TUM Konvexe Analysis und Evolutionsprobleme SoSe 2013

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Konvexe Analysis und Evolutionsprobleme
SoSe 2013
Lösungsvorschläge zu Blatt 1
Aufgabe 1.1. (Topologische Eigenschaften konvexer Hülle)
Gegeben sei ein normierter Raum V . Beweisen Sie oder widerlegen mittels eines Gegenbeispiels
folgende Aussagen:
(i) Die konvexe Hülle einer offenen Menge U ⊂ V ist offen.
(ii) Die konvexe Hülle einer abgeschlossenen Menge C ⊂ V ist abgeschlossen.
Lösungsvorschlag zu Aufgabe 1.1.
(i) Die Aussage ist wahr. Sei dazu c ∈ co(U ) beliebig. Dann lässt sich c darstellen als Konvexkombination von Punkten aus U , laut Satz 1.5 aus Vorlesung, bzw. es existieren endlich
n
X
viele Punkte u1 , u2 , . . . , un ∈ U und Koeffizienten λ1 , λ2 , . . . , λn ∈ [0, 1] mit
λi = 1 so
i=1
dass gilt:
c=
n
X
λi ui .
i=1
Da die Menge U offen ist, gibt es zu jedem ui ∈ U ein εi > 0 mit:
ui + εi B ⊂ U ,
wobei B die (offene) Einheitskugel des normierten Raumes V bezeichnet. Setze nun
ε = min{ε1 , ε2 , . . . , εn } .
Dann gilt ε > 0 und
ui + εB ⊂ ui + εi B ⊂ U
für alle i = 1, . . . , n .
Für beliebige w ∈ εB gilt damit ui + w ∈ U ⊂ co(U ) für alle i = 1, . . . , n, woraus aus der
Konvexität von co(U ) folgt:
!
!
!
n
n
n
n
X
X
X
X
c+w =
λi ui + w =
λi ui +
λi w =
λi (ui + w) ∈ co(U ) , bzw.
i=1
i=1
i=1
i=1
c + εB ⊂ co(U ) .
(ii) Die Aussage ist falsch. Z.B. die Menge C ⊂ R2 , die gegeben ist mittels
C = [0, +∞[×{0} ∪ {(0, 1)}
abgeschlossen in R2 , aber es gilt
[
[
co(C) =
co {(0, 1) , (x, 0)} =
{(λx , 1 − λ) : λ ∈ [0, 1]} = [0, +∞[×[0, 1[∪{(0, 1)} .
x≥0
x≥0
Die Menge co(C) ist nicht abgeschlossen, da
]0, +∞[×{1} = ∂ (co(C)) \ co(C) .
(C ist der nichtnegative Teil der x-Achse vereinigt mit einem Punkt auf der positiven yAchse. co(C) ist ein horizontaler Streifen dem der obere Rand fehlt.)
Aufgabe 1.2. (Sternförmige Mengen)
Sei V ein Vektorraum. Eine nichtleere Menge S ⊂ V heißt sternförmig, falls mindestens ein
Element s ∈ S existiert, so dass gilt:
[s, x] ⊂ S für alle x ∈ S .
Jedes s ∈ S mit dieser Eigenschaft heißt Sternzentrum von S.
(i) Seien u, v und w drei untereinander verschiedene Elemente von V und x ∈]u, v[ beliebig,
fest. Zeigen Sie folgende Aussage:
∀y ∈ [x, w] ∃z ∈ [v, w] mit y ∈ [u, z] .
Hinweis: zeichnen Sie zuerst eine Skizze.
(ii) Beweisen Sie nun, dass die Menge aller Sternzentren einer sternförmigen Menge konvex ist.
Lösungsvorschlag zu Aufgabe 1.2.
(i) Aus x ∈]u, v[ folgt für ein λ ∈]0, 1[:
x = λu + (1 − λ)v .
Sei nun y ∈ [x, w] beliebig. Ist y = x so setze z = v, dann gilt:
y = x ∈ [u, v] = [u, z] .
Ist y = w so setze z = w, dann gilt:
y = w ∈ [u, w] = [u, z] .
Sei nun y ∈]x, w[. Dann existiert ein µ ∈]0, 1[ mit
µ(1 − λ)
1−µ
y = µx+(1−µ)w = µ [λu + (1 − λ)v]+(1−µ)w = (λµ) u+(1−λµ)
v+
w .
1 − λµ
1 − λµ
Da λ , µ ∈]0, 1[, so gilt auch
λµ ∈]0, 1[ und 1 − λµ ∈]0, 1[ .
Daraus ist ersichtlich dass
µ(1 − λ)
1 − λµ
und
1−µ
1 − λµ
positive Zahlen sind und es gilt
µ(1 − λ)
1−µ
µ − λµ + 1 − µ
+
=
= 1,
1 − λµ
1 − λµ
1 − λµ
also ist der Punkt
z=
µ(1 − λ)
1−µ
v+
w
1 − λµ
1 − λµ
eine (echte) Konvexkombination von Punkten v und w:
z ∈]v, w[
und y ist eine (echte) Konvexkombination von u und z:
y ∈]u, z[ .
(ii) Seien u und v zwei verschiedene Sternzentren der Menge S. Zu zeigen ist dass jede Konvexkombination dieser Punkte wieder ein Sternzentrum ist. Sei also x ∈ [u, v] beliebig. Für alle
w ∈ S ist also zu zeigen, dass
[x, w] ⊂ S gilt .
Nun ist die Situation aus Teilaufgabe (i) direkt anwendbar. Sei y ∈ [x, w] beliebig. Ziel ist
zu zeigen dass y in der Menge S liegt. Dabei gibt es, laut Teilaufgabe (i) , ein z ∈ [v, w] so
dass y in [u, z] liegt. Da nun v Sternzentrum von S und w ∈ S, so gilt insbesondere
z ∈ [v, w] ⊂ S .
Da andererseits u Sternzentrum von S, gilt mit z ∈ S auch
y ∈ [u, z] ⊂ S ,
also y ∈ S. Damit ist gezeigt, dass für alle x ∈ [u, v] und beliebige w ∈ S gilt:
[x, w] ⊂ S ,
bzw. alle Punkte auf der Verbindungsstrecke [u, v] zweier Sternzentren von S sind selbst
Sternzentren von S.
Aufgabe 1.3. (Satz von Caratheodory)
(i) (Affine Unabhängigkeit) Sei ein reeller Vektorraum V gegeben. Beweisen Sie die Äquivalenz
folgender Aussagen:
(1) die Elemente v0 , v1 , . . . , vm ∈ V sind affin unabhängig,
(2) für alle reellen Zahlen λ0 , λ1 , . . . , λm , für die gilt
m
X
λk vk = 0 und
k=0
m
X
λk = 0 ,
k=0
muss gelten λ0 = λ1 = · · · = λm = 0.
Hinweis: bei einem Widerspruchsbeweis dürfen Sie λ0 = −1 annehmen, warum?
Folgern Sie nun, dass die Definition der affinen Unabhängigkeit aus der Vorlesung unabhängig ist von der Wahl der Reihenfolge der betrachteten Vektoren.
(ii) (Satz von Caratheodory) Beweisen Sie mit Hilfe der Teilaufgabe (i) folgende Aussage:
Sei n ∈ N beliebig und P ⊂ Rn eine beliebige Menge. Jeder Punkt aus der konvexen Hülle
co(P) lässt sich darstellen als eine Konvexkombination von höchstens n + 1 Punkten aus P .
(iii) (Zerlegung konvexer Mengen in Simplizes) Sei nun V ein Vektorraum beliebiger Dimension
und P ⊂ V beliebig. Zeigen Sie nun, dass die konvexe Hülle co(P ) gleich der Vereinigung
aller Simplizes mit Ecken aus P ist.
Lösungsvorschlag zu Aufgabe 1.3.
(i) (1) ⇒ (2):
seien die Vektoren v1 − v0 , v2 − v0 . . . , vm − v0 linear unabhängig und seien λ0 , λ1 , . . . , λm
reelle Zahlen für die gilt
m
m
X
X
λk vk = 0 und
λk = 0 .
k=0
k=0
Dann gilt ebenfalls
0=
=
m
X
k=0
m
X
k=0
λk vk =
λk vk −
m
X
λ k vk − 0 · v0 =
k=0
m
X
k=0
!
λk
v0 =
m
X
k=1
λk (vk − v0 ) .
Aus linearer Unabhängigkeit der Vektoren v1 − v0 , v2 − v0 . . . , vm − v0 folgt nun
λ1 = λ2 = · · · = λm = 0 ,
und damit auch
m
X
λ0 = −
λk = 0 ,
k=1
also folgt die Bedingung (2) aus der Bedingung (1).
(2) ⇒ (1):
Sei nun die Bedingung (2) erfüllt und seien die Vektoren v1 − v0 , v2 − v0 . . . , vm − v0 linear
abhängig. Dann würden reelle Zahlen λ1 , λ2 , . . . , λm existieren, die nicht alle gleich Null
sind, so dass gilt:
!
m
m
m
X
X
X
λk (vk − v0 ) =
λk vk −
λ k v0 = 0 .
k=1
Setze nun λ0 = −
m
X
k=1
k=1
λk . Dann erfüllen die Zahlen λ0 , λ1 , . . . , λm aber genau die Bedingung
k=1
(2), müssen also alle gleich Null sein, ein Widerspruch.
Da nun die Bedingung (2) unabhängig von der Reihenfolge der Vektoren ist, muss auch
die Definition der affinen Unabhängigkeit aus der Vorlesung unabhängig von der Reihenfolge der Vektoren sein, insbesondere unabhängig von der Wahl des Vektors v0 . Sei p :
{0, 1, 2, . . . , m} → {0, 1, 2, . . . , m} eine beliebige Permutation. Setze wk = vp(k) für k =
0, 1, . . . , m. Erfüllen die Vektoren v0 , v1 , . . . , vm die Bedingung (1), so erfüllen sie auch die
Bedingung (2). Sind nun µ0 , µ1 , . . . , µm reelle Zahlen für die gilt:
m
X
µl wl = 0 und
m
X
µl = 0 ,
l=0
l=0
so gilt für die Zahlen λk = µp−1 (k) :
m
X
λk =
k=0
m
X
µp−1 (k) = 0 ,
k=0
nach dem Kommutativgesetz für die Addition. Andererseits gilt:
m
X
λ k vk =
m
X
µp−1 (k) wp−1 (k) = 0 .
k=0
k=0
Da die Vektoren v0 , v1 , . . . , vm die Bedingung (2) erfüllen, so muss gelten:
µl = λp−1 (l) = 0
für alle l = 0, 1, . . . , m .
Also auch die permutierten Vektoren w0 , w1 , . . . , wm erfüllen die Bedingung (2) und damit
auch die Bedingung (1).
(ii) Laut Satz 1.5 aus Vorlesung, lässt sich jeder Punkt aus der konvexen Hülle einer Menge
darstellen als Konvexkombination ihrer Punkte. Sei q ∈ co(P ) eine Konvexkombination von
mehr als n + 1 Punkten aus P , bzw. gelte für ein m > n, für Punkte p0 , p1 , . . . , pm ∈ P und
für strikt positive reelle Zahlen α0 , α1 , . . . , αm ∈]0, 1]:
q=
m
X
αk pk
und
k=0
m
X
αk = 1 .
k=0
Die Punkte p0 , p1 , . . . , pm ∈ P ⊂ Rn sind affin abhängig, da die m Vektoren p1 − p0 , p2 −
p0 , . . . , pm − p0 linear abhängig sein müssen. Laut Teilaufgabe (i) ist die Bedingung (2)
erfüllt, bzw. es gibt reelle Zahlen λ0 , λ1 , . . . , λm für die gilt:
m
X
k=0
λk pk = 0 und
m
X
k=0
λk = 0 .
Das Ziel ist nun, eine geeignete positive Zahl µ so zu finden, dass
!
m
m
m
m
m
X
X
X
X
X
q=
αk pk =
αk p k + µ · 0 =
αk pk + µ
λk pk =
(αk + µλk ) pk
k=0
k=0
k=0
k=0
k=0
eine Konvexkombination von weniger als m + 1 Punkten wird. Für die neuen Koeffizienten
βk = αk + µλk gilt weiterhin
!
m
m
m
m
X
X
X
X
βk =
(αk + µλk ) =
αk + µ
λk = 1 + µ · 0 = 1.
k=0
k=0
k=0
k=0
Wir müssen also durch eine geeignete Wahl von µ noch sicherstellen, dass alle βk -s nichtnegativ bleiben und dass mindestens einer dieser Koeffizienten Null wird. Da die Summe
der λk -s Null ist und sie nicht alle verschwinden, muss es unter ihnen auch strikt negative
Zahlen geben. Gilt nun λk ≥ 0 so folgt daraus für jedes positive µ
βk = αk + µλk ≥ αk ≥ 0 .
Ist dagegen λk < 0 so wird auch βk < αk gelten. Um zu verhindern, dass βk < 0 wird,
setzen wir:
αk
µ = min
: λk < 0 .
|λk |
Da alle αk -s strikt positiv vorausgesetzt waren, ist µ ebenfalls eine positive Zahl und es gilt
für alle λk < 0:
αk
− µ ≥ 0.
βk = αk + µλk = |λk |
|λk |
Da das Minimum in der Definition von µ für irgendein k0 ∈ {0, 1, . . . , m} angenommen wird,
gilt
αk0
µ=
und damit βk0 = αk0 + µλk0 = αk0 − µ|λk0 | = 0 .
|λk0 |
Damit taucht mindestens der Punkt pk0 in der neuen Konvexkombination mit den Koeffizienten β0 , β1 , . . . , βm nicht mehr auf.
(iii) Nun ist die Dimension des Vektorraumes V beliebig und P ⊂ V . Unter einem Simplex
verstehen wir die konvexe Hülle von affin unabhängigen Punkten. Bezeichne
σ(p1 , p2 , . . . , pm ) = co{p1 , p2 , . . . , pm }
das Simplex mit affin unabhängigen Ecken p1 , p2 , . . . , pm . Offensichtlich gilt dann für alle
endlichen Mengen affin unabhängiger Punkte p1 , p2 , . . . , pm ∈ P :
p1 , p2 , . . . , pm ∈ P ⇒ σ(p1 , p2 , . . . , pm ) ⊂ co(P ) ,
also ist auch die Vereinigung aller Simplizes mit Ecken aus P eine Teilmenge von textco(P ).
Sei umgekehrt q ∈ textco(P ) beliebig. Um zu zeigen, dass q auch in der Vereinigung aller
Simplizes mit Ecken aus P liegt, müssen wir ein solches Simplex finden, dass q enthält.
Zunächst folgt aus q ∈ co(P ) dass q darstellbar ist als Konvexkombination von Punkten aus
P . Anhand der Teilaufgabe (ii) lässt sich die Anzahl der Punkte in der Konvexkombination
so lange verringern, bis alle beteiligten Punkte affin unabhängig sind. Sei also
q=
m
X
λk pk ,
k=0
wobei p0 , p1 , . . . , pm ∈ P und λk -s strikt positive Konvexkombinations-Koeffizienten sind.
Der Vektorraum W = span{p1 − p0 , p2 − p0 , . . . , pm − p0 } ≤ V ist endlichdimensional mit
Höchstdimension m. Ist
dim(W ) = m ,
so sind die Vektoren p0 , p1 , . . . , pm affin unabhängig und co{p0 , p1 , . . . , pm } ist ein m-dimensionales
Simplex, dem der Punkt q angehört. Ist dagegen
dim(W ) = n < m ,
so lässt sich q auch als Konvexkombination von genau n + 1 affin unabhängigen Punkten
aus der Menge p0 , p1 , . . . , pm darstellen, laut Teilaufgabe (ii). Seien o.E. p0 , p1 , . . . , pn diese
Punkte. Dann ist
co{p0 , p1 , . . . , pn }
das gesuchte Simplex, in dem q liegt.
Aufgabe 1.4. (Kegel)
Seien V und W reelle Vektorräume, und A : V → W eine lineare Abbildung. Zeigen Sie folgende
Aussagen:
◦ Ist K ⊂ V ein Kegel, so ist A(K) ⊂ W ebenfalls ein Kegel.
◦ Ist L ⊂ W ein Kegel, so ist A−1 (L) ⊂ V ebenfalls ein Kegel.
Was wäre die minimale Voraussetzung an die Abbildung A, um diese beiden Aussagen zu erhalten?
Lösungsvorschlag zu Aufgabe 1.4.
Unter einem Kegel in einem Vektorraum V verstehen wir jede Menge K ⊂ V mit der Eigenschaft
λK ⊂ K
für alle λ > 0 ,
bzw. für die folgende Bedingung gilt:
λk ∈ K
ist erfüllt für alle k ∈ K und λ > 0 .
Seien nun V und W Vektorräume K ⊂ V und L ⊂ W Kegel und A : V → W lineare Abbildung.
Um zu zeigen, dass A(K) ein Kegel ist, müssen wir zeigen dass für alle Vektoren w ∈ A(K) und
alle positiven Zahlen λ > 0 gilt:
λw ∈ A(K) .
Da w ∈ A(K) so gibt es mindestens ein v ∈ K mit
w = A(v).
Da K ⊂ V Kegel, so gilt
v ∈ K ⇒ λv ∈ K ⇒ λw = λA(v) = A(λv) ∈ A(K) .
Sei nun v ∈ A−1 (L) beliebig. Dann gibt es mindestens ein w ∈ L mit v ∈ A−1 {w}, also
A(v) = w ∈ L ,
woraus für alle λ > 0 gilt, da L ⊂ W Kegel:
λw = λA(v) = A(λv) ∈ L ⇒ λv ∈ A−1 (L) .
In den Beweisen wurde stets nur die positive Homogenität der Abbildung A benutzt, also würde
diese Eigenschaft ausreichen um Kegel zu erhalten.
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