Elementare Arithmetik Astronomisches Sommerlager 2016 Idee: Axiomatische Charakterisierung der natürlichen Zahlen, d.h. wir geben Regeln an, die für die Begriffe 1, Nachfolger , natürliche Zahl usw. erfüllt sein müssen (wahre Sätze). Welche konkrete Definitionen gewählt werden, ist uns egal. Wir geben also in gewisser Hinsicht genau sowenig Struktur an wie nötig. Peano-Axiome (P1) 1 ist eine natürliche Zahl. (P2) Für jede natürliche Zahl x gibt es eine natürliche Zahl, die der Nachfolger von x heißt und mit x0 bezeichnet wird. Es gibt genau einen Nachfolger, d.h. für alle natürlichen Zahlen x, y gilt x = y ⇒ x0 = y 0 . (P3) Für alle natürlichen Zahlen x gilt: 1 6= x0 . (P4) Für alle natürlichen Zahlen x, y gilt: x0 = y 0 ⇒ x = y. (P5) Für alle Sätze ψ(n) über natürliche Zahlen gilt: (ψ(1) und für alle nZ x ψ(x) ⇒ ψ(x0 )) ⇒ für alle nZ x ψ(x) Satz 1 Für alle nZ x, y gilt: x 6= y ⇒ x0 6= y 0 . Beweis Angenommen nein, also x0 = y 0 . Dann folgt aus (P4) x = y im Widerspruch zu x 6= y. Satz 2 Für alle nZ x gilt: x0 6= x. Beweis Betrachte ψ(x) =»x0 6= x«. Dann gilt ψ(1) nach (P3). Angenommen nun ψ(x) für beliebiges x, also x0 6= x. Nach Satz 1 folgt (x0 )0 6= x0 . Dies ist aber gerade ψ(x0 ). Also gilt für alle natürlichen Zahlen x ψ(x) wie gewünscht. Aufgabe Für alle nZ x gilt: (x0 )0 6= x. Lösung Betrachte ψ(x) =»(x0 )0 6= x«. Dann gilt ψ(1) nach (P3), indem wir 10 für x einsetzen, d.h. (10 )0 6= 1. Sei nun x beliebige natürliche Zahl mit (x0 )0 6= x. Aus Satz 1 folgt ((x0 )0 )0 6= x0 , also ψ(x0 ). 1 Satz 3 Für alle nZ x mit x 6= 1 gibt es genau ein u mit x = u0 (nenne dieses u den Vorgänger von x). Beweis Betrachte ψ(x) =»x = 1 oder es gibt ein u mit x = u0 «. Dann offenbar ψ(1) (erster Teil der Veroderung). Angenommen nun ψ(x) für beliebiges x, also x = 1 oder es gibt ein u mit x = u0 . Fallunterscheidung: • Angenommen x = 1. Betrachte u = 1 (natürliche Zahl nach (P1)). Dann ist u0 = 10 = x0 und somit ψ(x0 ). • Angenommen es gibt ein u1 mit x = u01 . Betrachte dann u2 = u01 (existiert nach (P2)). Dieses u2 liefert dann x0 = u02 , denn x = u01 = u2 und (P2). Satz 4 Es gibt genau eine Möglichkeit, jedem Paar von natürlichen Zahlen x, y eine natürliche Zahl x + y zuzuordnen, sodass gilt (1) für alle nZ x gilt x + 1 = x0 (2) für alle nZ x, y gilt x + y 0 = (x + y)0 . Beweis Wir zeigen zunächst, dass es zu festem x höchstens eine Möglichkeit gibt, x + y für alle y so zu definieren, dass (1) und (2) gelten. Angenommen, es gäbe zwei Möglichkeiten +, ⊕, für die gilt 1∗ ) für alle nZ x gilt x + 1 = x0 und x ⊕ 1 = x0 2∗ ) für alle nZ x, y gilt x + y 0 = (x + y)0 und x ⊕ y 0 = (x ⊕ y)0 Betrachte nun ψ(y)=»x+y = x⊕y«. Dann gilt ψ(1), denn nach 1∗ ) ist x+1 = x0 = x⊕1. Sei nun y eine beliebige natürliche Zahl mit ψ(y), also x + y = x ⊕ y. Dann ist nach 2∗ ) x + y 0 = (x + y)0 = (x ⊕ y)0 = x ⊕ y 0 , also x + y 0 = x ⊕ y 0 , also ψ(y 0 ). Wir erhalten so nach (P5) x + y = x ⊕ y für fest gewähltes x und alle y. Als nächstes zeigen wir, dass es zu jedem x eine Möglichkeit gibt x + y für alle y so zu definieren, dass x + 1 = x0 und x + y 0 = (x + y)0 für alle y. Betrachte dazu ψ(x)=»Es gibt eine Möglichkeit x + y so zu definieren, dass x + 1 = x0 und x + y 0 = (x + y)0 für alle y«. Es gilt ψ(1), denn für x = 1 liefert 1 + y := y 0 das Gewünschte. Denn offenbar 1 + 1 = 10 (1) und 1 + y 0 = (y 0 )0 = (1 + y)0 (2). Sei nun x eine beliebige natürliche Zahl, sodass es eine Möglichkeit gibt, x + y so zu definieren, dass x + 1 = x0 und x + y 0 = (x + y)0 für alle y. Wir wollen nun zeigen, dass es eine Möglichkeit gibt x0 + y so zu definieren, dass x0 + 1 = (x0 )0 (a) und x0 + y 0 = (x0 + y)0 für alle y (b). Behauptung: x0 + y := (x + y)0 liefert beides. Beweis 2 (a) Es gilt x0 + 1 = (x + 1)0 nach Definition und (x + 1)0 = (x0 )0 nach Induktionsvorraussetzung. (b) Es gilt x0 + y 0 = (x + y 0 )0 nach Definition und (x + y 0 )0 = ((x + y)0 )0 nach Induktionsvorraussetzung und ((x + y)0 )0 = (x0 + y)0 nach Definition. Definition 1 x + y. Die eine Möglichkeit aus Satz 4 nennen wir plus und schreiben dafür Satz 5 (Assoziativgesetz) Für alle natürlichen Zahlen x, y, z gilt (x + y) + z = x + (y + z). Beweis Seien x, y beliebig. Betrachte dann ψ(z)=»(x + y) + z = x + (y + z)«. Dann gilt ψ(1), denn nach Satz 4 (x + y) + 1 = (x + y)0 = x + y 0 = x + (y + 1). Sei nun z eine beliebige natürliche Zahl mit ψ(z), also (x + y) + z = x + (y + z), dann folgt ebenfalls aus Satz 4 (x + y) + z 0 = ((x + y) + z)0 = (x + (y + z))0 = x + (y + z)0 = x + (y + z 0 ), also ψ(z 0 ). Aufgabe Wir definieren 2 := 1 + 1 und 3 := (1 + 1) + 1. Zeige, dass gilt 1 + 2 = 3. Satz 6 (Kommutativgesetz) Für alle nZ x, y gilt: x + y = y + x. Beweis Sei y fest und ψ(x)=»x + y = y + x«. Dann ist ψ(1), denn y + 1 = y 0 und nach der ersten Definition in Satz 4 ist y 0 = 1 + y. Sei nun x eine beliebige natürliche Zahl mit x + y = y + x. Dann ist x0 + y = (x + y)0 = (y + x)0 nach der zweiten Definition in Satz 4 und (y + x)0 = y + x0 nach Satz 4 Kriterium (2). Satz 7 Für alle nZ x und y ist y 6= x + y. 3 Beweis Sei x fest gewählt und ψ(y) =»y 6= x + y«. Dann ist ψ(1) =»1 6= x + 1«, denn x + 1 = x0 nach Satz 4 Kriterium (1) und 1 6= x0 für alle x nach (P3). Sei nun y beliebig mit y 6= x + y. Dann ergibt sich mit Satz 1 und Satz 4 y 0 6= (x + y)0 = x + y 0 . Satz 8 Aus y 6= z folgt stets x + y 6= x + z. Beweis Seien y und z beliebig gewählt, aber verschieden (also y 6= z). Betrachte dann ψ(x) =»x + y 6= x + z«. Dann gilt ψ(1), denn mithilfe von Satz 6, 4 und 1 1 + y = y + 1 = y 0 6= z 0 = z + 1 = 1 + z. Sei nun x beliebig mit x + y 6= x + z. Dann ist nach Satz 1 und Definition 2 in Satz 4 x0 + y = (x + y)0 6= (x + z)0 = x0 + z. Satz 9 Für alle natürlichen Zahlen x, y ist genau einer der drei folgenden Fälle wahr: (1) Es gilt x = y. (2) Es gibt ein (nach Satz 8 genau ein) u mit x = y + u. (3) Es gibt ein (nach Satz 8 genau ein) v mit y = x + v. Beweis Zeige zuerst: Es liegt höchstens einer der drei Fälle vor. Angenommen, es lägen sowohl Fall 1 als auch Fall 2 vor, dann wäre y = x = y + u im Widerspruch zu Satz 7. Angenommen, es lägen sowohl Fall 1 als auch Fall 3 vor, dann wäre x = y = x + v im Widerspruch zu Satz 7. Angenommen, es lägen sowohl Fall 2 als auch Fall 3 vor, dann wäre nach Satz 5 und 6 x = y + u = (x + v) + u = x + (v + u) = (v + u) + x im Widerspruch zu Satz 7. Zeige nun, dass für alle natürlichen Zahlen mindestens einer der Fälle eintritt. Betrachte dazu beliebiges x und ψ(y) = »Für x, y trifft einer der Fälle zu«. Dann ist ψ(1), denn für y = 1 gilt entweder x = y = 1 oder es gibt ein u mit x = u0 nach Satz 3. Nach Satz 4 und 6 ist dann x = u0 = u + 1 = 1 + u 4 Sei nun y beliebig, sodass einer der drei Fälle vorliegt. Gehen wir die Fälle durch: (1) Angenommen x = y, dann ist y 0 = x0 = x + 1. Es liegt also Fall 3 vor mit v = 1. (2) Angenommen, es gibt ein u mit x = y + u. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder das u ist 1, dann ist x = y 0 , also liegt Fall 1 vor. Oder das u ist ungleich 1, dann gibt es nach Satz 1 ein u2 mit u = u02 = u2 + 1. Dann ist x = y + u = y + (u2 + 1) = y + (1 + u2 ) = (y + 1) + u2 = y 0 + u2 Es liegt also Fall 2 vor. (3) Angenommen, es gibt ein v mit y = x + v. Dann gilt für v2 = v 0 y 0 = (x + v)0 = x + v 0 = x + v2 , es liegt also ebenfalls Fall 3 vor. Definition 2 Falls es zu zwei natürlichen Zahlen x und y eine natürliche Zahl u gibt, sodass x = y + u, nennen wir x größer als y und schreiben x > y. Definition 3 Falls es zu zwei natürlichen Zahlen x und y eine natürliche Zahl v gibt, sodass y = x + v, nennen wir x kleiner als y und schreiben x < y. Satz 10 Für beliebige natürliche Zahlen x und y liegt genau einer der drei Fälle x = y, x < y oder x > y vor. Beweis Satz 9 zusammen mit Definitionen 2 und 3. Satz 11 Aus x > y folgt y < x. Beweis Wähle v = u in Definition 3. Satz 12 Aus x < y folgt y > x. Beweis Wähle u = v in Definition 2. Definition 4 x ≥ y. Ist x > y oder x = y, so nennen wir x größer oder gleich y und schreiben 5 Definition 5 x ≥ y. Ist x < y oder x = y, so nennen wir x kleiner oder gleich y und schreiben Satz 13 Aus x ≥ y folgt y ≤ x. Beweis Satz 11. Satz 14 Aus x ≤ y folgt y ≥ x. Satz 15 (Transitivität der Ordnung) Aus x < y und y < z folgt x < z und aus x > y und y > z folgt x > z. 6