Differentielle Effekte von gestenunterstütztem Wortlernen bei Patienten mit Restaphasie Klaus-Martin Krönke1, Indra Kraft1,3, Frank Regenbrecht2, Frank Domahs3 & Hellmuth Obrig1,4 1Max Planck Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig; 2Tagesklinik für Kognitive Neurologie, Universitätsklinikum Leipzig; 3Phillipps-Universität Marburg; 4Neurologische Klinik Charité, Berlin [email protected] Einleitung Methoden Funktionale Bildgebung (fMRT) • Im Gegensatz zu traditionellem rein verbalen Wortlernen aktivieren Wörter, die mit ikonischen Gesten gelernt wurden ein links „brafi“ „drobe“ lateralisiertes Netzwerk (IFG, ITG, SMG)*, welches eine stärkere lexiko-semantische Enkodierung dieser Wörter vermuten lässt [1] „grule“ Klinische Studien • + + „vrebu“ Es wurde gezeigt, dass ikonische Gesten Aphasiepatienten den lexikalischen Abruf erleichtern können [2] • Es gibt unterschiedliche Hinweise darauf, dass eine erfolgreiche gestenunterstützte Sprachtherapie davon abhängt auf welcher Ebene die Sprachbeeinträchtigung liegt: • Phonologisch [3, 4] • Sprechapraxie [5] • Lexiko-semantisch [6] N =14, 6 weiblich, 37-71 Jahre Fragestellung Behavioral 1. Unterstützen Gesten den Erwerb neuer Wörter bei Patienten mit Läsionen im Sprachnetzwerk? C 2. Ist erfolgreiches gestenunterstütztes Wortlernen abhängig vom Results patholinguistischen Profil? 3. Gibt es einen Zusammenhang zwischen spezifischen Läsionen und erfolgreichem Wortlernen mit Gesten? *IFG = Infeiror frontal gyrus; ITG = Inferior temporal gyrus; SMG = supramarginal gyrus Ergebnisse Läsionsanalyse Relative frequency of damage* s Relative frequency of damage* A B C Läsions-overlay (N=12) Subtraktion (High effectGEST) – (No effectGEST) Subtraktion (No effectGEST) – (High effectGEST) *For display reasons only those voxels are shown, which are at least 18% more damaged in one or the other group; VLSM reproduced the same lesion pattern for effectGEST(trend) Diskussion Läsionsergebnisse Behaviorale Ergebnisse • • • Das Läsionsoverlap zeigt den Schwerpunkt der Läsionen in links-frontalen Bereichen (IFG, Insula), die sich Trotz Läsionen im Sprachnetzwerk sind Patienten mit Restaphasie dazu in der Lage neue Wörter zu bis in temporale (Heschl‘s Gyrus, MTG, ITG) und parietale Regionen ausdehnen (Gyrus postcentralis, lernen (M = 39%, SD = 30%). SMG). Obwohl auf der Gruppenebene kein Unterschied bestand zwischen Lernen mit Gesten (M = 39%, • SD = 30%) und Lernen in der verbalen Bedingung (M = 38%, SD = 33%), so zeigte sich ein gestufter Gesteneffekt auf der individuellen Ebene: • tendenziell auf den linken IFG beschränken. • Je besser die lexiko-semantischen Fähigkeiten umso erfolgreicher war das Wortlernen mit Die Subtraktionsanalysen zeigen, dass Wortlernen mit Gesten erfolgreich ist, wenn sich die Läsionen Der Lernerfolg ist höher in der verbalen Bedingung (ohne Gesten) bei Patienten mit multiplen Läsionen, die sowohl den linken IFG wie auch den linken anterioren Temporallappen (ATL) betreffen [9]. Gesten (R2 = 0.46, p < .05) • Je schlechter die segmental-phonologischen Fähigkeiten umso erfolgreicher war Wortlernen mit Gesten (R2 = 0.17, p = .07) [4, 7, 8] • (1) In einer phonologisch komplexen Lernaufgabe können Defizite im segmental-phonologischen Bereich Eine hierarchische multiple Regression ergab, dass die erklärte Varianz des positiven Gesteneffekts erhöht werden kann (von 46% auf 76%), wenn zusätzlich das phonologische Arbeitsgedächtnis (digit-span backwards) berücksichtigt wird. durch gestenunterstütztes Training erfolgreich kompensiert werden. (2) Defizite im lexiko-semantischen Bereich verhindern erfolgreiches gestenunterstütztes Wortlernen auf Grund von fehlenden Voraussetzungen für die multimodale semantische Integration von Geste und Pseudowort. Literature: [1] Kroenke, K.-M., Mueller, K., Friederici, A.D. & Obrig, H. (in press). The effect of gestures on implicit retrieval of newly acquired words. Cortex. [2] Rose, M. (2006). The utility of arm and hand gestures in the treatment of aphasia. Advances in Speech-Language Pathology, 8(2): 92-109. [3] Rose, M. & Douglas J. (2001). The differential facilitatory effects of gesture and visualisation processes on object naming in aphasia. Aphasiology, 15 (10/11), 977-990. [4] Rose, M., Douglas, J. & Matyas, T. (2002). The comparative effectiveness of gesture and verbal treatments for a specific phonologic naming impairment. Aphasiology, 16 (10/11), 1001-1030. [5] Rose & Douglas, (2006). A comparison of verbal and gesture treatments for a word production deficit resulting from acquired apraxia of speech. Aphasiology, 20(12), 1186-1209. Schlussfolgerungen [6] Rose & Douglas (2008). Treating a semantic word production deficit in aphasia with verbal and gesture methods. Aphasiology, 22(1), 20-41. [7] Rodriguez, Raymer &Rothi (2006). Effects of gesture+verbal and semantic-phonologic treatments for verb retrieval in aphasia. Aphasiology, 20(2/3/4), 286-297. [8] Marangalo, Bonifazi, Tomaiuolo, Craighero, Coccia, Altoè, Provinciali & Cantagallo (2010). Improving language without words: First evidence from aphasia. Neuropsychologia, 48, 3824-3833. [9] Patterson, Nestor & Rogers (2007). Where do you know what you know? The representation of semantic knowledge in the human brain. Nature Reviews Neuroscience 8, 976-988. (3) Kombinierte Läsionen im linken IFG und im linken ATL können erfolgreiches gestenunterstütztes Lernen verhindern, weil beide Regionen in lexiko-semantischer Verarbeitung involviert sind und deren Störung die Integration von Geste und Pseudowort behindert.