bündelung bei Versicherungen - Wiwi Uni-Frankfurt

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Thema Nr. 10:
Preisdifferenzierung und Preisbündelung bei Versicherungen
Seminararbeit
eingereicht bei
Prof. Dr. Klaus Peter Kaas
Lehrstuhl für Marketing I,
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Johann Wolfgang Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Betreuer:
Dipl.-Kfm. Markus Guthier
von
cand. rer. pol. Tanja Meier-Sieden
[email protected]
- II -
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................III
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ IV
Symbolverzeichnis................................................................................................................ V
1 Problemstellung................................................................................................................ 1
2 Preisdifferenzierung......................................................................................................... 1
3 Besonderheit der Preisdifferenzierung für Versicherungsdienstleister ......................... 2
3.1 Preisdifferenzierung ersten Grades ............................................................................. 4
3.2 Preisdifferenzierung dritten Grades............................................................................. 4
3.3 Preisdifferenzierung zweiten Grades........................................................................... 9
4 Preisbündelung............................................................................................................... 12
5 Fazit ................................................................................................................................ 15
Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 17
- III -
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Separierendes Gleichgewicht bei der Preisdifferenzierung dritten
Grades........................................................................................................... 08
Abbildung 2: Separierende Verträge bei der Preisdifferenzierung zweiten
Grades........................................................................................................... 11
Abbildung 3: Gestaltungsoptionen für ein Bank-Versicherungs-Bündel.............................. 13
- IV -
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Differenzierungsmöglichkeiten für Dienstleistungsanbieter ........................... 02
Tabelle 2:
Zahlungsbereitschaften bei separater Preissetzung und bei
Preisbündelung.............................................................................................. 14
-V-
Symbolverzeichnis
i
Schadens-Typus des Versicherungsnachfragers, wobei i = h für High
Risks (schlechte Risiken) und i = l für Low Risks (gute Risiken)
i
Schadenseintrittswahrscheinlichkeit für Typus i
Pi
Prämie für Typus i
qi
Deckung für Typus i
y0
Einkommensgrundausstattung
y1
Vermögen ohne Schaden
y2
Vermögen im Schadensfall
v()
(konkave) Nutzenfunktion
L
Höhe des Schadens („loss“)
Vi
erwarteter Nutzen für Typus i
Ii
Indifferenzkurve für Typus i
-11.
Problemstellung
Versicherungen dienen der finanziellen Absicherung des Vermögens von Individuen bei Eintritt eines Schadens. Die Überlegung ist, einen Teil des „Vermögens heute“ gegen das „Vermögen morgen“ einzutauschen, um so eine gewisse Sicherheit in die eigene finanziellen Ausstattung zu bringen. Ein Individuum büsst also heute einen Teil seines Vermögens ein (die
Prämie, die er der Versicherung zu zahlen hat) um sein Vermögen morgen – für den Schadensfall (Versicherung übernimmt Schaden) – abzusichern.
Wie aber wird ein Versicherungsprodukt bepreist? Welche Kriterien erweisen sich als relevant für die Preisfindung?
Die vorliegende Arbeit untersucht die Strategien der Preisdifferenzierung und Preisbündelung
für Versicherungsdienstleister. Hierbei soll insbesondere gezeigt werden, welche Formen der
Preisdifferenzierung und -bündelung überhaupt am Markt erfolgreich durchsetzbar sind und
welche Gestaltungsmöglichkeiten sich dabei für Versicherungsdienstleister anbieten. Es werden Vorteile aufgezeigt, die ein Versicherungsdienstleister durch das Angebot mehrerer Preise
im Vergleich zur uniformen Preissetzung erreichen kann.
Kapitel zwei erläutert zunächst die prinzipiellen Überlegungen hinter der Strategie der Preisdifferenzierung. Im dritten Kapitel wird dann die Preisdifferenzierung detailliert für den Versicherungssektor betrachtet. Hierbei werden verschiedene Differenzierungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Implementierbarkeit am Markt untersucht. Kapitel vier befasst sich mit der
Preisbündelung und vergleicht die Bündelungsstrategien „pure bundeling“ und „mixed bundeling“ mit der Strategie der separaten Preissetzung für Versicherungspolicen. Das letzte Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit in einem Fazit zusammen.
2.
Preisdifferenzierung
Preisdifferenzierung bedeutet, dass für ein gleiches Gut verschiedene Preise von Konsumenten verlangt werden, wobei diese Unterschiede keine proportionalen Kostendifferenzen widerspiegeln. 1 Durch die Setzung unterschiedlicher (differenzierter) Preise werden die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften von Konsumenten abgeschöpft und so ein größerer Unternehmergewinn als bei uniformer Preissetzung erzielt. Je differenzierter das Produkt-Preis-
1
Vgl. Kotler, Philip: Marketing Management - Analysis, Planning, Implementation and Control. Upper Saddle
River 1997, S. 513.
-2Angebot, d.h. je mehr unterschiedliche Preise angeboten werden, desto mehr Konsumentenrente kann abgeschöpft werden und entsprechend höher kann die Produzentenrente sein.
Beim Verkauf ein- und desselben Produktes zu verschiedenen Preisen muss gewährleistet
werden, dass keine Arbitragemöglichkeiten bestehen, also eine Transferierung des Produktes
unter den Käufern nicht möglich ist.2 Während diese Voraussetzung für lagerbare Konsumgüter nur dann gegeben ist, wenn die Transportkosten ausreichend hoch sind, stellt sie kein
Problem in Märkten für personenbezogene Dienstleistungen - wie dem Versicherungsmarkt dar.
Die Möglichkeiten, Kunden(segmente) zu differenzieren, sind vielfältig. Tabelle 1 unterscheidet zwischen vier Kriterien, die isoliert oder in Kombination zur Differenzierung für
Dienstleistungsanbieter zur Verfügung stehen:
Tabelle 1. Differenzierungsmöglichkeiten für Dienstleistungsanbieter
Differenzierungskriterium Umsetzungsbeispiel
Räumlich
regionale/ nationale/ internationale Differenzierung
Zeitlich
Zeitpunkt der Inanspruchnahme/ Bestellung der Dienstleistung
Quantitativ
Inanspruchnahme von Einzel-/ Dauer-/ Mehrfachleistungen
Abnehmerorientiert
Alter, Geschlecht, soziale Stellung
Quelle: in Anlehnung an Meffert, Heribert/ Bruhn, Manfred: Dienstleistungsmarketing. Grundlagen – Konzepte – Methoden.
Wiesbaden 1995, S. 309.
3.
Besonderheit der Preisdifferenzierung für Versicherungsdienstleister
Für einen Versicherungsanbieter, der Preisdifferenzierung betreiben will, ist es jedoch von
besonderer Bedeutung, nicht nur die oben angeregten Differenzierungskriterien zu betrachten,
sondern vor allem die Gegenseitigkeit der Vertragsbeziehung mit seinem Kunden zu berücksichtigen. Während es einem Kinobetreiber, Kfz-Reparaturdienst oder Reisebüro grundsätzlich gleichgültig sein kann, wer die entsprechende Leistung konsumiert (da die Verkaufsbeziehung mit der Inanspruchnahme der Dienstleistung beendet ist ohne dass weitere finanzielle
Konsequenzen folgen), muss ein Versicherungsanbieter beachten, dass er mit der Auswahl
seiner Kunden seinen zukünftigen Cash Flow beeinflusst. Insbesondere die Kriterien der indi2
Vgl. Kotler (1997), S. 513.
-3viduellen Schadenseintrittswahrscheinlichkeit und erwartete Schadenshöhe eines potentiellen
Versicherungskunden sind hierbei relevant.
Während die Preisdifferenzierung also häufig als eine Option in der Preispolitik eines Anbieters angesehen wird, stellt sie im Falle der Versicherung tatsächlich eine absolute Notwendigkeit dar. Da der Markt für Versicherungen hohe Informationsasymmetrien aufweist, kennt ein
Anbieter nur die durchschnittliche Schadenseintrittswahrscheinlichkeit, nicht aber die individuelle Schadenseintrittswahrscheinlichkeit eines potentiellen Versicherungsnehmers.
Bietet der Versicherer nun eine undifferenzierte Durchschnittstarifierung an, ergibt sich als
Konsequenz eine adverse Selektion: da die Versicherung ihre Durchschnittsprämie an der
Prognose für den „schlechtesten Fall“3 orientieren muss, werden Individuen mit geringen Risiken der Versicherung nicht beitreten, da die Durchschnittstarifierung für sie zu kostspielig
ist. Entsprechend wird der Pool an Versicherungsmitgliedern nur aus schlechten Risiken bestehen, es findet eine negative Auslese statt. Diese Unausgewogenheit führt dazu, dass die
Versicherung Verluste macht.4
Am Beispiel der Krankenversicherung beschreibt Varian (2001) die Problematik: „Versicherungsgesellschaften können ihre Prämien nicht am durchschnittlichen Auftreten von Gesundheitsproblemen in der Bevölkerung orientieren. Sie können ihre Prämien nur an der durchschnittlichen Inzidenz von Gesundheitsproblemen ausrichten. Die Leute, welche eine Krankenversicherung am ehesten abschließen wollen, sind diejenigen, die sie wahrscheinlich am
dringendsten nötig haben, daher müssen die Prämien diese Ungleichheit widerspiegeln.“5 Eine Möglichkeit, die Ungleichheit von potentiellen Versicherungsnehmern preislich zu berücksichtigen, stellt die Preisdifferenzierung dar.
Letztlich bedeutet jede Form der Differenzierung – sei es nach Alter, Geschlecht oder Wohngegend (wie es in der Praxis vorkommt) – eine Differenzierung nach der erwarteten Höhe eines Schadens und der individuellen Schadenseintrittswahrscheinlichkeit, die mit einem Kunden assoziiert ist.
Unter der vereinfachenden Annahme, dass die erwarteten Schadenshöhen für alle Individuen
identisch sind, wird daher im Folgenden eine Differenzierung anhand der Schadenseintrittswahrscheinlichkeiten von Personen stellvertretend für alle übrigen Preisdifferenzierungsmöglichkeiten analysiert. Hierbei stehen den so genannten „guten Risiken“ (low risks, fortan: L3
S. Varian, Hal: Grundzüge der Mikroökonomik. Oldenbourg 2001, S. 633.
Vgl. Varian (2001), S. 633.
5
Varian (2001), S. 633.
4
-4Typen) die „schlechten Risiken“ (high risks, fortan: H-Typen) kontrastierend gegenüber. Anhand dieser Schadensklassen wird die Implementierbarkeit der Preisdifferenzierung ersten,
zweiten und dritten Grades untersucht.*
3.1.
Preisdifferenzierung ersten Grades
Von Preisdifferenzierung ersten Grades wird gesprochen, wenn es dem Anbieter möglich ist,
sein Produkt zu den jeweiligen individuellen Reservationspreisen an seine Kunden zu verkaufen. Jeder Konsument zahlt also den Preis, der seiner Zahlungsbereitschaft exakt entspricht.
Dadurch kann der Verkäufer die gesamte Konsumentenrente abschöpfen. Liegt der Reservationspreis eines Kunden über den marginalen Kosten des Verkäufers, hat er einen Anreiz, an
diesen Kunden zu verkaufen.6
Die Durchführung der Preisdifferenzierung ersten Grades setzt eine exakte Kenntnis der Reservationspreise der Abnehmer voraus. In der Literatur werden primär Auktionen als Mittel
zur Ermittlung der individuellen Reservationspreise genannt7, wobei fraglich ist, ob der Gewinnzuwachs durch die Preisdifferenzierung ersten Grades die potentiell hohen Transaktionskosten von Auktionen überwiegt und inwieweit derartige Auktionen im praktischen Geschäftsleben implementierbar sind. Der Kostenfaktor und die praktisch unüberwindbare
Schwierigkeit der Ermittlung von individuellen, wahrheitsgemäßen Zahlungsbereitschaften
rechtfertigen die Annahme, dass die Preisdifferenzierung ersten Grades im Versicherungskontext keine Option darstellen dürfte.
3.2.
Preisdifferenzierung dritten Grades
Von Preisdifferenzierung dritten Grades wird gesprochen, wenn es dem Verkäufer möglich
ist, sein Produkt nach Unterscheidung der Gruppenzugehörigkeit von Personen preislich zu
variieren.8 Hierbei spielen beobachtbare Signale, nach denen verschiedene Käufertypen unter-
* Da die Preisdifferenzierung dritten Grades grundsätzlich die Anforderungen der Preisdifferenzierung ersten
Grades lockert (nur noch gruppenspezifische statt individuelle Betrachtung), wird die Preisdifferenzierung dritten Grades direkt im Anschluss zur Preisdifferenzierung ersten Grades behandelt. Zudem dient die Analyse der
Preisdifferenzierung dritten Grades als Basis für die Analyse der Preisdifferenzierung zweiten Grades.
6
Vgl. Feess (1997), S. 333 f.
7
Vgl. z.B. Schade, Christian: Konsumentenentscheidungen bei Versicherungen – Experimentelle Ergebnisse zu
ausgewählten Marketingproblemen. Unveröffentlichte Habilitationsschrift, Frankfurt 1999. S. 98 f.
8
Vgl. Feess, Eberhard: Mikroökonomie – Eine spieltheoretisch- und anwendungsorientierte Einführung. Marburg 1997, S. 333.
-5schieden werden können, eine entscheidende Rolle. Sind diese dem Verkäufer bekannt, kann
er für jede Gruppe den „passenden“ Preis wählen, der seinen Profit maximiert.
Häufig werden als Beispiele der Preisdifferenzierung dritten Grades Ermäßigungen für Studenten oder Pensionäre genannt9, andere Überlegungen wären z.B. Vergünstigungen bei
Flugpreisen, wenn zwischen Hin- und Rückflug ein Wochenende liegt. Dies entspricht einer
Differenzierung zwischen Geschäfts- und Urlaubsreisenden, wobei die Geschäftsreisenden
eine annahmegemäß höhere Zahlungsbereitschaft haben sollten als die Urlaubsreisenden.
Im Versicherungskontext muss sich eine Preisdifferenzierung an der Risikoklasse der Versicherungsnehmer orientieren. Im Fall der Preisdifferenzierung dritten Grades bedeutet dies,
dass beobachtbare Signale über die Zuordnung einer Person zu den H-Typen oder L-Typen
vorliegen muss. Annahmegemäß sollten H-Typen eine höhere Zahlungsbereitschaft für Versicherungsprodukte haben als L-Typen.
In der Praxis kann diese Art der Preisdifferenzierung bei geschlechtsabhängigen Versicherungstarifen beobachtet werden: z.B. werden bei privaten Rentenversicherungen von Frauen
(aufgrund der statistisch höheren Lebenserwartung) höhere Prämien verlangt als von Männern.10 Da Versicherungen die Information bezüglich des Geschlechts einfach beobachten
(bzw. erfragen) können und Arbitrage aufgrund der Personengebundenheit der Verträge unmöglich ist, entsteht ein stabiles Gleichgewicht. Weitere beobachtbare Signale sind z.B. bei
Kfz-Versicherungen die Regionalklasse oder das Alter und die Schadensfreiheitsklasse des
Halters.
In der folgenden Analyse wird somit davon ausgegangen, dass die beobachtbaren Signale bezüglich der Einstufung zum H-Typen oder L-Typen der Versicherung vor Vertragsabschluss
vorliegen, dass also vollständige Information hinsichtlich dieser Merkmale vorliegt.
Ein Versicherungsvertrag wird beschreiben durch die Prämie P und die Höhe der Deckung q.
Der Versicherungsnehmer zahlt also P an die Versicherung und erhält im Schadensfall q vom
Versicherungsanbieter.
Der Referenzfall mit vollständiger Information wurde im Rothschild-Stiglitz-Modell analysiert.11 Die Annahmen dieses Modells lauten:
9
Wettbewerb unter risikoneutralen Versicherern
Vgl. Varian (2001), S. 426.
Vgl. o.V.: „Zur Debatte um geschlechtsunabhängige Tarife in der Rentenversicherung“, http://www.gdv.de/
11
Rothschild, Michael/ Stiglitz Joseph Eugene: “Equilibrium in competitive insurance markets: an essay on the
economics of imperfect information” in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 90, 1976, S. 629 – 649.
10
-6-
Keine administrativen/ rechtlichen Kosten
-
Freier Marktzutritt/ -austritt
-
2 Typen von Versicherungsnachfragern i, i = l, h (low risks, high risks) mit den Schadenseintrittswahrscheinlichkeiten πl, πh, wobei πl < πh.
-
Versicherungsanbieter kennen die Höhe von πl < πh sowie die Anzahl von l bzw. h
-
Jeder Versicherungsnehmer kann nur bei einer Versicherung einen Vertrag (Pi, qi) abschließen.12
Die Annahme des Wettbewerbsmarkts impliziert, dass im Gleichgewicht Nullgewinne herrschen. Gäbe es positive erwartete Gewinne, würden Marktzutritte und ein steigendes Angebot
von Versicherungsverträgen dazu führen, dass die Renditen auf das Gleichgewichtsniveau mit
Nullgewinnen sinken. Außerdem impliziert die Wettbewerbsannahme, dass bessere Verträge
immer angeboten werden, wenn dies für einen Anbieter keinen Verlust bedeutet. Ein Versicherungsanbieter wird also immer dann einen neuen, verbesserten Vertrag anbieten, wenn
dieser mindestens die Break-Even-Bedingung (d.h. die Versicherung macht keinen Verlust)
gegenüber dem alten Vertrag erfüllt und im Vergleich zu diesem von den Kunden präferiert
wird.13 Im Gleichgewicht muss also gelten, dass kein verbesserter Vertrag mehr angeboten
werden kann. Die Annahme der Kostenfreiheit erlaubt das Angebot einer fairen Prämie, bei
der der zu zahlende Preis für die Versicherung der Schadenseintrittswahrscheinlichkeit eines
Individuums entspricht.14
Mit Ausnahme der unterschiedlichen Schadenseintrittswahrscheinlichkeiten πl < πh sind die Lund H-Typen identisch, d.h. sie verfügen über dieselbe konkave Nutzenfunktion v(•), dieselbe
Einkommensausstattung y0 sowie dieselbe Schadenshöhe („loss“) L. Die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit eines Individuums wird exogen bestimmt und ist dem Individuum bekannt.15
Bei vollständiger Information kann der Versicherungsanbieter kostenfrei feststellen, zu welcher Schadensklasse ein Individuum gehört, so dass er jedem Typus einen fairen Vertrag
(Ph, qh) bzw. (Pl, ql) anbieten kann. Der Wettbewerb sorgt dafür, dass im Marktgleichgewicht
nur Verträge verkauft werden, die den Erwartungsnutzen jedes Typus maximieren sowie die
Break-Even-Bedingung erfüllen.
12
13
14
15
Vgl. Gravelle, Hugh/ Rees, Ray: Microeconomics. London 1992, S. 672.
Vgl. Gravelle et al., S. 672.
Vgl. Gravelle et al., S. 672.
Vgl. Gravelle et al., S. 673.
-7Bei einer fairen Prämie Pi = πi qi lauten die zustandsabhängigen Einkommen y für Typ i:
(a)
(b)
y1 = y0 – Pi = y0 - πi qi
y2 = y0 – L - Pi + qi = y0 – L + (1 - πi)* qi
Wobei:
y0 Einkommensgrundausstattung
y1 Vermögen ohne Schaden
y2 Vermögen im Schadensfall
πi Schadenseintrittswahrscheinlichkeit für Typ i
qi Höhe der Deckung für Typ i
L Höhe des Schadens
Pi Prämie für Typ i
Der erwartete Nutzen Vi für jeden Typ i = h,l ist dann
(c)
Vi = Vi(Pi, qi) = (1 - πi) v (y0 - Pi) + πi v(y0 – L - Pi + qi)
Wobei:
Vi erwarteter Nutzen für Typ i
v(•) Nutzenfunktion
Da Pi = πi qi gelten muss, damit die Versicherung keinen Verlust macht, substituiert man in (c)
nun πi qi für Pi. Ableiten nach qi gibt den optimalen Gleichgewichtsvertrag für Typ i an:
(d)
dVi / dqi = - (1 - πi) v’ (y1) πi + (1- πi) v’(y2) πi = 0
→ (1 - πi) v’ (y1) πi = (1- πi) v’(y2) πi
→
y1 = y2
Bei gleicher Anfangsaustattung wählen somit beide Typen die Vollversicherung mit qi* = L
(Höhe der Deckung = Höhe des Schadens).16 Hier sind die zustandsabhängigen Einkommen
identisch: y1 = y2.
Abbildung 1 verdeutlicht den Fall der vollständigen Information. Eine Preisdifferenzierung
dritten Grades, bei der jedem Individuum ein Vertrag entsprechend seiner Schadensklassenzugehörigkeit angeboten werden kann, ist hier möglich.
Die Steigung der Indifferenzkurven Ii entspricht
(e)
(1   i ) v ' ( y1 )
dy 2

dy1
 i v' ( y 2 )
Wie festgestellt, sind die zustandsabhängigen Einkommen y1 = y2, so dass das erwartete Einkommen eines Versicherungsnehmers (und damit der erwartete Profit des Versicherungsanbieters) konstant ist auf Geraden mit der Steigung -(1 - πi)/ πi.17 Der Gleichgewichtsvertrag
eines Typen i liegt somit auf dem Punkt Ai auf der Sicherheitslinie (45°-Gerade), an dem die
16
17
Vgl. Gravelle et al., S. 672 f.
Vgl. Gravelle et al., S. 673.
-8Indifferenzkurven Ii die Erwartungswertgeraden (als Orte der erwarteten zustandsabhängigen
Einkommensverteilungen) y0Bi tangieren.18
Bei gleicher Anfangsaustattung y0 = (y, y-L) wählt jeder Typ i = h,l eine volle Versicherung
im Punkt Ah bzw. Al auf der Sicherheitslinie. Bei vollständiger Information kann sich jedes
Individuum zu einer fairen Prämie voll versichern.
Abbildung 1. Separierendes Gleichgewicht bei der Preisdifferenzierung dritten Grades
Quelle: Gravelle et al. (1992), S. 673.
Die Individuen mit dem hohen Risiko würden natürlich gerne denselben Vertrag abschließen
wie die Individuen mit dem geringen Risiko (da ja Pl < Ph wegen πl < πh), dies ist aber aufgrund der Annahme der vollständigen Information unmöglich, wonach der Versicherer jeden
Typus identifizieren kann. Bei Vorliegen von vollständiger Information hinsichtlich der Differenzierungskriterien „gutes Risiko“ und „schlechtes Risiko“ ist die Preisdifferenzierung dritten Grades für einen Versicherungsanbieter also erfolgreich durchführbar. Es liegt ein separierendes Gleichgewicht vor und die Versicherung macht keinen Verlust.
18
Vgl. Gravelle et al., S. 673.
-93.3.
Preisdifferenzierung zweiten Grades
Preisdifferenzierung zweiten Grades bedeutet, dass kein konstanter Preis pro Outputeinheit
existiert, sondern dass dieser von der gekauften Menge abhängt. Entsprechend wird diese
Form der Preisdifferenzierung als „nicht-lineare Preissetzung“ bezeichnet.19 Die Preisdifferenzierung zweiten Grades ermöglicht es dem Anbieter, Unterschiede in den Zahlungsbereitschaften von Konsumenten in seiner Preisgestaltung auszunutzen, ohne dass er dabei Kenntnis über die individuellen Reservationspreise der Abnehmer haben muss.
Durch das Angebot von verschiedenen Preis-Mengen-Kombinationen setzt der Verkäufer den
Anreiz für Konsumenten, ihre Zahlungsbereitschaften zu offenbaren. Eine Kombination wird
sich an die Person mit hoher Zahlungsbereitschaft richten, die andere an die Person mit niedriger Zahlungsbereitschaft.20 Damit wird angestrebt, dass jeder Konsument genau die PreisMengen-Kombination wählt, die der Verkäufer für ihn „bestimmt“ hat und so der Selbstselektionsprozess der Konsumenten im Sinne des Verkäufers „richtig“ abläuft.
In der Praxis erfolgt die Preisdifferenzierung zweiten Grades oft so, dass die Selbstselektion
nicht durch die Mengen- sondern durch die Qualitätsanpassung des Gutes erreicht wird.21 Die
zugrunde liegende Idee und daraus resultierende Konsequenzen sind für beide Fälle identisch.
Für Versicherer besteht die Notwendigkeit der Preisdifferenzierung zweiten Grades dann,
wenn die Risikoklasse der Individuen nicht beobachtbar ist. Dies ist etwa bei Unfallversicherungen der Fall, wenn die Prämien danach differenziert werden, ob Schäden durch Risikosportarten wie z. B. Fallschirmspringen abgedeckt werden oder nicht. Da das Risikoverhalten
des Kunden für den Versicherungsgeber nicht beobachtbar ist, setzt er so einen Anreiz für die
Kunden, ihr Risiko zu offenbaren. Generell kann dieser Anreiz durch das Angebot von Verträgen mit differenzierten Leistungen im Schadensfall gesetzt werden.
Für einen Versicherungsanbieter, der zwischen H- und L-Typen differenziert, besteht eine
mögliche Anpassungsstrategie darin, sowohl eine Vollversicherung als auch eine Teilversicherung (bzw. ein Preismodell mit Selbstbeteiligung) anzubieten. Es werden also zwei differenzierte Verträge (Ph, qh) und (Pl, ql) angeboten, zwischen denen die Versicherungsnehmer
die Wahl haben, wobei auch weiterhin gilt Pi = πi.22 Bis auf die Information über den individuellen Schadenstypus haben auch alle übrigen Annahmen des dargestellten RothschildStiglitz-Modells weiter Bestand.
19
20
21
22
Vgl. Varian (2001), S. 422.
Ebenda, S. 424.
Ebenda, S. 424.
Vgl. Gravelle et al., S. 675.
- 10 Vor die Wahl gestellt, werden die Konsumenten ihren Risikotypus offenbaren und über die
Selbstselektion den für sie „richtigen“ Vertrag wählen: H-Typen kaufen aufgrund ihrer hohen
Schadenseintrittswahrscheinlichkeit und der damit einhergehenden höheren Zahlungsbereitschaft die Vollversicherung (gleichbedeutend mit voller Höhe/ Qualität der Schadensabdeckung), L-Typen reicht die Teilversicherung mit Selbstbehalt (reduzierte Höhe/ Qualität der
Schadensabdeckung).
Die Notwendigkeit der Selbstselektion ist grundsätzlich nur für die H-Typen relevant, da das
Problem für den Versicherer ja darin besteht, die H-Typen davon abzuhalten, sich als LTypen auszugeben, und nicht umgekehrt. Formal lautet diese intuitiv gut nachzuvollziehende
Selbstselektionsbedingung also:
(1   h )v( y 0   h q h )   h v( y 0  L  (1   h )q h )
(f)

0
(1   h )v ( y   l q l )   h v( y 0  L  (1   l )q l )
Die Vertragskonditionen müssen also so gestaltet werden, dass bei der Beurteilung durch einen H-Typen der Nutzen des Vertrags mit voller Deckung mindestens dem Nutzen des Vertrags mit Selbstbeteiligung entspricht, damit die H-Typen ihre Risikoklasse wahrheitsgemäß
offenbaren und nicht den prämiengünstigeren Vertrag der L-Typen erwerben.
Da die H-Typen eine hohe Zahlungsbereitschaft haben, soll weiterhin q h*  L gelten. Dann
muss die Leistung des prämiengünstigeren Vertrags (Pl, ql) für den Schadensfall so gestaltet
werden, dass dieser Vertrag für die H-Typen unattraktiv erscheint und sie ihn nicht nachfragen. 23 Dies geschieht durch die Verringerung der Qualität des für die L-Typen angebotenen
Vertrages, um nicht die Verkäufe der H-Typen zu „kannibalisieren.“24 Für einen Versicherungsanbieter bedeutet dies, die Deckung des für die L-Typen gestalteten Vertrages (Pl, ql)
unter die volle Schadenshöhe zu senken. Die Versicherungsnehmer des L-Types werden diesen Vertrag dennoch abschließen, da sie aufgrund der Kenntnis ihrer eigenen Risikoklasse
dieses Preis-/ Leistungsverhältnis für angemessen halten. Den Vertrag (Ph, qh) fragen die LTypen trotz der vollen Deckung nicht nach, da dessen Preis für ihren Risikotypus zu hoch ist.
Bei der Preisdifferenzierung zweiten Grades stellen sich demzufolge die Konsumenten des
unteren Marktsegmentes (die L-Typen) schlechter als in dem im vorherigen Kapitel dargestellten Fall der vollständigen Information (Preisdifferenzierung dritten Grades), da sie nur
23
24
Vgl. Gravelle et al., S. 675.
Vgl. Varian (2001), S. 424.
- 11 noch über eine Teildeckung im Schadensfall verfügen, während die H-Typen auch weiterhin
die volle Schadensdeckung erhalten. Dieser externe Effekt auf die L-Typen resultiert aus der
Unkenntnis des Versicherers über die Risikoklasse seiner Kunden. Er kann nicht, wie bei der
Preisdifferenzierung dritten Grades, jedem Risikotypus einen fairen Vertrag mit voller Deckung anbieten, sondern muss die preislichen Differenzen zwischen den Verträgen mit der
Anpassung des Deckungsgrades kombinieren. Durch die Teildeckung übernehmen die LTypen die Kosten für die Selektion25 bei der Preisdifferenzierung zweiten Grades.
Abbildung 2 verdeutlicht die Situation. Die H-Typen erwerben volle Deckung im Punkt Ah
auf der Sicherheitslinie. Für die L-Typen wird ein Vertrag d angeboten, der unterhalb der Sicherheitslinie liegt und somit einen Selbstbehalt impliziert. Hier schneidet die Indifferenzkurve Ih durch den Punkt Ah die Erwartungswertgerade Bly0 der L-Typen, d.h. hier sind die HTypen indifferent zwischen ihrem Vertrag Ah und dem Vertrag d der L-Typen. Die Selbstselektionsbedingung für H schließt ein Angebot von Verträgen aus, die über Ih und auf Bly0 liegen, da sie von den H-Typen präferiert würden und somit zu Verlusten für die Versicherung
führen würden. Verträge unterhalb von Ih auf Bly0 reduzieren den Erwartungsnutzen der LTypen und sind somit nicht optimal.
Abbildung 2. Separierende Verträge bei der Preisdifferenzierung 2. Grades
Quelle: Gravelle et al. (1992), S. 676.
25
Vgl. Gravelle et al., S. 676.
- 12 Das separierende Gleichgewicht liegt also bei (Ah, d). Der Vertrag d wird nur von den LTypen gewählt, da der hohe Anteil an Selbstbeteiligung (bzw. die reduzierte Schadensdeckung) die H-Typen dazu ermutigt, ihr Risiko zu offenbaren und den Vertrag Ah zu wählen.
Im Punkt (Ah, d) sind die Break-Even-Bedingung und die Selbstselektionsbedingung erfüllt.
Da es zudem kein Vertragspaar gibt, das dem Paar (Ah, d) überlegen ist, ist dies das stabile
Gleichgewicht im Wettbewerb. Die Preisdifferenzierung zweiten Grades kann also erfolgreich
implementiert werden, wenn es dem Versicherer gelingt, seine Versicherungsangebote so zu
gestalten, dass der Anreiz zur Selbstselektion besteht.
4.
Preisbündelung
Preisbündelung dient dazu, Gewinnpotentiale besser auszunutzen und Gewinne in einem
Mehr-Produkt-Unternehmen zu maximieren. Dies geschieht durch den Zusammenschluss
mehrerer Produkte zu einem Bündel, so dass die Nachfrageheterogenität reduziert wird und so
die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten ausgeschöpft wird.26
Mehr-Produkt-Firmen stellt sich das Entscheidungsproblem, ob Produkte und Dienstleistungen separat zu individuellen Preisen oder gebündelt zu „Bündelpreisen“27 verkauft werden
sollen. In vielen Industrien – insbesondere im Dienstleistungsbereich – spielt die Strategie der
Preisbündelung eine bedeutungsvolle Rolle. Dies gilt u.a. auch für den Banken- und Versicherungssektor.28 So gibt es diverse Sparkassen, welche die klassischen Bankprodukte (Girokonto, Kreditkarte, etc.) mit Versicherungsprodukten sowie zusätzlichen Dienstleistungen wie
Reise- oder Freizeitprodukten kombinieren und als Bündel zum Verkauf anbieten.29 Als Beispiel sei hierfür das Bonviva-Paket von CreditSuisse genannt, welches dem Kernprodukt
„Bankwesen“ die Komponenten Versicherung von Intertours-Winterthur sowie Zusatzleistungen wie z.B. vergünstigte Tarife für Mietautos, Hotels und Restaurants hinzufügt.30 Abbildung 3 illustriert einige Möglichkeiten zur Gestaltung derartiger Bank-Versicherungs-Bündel:
26
Vgl. Wübker, Georg/ Simon, Hermann: „Price Bundeling – A Powerful Strategy To Increase Profit“ in: The
Journal of Professional Pricing, 1. Quartal 2005, S. 6.
27
Wübker et al., S. 6.
28
Vgl. Wübker et al., S. 6.
29
Vgl. Wübker et al., S. 7.
30
Vgl. Wübker et al., S. 7.
- 13 Abbildung 3. Gestaltungsoptionen für ein Bank-Versicherungs-Bündel
Event-Veranstaltungen
Zusatzleistungen
Unfallversicherung
Zeitschriftenabonnements
Versicherungsprodukte
Bankprodukte
Reiseversicherung
Vergünstigungen
für Hotels,
Restaurants,
Kino, etc.
(Kontoführung, Darlehen,
Investment, etc.)
Lebensversicherung
Schadensversicherung
Notfall-Rettungsservice
Handwerkervermittung
Quelle: in Anlehnung an Wübker et al., S. 7.
Aufgrund der steigenden Zahl von Mergers und Kooperationen zwischen Banken und Versicherungsgesellschaften (z.B. Dresdner Bank und Allianz) sind weitere und umfassendere Finanzpakete dieser Art auf dem Markt zu erwarten.31
Die Strategie der Preisbündelung kann entweder in Form des „pure bundeling“ (der Verkauf
der Produkte erfolgt ausschließlich als Bündel) oder in Form des „mixed bundeling“ (der
Verkauf der Produkte erfolgt sowohl im Bündel als auch separat) implementiert werden.32
Mit Hilfe der Preisbündelung kann der Verkäufer die Zahlungsbereitschaften seiner Kunden
besser ausschöpfen und dadurch seinen Gewinn steigern. Dies geschieht durch die Übertragung von Zahlungsbereitschaften von einem Produkt auf ein anderes.33
Das folgende Zahlenbeispiel verdeutlicht diesen Effekt. Es soll angenommen werden, dass
eine Versicherung ihr Angebot an einem Produkt A (z.B. Hausratversicherung) um ein Produkt B (z.B. Haftpflichtversicherung) erweitern möchte. Die Zahlungsbereitschaften von vier
verschiedenen Kundensegmenten werden in Tabelle 2 dargestellt.
31
Vgl. Wübker et al., S. 7.
Vgl. Wübker et al., S. 6.
33
Vgl. Stremersch, Stefan/ Tellis, Gerard: „Strategic Bundeling of Product Prices: A New Synthesis for Marketing“ in: Journal of Marketing, Vol. 66, Januar 2002, S. 57.
32
- 14 Tabelle 2. Zahlungsbereitschaften bei separater Preissetzung und bei Preisbündelung
Kundensegment
1
2
3
4
A
9.0
8.0
4.5
2.5
Reservationspreise (€ pro Monat)
B
Bündel (A + B)
1.5
10.5
5.0
13.0
8.5
13.0
9.0
11.5
Quelle: in Anlehnung an Wübker et al, S. 9.
Unter der Annahme, dass Kosten gleich Null sind, werden Umsätze maximiert.34 Somit ergeben sich drei Möglichkeiten der Preissetzung:
a) Separate Preissetzung: Der maximal erreichbare Gewinn wird erzielt, wenn das Produkt A zu 8 õ und Produkt B zu 8.5 õ verkauft wird. Es werden jeweils 2 Einheiten der
beiden Produkte verkauft und es ergibt sich ein Gewinn von 8*2 + 8.5*2 = 33 õ.
b) Pure Bundeling: Das Bündel hat den optimalen Preis von õ 10.5, zu welchem alle 4
Segmente kaufen. Der Gewinn ist dann 10.5*4 = 42 õ. Dies entspricht einer Gewinnsteigerung von 27.3 % im Vergleich zur separaten Preissetzung.
c) Mixed Bundeling: Hier kaufen Segmente 2 und 3 das Bündel zum Preis von õ 10.5.
Produkt A wird zum umsatzmaximierenden Preis von õ 9.0 angeboten und so nur von
Segment 1 gekauft. Der umsatzmaximierende Preis für Produkt B ist ebenfalls õ 9.0,
zu dem ausschließlich Segment 4 kauft. Der Gewinn lautet dann 13*2 + 9*2 = 44 õ.
Im Vergleich zur separaten Preissetzung bedeutet dies eine Gewinnsteigerung von
33.0 %. Im Vergleich zum Pure Bundeling ergibt sich eine Gewinnsteigerung von
4.8 %.35
Wie das Rechenbeispiel zeigt, kann durch die Preisbündelung die Zahlungsbereitschaften über
verschiedene Produkte hinweg addiert werden, d.h. es ist möglich, einen Überschuss an Konsumentenrente von einem Produkt auf ein anderes zu transferieren, so dass das Bündel von
mehr Kunden erworben wird.36 Dieser Effekt kann durch die Option, dass Bündel zu einem
niedrigeren Preis als der Summe der zwei separaten Preise zu verkaufen, verstärkt werden.37
Ein weiterer Grund für die Gewinnsteigerung ist die mit der Preisbündelung erreichte Ausnutzung von cross-selling Potentialen und den daraus resultierenden höheren Verkaufsvolumi-
34
35
36
37
Vgl. Wübker et al., S. 9.
Vgl. Wübker et al., S. 9f.
Vgl. Wübker et al., S. 10.
Vgl. Stremersch et al., S. 57.
- 15 na.38 Dies wird im Beispiel des Mixed Bundeling deutlich, in welchem nicht nur 2 Komponenten zu õ 9, sondern zusätzlich noch 2 Komponenten im Bündel zu õ 13 verkauft werden.
Da dieser Preis unter der Summe der individuelle Preise (õ 18) liegt, steigen die Verkaufszahlen.
Die Bündelung von unterschiedlich gefragten Produkten steigert den Absatz von Produkten
mit geringerer Nachfrage.39 Ein Bank- und Versicherungsunternehmen könnte z.B. Kernprodukte wie Giro- und Sparkonten, die aufgrund der für den Kunden hohen Priorität und der
entsprechend hohen Konkurrenz zu einem sehr niedrigen Preis oder sogar gratis angeboten
werden müssen, um zusätzliche Leistungen wie etwa einem Versicherungsschutz ergänzen. 40
Das so gekoppelte Angebot steigert die Zahlungsbereitschaft der Kunden.
Generell kann die Bündelung von tendenziell unprofitablen Produkten mit Produkten mit hohen Margen die Finanzsituation eines Unternehmens verbessern.41 Empirische Studien zeigen
zudem, dass ein „lock-in“ Effekt kreiert wird, da Kunden vor einem Wechsel einer Bank oder
Versicherung eher zurückschrecken, je mehr Leistungen sie bei dem Anbieter in Anspruch
nehmen. 42
5.
Fazit
Die Preissetzung ist von besonderer Relevanz für die Marketingpolitik einer Versicherung, da
nur durch die Setzung „richtiger“ Prämien die zukünftige finanzielle Situation eines Versicherungsunternehmens gesichert werden kann. Unterlaufen der Versicherung hierbei Fehler, läuft
sie Gefahr, nur von schlechten Risiken erworben zu werden und somit Verlust zu machen.
Preisdifferenzierung stellt somit für einen Versicherungsdienstleister eine Notwendigkeit in
der Preisgestaltung dar. Da eine (relativ) dauerhafte finanzielle Gegenseitigkeit bei einem
Versicherungsvertrag besteht, muss ein Anbieter seine Kunden so selektieren, dass sein zukünftiger Cash Flow gesichert wird. Um nicht, wie mit einer Durchschnittstarifierung, nur
schlechte Risiken an die Versicherung zu binden, muss eine preisliche Differenzierung zwischen schlechten und guten Risiken stattfinden. Dies kann mit Hilfe der Preisdifferenzierung
zweiten und dritten Grades erfolgen. Eine Preisdifferenzierung ersten Grades, bei der jedem
Individuum ein Produkt zu seinem jeweiligen Reservationspreis verkauft wird, ist für den
38
39
40
41
42
Vgl. Wübker et al., S. 10.
Vgl. Wübker et al., S. 10.
Vgl. Wübker et al., S. 10.
Vgl. Wübker et al., S. 10.
Vgl. Wübker et al., S. 11.
- 16 Versicherungssektor nicht relevant. Auch wenn eine solche Differenzierungsstrategie über
Auktionen verfolgt werden kann, muss angenommen werden, dass die Transaktionskosten
einer solchen Auktion die potentiellen Gewinne übersteigen.
Die Preisbündelung stellt im Gegensatz zur Preisdifferenzierung keine Notwendigkeit, sondern eine Option für die preisliche Ausgestaltung von Versicherungsprodukten dar. Ähnlich
wie bei der Preisdifferenzierung ist auch hier die erweiterte Abschöpfung der Konsumentenrente das Ziel. Dies gelingt, indem durch den Zusammenschluss mehrerer Produkte unter einem Preis-„Dach“ die Konsumentenrente von einem Produkt auf ein anderes transferiert werden kann. Durch den Verkauf von mehreren Policen an einen Kunden wird ein lock-in-Effekt
kreiert und so eine erhöhte Kundenbindung erreicht.
Weiterführende Überlegungen könnten bei der Preisdifferenzierung zweiten Grades analysieren, inwieweit der Selbstselektionsmechanismus zu Ineffizienzen führt. In dieser Arbeit wurde davon ausgegangen, dass Individuen ihr eigenes Risiko kennen. Praktisch aber erfolgt eine
Selbsteinstufung der Versicherungsnehmer über die subjektive Einschätzung des eigenen Risikos, welche möglicherweise von der objektiven Schadenseintrittswahrscheinlichkeit und
-höhe abweicht. Dadurch könnten Fehler bei der Entscheidung für oder gegen eine Selbstbeteiligung erfolgen.
Für die Preisbündelung wäre es interessant zu untersuchen, ob der Nutzen für Versicherungen
aus der Preisbündelung auch daraus entstehen kann, dass möglicherweise mehr Versicherungsschutz für unterschiedliche Risiken erworben wird und dadurch ein Risikodiversifizierungseffekt über den Pool von Versicherungsnehmern entsteht.
Dass die vorgestellten und angeregten Überlegungen hinsichtlich der Preissetzung für Versicherungsdienstleister durchaus von Bedeutung sind, zeigen Analysen der Unternehmensberatung Simon Kucher: „Intelligente Pricing-Strategien verbessern die Combined Ratio drei- bis
viermal so stark wie Volumenwachstum oder Kostensenkung. Pricing ist der Gewinntreiber
Nummer Eins für Versicherer.“43
43
Ohne Verfasser: „Versicherungen – Herausforderungen für die Branche“, http://www.simonkucher.com/deu04/232_branchen_versicherungen.html
- 17 -
Literaturverzeichnis
1. Feess, Eberhard: Mikroökonomie – Eine spieltheoretisch- und anwendungsorientierte
Einführung. Marburg 1997.
2. Gravelle, Hugh/ Rees, Ray: Microeconomics. London 1992.
3. Kotler, Philip: Marketing Management - Analysis, Planning, Implementation and
Control. Upper Saddle River 1997.
4. Meffert, Heribert/ Bruhn, Manfred: Dienstleistungsmarketing. Grundlagen – Konzepte
– Methoden. Wiesbaden 1995.
5. Rothschild, Michael/ Stiglitz, Joseph Eugene: “Equilibrium in competitive insurance
markets: an essay on the economics of imperfect information” in: Quarterly Journal of
Economics, Vol. 90, 1976, S. 629 – 649.
6. Schade, Christian: Konsumentenentscheidungen bei Versicherungen – Experimentelle
Ergebnisse zu ausgewählten Marketingproblemen. Unveröffentlichte
Habilitationsschrift, Frankfurt 1999.
7. Stremersch, Stefan/ Tellis, Gerard: „Strategic Bundeling of Product Prices: A New
Synthesis for Marketing“ in: Journal of Marketing, Vol. 66, Januar 2002, S. 55 – 72.
8. Varian, Hal: Grundzüge der Mikroökonomik. Oldenbourg 2001.
9. Wübker, Georg/ Simon, Hermann: „Price Bundeling – A Powerful Strategy To
Increase Profit“ in: The Journal of Professional Pricing, 1.Quartal 2005, S. 6 – 13.
10. Ohne Verfasser: „Versicherungen – Herausforderungen für die Branche“,
http://www.simon-kucher.com/deu04/232_branchen_versicherungen.html (01.06.05)
11. Ohne Verfasser: „Zur Debatte um geschlechtsunabhängige Tarife in der
Rentenversicherung – Drei Irrtümer“, http://www.gdv.de/download/Unisex_6.pdf
(01.06.05)
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