Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Reformfakultät des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft Karen Voigt, Mandy Gottschall, Carola Münch, Grit Hübsch, Juliane Köberlein-Neu, Antje Bergmann Sind GKV-Routinedaten für Prävalenzschätzungen von Schilddrüsenerkrankungen geeignet? Eine Analyse hausärztlicher Diagnosedokumentation Bereich Allgemeinmedizin/MK3, Medizinische Fakultät, Technische Universität Dresden Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Einleitung Schilddrüsenerkrankungen in der Hausarztpraxis Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, 2014 Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Einleitung Schilddrüsenerkrankungen in der Hausarztpraxis A) Funktionelle Störungen der Schilddrüse (Hypothyreose E03, sofern jodmangelbedingt E02, sofern zustand nach Krankheitsverläufe können intraindividuell variieren: medizinischen Maßnahmen E89.0, Hyperthyreose E05) Hashimotothyreoiditis anfänglich teilweise mit B) Morphologische Veränderungen der Schilddrüse (Struma Hyperthyreose Gewebeverlust („Ausbrennen“) mit und ohne Knoten E04, sofern jodmangelbedingt E01) Hypothyreose C)Euthyreote Kombination aus A und (jeweils Spezifizierung unter E03, Struma OPB Hypothyreose E05) D) Entzündliche Erkrankungen der Schilddrüse (E06) E) Sonstige Erkrankungen der Schilddrüse (E07) Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Einleitung Schilddrüsenerkrankungen in der Hausarztpraxis Evidenz zu Epidemiologie, Diagnostik, Therapie im hausärztlichen Setting teilweise unzureichend Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Fragestellungen Welche Dokumentationsqualität bzgl. Schilddrüsenerkrankungen wird in Dresdner Hausarztpraxen beobachtet? 1. Wie hoch ist das Ausmaß ggf. fehlender, ungenauer (nicht aktualisierter) und unspezifischer Diagnosekodierungen? 2. Wie wirken sich Validierungsstrategien auf Prävalenzwerte aus? Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Methodik Forschungsprojekt „Multimedikation und ihre Folgen für die hausärztliche Patientenversorgung in Sachsen“ Querschnittstudie mit allgemeinmed. Lehrpraxen der TU Dresden • standardisierte Analyse von 1846 Krankenakten retrospektiv für ein randomisiertes Quartal 2012/Praxis: Einschlusskriterien: Patienten mit mind. 2 Dauerdiagnosen und mind. 2 Dauermedikationen (Wirkstoffe) • qualitative, leitfadenbasierte Interviews mit 7 Hausärzten u.a. mit Fallvignetten basierend auf vorherigen Krankenaktenanalysen Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Methodik Abgleich der Dokumentationsqualität Krankenaktenanalyse (n=1846) - Erfassung Dauer- und Akutdiagnosen - Erfassung Medikation Prüfung auf Kongruenz SD-Medikationen vs. SD-Diagnose (interne Plausibilitätsprüfung) fallbezogene Rücksprachen mit den Ärzten korrigierte Datenmatrix – Präzisierungen und Ergänzungen Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Ergebnisse 490 Schilddrüsendiagnosen bei 448 Patienten C73 E01 E03 E04 E05 E06 E07 E23 dok. SD-Erkrankungen [n=490] Anzahl Anzahl spezifische unspezifische 4 1,7% 0 11 4,6% 0 16 6,8% 73 28,9% 93 39,2% 117 46,2% 15 6,3% 41 16,2% 35 14,8% 4 1,6% 37 15,6% 18 7,1% 1 0,4% 0 E89 25 ICD-10 Gesamt 237 10,5% 0 48,4% 253 bösartige Neubildungen der Schilddrüse Jodmangelbed. SD-EK und verwandte Zustände Sonst. Hypothyreose Sonst. nichttox. Struma Hyperthyreose Thyreoiditis Sonst. Krankheiten der Schilddrüse Unterfunktion und andere Störungen der Hypophyse Hypothyreose nach med. Maßnahmen 51,6% Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Ergebnisse 1. Wie hoch ist das Ausmaß ggf. fehlender, ungenauer (nicht aktualisierter) und unspezifischer Diagnosekodierungen? Anzahl Schilddrüsen-Erkrankungen ICD-10 C73 E01 E03 E04 E05 E06 E07 E23 E89 vor Korrektur Spezifizierungen n=490 4 11 89 210 56 39 55 1 25 n=47 3 2 2 40 Ergänzungen nach fehlender Korrektur Diagnosen n=106 n=643 4 11 31 123 9 221 2 60 39 53 108 1 11 76 Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Ergebnisse Nach Einbezug der dokumentierten Verordnungen + in 20% der Fälle Rücksprache mit Hausärzten: • 18,2 % (1,1 – 35,8 %) aller Schilddrüsen-Diagnosen nicht, • 8,6 % (4,6 – 22,3 %) unpräzise (nicht aktuell), • > 50 % (14,9 – 73,8 %) unspezifisch dokumentiert. Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Ergebnisse 2. Wie wirken sich Validierungsstrategien auf Prävalenzwerte aus? Verteilung Diagnosen über Patienten mit SD-EK [in %] vor nach Korrektur Korrektur ICD-10 n=448 n=548 bösartige Neubildungen der Schilddrüse C73 0,9 0,7 2,5 2 Jodmangelbed. SD-EK und verwandte Zustände 19,9 46,9 11,6 8,7 12,3 22,4 40,3 10,9 7,1 19,7 Sonst. Hypothyreose Sonst. Krankheiten der Schilddrüse E23 0,2 0,2 Unterfunktion und andere Störungen der Hypophyse E89*** 5,2 13,9 Hypothyreose nach med. Maßnahmen E01 E03*** E04*** E05 E06 E07*** *** Chi²-Anpassungstest: p≤0,001 Sonst. nichttox. Struma Hyperthyreose Thyreoiditis Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Ergebnisse 2. Wie wirken sich Validierungsstrategien auf Prävalenzwerte aus? Prävalenz unkorrigiert 24,3 % (n = 448) korrigiert 29,7 % (n=548) + 5,5%. Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Schlussfolgerungen Prävalenzschätzungen nur anhand von dokumentierten Diagnosen methodisch limitiert (Hoffmann 2008, IGES 2012) Diagnosenvalidierung: Einbezug der dokumentierten Verordnungen UND Rücksprachen mit dokumentierendem Hausarzt Aus primärärztlicher Sicht: Hinterfragen Schilddrüsentherapeutika ohne Diagnose insbes. bei älteren Patienten angebracht (Viniol 2013) Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Schlussfolgerungen unspezifische Diagnoseverschlüsselung speziell im hausärztlichen Bereich weit verbreitet Unterkodierung spezifischer Schilddrüsen-Erkrankungen (Brenner 2007) Grenzen der ICD-10-Klassifikation im hausärztlichen Setting (Erler 2009, Kühlein 2011, Wockenfuß 2009) Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Kontakt: [email protected] Projekt gefördert durch in Kooperation mit dem Bergischen Kompetenzzentrum für Gesundheitsmanagement und Public Health/Bergische Universität Wuppertal