungen
für Herzinsuffizienz sind weitestgehend unabhängig von der Grunderkrankung und treffen
auch für die peripartale Kardiomyopathie zu
(3). Zu beachten ist aber, dass während der
Schwangerschaft bestimmte Medikamente wie
z.B. ACE-Hemmer kontraindiziert sind. Eine
Besonderheit der peripartalen Kardiomyopathie
besteht in der relativ hohen Spontanbesserung
von über 50%, was bei der Entscheidung zur
Implantation von „bleibenden“ Devicesystemen
wie ICD oder CRT zu berücksichtigen ist. So
haben wir uns bei unserer Patientin nach
ausführlicher Besprechung dazu entschieden,
zunächst eine Defibrillatorweste einzusetzen
und werden die Entscheidung zur ICD Implantation erst beim Nachweis einer persistierenden
Funktionsstörung über mehr als 6 Monate
treffen.
Aktuelle Ergebnisse aus der Grundlagenforschung geben Hoffnung zu einer möglichen
spezifischen Behandlung der peripartalen
Kardiomyopathie in Zukunft. Ein Spaltprodukt
des Stillhormons Prolaktin scheint bei der
Entstehung der peripartalen Kardiomyopathie
eine wichtige Rolle zu spielen (4). Eine kleine
Untersuchung an 20 Patientinnen mit peripartaler Kardiomyopathie fand unter der Behandlung mit dem Prolaktin-Inhibitor Bromocriptin
eine reduzierte Mortalität und eine höhere
Rate an Erholung der kardialen Pumpleitung
verglichen mit konventioneller Behandlung. Im
Rahmen einer grösseren, Plazebo-kontrollierten
Multicenterstudie, an der auch das Herzzentrum der Uniklinik Köln beteiligt ist, wird
aktuell der Nutzen von Bromocriptin bei
Patientinnen mit peripartaler Kardiomyopathie
untersucht. Aufgrund der Seltenheit der
Erkrankung ist diese Studie auf die regionale
und überregionale Zuweisung von Patientinnen
angewiesen. Es wäre sehr enttäuschend, wenn
eine potenziell nützliche Behandlungsoption
für eine schwerwiegende Erkrankung aufgrund
mangelnder Patientenrekrutierung nicht Evidenz-basiert beurteilt werden könnte und
Korrespondierender Autor:
Priv.-Doz. Dr. med. Roman Pfister
Herzzentrum der Universität zu Köln
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Tel.: +49 221 / 47 83 24 01
Fax: +49 221 / 47 83 24 00
E-Mail: [email protected]
Literatur:
1. Sliwa K, Hilfiker-Kleiner D, Petrie MC, et al (2010) Current state of knowledge on aetiology, diagnosis,
management, and therapy of peripartum cardiomyopathy: a position statement from the Heart Failure
Association of the European Society of Cardiology
Working Group on peripartum cardiomyopathy. Eur.
J.Heart Fail. 12: 767-778
2. Elkayam U (2011) Clinical characteristics of peripartum
cardiomyopathy in the United States: diagnosis, prognosis, and management. J.Am.Coll.Cardiol. 58: 659-670
3. McMurray JJ, Adamopoulos S, Anker SD, et al (2012)
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acute and chronic heart failure 2012: The Task Force
for the Diagnosis and Treatment of Acute and Chronic
Heart Failure 2012 of the European Society of Cardiology. Developed in collaboration with the Heart
Failure Association (HFA) of the ESC. Eur.Heart J. 33:
1787-1847
4. Hilfiker-Kleiner D, Struman I, Hoch M, Podewski E,
Sliwa K (2012) 16-kDa Prolactin and Bromocriptine in
Postpartum Cardiomyopathy. Curr.Heart Fail.Rep.
27
BRONCHOSKOPISCHE LUNGENVOLUMEN-REDUKTION
Bronchoskopische Lungenvolumenreduktion – Option bei Patienten mit
COPD und Lungenemphysem?
– Priv. Doz. Dr. med. Konrad F. Frank –
Patienten mit fortgeschrittener COPD (Stadium
III-IV) nach GOLD sind eine besondere Herausforderung, weil therapeutische Optionen nicht
mehr suffizient greifen. Zumeist werden diese
Patienten mit einer kombinierten inhalativen
Therapie behandelt, die keine wesentliche
symptomatische Verbesserung mehr erzielt. Es
liegt eine fixierte bronchiale Obstruktion vor,
die nur noch bedingt durch diese inhalative
Therapie verbessert werden kann.
Neben dem konsequenten Verzicht auf inhalativen Zigarettenkonsum stehen dem behandelnden Internisten/ Pneumologen inhalative
Anticholinergika, kurz – und langwirksame
Betamimetika und zur Senkung der Exazerbationsrate inhalative und orale Kortisonpräparate
zur Verfügung. Auch neuere PDE inhibierende
Substanzen, wie Roflumilast (Daxas®) können
nur bedingt die Exazerbationsrate senken und
eine Verbesserung der Lebensqualität nach sich
ziehen.
Bronchoskopische Lungenvolumenreduktion bei fortgeschrittener COPD
mit Lungenemphysem?
Aus chirurgischen Untersuchungen zur Lungenvolumenreduktion geht hervor, dass bestimmte
Patienten mit einer COPD und deutlicher Lungenüberblähung im Sinne eines Lungenemphysems
von einer Lungenvolumenreduktiontherapie
Abbildung 2: Röntgen Thorax vor (oberer Teil) und nach (unterer Teil)
Implantation von insgesamt 5 Lungenventilen in den linken Unterlappen. Die Vergrößerung zeigt die hilusnah implantierten Lungenventile, die sich schwach röntgendicht darstellen. Es stellt sich postinterventionell eine Anhebung des Diaphragma und eine reduzierte
Lungenüberblähung dar (Pfeile).
Abbildung 1: Prinzip der bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion
(A). Durch den Kollaps des Ziellappens werden die Atemmechanik
und die FEV1 des Patienten verbessert. Zumeist werden 3-5 Ventile
in die Segmentbronchien eines Lungenlappens eingebracht, die zu
einer verkleinerten Ventilation des Ziellappens führt (B). Bronchoskopische Sicht auf ein Lungenventil im linken Unterlappen nach
Implantation (C, 55 jähriger Patient mit Lungenemphysem).
28
(LVR) profitieren können. Eine besondere
Herausforderung stellt hierbei die geeignete
Patientenauswahl dar, da nicht alle Patienten
von einer solchen Massnahme eine symptomatische und lungenfunktionelle Verbesserung
erfahren. Bei diesem Verfahren werden über
ein Bronchoskop Lungenventile in die Segmentbronchien eines Lungenlappens eingebracht,
die die inspiratorische Ventilation blockieren
und zu einem Kollaps eines Lungenlappens
führen. Durch diese Maßnahme wird die Atemmechanik des entsprechenden Lungenflügels
verbessert und das verbleibende Lungengewebe kann besser ventiliert werden. Es
resultiert eine verbesserte 1-Sekunden- Kapazität (FEV1) und in ausgewählten Patienten eine
deutliche verminderte Dyspnoe- Symptomatik.
Die bronchoskopische Lungenvolumen-reduktion wurde in der VENT Studie in einem größeren randomisierten Kollektiv untersucht (1).
BRONCHOSKOPISCHE LUNGENVOLUMEN-REDUKTION
Hierbei konnte eine Verbesserung der FEV1,
der 6 Minuten Gehstrecke und der Symptomatik
gesehen werden. Auch im Langzeitverlauf über
6 und 12 Monate fanden sich diese Ergebnisse
bestätigt (2). Prädiktoren für ein gutes Ansprechen auf eine bronchoskopische Lungenvolumenreduktion waren neben dem Grad
des Lungenemphysems, die Heterogenität des
Lungenparenchyms und das Ausmaß einer
Kollateralisierung der Lunge. Wenn keine
relevante Überblähung der Lunge oder eine
erhebliche lungenfunktionelle Diffusionsstörung
vorliegen, kann eine bronchoskopische LVR
nicht therapeutisch greifen. Abbildung 2 zeigt
das postinterventionelle Ergebnis nach einem
Verschluss des linken Unterlappens bei einer
58-jährigen Patientin.
Welche Patienten eignen sich für
eine Volumenreduktion mit Hilfe
von Lungenventilen?
Patienten, die sich für eine LVR eignen, sollten
bestimmte lungenfunktionelle und radiologische
Kriterien erfüllen bevor eine solche Intervention
erwogen wird (Tab. 1.). Hierzu gehören neben
einer eingeschränkten Einsekundenkapazität
(FEV1) und einer deutlichen Lungenüberblähung
(Residualvolumen erhöht) eine ausreichende
Vitalkapazität, die eine Reduktion des Lungenparenchyms überhaupt ermöglichen kann.
dem linken Ober- und Unterlappen). Liegt
keine Kollateralisierung vor, können Lungenventile in diesen Lappen eingebracht werden.
Vor Implantation wird auch eine Lungenventilations- und Perfusionsszintigraphie durchgeführt, um besonders heterogene Areale im
Lungenparenchym zu erkennen. Dies erleichtert
die Wahl des zu verschliessenden Ziellappens.
Fazit
Seit Anfang 2012 werden am Schwerpunkt
Pneumologie im Herzzentrum Lungenventile
implantiert und die Erfahrung ist bislang durchweg positiv. Selten sind bislang zu erwartende
Komplikationen wie ein Pneumothorax oder
eine Pneumonie im verschlossenen Lungenareal aufgetreten. Bei größeren Komplikationen (z.B. lang anhaltender Pneumothorax,
Nachblutung) können die Ventile auch relativ
einfach wieder in starrer bronchoskopischer
Technik entfernt werden.
Die meisten Patienten berichten bereits am
ersten postinterventionellen Tag über eine
deutliche Abnahme der Dyspnoe und über eine
verbesserte Belastbarkeit. Wir werden den
Langzeitverlauf nach Implantation weiter
untersuchen und hoffen die bislang publizierten
multizentrischen Langzeitergebnisse der VENT
Studie zu bestätigen (2).
Neben der Lungenfunktion spielen auch radiologische Kriterien eine Rolle. So sollten keine
isolierten größeren Lungenbullae vorliegen.
Solche Patienten eignen sich besser für eine
chirurgische Resektion dieser Bullae, die dann
wieder Platz für das restliche Lungenparenchym
des ipsilateralen Lungenlappens zulässt. Zudem
haben in der VENT Studie (1) vor allem die
Patienten von einer LVR profitiert, die eine
Heterogenität des Parenchyms zeigten und
intakte Lappenfissuren aufwiesen. Somit
scheint die Kollateralisierung zwischen den
einzelnen Lungenlappen einer Seite eine entscheidende Rolle zu spielen.
In der klinischen Praxis sind wir aus diesem
Grunde dazu übergegangen alle Patienten, die
für eine bronchoskopische LVR in Frage kommen vor Implantation mit dem sogenannten
Chartis® System zu prüfen. Hierbei wird mit
Hilfe eines Ballons und Druckmessers, der über
das Bronchoskop in den zu verschließenden
Ziellappen eingebracht wird, die Kollateralisierung auf einer Seite gemessen (z.B. zwischen
FEV1
< 35 % vom Soll
RV
> 150 %, besser > 200 %
FVC
> 2,5 l
DLCO
>30 % vom Soll
CT-Thorax
Heterogenses Lungenemphysem,
intakte Lappenfissuren
Überblähung, keine Bullae
Labor
Keine Gerinnungshemmung
Tabelle 1: Lungenfunktionelle und radiologische Voraussetzungen
für eine LVR • FEV1: Einsekundenkapazität, RV: Residualvolumen,
FVC: forcierte Vitalkapazität, DLCO: Diffusionskapazität
Korrespondierender Autor:
Priv.-Doz. Dr.med Konrad F. Frank
Klinik III für Innere Medizin
– Schwerpunkt Pneumologie –
Herzzentrum der Universität zu Köln
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Tel.: +49 221-47832356
Fax.: +49 221-47832355
E-Mail: [email protected]
Literatur:
1. Sciurba FC, Ernst A, Herth FJ, Strange C, Criner GJ, Marquette CH, Kovitz KL, Chiacchierini RP, Goldin J,
McLennan G. A randomized study of endobronchial
valves for advanced emphysema. N Engl J Med. 2010;
363(13):1233-44.
2. Herth FJ, Noppen M, Valipour A, Leroy S, Vergnon JM,
Ficker JH, Egan JJ, Gasparini S, Agusti C, Holmes-Higgin D, Ernst A. Efficacy predictors of lung volume
reduction with Zephyr valves in a European cohort.
Eur Respir J. 2012; 39(6):1334-42
29
KARDIOVASKULÄRE MEDIZIN AM HERZZENTRUM DER UNIKLINIK KÖLN – EIN AUSBLICK
Kardiovaskuläre Medizin am
Herzzentrum der Uniklinik Köln –
ein Ausblick
– Univ.-Prof. Dr. Stephan Baldus –
Hintergrund
Wie kaum ein anderes Fach blickt die kardiovaskuläre Medizin in den letzten beiden Jahrzehnten auf eine Erfolgsgeschichte zurück. So hat
sich die Sterblichkeit von Herz- und Kreislauferkrankungen seit den 50er Jahren des letzten
Jahrhunderts auf ein Viertel verringert.1 Einen
wesentlichen Beitrag hierzu hat gerade in der
jüngeren Vergangenheit die Kathetertechnik
zur Behandlung der Herzkranzgefäße geliefert,
die – eingesetzt in der Akutphase des Herzinfarktes, die Infarktsterblichkeit im Vergleich
zu den allein medikamentösen Ansätzen sinken
ließ. Interventionelle Verfahren zur Behandlung von Vorhofflimmern sind mittlerweile als
zusätzliche Therapie neben der zum Teil unbefriedigenden Effektivität der medikamentösen
etabliert. Und nicht zuletzt der Einsatz der
kathetergestützten Behandlung von Herzklappenerkrankungen hat die Therapie gerade
der Aortenklappenstenose und der Mitralklappeninsuffizienz für Patienten, deren
Zustand einen konventionellen chirurgischen
Eingriff ausschließt, entscheidend erweitert.
Also – ist alles erreicht? Und ist Kathetertechnik
die Lösung für sämtliche Erkrankungen in der
kardiovaskulären Medizin? Sicher nicht!
Perspektiven für die Behandlung der
Herzkranzgefäßerkrankung.
So effektiv und sicher die Behandlung der
Koronarkrankheit gerade auch in ihrem Akutstadium geworden ist, so unbefriedigend bleiben bisher die präventiven Ansätze, solche
Ereignisse a priori zu verhindern. Damit bleibt
auch im Jahre 2012 die Koronarkrankheit und
die sich hieraus entwickelnde Herzschwäche
die führende Todesursache in den westlichen
Industrienationen. Dabei haben wir eine
Menge lernen können in den letzten Jahren:
Die Koronarkrankheit erscheint nicht länger als
eine ausschließlich degenerativ-kalzifizierende
Erkrankung des alternden Gefäßes, sondern
vielmehr als eine mit unterschiedlicher Dynamik
ablaufende Entzündung des Gefäßsystems. Der
Begriff Entzündung beschreibt die Reaktion
des Körpers auf unterschiedlichste Reize, wobei
hier den weißen Blutzellen, den Leukozyten,
eine Schlüsselrolle zufällt. Die Verletzung der
Gefäßwand zum Beispiel im Herzkranzgefäß
ist eng verbunden mit der Aktivierung von
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
1
Nabel, Braunwald; New England Journal of Medicine 2012
30
Leukozyten, die nicht nur direkt strukturell das
Gefäß angreifen und die Deckplatte eines
solchen arteriosklerotischen Plaques weiter
zerstören können; Interessanterweise ist diese
Zellspezies auch in der Lage, den Gefäßtonus
zu verändern, indem sie die Gefäße engstellen.
Wir haben gelernt, dass das Engstellen von
Gefäßen, die sogenannte Vasokonstriktion,
nicht nur ein wichtiger Indikator einer frühen
Form der Gefäßerkrankung wie gerade der
Arteriosklerose ist, sondern auch ein wesentliches Charakteristikum anderer Herz-Kreislauferkrankungen ist, wie der arteriellen Hypertonie,
des Lungenhochdrucks oder auch der Herzinsuffizienz.
So akzeptiert die Bedeutung von Entzündungsvorgängen auch ist für die Entstehung dieser
Erkrankungen, so enttäuschend verliefen bisher
antientzündliche Therapiestrategien. Allein die
Cholesterinsenker vom Typ der Statine weisen –
zusätzlich zu ihrem direkten Effekt auf LDL
und HDL Cholesterin – schützende Effekte auf
die Gefäßwand auf, die im weitesten Sinne
einer antientzündlichen Wirkung – unabhängig vom Effekt auf die Cholesterinsenkung –
nahe kommen. Nicht zuletzt diese Erkenntnisse
werden weitere Anstrengungen stimulieren,
durch Eingreifen in den Aktivierungszustand
von weißen Blutzellen bzw. ihres Armentariums
diese Erkrankungen medikamentös zu beeinflussen.
Aktuelle und zukünftige Therapien
von Vorhofflimmern:
Vorhofflimmern ist die häufigste Rhythmusstörung des Menschen und lässt sich bei fast
10% aller Menschen über 80 Jahre nachweisen.
In den nächsten 40 Jahren wird sich – nicht
zuletzt in Anbetracht unserer alternden Gesellschaft – die Zahl an Patienten mit Vorhofflimmern mehr als verdoppeln. So ungefährlich
diese Rhythmusstörung zunächst auch scheint,
so kann Vorhofflimmern die Entstehung einer
Herzschwäche begünstigen. Ferner ist das
Vorhofflimmern eine wichtige Ursache für die
Entstehung des Schlaganfalls. Damit bekommt
diese Rhythmusstörung gerade für den älteren
Menschen große Bedeutung.
Trotz aller Bemühungen allerdings bleiben die
Erfolge in der medikamentösen Therapie dieser
Rhythmusstörung bescheiden. Ionenkanalblockierende Medikamente sind nur in einem Teil
der Patienten mit dieser Rhythmusstörung
effektiv und mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Die Behandlung von
Vorhofflimmern durch elektrische Isolation
sogenannter Trigger – vor allem in den Lungenvenen – hat die Therapie dieser Rhythmusstörung entscheidend erweitert und ist in der
Lage, eine Großzahl von Patienten zu heilen.
Welche Patienten in welchem Stadium der
Erkrankung mit dieser Technik behandelt
werden sollen allerdings ist weiterhin Stand
der Forschung. Fest steht, dass die Behandlung
KARDIOVASKULÄRE MEDIZIN AM HERZZENTRUM DER UNIKLINIK KÖLN – EIN AUSBLICK
auch an ihre Grenzen stößt, je länger die
Rhythmusstörung besteht und je strukturell
veränderter der Vorhof ist. So haben wir in den
letzten Jahren gelernt, dass der Vorhof bindegewebig umgebaut ist bei diesen Patienten.
Diese „narbigen“ Veränderungen des Vorhofs
medikamentös zu beeinflussen, ist bisher noch
nicht gelungen: Wenn es in Zukunft gelänge,
den bindegewebigen Umbau der Vorhöfe bei
dieser Erkrankung zu verhindern bzw. zurückzudrängen, bestünde möglicherweise die
Chance, auch die elektrische „Gesundheit“ dieser Herzhöhlen wieder herzustellen. Erneut
scheinen Leukozyten für diese narbigen
Umbauvorgänge am Vorhof von bisher unterschätzter Bedeutung zu sein: Neuere Befunde
zeigen, dass Enzyme von Leukozyten den
Umbau der Vorhöfe begünstigen – möglicherweise deuten diese Befunde in eine neue
Therapierichtung. Hier dürfen wir auf die
kommenden Jahre gespannt sein.
Kathetergestützte Klappentherapie –
haben wir alles erreicht?
Die Aortenklappenstenose – ebenfalls eine
typische Erkrankung des älteren Menschen – ist
bei entsprechenden Symptomen, insbesondere
Luftnot, eine Erkrankung mit einer ausgewiesen
schlechten Prognose. Da nur der Ersatz der
Klappe hier der Sterblichkeit und Morbidität
Einhalt gebieten kann, musste in der Vergangenheit ein Großteil von Patienten mit schwerer
Aortenklappenstenose unbehandelt bleiben:
Der chirurgische Ersatz der Herzklappe mit
kompletter Eröffnung des Brustkorbs und
unter Zuhilfenahme der Herz-Lungenmaschine
war gerade für die besonders kranken und
alten Menschen zu belastend.
Die Kathetertechnik hat in den letzten 10 Jahren das Feld revolutioniert und ermöglicht
mittlerweile das Einsetzen einer Aortenklappenprothese über die Leistenarterie, einen
kleinen Schnitt im Bereich der Herzspitze oder
auch die Armarterie bzw. die aufsteigende
Hauptschlagader. So können die Prothesen
ohne Hinzunahme der Herzlungenmaschine
am schlagenden Herzen implantiert werden.
Damit erweitert sich das Spektrum der behandelbaren Patienten entscheidend: Auch
Patienten, die für eine konventionelle Operation zu krank sind, kann so eine Behandlung
angeboten werden. Und die Erfolge dieses
Konzeptes sind eindrucksvoll: Wie wenige
andere Verfahren in der modernen Medizin hat
diese Methode bewiesen, die Sterblichkeit
von Patienten hochsignifikant zu senken. Also
sollten wir diese Technik jedem Patienten
anbieten, egal welchen Alters er ist und unabhängig seiner Begleiterkrankungen?
Sicher nicht! Aber auch hier ist noch eine
Menge zusätzlicher Arbeit notwendig um besser
zu verstehen, welcher Patient wirklich von dieser
Technik profitiert, welcher Patient welche dieser
neuen Prothese erhalten sollte und wie dessen
weitere medikamentöse Behandlung konzipiert sein soll. Diese Fragen sind nur im Team,
gemeinsam mit den Herzchirurgen zu beantworten – hierzu bietet das Kölner Herzzentrum
auch in Zukunft ideale Voraussetzungen.
Während die Aortenklappenstenose gerade
auch den Patienten mit noch erhaltener Funktion der linken Herzkammer symptomatisch
werden lässt, findet sich die symptomatische
Mitralklappeninsuffizienz in besonderer Weise
bei Patienten mit Herzschwäche. Hier führt die
Änderung der Geometrie der Herzkammer
trotz intakter Segel zu einer Undichtigkeit der
Klappe durch verminderte Kooptation der beiden
Segel. So gesichert die Prognoseverschlechterung
von Patienten mit Herzschwäche durch eine
begleitende Mitralklappeninsuffizienz ist, so
evident ist auch, dass nicht jedem Patienten mit
einer chirurgischen Rekonstruktion geholfen
werden kann: Gerade Patienten mit hochgradig
reduzierter Funktion der linken Herzkammer
haben ein zum Teil bedeutsames Operationsrisiko und wurden damit einer rekonstruktiven
Therapie bisher nicht zugeführt. Für solche
Hochrisikopatienten ist die kathetergestützte
Rekonstruktion der Mitralklappe eine neue,
vielversprechende Therapieoption: So wird
über einen venösen Zugang in der Leiste des
Patienten und über eine Punktion des interatrialen Septums der linke Vorhof aufgesucht
und ein knapp 1 cm langer, aus 2 zu öffnenden
Armen bestehender Clip in die Schließungslinie
der Mitralklappe vorgeführt, um schließlich
vorderes und hinteres Mitralsegel im Bereich
der Undichtigkeit zu greifen und so die Undichtigkeit zu vermindern. Das Verfahren ist bei
diesen Patienten hocheffektiv, nicht nur in
Hinblick auf die Reduktion der Mitralinsuffizienz, sondern auch hinsichtlich der Verbesserung der linksventrikulären Diameter und – und
das ist sicher am wichtigsten – in Hinblick auf
die symptomatische Verbesserung der Patienten.
Sollten also alle Patienten mit Mitralklappeninsuffiziens so behandelt werden? Sicher nicht!
Zum einen ist dieses weiterhin ein Reserveverfahren für Patienten mit zu hohem Risiko
für eine konventionelle chirurgische Rekonstruktion, zum anderen müssen wir noch besser
verstehen, welche Patienten von dieser technisch anspruchsvollen und nicht zuletzt teuren
Prozedur besonders profitieren. Und zu guter
Letzt ist zu klären, ob die Therapie neben ihrer
Effektivität hinsichtlich der Symptome des
Patienten auch dessen Prognose verbessert. Die
nächsten Jahre werden hierzu Antworten
geben.
Zusammengefasst befindet sich die kardiovaskuläre Medizin in einer besonders dynamischen Phase: Dem tiefgreifenden Verständnisgewinn zur Pathophysiologie strukturell
vaskulärer, myokardialer und elektrophysiologischer Erkrankungen des Herzkreislaufsystems
stehen gegenwärtig die enormen Errungenschaften in der kathetergestützten Therapie
31
KARDIOVASKULÄRE MEDIZIN AM HERZZENTRUM DER UNIKLINIK KÖLN – EIN AUSBLICK
gerade von Herzklappenerkrankungen gegenüber. Trotz aller Faszination für diese neuen,
besonders schonenden Verfahren gerade für
eine alternde Bevölkerung muss auch in
Zukunft Energie darauf verwendet werden,
die Mechanismen, die diesen Erkrankungen
zugrunde liegen, noch besser zu verstehen und
nach alternativen, präventiven Therapiekonzepten zu suchen.
An der Schnittstelle von klinischer Anwendung
moderner interventioneller Therapie, dem Einführen innovativer Therapieoptionen und dem
Erarbeiten wichtiger Mechanismen für Entstehung dieser Erkrankungen wird es spannend
sein, das Fach im Verbund mit den anderen
Disziplinen unter einem Dach in Köln weiter
voranzubringen.
Ich freue mich sehr, meine Arbeit am Herzzentrum für unsere Patienten gemeinsam mit
meinen zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Partnern in und außerhalb der
Klinik aufnehmen zu dürfen.
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr
Stephan Baldus
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. med. Stephan Baldus
ab 1. 10. 2012
Herzzentrum der Universität zu Köln
Direktor der Klinik für Kardiologie,
Angiologie, Pneumologie und Internistische
Intensivmedizin
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Tel.: +49 221 / 47 83 25 11
Fax: +49 221 / 47 83 25 12
E-Mail: [email protected]
www.herzzentzrum-koeln.de und
http://herztv.de/
32
ABDOMINALE AORTENANEURYSMEN
Abdominale Aortenaneurysmen –
Die Therapie sollte keinem
vorenthalten werden wegen
seines Alters
–
–
–
–
Prof. Dr. Michael Gawenda,
Dr. Payman Majd,
Priv.-Doz. Dr. Thomas Lübke,
Univ.-Prof. Dr. Jan Brunkwall –
Fallbericht:
Ein 93-jähriger Patient wird in auswärtigem
Krankenhaus mit der Diagnose Kolon transversum Karzinom eingewiesen. Die dortige
präoperative CT-Diagnostik zeigt zusätzlich ein
abdominelles Aortenaneurysma (AAA) mit
einem maximalen Durchmesser von 10 cm
(Abb. 1). Die Anamnese nach der Überweisung
ins Herzzentrum ergibt, dass dieses AAA dem
Patienten und seiner Ehefrau seit 20 Jahren
bekannt war. Nach kardio-pulmologischer
Vorbereitung erfolgt die komplikationslose
endovaskuläre Aneurysmaausschaltung mittels
transfemoraler Stentprothesenimplantation.
Am vierten postoperativen Tag erfolgt die
Rückverlegung des Patienten zur Karzinomoperation.
Die durchschnittliche Lebenserwartung der
Bevölkerung in westlichen Ländern ist in den
vergangenen 40 Jahren um etwa ein Jahrzehnt
angewachsen und liegt in Deutschland um die
80 Jahre (Daten von: Weltbank, zuletzt aktualisiert: 9. März 2012). Nach Angaben des
Statistischen Bundesamtes Deutschlands 2012
zeigten Männer, die das 80zigste Lebensjahr
erreicht haben, eine fernere Lebenserwartung
von 7,71 Jahren, Frauen gar von 9,06 Jahren
(Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland
2012). Andererseits lässt sich eine altersspezifische Inzidenzzunahme des abdominellen
Aortenaneurysmas bei Frauen und insbesondere bei Männern nachweisen (Abb. 2).
Abbildung 2:
Altersspezifische Inzidenz des Aneurysmas der abdominellen Aorta
Quelle: Diagnosedaten aller Krankenhauspatientinnen und -patienten
2007, Statistisches Bundesamt
Vielfach an epidemiologischen Daten dokumentiert1-6, ist festzuhalten, dass das Rupturrisiko des Aortenaneurysmas mit dessen maximalem Durchmesser korreliert (Tab.1).
Tabelle 1: Aneurysmadurchmesser und jährliches Rupturrisiko
Unter Berücksichtigung, dass etwa 50% der
Patienten mit rupturiertem AAA bereits vor
Erreichen des Hospitals versterben, etwa 25%
der lebend das Krankenhaus erreichenden
Patienten vor Durchführung der Therapie versterben und etwa 40% der am rAAA operierten
Patienten versterben, liegt die Gesamtmortalität
der Patienten bei etwa 80%7,8. Diese Mortalitätsziffern scheinen sich über die vergangenen
fünf Jahrzehnte nur unwesentlich verbessert zu
haben (Reduktion der perioperative Mortalität
um 3.5% pro 10 Jahren)9. Dabei ist ein etwa
10-prozentiger Überlebensvorteil der Männer
mit rAAA festzustellen10.
Vor diesem Hintergrund muss es das Ziel sein,
die Ruptur des AAA zu verhindern, m. a. W. die
elektive Behandlung der Patienten mit AAA
muss angestrebt werden.
Unter Berücksichtigung prospektiv-randomisierte Studien wird vielfach für das endovaskuläre Therapieregime (endovascular aneurysm
repair – EVAR) bei abdominalen Aortenaneurysmen ein Mortalitätsvorteil gegenüber der
offenen Therapie (open repair – OR) postuliert,
insbesondere bei alten Patienten11-13.
Abbildung 1: KM-verstärkte Computertomographie
34
Dieses Postulat der prospektiven-randomisierten Studien wurde anhand eines prospektiven,
ABDOMINALE AORTENANEURYSMEN
uni-zentrischen Registers überprüft, dass den
klinischen Alltag widerspiegelt.
Seit 1999 wird am Kölner universitären Gefäßzentrum eine prospektive Datenbank zur Erfassung sämtlicher Patienten mit abdominalen
Aortenaneurysmen geführt. Diese Daten wurden hinsichtlich elektiver Aneurysmabehandlung analysiert unter Berücksichtigung der zur
Anwendung kommenden Therapieverfahren
(OR versus EVAR) und der Altersstruktur der
Behandlungskollektive (< 80 versus < 80 Jahre).
Zur Auswertung gelangten 707 Datensätze
von Patienten (m/w: 645/62) mit elektiver
Behandlung asymptomatischer abdominaler
Aortenaneurysmen. Kam in 341 Fällen die
offene operative Therapie (OR) mit Prothesenersatz zur Anwendung (Alter: 70,2; 43-89), so
wurden 366 Patienten (Alter: 72,5; 48-90) endovaskulär (EVAR) therapiert.
604 Patienten waren jünger als 80 Jahre, 103
Patienten älter als 80 Jahre (Abb. 3).
Abbildung 4: Hospital-Mortalität – Alter – OP-Methode
Um einen Vergleich mit anderen Behandlungszentren zu erlauben, erfolgte eine systematische Literaturrecherche (primär: PubMed, Web
of Science ISI,Science Direct, Cochrane, sekundäre Suche in Literaturverzeichnisse). Eingeschlossen wurden englisch und deutschsprachig
publizierte Studien, die vergleichende Angaben
zur offenen und endovaskulären Behandlung
(elektive OR versus EVAR) lieferten, lediglich
Patienten mit asymptomatische AAA einschlossen und Angaben zu Behandlungen älterer
Patienten (> 80 Jahre) machten.
Einschließlich der eigenen Auswertung konnten sieben Analysen gefunden werden, vier
unizentrische Publikationen, eine multizentrische Analyse, sowie zwei Arbeiten, die
Registerdaten analysierten (Tabelle 2)14-19.
*Chi2 p=0,002
Tabelle 2: Systematische Literaturrecherche
Abbildung 3: Patientenkollektiv des Gefäßzentrums, UniKlinik Köln
Der Anteil der endovaskulär therapierten
Patienten war in der höheren Altersgruppe
signifikant höher.
In der Betrachtung der uni-zentrischen Publikationen konnte kein statistisch signifikanter
Unterschied zwischen den Behandlungsmodalitäten bei älteren Patienten nachgewiesen
werden (Abb. 5).
Im gesamten Patientenkollektiv des ausgewerteten Zeitraums betrug die Hospitalmortalität
beim offenen operativen Verfahren 1,5%
(5/341), beim endovaskulären Verfahren 1,6%
(6/366).
Für die jüngeren Patienten (< 80 Jahre)(n = 604)
war zwischen den Therapieverfahren kein
statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich
der Mortalität zu errechnen (OR 1,0% (3/306)
versus EVAR 1,0% (3/298)). Die älteren Patienten ( > 80 Jahre) (n=105) wiesen in beiden
Behandlungsverfahren signifikant höhere
Hospitalmortalitäten auf (OR 5,7% (2/35) versus
EVAR4,4% (3/68)).
Im Vergleich innerhalb der Behandlungsmodalitäten (OR versus EVAR) zeigten die älteren
Patienten signifikant höhere Mortalitäten
(Abb. 4).
Abbildung 5:
gepoolte Risk Ratio für postoperative Mortalität (uni-zentrische Studien)
In der Auswertung der multi-zentrischen bzw.
Register-Daten war ein signifikanter Mortalitätsvorteil für die endovaskuläre Behandlung
älterer Patienten mit AAA festzustellen (Abb. 6).
35
ABDOMINALE AORTENANEURYSMEN
Literatur:
Abbildung 6: gepoolte Risk Ratio für postoperative Mortalität
(multi-zentrische Studie/Register)
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch
im endovaskulären „Zeitalter“ die elektive
offene Operation ein sicheres Therapieverfahren
für Patienten mitasymptomatischen abdominalen Aortenaneurysmen darstellt. Jenseits des
80zigsten Lebensjahres sind beide Verfahren
von einer höheren, aber vergleichbaren, jedoch
akzeptablen Mortalität gekennzeichnet. Dieser
therapeutische Erfolg auch im hohen Lebensalter in spezialisierten Zentren basiert möglicherweise auf der interdisziplinären Zusammenarbeit. Die präoperative kardiologischpulmologische Abklärung und gegebenenfalls
Therapieoptimierung, die operationstechnische
bzw. interventionelle Expertise des Gefäßchirurgen, die intraoperative anästhesiologische
und die postoperative intensiv-medizinische
Betreuung im Verbund mit der entsprechenden
pflegerischen Fürsorge erlauben diese Eingriffe
auch bei hochbetagten Patienten. Somit ist
festzuhalten, dass keinem Patient wegen seines
Alters die Behandlung seines abdominellen
Aortenaneurysmas vorenthalten werden sollte.
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. med. Michael Gawenda
Klinik für Gefäßchirurgie
(Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Jan Brunkwall)
Herzzentrum, Universitätsklinikum Köln
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Tel.: 0221 478 32498
1.
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35-7.
36
THERAPIE UND PROGNOSE VON PATIENTEN IM KARDIOGENEN SCHOCK NACH REANIMATION
Therapie und Prognose von Patienten
im kardiogenen Schock nach
Reanimation
Aktuelle Untersuchungen zur
Hypothermie-Behandlung
– Priv.-Doz. Dr. Hannes Reuter –
Als Mitbegründer der physiologischen Medizin
definierte der deutsche Arzt Carl Reinhold
August Wunderlich 1868 in seinem Werk „Das
Verhalten der Eigenwärme in Krankheiten“
den Temperaturbereich der Normothermie.
Temperaturen unterhalb von 36,0°C werden
demnach als Hypothermie bezeichnet und
weiter in die Bereiche milde (34,0 – 35,9°C),
moderate (32,0 – 33,9°C) und tiefe (<32°C)
Hypothermie unterteilt (Brüx et al, 2005). Der
Bereich der milden bis moderaten Hypothermie
wird im Rahmen kardiovaskulärer- oder neurochirurgischer Eingriffe seit langem als Organprotektives Verfahren genutzt um hypoxisch/
ischämische Sekundärschäden bei Operationen
mit Unterbrechung des Kreislaufs zu minimieren. Den besonderen Stellenwert einer milden
therapeutischen Hypothermie konnten im Jahr
2002 zwei prospektive randomisierte Studien
zur Neuroprotektion komatöser Patienten
auch nach kardiopulmonaler Reanimation bei
Kammerflimmern herausstellen. In der europäischen HACA-Studie (Mild therapeutic hypothermia to improve neurologic outcome after
cardiac arrest) wurden 275 Patienten nach
erfolgreicher Reanimation entweder über 24 h
einer moderaten Hypothermie-Behandlung
unterzogen oder konventionell behandelt. Als
primärer Endpunkt wurde der neurologische
Status nach 6 Monaten definiert. Als gutes
Ergebnis wurde eine Kategorie 1 (gute Erholung)
oder eine Kategorie 2 (mäßige Behinderung)
nach dem Pittsburgh Hirnleistungsindex (CPCScore) angesehen. In der gekühlten Gruppe
erreichten 75 von 136 Patienten (55%) ein
gutes neurologisches Ergebnis, in der ungekühlten Kontrollgruppe war dies nur bei 54
von 137 Patienten (36%) der Fall. Auch die
Gesamtsterblichkeit war in beiden Gruppen
signifikant unterschiedlich und betrug in der
Hypothermiegruppe 41% (56 von 137), wohingegen in der Kontrollgruppe mit 55% (76 von
137) deutlich mehr Patienten verstarben. Somit
bedarf es der Behandlung von nur 6 Patienten
(number needed to treat), um eine Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Dies entspricht
einer außerordentlich guten Kosten/NutzenRelation. Auf Basis dieser Ergebnisse empfehlen
die europäischen (European resuscitation
Council, 2005), die amerikanischen (American
Heart Association, 2005) und die internationalen
(International Liaison Committee on Resuscitation, 2005) Reanimationsleitlinien die Anwen-
38
dung der moderaten therapeutischen Hypothermie nach erfolgreicher Wiederbelebung
bei Herz-Kreislaufstillstand außerhalb des
Krankenhauses.
Die Studien, die diesen Empfehlungen zugrunde
liegen, sind jedoch ausschließlich mit Patienten
durchgeführt worden, welche nach wiederhergestellter spontaner Zirkulation häymodynamisch stabil waren. Hämodynamisch instabile
Patienten waren ausgeschlossen, da das Auftreten von Kreislaufinstabilität, Hypotension
und Herzrhythmusstörungen durch die Hypothermie befürchtet wurden. Dabei könnte eine
moderate Hypothermie gerade bei Patienten im
kardiogenen Schock durch die Kälte-induzierte
Vasokonstriktion aber auch über einen direkten
Einfluss auf die myokardiale Kontraktilität
einen günstigen Einfluss auf den Kreislauf
haben.
Aktuelle Untersuchungen zur
Hypothermie-Behandlung
Unsere Arbeitsgruppe hat diese Frage an 40
Patienten im kardiogenen Schock untersucht
und konnte zeigen, dass die moderate therapeutische Hypothermie (33°C) neben einer
Senkung der Herzfrequenz tatsächlich auch
eine Zunahme des peripheren Gefäßwiderstandes mit Anstieg des systolischen Blutdrucks
bewirkt (Zobel et al, 2012). Dies führte im
Vergleich zu einem normothermen Kontrollkollektiv über die ersten 40 Stunden zu einem
signifikant geringeren Katecholaminbedarf.
Über die kardiotoxische Wirkung von Katecholaminen und den geringeren Sauerstoffund Energiebedarf des Herzens bei niedriger
Herzfrequenz kann zumindest teilweise die
kardio-protektive Wirkung der moderaten
therapeutischen Hypothermie nach Reanimation
abgeleitet werden.
Die systematische Untersuchung der Kreislaufregulation nach erfolgreicher Wiederbelebung
hat zudem gezeigt, dass bei Patienten im kardiogenen Schock sehr häufig eine periphere
Vasodilatation zusätzlich zu einer Instabilität
des Kreislaufs führt. Dies ist wahrscheinlich
Folge einer starken Aktivierung von Zytokinen,
Stickstoffmonoxid (NO) und anderer Mediatoren,
die eine abakterielle systemische Entzündungsreaktion (SIRS) induzieren. Wir haben daher bei
einem Teil dieser Patienten im kardiogenen
Schock die Flüssigkeitssubstitution unter moderater therapeutischer Hypothermie mithilfe
einer kontinuierlichen Registrierung von Vorlast und Nachlast gesteuert. Trotz Zunahme des
peripheren Widerstandes unter Hypothermie
wurde eine konsequente Volumensubstitution
von durchschnittlich 5449 ml innerhalb der
ersten 24 Stunden in dieser Situation gut vertragen und führte zu einer signifikant geringeren Inzidenz des Nierenversagens im Vergleich
zu einem konventionell behandelten Kontrollkollektiv (Adler et al, 2012).
Zur Beurteilung der neurologischen Prognose
bei komatösen Patienten nach Reanimation hat
THERAPIE UND PROGNOSE VON PATIENTEN IM KARDIOGENEN SCHOCK NACH REANIMATION
Unter allen klinisch-neurologischen, elektrophysiologischen und serologischen Testverfahren
zeigten unter Hypothermie-Behandlung nur
beidseits erloschene Medianus-SEPs (Sensorisch-evozierte Potentiale) zuverlässig eine
infauste Prognose (CPC 4-5) an, mit einer
100%-igen Spezifität und einem ebenso hohen
positiv prädiktiven Wert (Huntgeburth et al,
2012).
Diese aktuellen Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe verdeutlichen, dass auch etablierte
diagnostische und therapeutische Algorithmen
vor dem Hintergrund neuer Behandlungsverfahren wie der moderaten therapeutischen
Hypothermie stets überprüft und neu bewertet
werden müssen.
Abbildung 1:
Einfluss der moderaten Hypothermie auf die Herzfrequenz. Im Vergleich zu einem nicht gekühlten Kontrollkollektiv (Normothermie,
n=20) führte die therapeutische Kühlung der Patienten (n=20) zu
einer dauerhaften Reduktion der Herzfrequenz.
‡ p < 0.01 vs. Normothermie.
sich neben der klinisch-neurologischen Untersuchung der Anstieg der Neuron-spezifischen
Enolase (NSE) im Serum als hochsensitiver Marker
etabliert. Nach erfolgreicher Wiederbelebung
hatte ein Anstieg der NSE > 33 µg/l innerhalb
von 48 Stunden bei Patienten, die keine
Hypothermie-Behandlung erhalten hatten, in
mehreren Studien eine 100%-ige Spezifität für
eine schlechte neurologische Prognose entsprechend Kategorie 4 (dauerhaft komatöser
Zustand) oder Kategorie 5 (Tod) nach dem Pittsburgh Hirnleistungsindex (CPC-Score) gezeigt
(Oksanen et al, 2009). Unsere Arbeitsgruppe
hat den prognostischen Wert des NSE auch für
Patienten nach erfolgreicher Wiederbelebung
untersucht, die nach den Empfehlungen der
aktuellen Leitlinien über 24 Stunden auf 33°C
gekühlt worden waren (Huntgeburth et al,
2012). Dabei zeigte sich, dass der Anstieg der
NSE nach Herz-Kreislaufstillstand zu keinem
Zeitpunkt zuverlässig mit der neurologischen
Prognose korrelierte (CPC 4-5 bei NSE > 33 µg/l
innerhalb von 48 Stunden; Sensitivität: 87%,
Spezifität: 65%, positiv prädiktiver Wert: 65%).
Korrespondierender Autor:
Priv-Doz. Dr. Hannes Reuter
Oberarzt der Klinik III für Innere Medizin
Herzzentrum der Universität zu Köln
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Tel.: 02 21 / 47 83 24 01
Fax: 02 21 / 47 83 24 00
Literatur:
1. Brüx A, Girbes ARJ, Poldermann KH. Kontrollierte
milde und moderate Hypothermie. Anästhesist 2005;
54:225-244.
2. Oksanen T, Tiainen M, Skrifvars MB, Varpula T, Kuitunen A, Castren M, Pettila V Predictive power of serum
nse and ohca score regarding 6-month neurologic outcome after out-of-hospital ventricular fibrillation and
therapeutic hypothermia. Resuscitation 2009; 80:165170.
3. Zobel C, Adler Ch, Kranz A, Seck C, Pfister R, Hellmich
M, Kochanek M, Reuter H. Mild therapeutic hypothermia in cardiogenic shock syndrome. Crit Care Med
2012; 40:1715-1723.
4. Adler C*, Reuter H*, Seck C, Hellmich M, Zobel C. Fluid
therapy and acute kidney injury in cardiogenic shock
after cardiac arrest. Resuscitation 2012, im Druck.
Abbildung 2:
Kumulative Katecholamindosis über die ersten 40 Stunden nach
erfolgreicher Wiederbelebung bei Patienten, die mit moderater
therapeutischer Hypothermie behandelt wurden (Hypothermie,
33°C, n = 20) im Vergleich zu einer nicht gekühlten Kontrollgruppe
(Normothermie, 36,8°C, n=20). Reproduziert nach Zobel et al., 2012.
5. Huntgeburth M, Adler C, Zobel C, Haupt WF, Dohmen
C, Reuter H. Neurological outcome of patients with
out-of-hospital cardiac arrest treated with therapeutic
hypothermia can reliably be predicted by somatosensory evoked potentials, but not neuron-specific enolase. Eur Heart J 2012; 33 (Suppl): 351-352
39
DIE KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDERKARDIOLOGIE
Die Klinik und Poliklinik für
Kinderkardiologie
klinik im Bedarfsfall Spitzenbelastungen abgefangen werden.
– Prof. Dr. med. Konrad Brockmeier
– Prof. Dr. med. Narayanswami Sreeram
– Prof. Dr. med. Mathias Emmel –
So konnten in den letzten Jahren u.a. durch
eine Verbesserung des Managements im neuen
Herzzentrum die stationären Abläufe angepasst und optimiert werden. Dadurch ist die
Auslastung gestiegen, so dass zuletzt pro Jahr
über 200 Patienten mit z.T. sehr komplexen
angeborenen Herzfehlern kinderherzchirurgisch versorgt wurden.
Die Klinik und Poliklinik für Kinderkardiologie
hat sich seit dem Umzug in das Gebäude des
Herzzentrums sehr gut entwickelt. Jährlich
werden in der Kinderkardiologie etwa 5000
Patienten ambulant und etwa 800 stationär
versorgt. Die stationäre Versorgung ist ein sehr
gutes Beispiel für interdisziplinäres Arbeiten
am Universitätsklinikum in Köln. Die zentral
bettenführende Station für kinderkardiologische
Patienten ist die sogenannte Intermediate Care
Station im Herzzentrum in der 2. Etage. Dort
werden maximal 14 Betten mit Intensivstatus
vorgehalten. Außer der atemunterstützenden
Therapie können hier alle aufwendigen intesivmedizinischen Maßnahmen für die Patienten
mit angeborenen und erworbenen Herzfehler
im Kindes- und Jungendalter durchgeführt
werden. Die postoperative Versorgung nach
den kinderherzchirurgischen Eingriffen wird in
Kooperation mit der Klinik für Anästhesie- und
Intensivmedizin (Direktor Prof. Dr. B. Böttiger)
durchgeführt. Hier stehen vier Intensivbetten
zur Verfügung. In der Klinik für Kinder- und
Jungendmedizin (Direktor Prof. Dr. J. Dötsch)
können in enger Zusammenarbeit mit der
interdisziplinären Intensivmedizin der Kinder-
Darüber hinaus konnten knapp 200 Patienten
interventionell im Herzkatheterlabor versorgt
werden: diese Interventionen bieten in immer
größerem Umfang eine Alternative zu Operationen am offenen Herzen.
Die Zahlen sind im Schnitt um 4-5% pro Jahr
gesteigert worden. Mit der Zunahme der
Patienten ist gleichzeitig eine größere Komplexität der hier operierten Herzfehler zu
verzeichnen. In enger Zusammenarbeit mit der
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
(Direktor Prof. Dr. P. Mallmann) wird in der
Pränatalmedizin mit Prof. Dr. C. Berg und
OA Dr. I. Gottschalk ein überregionales Pränatalprogramm vorgehalten. Zuweiser aus dem
Kölner Umland, aber auch aus dem Ruhrgebiet,
dem Aachen-Dürener Raum und der Eifel
schicken Schwangere mit auffälligen fetalen
Ultraschallbefunden des Herz-und Kreislaufsystems, welche regelmäßig interdisziplinär
untersucht und von Gynäkologen und Kinderkardiologen gemeinsam beraten werden.
Durch die Kompetenz des Kölner Teams und
hohe Akzeptanz seitens der Schwangeren ist
ein deutlicher Zuwachs in der Patientenzahl
und auch der Komplexität der Herzfehler in
den letzten Jahren zu verzeichnen.
Abbildung 1:
Blick auf das Operationsfeld bei der Operation eines Neugeborenen mit hypoplastischem Aortenbogen. Prof. Ger Bennink, der Leiter der
Kinderherzchirurgie in der Herz- und Thoraxchirurgie des Herzzentrums (Direktor Prof. Dr. T. Wahlers), eröffnet soeben den Aortenbogen.
Die sehr zierlichen Verhältnisse sind Routine für den Spezialisten.
40
DIE KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDERKARDIOLOGIE
Besonderheiten der sogenannten Neugeborenenherzchirurgie, wie z. B. die Norwood
Operation bei hypoplastischem Linksherz, bzw.
Aortenbogenrekonstruktion bei Aortenbogenhypoplasie und Aortenisthmusstenose sind für
das Kölner Zentrum kennzeichnend. In der
Abbildung 1 ist die Eröffnung eines hypoplastischen Aortenbogens bei einem Neugeborenen
mit hypoplastischem Linksherz dargestellt.
Prof. Dr. Ger Bennink ist einer der wenigen
Herzspezialisten europaweit, welcher die
Norwood Operation beherrscht.
Die Kinderherzchirurgie ist der wichtigste
Kooperationspartner für die Kinderkardiologen
am Herzzentrum, gekennzeichnet durch ungewöhnlich freundschaftlich-kollegiale Arbeit,
begünstigt auch von kurzen Wegen und enger
räumlicher Bindung im modernen Gebäude.
Bei den Interventionen im Herzkatheterlabor
haben sich seit dem Einzug ins Herzzentrum
ebenfalls einschneidende Veränderungen ergeben. Hervorzuheben dabei ist die sehr enge
Zusammenarbeit der Disziplinen Kardiologie
und Gefäßchirurgie mit der Kinderkardiologie.
Die spezielle Expertise aus den Nachbardisziplinen, zusammen mit dem unkompliziert
zwanglosen gemeinsamen Umgang und der
sehr kollegialen Hilfsbereitschaft, bieten sehr
gute Voraussetzungen für optimale Patientenversorgung. Seit 2009 werden auch bei Jugendlichen und Jungen Erwachsenen Herzklappen
minimal-invasiv implantiert. Diese Patienten
haben nach operierter Fallot’scher Tetralogie
oder Pulmonalatresie bis dato ausschließlich
einen chirugischen Klappenersatz bei entsprechender Indikation erhalten. Heute können
als Alternative auf Stents montierte Klappen in
Pulmonalisposition transfemoral implantiert
werden.
Andrang die Wartezeit für einen Ablationstermin bei Kindern auf durchschnittlich sechs
Wochen angewachsen. Bei dringender Indikation kann jedoch jederzeit behandelt werden.
Die interdisziplinäre Vernetzung im Herzzentrum
und im Universitätsklinikum ist eine Stärke der
Kinderkardiologie, die zu den Erfolgen in der
Krankenversorgung beiträgt. Die internationale
Vernetzung ist eine weitere Stärke, welche v. a.
Forschung und Lehre betrifft. Im ärztlichen
Team arbeiten Kollegen aus Belgien, den Niederlanden und Großbritannien, Gastärztinnen
und Ärzte aus Ägypten und Tunesien (Drittmittelprojekte aus EU und DAAD).
Kinderkardiologie und Kinderherzchirurgie ist
Teamwork. Die Kinderkardiologie im Herzzentrum wählte das Motto „Persönliche
Zuwendung durch einfühlende Mitarbeiter
eines starken Teams“. Im Team arbeiten ärztliche und pflegerische Mitarbeiter mit Technikern
und vielen weiteren Kräften auf Augenhöhe
zusammen. Die Verantwortung ist sehr groß,
aber alle stellen sich den täglichen Aufgaben
und Herausforderungen mit großer Motivation
und Können.
Niemand hat den Umzug in das Herzzentrum
bereut.
www.
uniklinik-herzzentrum.de/kinderkardiologie
Die allgemein besseren Überlebenschancen für
Kinder mit angeborenen Herzfehlern (90 – 95%
erreichen das Erwachsenenalter) haben eine
zunehmende Aufmerksamkeit für Erwachsene
mit angeborenen Herzfehlern bewirkt. Am
Kölner Herzzentrum hat sich eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe auf dieses Patientenkollektiv
spezialisiert (Siehe: Das Kölner Herzzentrum
Ausgabe 8, Seite 36ff). Die Expertise für die
Krankenversorgung von Erwachsenen mit
angeborenen Herzfehlern (EMAH) ist verteilt
auf eine Gruppe von Internisten, Pädiatern und
Herzchirurgen, welche zuletzt Verstärkung in
der bildgebenden Diagnostik durch das Team
von Prof. Dr. D. Maintz, dem neuen Direktor
des Radiologischen Instituts des Universitätsklinikums, erhalten hat. Prof. Maintz ist führend
in der kardialen Magnetresonanztomographie.
Nach dem Umzug in das Herzzentrum wurde
die Elektrophysiologie und Ablationsbehandlung von Kindern und Jugendlichen mit
Herzrhythmusstörungen weiter ausgebaut. Die
Kölner Gruppe ist eine von vier Einheiten
bundesweit, welche bei entsprechender Indikation Ablationsbehandlungen in jeder Altersstufe anbietet. Leider ist durch den großen
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. med. Konrad Brockmeier
Klinik und Poliklinik für Kinderkardiologie
Herzzentrum, Universitätsklinikum Köln
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Tel.: 0221 478 32514
41
INTERVENTIONELLE UND REGENERATIVE THERAPIE DER HERZINSUFFIZIENZ
Interventionelle und Regenerative
Therapie der Herzinsuffizienz
– Prof. Dr. med. Jochen Müller-Ehmsen –
Die chronische Herzinsuffizienz mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion ist als
Endzustand fast aller Herzerkrankungen eines
der bedeutendsten Gesundheitsprobleme unserer Zeit.
Nachdem in den 80er und 90er Jahren des
letzten Jahrtausends große Fortschritte und
Erfolge bei der medikamentösen Therapie
erzielt worden sind (ACE-Hemmer/ AT1-Blocker,
ß-Blocker, Aldosteronantagonisten), haben sich
in der Zwischenzeit nur noch die Herzfrequenzsenkung mit Ivabradin (SHIFT- Studie bei HF
> 70/min) und die Eisensubstitution bei Eisenmangel (FAIR-HF-Studie) als neue Therapieansätze etabliert.
Demgegenüber war das neue Jahrtausend
bisher geprägt von der Entwicklung der Gerätetherapie bei Herzinsuffizienz. Insbesondere die
Primär- und Sekundärprophylaxe mit AICD und
die kardiale Resynchronisationstherapie haben
gute Ergebnisse im Hinblick auf verbessertes
Überleben und eine Besserung der Symptomatik erbracht. Entsprechend sind sie fester
Bestandteil der aktuellen Herzinsuffizienztherapie. Dennoch ist die Therapie von Patienten
Abbildung 1:
Durchleuchtungsaufnahme während einer erfolgreichen Implantation
einer TAVI (Transcatheter Aortic Valve Implantation) von transfemoral
bei einem voroperierten Patienten. Die Entscheidung, welches Therapieverfahren dem Patienten als das geeignetste empfohlen wird,
wird gemeinsam von Kardiologen und Herzchirurgen im „Heart
Team“ getroffen.
42
mit Herzinsuffizienz noch nicht ausreichend
effektiv, so dass sowohl Morbidität als auch
Mortalität weiterhin hoch sind. Daher ist es
unbedingt erforderlich, neue medikamentöse,
aber besonders auch interventionelle Therapieverfahren zur Behandlung der Herzinsuffizienz
zu entwickeln.
Ein exzellentes Beispiel für letzteres ist die
TAVI (Transcatheter Aortic Valve Implantation)
[Abb. 1], die als kathetergestützte Therapie
(transfemoral oder transapikal) hochgradiger
Aortenklappenstenosen für die Behandlung
von Patienten in Frage kommt, die nicht oder
nur mit sehr hohem Risiko konventionell operiert werden können. Tatsächlich konnte in den
PARTNER-Studien gezeigt werden, dass eine
kathetergestützte Aortenklappenimplantation
das Überleben von inoperablen Patienten verlängert, und dass das Verfahren bei Patienten
mit sehr hohem OP-Risiko mindestens ebenso
gut ist wie eine konventionelle Operation.
Diese Studiendaten wurden durch die Ergebnisse aus großen nationalen Registern (Französisches und Deutsches Aortenklappenregister)
bestätigt.
Auch für die Mitralinsuffizienz, die besonders
häufig bei Patienten mit eingeschränkter LVFunktion auftritt, wurde bereits ein minimal
invasives Vorgehen etabliert: Mit dem sogenannten Mitra- Clip- Verfahren wird das anteriore
Mitralsegel punktuell, meist mittig mit dem
posterioren Mitrasegel mit einem Clip, der
einer Mini- Wäscheklammer ähnelt, verbunden,
so dass es in der Systole zu einem besseren
Schluss der Mitralklappe kommt, ohne dass in
der Diastole der Einstrom des Blutes über die
Mitralklappe vom linken Vorhof in den Ventrikel
behindert wird. Tatsächlich lässt sich nach
den Daten der EVEREST II-Studie durch dieses
Verfahren eine Mitralklappeninsuffizienz reduzieren. Allerdings ist die Zahl der erforderlichen
Re- Interventionen nach dem Mitra-ClipVerfahren deutlich höher als nach einer
konventionellen Mitralklappen- OP, so dass
auch dieses interventionelle Verfahren derzeit
vor allem bei Patienten mit sehr hohem Operationsrisiko in Frage kommt.
Neben diesen beiden bereits sehr etablierten
Verfahren zur interventionellen Therapie herzinsuffizienter Patienten gibt es eine Vielzahl
weiterer vielversprechender Therapieansätze,
die derzeit in klinischer Erprobung sind. Ein
solches Verfahren ist beispielsweise die kardiale
Kontraktionsmodulation (CCM), bei der von
einem speziellen Herzschrittmacher in der
Refraktärperiode des Myokards elektrische
Impulse an das Ventrikelseptum abgegeben
werden. Dadurch wird keine Kontraktion ausgelöst, wie es das Ziel eines konventionellen
Herzschrittmachers wäre, sondern es wird
offensichtlich der Calcium- Haushalt der Herzmuskelzellen so beeinflusst, dass es zu einer
gesteigerten Kontraktilität kommt. Erste Studienergebnisse sind vielversprechend, jetzt wird
die Leistungsfähigkeit dieses Verfahrens in
einem großen Register weiter geprüft.
INTERVENTIONELLE UND REGENERATIVE THERAPIE DER HERZINSUFFIZIENZ
Die Stimulation der Barorezeptoren in der
Arteria Carotis wird schon seit über 40 Jahren
als möglicher Therapieansatz diskutiert. Jedoch
gibt es erst seit einigen Jahren mit einem vollständig implantierbaren Barorezeptor-Stimulator
die Möglichkeit, eine chronische Therapie
durchzuführen. Das Stimulationsaggregat wird
dabei wie ein Herzschrittmacher unter die
Clavicula implantiert, die Stimulationssonde
wird subkutan meist auf den rechten Bulbus
Caroticus getunnelt, wo er an der Stelle fixiert
wird, wo die beste Barorezeptor-Aktivierung
beobachtet werden kann [Abb. 2]. Zunächst
wurde die Barorezeptor-Aktivierungs-Therapie
(BAT) zur Behandlung der therapierefraktären
arteriellen Hypertonie entwickelt, wo sie als
Alternative oder zusätzlich zur Nierenarterienablation eingesetzt werden kann (hier auch bei
Therapieversagern der Nierenarterienablation
wirksam). Inzwischen gibt es aber auch erste
prä-klinische und klinische Daten, die zeigen,
dass dieses Therapieverfahren auch bei Herzinsuffizienz nützlich sein kann. Am Herzzentrum
der Uniklinik Köln wurden die weltweit meisten
Patienten auf diese Weise behandelt.
Ein häufiges und häufig unterschätztes Problem
bei Herzinsuffizienz ist eine obstruktive oder
zentrale Schlafapnoe. Sie tritt bei 70% der
Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz auf und ist assoziiert mit einer schlechteren
Prognose. Während die obstruktive Schlafapnoe auch nach den neuesten Leitlinien für
Herzinsuffizienz klassisch mit CPAP-Maske
behandelt werden sollte, gibt es für die
Therapie einer zentralen Schlafapnoe bei
Herzinsuffizienz noch keine wegweisenden
Informationen. Dieses wird sich ändern sobald
die Ergebnisse der aktuell laufenden SERVEHF- Studie vorliegen, welches in den nächsten
2-3 Jahren der Fall sein sollte. Das Herzzentrum
Köln ist das viertgrößte Zentrum für diese neue
Therapieform weltweit.
Als Alternativtherapie für eine Atemmaske zur
Therapie der zentralen Schlafapnoe kommt
auch die Implantation eines Phrenicus-Schrittmachers in Frage. Dieser führt nach Implantation
in eine klassische subklavikuläre Schrittmachertasche über eine Sonde, die in der linken V.
pericardiophrenica liegt zu einer Stimulation
des N. phrenicus und damit des Zwerchfells.
Wann immer es zu zentralen Atmungspausen
(Cheyne-Stokes-Atmung) kommt, wird der
Schrittmacher aktiviert, eine Zwerchfellkontraktion herbeigeführt und ein Atemzug
schrittmachergesteuert ausgelöst (nur möglich
bei zentraler Schlafapnoe, da die Atemwege
offen sind). Auch hier gehört die Uniklinik Köln
zu den wenigen Zentren weltweit, die eine
solche Therapie anbieten können.
Neben den hier genannten gibt es eine Reihe
weiterer neuer Therapieverfahren für Herzinsuffizienz, die an der Uniklinik Köln angeboten
werden können. Dazu gehören beispielsweise
eine neue Gentherapie (SERCA 2a-Überexpression) und ein Drucksensorsystem, welches den
Druck in der Pulmonalarterie messen kann, und
der somit eine frühzeitige Adaptation der
Medikation ermöglicht. Dieses Verfahren führte
in der CHAMPION-Studie zu einer geringeren
Hospitalisierungsrate.
Abbildung 2a:
Konzept der Barorezeptorstimulation mit Stimulationsaggregat
rechts subklavukulär und Sondenposition auf dem Barorezeptor der
A. carotis rechts (links ist ebenso möglich) zur Therapie der schweren, medikamentös nicht einstellbaren arteriellen Hypertonie und
der Herzinsuffizienz.
Abbildung 2b:
Kosmetisch exzellentes Ergebnis nach Implantation eines
Barorezeptorstimulators.
Besonders bedeutsam für die optimale Versorgung herzinsuffizienter Patienten ist die enge
Kooperation zwischen Kardiologie und Herzchirurgie. Die Entwicklung der neuen minimalinvasiven Therapieverfahren für Aortenklappenstenosen und Mitralinsuffizienz haben dazu
geführt, dass sogenannte „Heart Teams“ gebildet
wurden, um gemeinsam über das bestmögliche Therapieverfahren zu entscheiden. Solche
Herzteams sind aber auch für viele andere
Therapieentscheidungen erforderlich (Herz-
43
INTERVENTIONELLE UND REGENERATIVE THERAPIE DER HERZINSUFFIZIENZ
transplantation?, Mechanische Herzunterstützung?), so dass ein Zusammenwachsen und eine
enge Zusammenarbeit von interventioneller
Kardiologie und Herzchirurgie unabdingbar
sind.
Neben der engen Zusammenarbeit zwischen
Kardiologie und Herzchirurgie ist ebenfalls
eine sehr gut organisierte Kooperation zwischen ambulantem und stationärem Bereich
der Patientenversorgung erforderlich, bzw.
zwischen niedergelassenen Kollegen und den
Klinikärzten. Nur so kann eine optimale flächendeckende Betreuung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz gelingen, und nur so
kann gewährleistet werden, dass möglichst
viele Patienten von den neuesten Entwicklungen in der Herzinsuffizienztherapie profitieren.
Daher müssen Netzwerke gegründet und
gemeinsame Therapiekonzepte festgelegt
werden, wie dies derzeit schon im Rahmen
des Kölner Kardiologie-Forums, welches alle
2 Monate zusammentrifft (in Kooperation mit
dem St. Vinzenz-Hospital und dem Herznetz
Köln), gelingt. Enge Kooperation zwischen den
Disziplinen und über die Sektoren der Gesundheitsversorgung hinweg (ambulant, stationär,
Reha) zum Wohle des Erkrankten, das muss
unser oberstes Ziel sein.
Zusammengefasst hat sich die Versorgung von
Patienten mit Herzinsuffizienz in den letzten
Jahren deutlich verbessert. Dennoch sind die
Prävalenz und die Mortalität dieser Erkrankung
weiterhin so hoch, dass massive Anstrengungen
unternommen werden müssen, um eine weitere Besserung zu erzielen. Diesem Ziel ist das
Herzzentrum Köln verpflichtet. Durch enge
Kooperation und Vernetzung unter den Kliniken und mit den ambulanten Zentren und
durch Etablierung modernster medikamentöser, interventioneller und regenerativer
Therapieverfahren besteht die Möglichkeit,
die Versorgung herzinsuffzienter Patienten in
Köln zu verbessern und eine nationale wie
internationale Führungsrolle auf diesem Sektor
einzunehmen.
44
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. Jochen Müller-Ehmsen
Leiter Herzkatheterlabor, Leiter HTx-Ambulanz
AG für Interventionelle und
Regenerative Herzinsuffizienztherapie
Klinik III für Innere Medizin
Uniklinik Köln
Tel.: 0221- 478- 32396
Fax: 0221- 478- 32397
Email: [email protected]
RHYTHMOLOGIE AM HERZZENTRUM DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN
Rhythmologie am Herzzentrum der
Universität zu Köln –
Das richtige Taktgefühl bestimmt das
individuelle Vorgehen
– Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er –
Allgemeine Einführung
Die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen
aller Organe erfordert einen ausreichenden
Blutfluss. Ein normal funktionierendes Herz
schafft dies problemlos durch das Pumpen
einer ausreichend hohen Blutmenge pro
Zeiteinheit (Herzzeitvolumen). Dabei spielt
der Herzrhythmus eine zentrale Rolle. Eine
normale Pumpkraft des Herzens und ein normaler Rhythmus (Sinusrhythmus) stellen die
optimalen Voraussetzungen für eine gute
körperliche Leistungsfähigkeit dar. Eine Störung
des Herzrhythmus muss in diesem Kontext
betrachtet und beurteilt werden:
a) Die normale Organdurchblutung ist gefährdet
(zu langsamer oder zu schneller Puls).
b) Eine echte Gefährdung droht nicht, die
Rhythmusstörung schränkt allerdings die
körperliche Leistungsfähigkeit ein.
c) Es droht kein Durchblutungsproblem, der
abnormale Rhythmus wird aber als sehr
störend empfunden.
d) Der Rhythmus ist per se intakt, das Herz
pumpt schwach und die Erregungsverbindung in den Kammern ist stark verzögert.
Die Elektrophysiologie beschäftigt sich mit der
Diagnostik und Therapie von Herzrhythmusstörungen. Sowohl bei der Diagnostik als auch
Behandlung müssen die gewählten Mittel in
Harmonie mit den oben erwähnten Einschränkungen a, b oder c, damit nicht das sprichwört-
liche Schießen mit Kanonen auf Spatzen erfolgen. Durch den Einsatz rhythmologischer
Methoden werden biventrikuläre Schrittmacher von einem sehr erfahrenen Team
implantiert (durchschnittliche Implantationszeit 75 Minuten), individuell programmiert und
im Verlauf regelmäßig optimiert. Zur Gewährleistung einer optimalen Behandlung werden
im Herzzentrum der Universität zu Köln alle
relevanten Behandlungsempfehlungen im
Konsensus mit dem Patienten, dem niedergelassenen Arzt und interventionellen und
nichtinterventionellen Kardiologen getroffen.
In der rhythmologischen Sprechstunde des
Herzzentrums stellen sich Patienten mit
bekannten und unbekannten Rhythmusstörungen vor. Zum Teil sind umfangreiche ambulante
Diagnostiken durchgeführt worden, zum Teil
werden diese erst hier eingeleitet. Das rhythmologische Team bespricht dabei das Vorgehen
mit den zuweisenden Ärzten.
Die vorliegende Übersicht dient der Orientierung für Ärzte in der Weiterbildung und
Pflegekräfte im eigenen Haus. Möglicherweise
ist der ein oder andere Hinweis auch für den
Leser dieser Zeitschrift interessant.
Im Rahmen einer elektrophysiologischen Untersuchung (EPU) werden verschiedene Katheter
an unterschiedlichen Bereichen des Herzens
positioniert. Zum einen im Bereich des Arbeitsmyokards, aber zum anderen auch im Bereich
des spezifischen Reizleitungssystems. Damit
lässt sich die eigene elektrische Herztätigkeit
bestimmen und der Ursprung von Herzrhythmusstörungen erkennen. Mit den selben
Kathetern lassen sich elektrische Impulse (ähnlich wie mit Schrittmachern) gezielt abgeben
und so Herzrhythmusstörungen auslösen.
Ist die Ursache von Herzrhythmusstörungen
identifiziert erfolgt in der selben EPU die
Behandlung. Hierzu werden mittels spezieller
Katheter die Ablation durchgeführt (Ablation,
lat. Ablatio abtragen). Der Umfang und die
Dauer einer EPU-Prozedur ist abhängig von der
Art der Rhythmusstörungen und dem Einsatz
spezieller Mapping-Verfahren (z.B. 3D Carto).
45
RHYTHMOLOGIE AM HERZZENTRUM DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN
Unterschiedliche Rhythmen und
Rhythmusstörungen
Sinusrhythmus
Normaler Rhythmus. Auf dem EKG-Streifen
sind regelmäßige positive P-Wellen in den
Ableitungen II und III vorhanden. Jeder P-Welle
folgt ein QRS-Komplex.
Abbildung 1: Sinusrhythmus
Stimulierter Rhythmus
In Abhängigkeit des Ortes der Impulsabgabe
sind Stimulationsartefakte (Spikes) vor den
jeweiligen EKG-Komplexen zu erkennen.
Man unterscheidet paroxysmales Vorhofflimmern (wichtiges Kriterium ist die spontane
Konversion in den Sinusrhythmus), persistierendes Vorhofflimmern (Kardioversion nur durch
Medikamente oder elektrisch) und permanentes
Vorhofflimmern (keine medikamentöse oder
elektrische Kardioversion möglich).
Vorhofflattern
Regelmäßige kreisende Erregungen im Bereich
der Vorhöfe. Diese kreisenden Erregungen können sich in vielen Gebieten der Vorhöfe bilden,
am häufigsten sind aber kreisende Erregungen
im Bereich der Vena cava inferior und dem
Trikuspidalklappenanulus (Synonyme: gewöhnlicher Typus, common type, Typ I, typisches
Vorhofflattern). Dieser Bereich wird (cavotrikuspidaler) Isthmus genannt. Die kreisende Erregung kann den Isthmus im Uhrzeigersinn oder
entgegen des Uhrzeigers passieren. Während
beim Uhrzeiger-Reentry positive P-Wellen in
den inferioren Ableitungen zu erkennen sind,
sind negative P-Wellen in den Ableitungen II, III
und aVF beim Reentry gegen den Uhrzeiger
festzustellen. Durch die negativen P-Wellen,
zeigt sich ein Sägezahnmuster in den Ableitungen II, III und aVF. Typ II Vorhofflattern beinhaltet der Reentry-Kreis typischerweise nicht den
rechtsatrialen Isthmus. Häufig entsteht nach
Pulmonalvenenisolation linksatriales Vorhofflattern. Dieses isthmusunabhängige Vorhofflattern wird auch atypisches Vorhofflattern
genannt.
Abbildung 2: . Stimulierter Rhythmus mit entsprechenden Spikes
Vorhofflimmern
Ungeordnet chaotische Erregung der Vorhöfe.
Die „fehlerhaften“ elektrischen Impulse haben
ihren Ursprung meist im Bereich der Pulmonalvenen. Deshalb lässt sich Vorhofflimmern häufig durch eine Isolation der Pulmonalvenen
behandeln.
Abbildung 3: Ungeordneter Rhythmus zeigt Vorhofflimmern an
46
Abbildung 4: Vorhofflattern mit 2:1 Überleitung.
Sternchen markieren die Position der negativen P-Wellen in de
Ableitungen II, III und aVF.
RHYTHMOLOGIE AM HERZZENTRUM DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN
AV-Knoten-Reentrytachykardie
(AV-Node Reentry Tachycardia, AVNRT)
Bei einigen Patienten ist der AV-Knoten funktionell zweigeteilt. Eine langsam leitende Bahn
befindet sich dabei neben einer schnell leitenden Verbindung zwischen Vorhof und Ventrikel.
Üblicherweise bleiben die Patienten lange Zeit,
manchmal Jahrzehnte asymptomatisch. Dann
wiederum gibt es Zeiten, in denen häufig
Rhythmusstörungen entstehen. Während der
asymptomatischen Phase wird der vom Sinusknoten generierte Impuls über die schnelle
Bahn des AV-Knotens in die Ventrikel übertragen. Die langsame Bahn nimmt an der
Erregungsweiterleitung nicht teil. Eine Tachykardie entsteht nach folgendem Szenario: Über
die schnell leitende Bahn gelang die Erregung
in den Ventrikel; es fällt eine atriale Extrasystole, die jetzt nicht über die noch refraktäre
schnelle Bahn weitergeleitet werden kann. Es
erfolgt die Weiterleitung in die Ventrikel über
die langsam leitende Bahn. Wenn die Erregung
im Ventrikel ankommt, ist die schnell leitende
Bahn nicht mehr refraktär. Sie leitet die Erregung
wieder zurück zum Vorhof, von wo sie über die
langsame Bahn wieder in den Ventrikel gelangt
usw. Typischerweise kann über die schnelle
Bahn die Erregung zurück in den Vorhof und
über die langsame Bahn wieder in den Ventrikel
gelangen (Synonyme: Typische AVNRT, SlowFast Typ). Es kommt zu einer kreisenden Erregung im Bereich des AV-Knotens. Im Rahmen
einer Ablation wird die langsame Bahn moduliert.
Sinusschlag eine Delta-Welle im EKG zu sehen,
handelt es sich um ein offenes Wolff-ParkinsonWhite Syndrom (offenes WPW). Leitet die
akzessorische Bahn nur retrograd, ist die
Identifikation der akzessorischen Leitungsbahn
häufig nur mittels elektrophysiologischer Untersuchung festzustellen (verborgenes WPW).
Diese kreisende Erregung wird verhindert,
wenn die zusätzliche Bahn gefunden und abladiert wird.
Abbildung 6: . Delta-Welle (Pfeil) als Zeichen einer offenen akzessorischen Leitungsbahn.
Ektop atriale Tachykardie (EAT)
Neben dem Sinusknoten existiert ein weiterer
Automatiefokus in den Vorhöfen. Während der
Sinusknoten seine Aktivität an die physiologischen Bedingungen anpasst, kann ein ektop
atrialer Focus zu inadäquaten Tachykardien
führen. Im Oberflächen-EKG weicht die Morphologie der P-Welle von einem Sinus-EKG ab.
Die P-Welle kann hilfreich bei der Lokalisation
der Tachykardie sein. Zur groben Orientierung
gilt: Bei negativer P-Welle oder +/- in V1 ist der
Fokus eher rechtsatrial, bei positiver oder -/+ PWelle eher linksatrial.
Abbildung 5: Typische AVNRT. Durch die schnelle retrograde Leitung
vom Ventrikel zum Vorhof ist unmittelbar nach dem QRS Komplex
P-Welle zu erahnen (Sternchen).
Ventrikuläre Extrasystolen
Von atypischer AVNRT wird gesprochen, wenn
es sich um ein „Fast-Slow“ oder „Slow-Slow“
Typ handelt.
AV-Reentry-Tachykardie
Bei einigen Menschen existiert neben der physiologischen Verbindung zwischen Vorhof und
Ventrikel noch eine weitere Verbindung, eine
sogenannte akzessorische Leitungsbahn. Ähnlich wie beim Reentry-Mechanismus bei der
AVNRT kann die akzessorische Leitungsbahn
die ventrikuläre Erregung zurück zu den Vorhöfen transportieren, von wo sie dann über
den AV-Knoten zurück in den Ventrikel gelangen
kann. Sowohl der AV-Knoten als auch die
akzessorische Leitungsbahn sind demnach
Bestandteil des Reentry-Kreises. Ist bei normalem
Einzelne Extrasystolen sind in der Regel
ungefährlich. Fallen sie in die vulnerable
Phase, können sie allerdings Kammerflimmern
auslösen. Sehen die Extrasystolen gleich aus
(monomorph) ist eine Behandlung mittels
Ablation grundsätzlich möglich.
Abbildung 7: . Ventrikulärer Bigeminus
47
RHYTHMOLOGIE AM HERZZENTRUM DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN
Kammerflattern
Komplikationen einer EPU
Regelmäßige Rhythmusstörung mit Ursprung
in der Kammermuskulatur. Überwiegend
lebensbedrohlich. In speziellen Fällen ist eine
Ablation möglich, häufig die Implantation
eines Defibrillators notwendig.
Neben den zahlreichen Vorteilen einer elektrophysiologischen Untersuchung, sind eine Reihe
von möglichen Komplikationen bekannt.
Hierzu gehören die Entwicklung eines Perikardergusses, Pulmonalvenenstenosen, Schlaganfall,
Verletzung von Gefäßen und Nerven, Herzstillstand, Thrombosen, Blutungen, Entwicklung
eines höhergradigen AV-Blocks. Die Rate an
Komplikationen sind in geübten Händen sehr
gering.
Abbildung 8: Kammerflattern
Kammerflimmern
Funktioneller Herzstillstand. Terminierung
durch Defibrillation. Bei Patienten ohne behebbare Ursache ist die Implantation eines Defibrillators notwendig.
Abbildung 9: Kammerflimmern
Brugada-Syndrom
Bei der Erkrankung liegt ein angeborener
Ionenkanaldefekt in den Herzmuskelzellen vor.
Zahlreiche genetische Mutationen können zu
einem Brugada-Syndrom führen. 3 unterschiedliche EKG-Morphologien werden mit dem
Brugada-syndrom assoziiert (Typ I, II, III). Derzeit
gilt nur der Nachweis des Typ I EKGs als Beweis
für das Vorliegen eines Brugada-Syndroms. Bei
vielen Patienten ist das EKG in Ruhe bereits
wegweisend. Bei einigen führt eine medikamentöse Provokation (z.B. mit Ajmalin) zu
einer entsprechenden Konfigurationsänderung
im EKG und damit zum Nachweis eines BrugadaSyndroms. Patienten mit einem BrugadaSyndrom sind besonders durch ventrikuläre
Tachykardien und Kammerflimmern gefährdet.
48
Korrespondierender Autor:
Priv.-Doz. Dr. med. Fikret Er
Leiter der Rhythmologie
Herzzentrum der Universität zu Köln
Kerpener Straße 62 · 50937 Köln
Fon +49-221-478 32396
Fax +49-221-478 32712
[email protected]
www.cardiovascular-research.org
DAS KÖLNER HERZZENTRUM
Das Kölner Herzzentrum –
Fachzeitschrift für den Arzt
Wir danken folgenden
Werbepartnern für ihre
Unterstützung:
Initiativ-Partner des Kölner Herzzentrums
Pfizer Pharma GmbH
Medtronic GmbH
Seite U2, 17
Seite 33
Seite
Unternehmen
15
Bayer Pharma AG
37
Klinik Roderbirken
49
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