Soziologisches Institut der Universität Zürich Herbstsemester 2011 27.10.2011 Seminar: Soziologie der politischen Parteien Dozent: Prof. Dr. Hans Geser Erik Maey Konkurrenz zwischen Parteien Geser Hans: Parteienkonkurrenz als Determinante innerparteilicher Organisation. Zürich 2005. http://www.socio.ch/par/ges_13.pdf Intro Wie der Titel der 2005 veröffentlichten Schrift des Professors Dr. Hans Geser andeutet, scheint Konkurrenz, als kompetitives Verhaltens verstanden, in direkterer Beziehung zu innerparteilicher Organisation zu stehen. Begreift man die Organisation als umweltoffenes System, welches fähig wie aber auch genötigt ist, den Herausforderungen ihrer Umwelt durch eine entsprechende Formung ihrer Strukturen und Prozesse entgegenzutreten, so ist es evident, dass je nach Stärke interparteilicher Kompetitivtät mehr oder weniger “rationale“ Strukturen und Prozesse in diesen Organisationen vorherrschen. Genährt wird dieser Zusammenhang aus dem theoretischen Paradigma der „Kontingenten Organisation“ welcher postuliert: 1. Es gibt grundsätzlich keine im universellen Sinn “ funktionale Organisationsform“. 2. Es gibt nur eine beschränkte Zahl von Organisationstypen unter denen die Wahl getroffen werden muss. Diese theoretischen Annahmen müssen aber mit zusätzlichen Bedingungskonstellationen erweitert werden: Unternehmen müssen faktisch gezwungen sein ihre Strukturen und Prozesse „rational“ zu gestalten (weil sie andernfalls ihren Untergang herbeiführen oder Wachstumschancen verpassen). Sie dürfen keine „Exitoption“ in Anspruch nehmen dürfen. In dieser "sozialdarwinistischen" Sichtweise besitzen Umweltbedingungen also den Status von Gegebenheiten, die von den Organisationen weder auswählbar noch um gestaltbar sind, so dass sie - theoretisch gesprochen - als Rahmenbedingungen oder gar kausale Determinanten ihres Verhalten in Betracht gezogen werden können. 1. "Konkurrenz" ist auf dieser ersten, fundamentaleren Ebene eine Voraussetzung dafür, dass überhaupt mit Korrelationen zwischen Umweltstruktur und Organisationsstruktur gerechnet werden kann. 2. „Konkurrenz“ ist auf einer spezifischen Ebene nun aber auch genau eine Umweltbedingung, die –analog zu anderen Faktoren (wie z.B. „Ungewissheit“, „Komplexität“ oder Turbulenz), die Art und Weise beeinflusst, wie sich diese Korrelation zwischen Sozialsystem und Umwelt konkretisiert. Kaum eine andere Organisationsform als die Lokalparteien ist dem genannten Bedingungsgefüge mehr ausgesetzt. Sie sind durch Zuschreibung genötigt auf den Erwerb formaler Macht ausgerichtete Parteien zu sein und ausschliesslich innerhalb einer festgelegten Gemeinde und kantonalen Parteiorganisation zu operieren. Drei Haupteinflussfaktoren von Konkurrenzdruck auf Organisationen Hans Geser führt nun an, dass sich aus verschieden Studien Hinweise ergeben, dass die Strukturen und Prozesse der Organisation zumindest in drei verschiedenen Hinsichten beeinflusst werden: Erstens zwingt der externe Konkurrenzdruck dazu, die Ressourcen und Handlungspotentiale der Organisation in höherem Umfang zu aktivieren. 1 Soziologisches Institut der Universität Zürich Herbstsemester 2011 27.10.2011 Seminar: Soziologie der politischen Parteien Dozent: Prof. Dr. Hans Geser Erik Maey Arnold Rose: Externe Konkurrenz führt zu intensiverer Binnenkommunikation (Meetings) Niedermayer: Parteimitglieder von Parteisektionen in „umkämpften“ Gebieten sind in erhöhtem Umfang bereit sich für die Partei zu engagieren. Harmel/Janda: Nationale Parteien unter intensivem Konkurrenzdruck bilden ein stärkeres Netzwerk aus lokalen Subeinheiten aus. Zweitens hat der externe Konkurrenzdruck zur Folge, dass in erhöhtem Umfang Mechanismen systemischer Integration und Binnenkontrolle notwendig werden. Arnold Rose: Assoziationen führen vermehrt Akten und Regeln werden eher formalisiert. Rushing: Nur Kliniken welche unter Konkurrenzbedingungen operieren bauen auch ihrer Administration im Gleichschritt mit Expansionen im Operativem auf. Pfeffer/Leblebici: Fanden heraus, dass es aber auch „Deckeneffekte“ geben kann. Drittens erzwingt externe Konkurrenz eine gewisse Zentralisierung der inneren Machtstruktur, um einen hohen Grad der Selbststeuerung und permanenten Reaktionsbereitschaft aufrechtzuerhalten. Arnold Rose: Anstieg der Sitzungsfrequenz bei Vorstandsmitgliedern steigt an und die Einflussposition der Führungsspitzten nimmt zu. Schumpeter: Parteien sind zwar Träger der parlamentarischen Demokratie aber neigen selber eher zu einer oligarchischen oder gar autokratischen Binnenstruktur. Dilemma Wählerstimmen vs. Parteimitglieder Die aus drittes resultierenden Zentralisierungstendenzen, welche aus dem Ringen um Wählerstimmen gespeist werden, führen beim Werben um Mitglieder möglicherweise zu Konflikten. Sind für die Gewinnung von Wählerstimmen eher pragmatisch-populistische Programme und Positionen gefragt, so wenig sind diese für die Rekrutierung von Parteimitgliedern angebracht. Dort muss sich einen Partei eher durch klare und kohärente Statements auszeichnen. Des Weiteren sind Parteien auf die Freiwilligenarbeit angewiesen. Um damit Mitglieder aber nicht von vornerein abzuschrecken wird meistens nur ein moderates Aktivitätsniveau aufrechterhalten. Analoge Wiedersprüche finden sich auch bei den Mitgliederbeiträgen. Dort fordert der Wahlkampf maximale Mittel welche über die Beitragspflicht erhoben werden könnten. Dies würde aber signifikanten Einfluss auf den Mitgliederzuwachs ausüben. Schliesslich ist die Tendenz zur Zentralisierung auch vorab schon eine Kraft, welche sich auf arbeitsteilige Organisationsstrukturen stützt, beziehungsweise diese hervorbringt. Um möglichst allen Anhängern wesentliche Chancen zur Partizipation zu gewährleisten, ist es von Vorteil, wenig ausdifferenzierte Binnenstrukturen beizubehalten. Förderliche und hindernde Bedingungen interparteilicher Konkurrenz bei Schweizer Lokalparteien Werfen wir nun nach den eher theoretischen Annahmen einen Blick in die Realpolitik. Einerseits liegt der dauerhafte Konkurrenzkampf der Parteien in der Natur der Sache. Dem gegenüber stehen aber auch vielerlei begrenzende interne wie auch externe Bedingungen welche die Intensität des Konkurrenzkampfes moderieren: 1.Föderalismus Der föderalistische Aufbau der Schweiz ermöglicht den Lokalparteien relativ autonom zu agieren(in struktureller, finanzieller wie auch politisch-ideologischer Hinsicht) 2. Proporzwahlsystem Das generell auf fast allen Ebenen angewandte Proporzsystem führt, im Gegensatz zum Majorzwahlrecht (dieses wird zwar bei Gemeinderatswahlen angewendet aber durch einen „freiwilligen Proporz“ der starken Parteien, welcher sich darin äussert, dass diese den schwächeren von vornerein Sitze einräumen, unterwandert), eher zu einem gemässigten Konkurrenzzwang. Auch 2 Soziologisches Institut der Universität Zürich Herbstsemester 2011 27.10.2011 Seminar: Soziologie der politischen Parteien Dozent: Prof. Dr. Hans Geser Erik Maey Parteien mit minoritärem Wähleranteil bleiben formell an der politischen Macht mitbeteiligt. Dies kann dazu führen, dass Parteien einerseits ihre Werbung auf bestimmte Segmente der Wählerschaft einschränken (Im Interesse ideologischer Homogenität und politischer Konsistenz), andererseits führt dies aber auch zu einem „Vielfrontenkrieg“, wogegen in im Majorzsystem sich meist nur zwei dominante Parteien duellieren. 3.Konkordanz Das Prinzip der Konkordanz zeigt sich darin, dass die exekutiven Entscheidungen in Gremien in kollegialer Weise getroffen werden. Somit sind diese nicht mehr den einzelnen Parteivertretern zurechenbar. Dies begrenzt einerseits den Willen starke und autoritäre politische Vertreter aufzubauen und torpediert das Motiv eines intensiven Wahlkampfes, da die gewählten Mandatsträger unter diesen Bedingungen schwer zu kontrollieren sind. Dies spielt aber auch in die entgegengesetzte Richtung, indem es den Lokalparteien starke Freiheiten im Bezug auf die Gestaltung der Partikularpolitik einräumt. 4.Direkte Demokratie Die Institutionen der direkten Demokratie bieten den Parteien zusätzliche Wirkungsmöglichkeiten, welche auch unabhängig der Parteigrösse ihre Wirkung entfalten können. Es kann sich durchaus lohnen, mehr in das Zustandebringen von Volksinitiativen zu investieren, als in einen zerreibenden Wahlkampf. 5. Die Gemeindegrösse als intervenierende Variable Von der Gemeindegrösse hängt es weitgehend ab: a. Auf welche Weise Wahlkämpfe ausgetragen werden b. Über welche Ressourcen und Aktionsmöglichkeiten die am Wahlkampf beteiligten Ortsparteien verfügen Die empirische Studie Anlage der Untersuchung und empirische Daten Die verwendeten Daten stammen aus einer Umfrage 2002 in die alle (ca. 5000) Ortparteien einbezogen worden sind. Der Rücklauf belief sich auf ca. 50%. Allen Präsidentinnen und Präsidenten dieser lokalen Gruppierungen wurde ein umfangreicher Fragebogen zugeschickt, in dem sie aufgefordert wurden, über die Anhängerbasis und Organisationsstruktur, die ideologischen und sachpolitischen Positionen, die inneren Prozesse und die externen politischen Aktivitäten der Partei detaillierte Auskünfte zu geben. Zusätzlich wurde erhoben, ob die Gruppierung sich mit den andern Lokalsektionen derselben Gemeinde bezüglich der folgenden Aspekte in einem Verhältnis "starker Konkurrenz", "mässiger Konkurrenz" oder "keiner Konkurrenz" befinde: Konkurrenz um Wähler: - bei der Besetzung der Gemeindeexekutive - bei der Besetzung anderer kommunaler Ämter Konkurrenz um Parteianhänger: - bei der Anwerbung neuer Mitglieder - bei der Suche nach geeigneten Kandidaten Resultate der empirischen Studie (Tabelle1) Den verschiedensten in der Studie analysierten Strukturmerkmalen kann ein Zusammenhang zu Konkurrenzdruck und dessen Ausprägung nachgewiesen werden. Gleichzeitig ist aber eine Differenzierung zwischen „“Konkurrenz um Wähler“ vs. „Konkurrenz um Mitglieder“ unumgänglich. 3 Soziologisches Institut der Universität Zürich Herbstsemester 2011 27.10.2011 Seminar: Soziologie der politischen Parteien Dozent: Prof. Dr. Hans Geser Erik Maey Tabelle1: Vereinfachte Zusammenfassung der einzelnen abgefragten abhängigen Variablen und deren Signifikanz bezogen auf die Stichproben und UV’s. 4