Chaotisches Verhalten in Quantensystemen

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Chaotisches Verhalten in Quantensystemen
Quantenmechanik II Seminar
Daniel Steingrube
20. Januar 2005
Inhaltsverzeichnis
1
1 Einleitung
2 Chaotisches Verhalten im Potentialtopf
2.1 Der klassische Limes . . . . . . . . . . .
2.2 Das Energiespektrum . . . . . . . . . . .
2.3 Energiespektrum am Beispiel . . . . . .
2.4 Levelstatistik . . . . . . . . . . . . . . .
Wenn die Quantenmechanik eine fundamentale Theorie sein soll, so muss
sie auch das Verhalten von klassischen Systemen adäquat beschreiben
können. Nun gilt aber chaotisches Verhalten in Quantensystemen allgemein als stark unterdrückt oder sogar abwesend. Üblicherweise bedient
man sich der top-down“-Strategie, wobei ein klassisches System mit
”
chaotischem Verhalten genommen und quantisiert wird. Beispiele sind der
periodically kicked rotor“, particle in a stadium“ und Rydberg atom
”
”
”
in a strong magnetic field“. Diese Systeme zeigen quantisiert allerdings
kein chaotisches Verhalten. Es stellt sich nun die Frage, ob chaotisches
Verhalten bei Quantensystemen überhaupt auftreten kann.
1
.
.
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.
.
.
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.
.
.
.
.
.
.
.
.
1
3
4
5
5
3 Voraussetzungen für Quantenchaos
7
3.1 Nichtseparabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
3.1.1 Definition von Separabilität in der klassischen Physik 7
3.1.2 Nichtseparabilität in der Quantenphysik . . . . . . .
7
3.1.3 Integrabilität und Separabilität . . . . . . . . . . . .
8
3.2 Offenes Quantensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
3.3 Komplexität der Zeitentwicklung . . . . . . . . . . . . . . .
8
3.3.1 Beispiel eines offenen Quantensystems . . . . . . . .
8
3.3.2 Entropien zur Charakterisierung der Zeitentwicklung
9
3.3.3 Informationsmessung am Beispiel . . . . . . . . . . .
9
3.4 Kontinuierliches Eigenwertspektrum . . . . . . . . . . . . . 10
4 Zusammenfassung
Einleitung
Zunächst wird ein Beispiel behandelt, welches zeigt, dass die Quantenmechanik auch zu chaotischen Verhalten führen kann, obwohl bei klassischer
Behandlung kein chaotisches Verhalten auftreten würde.
2
Chaotisches Verhalten im Potentialtopf
[Dabaghian, 2005]
10
Betrachten wir einen Potentialtopf mit
0
für 0 < x < L
V (x) =
∞
für x ≤ 0 oder x ≥ L.
1
(1)
Bei rein klassischer Behandlung würde sich ein klassisches Teilchen also
bei zu kleiner Energie E < V zwischen den Wänden bei x = 0 und x = b
bewegen und bei größerer Energie E > V zwischen den Wänden bei x = 0
und x = L, wobei es bei x = b seine Geschwindigkeit ändern würde.
In der Quantenmechanik allerdings kann ein Teilchen mit Energie kleinerer
als die Potentialstufe (E < V ) in das verbotene Gebiet hineintunneln oder
bei größerer Energie (E > V ) an der Stufe reflektiert werden. Für den
Wellenvektor des quantenmechanischen
Zustandes ψ ergibt sich im Gebiet
√
A := {x |0 < x < b } : k = E. √ Im Gebiet
B := {x |b ≤ x < L }
gilt für den Wellenvektor: κ = E − V .
Abbildung 1: Potential im Stufe nach Gleichung (5) aus [Dabaghian, 2005]
Auch die Wellenfunktion besteht nun aus zwei Teilen
sin(kx)
x∈A
ψ(x) =
,
a sin κ(L − x)
x∈B
Im klassischen Fall würde ein Objekt auf einer geschlossenen Trajektorie
der Länge L = 2L periodisch hin- und herlaufen, wobei die Periode durch
T = 2L
v gegeben ist. v ist dabei die Geschwindigkeit des Objektes.
wobei bei x = b die Kontinuitätsbedingung erfüllt sein muss. Diese führt
zu der Gleichung
Auch der quantenmechanische Fall ist leicht behandelbar. Dabei machen
wir einen Ebene-Wellen-Ansatz mit Zustandsfunktion
ψ(x) = Aeikx + Be−ikx ,
sin(L1 k + L2 κ)
(2)
√
!
⇐⇒
!
Lkn = πn,
n ∈ N.
=
r sin(L1 k − L2 κ)
für E > V,
(7)
wobei L1 = b und L2 = L − b die Längen der Gebiete A und B sind. Der
Reflexionskoeffizient r = k−κ
beschreibt das Reflexions- bzw. Transk+κ
missionsverhalten bei x = b.
Für E < V wird κ = iχ imaginär und aus der Kontinuitätsbedingung
erhält man
wobei der Wellenvektor k durch k = E gegeben ist. Wegen der Randbedingungen ψ(0) = ψ(L) = 0 erhalten wir die Einschränkung an den
Wellenvektor k:
sin kL = 0
(6)
(3)
Betrachten wir das klassische Wirkungsintegral für diesen Fall, so ergibt
sich
Z
(3)
.
S =
kdx = kL = πn.
(4)
sin(L1 k)
=
(−1)n+1 k(1 − e−2L2 χ )
p
,
V (1 + e−4L2 χ ) + 2(χ2 − k 2 )e−2L2 χ
E < V,
(8)
wobei n = 1, 2, ... der Wurzelindex ist.
Γ
Für das klassische Wirkungsintegral erhalten wir
Z
kL1 + κL2
für E > V,
S =
k dx =
kL1
für E < V.
Γ
S1 + S2
für E > V,
.
=
S1
für E < V.
Das Wirkungsintegral nimmt also wie auch k nur diskrete Werte an.
Nun erweitern wir den Potentialtopf um eine kleine Stufe, so dass

für 0 < x < b
 0
V
für b ≤ x < L
V (x) =

∞
für x ≤ 0 oder x ≥ L.
(5)
2
(9)
(10)
Dabei sind die partiellen Wirkungsintegrale S1 := kL1 und S2 := κL2 .
Die Gleichungen (7) und (8) sind nun nicht mehr analytisch lösbar, wie im
Fall ohne Stufe (3). Das System ist also nicht integrabel.
2.1
Der klassische Limes
Betrachten wir den Reflexionskoeffizienten
p
1 − 1 − V /E
k−κ
p
=
r =
,
k+κ
1 + 1 − V /E
(11)
so gibt dieser mir r2 die Wahrscheinlichkeit an, dass die Wellenfunktion
bei x = b reflektiert wird. Für die Transmissionswahrscheinlichkeit
gilt
t2 = 1 − r 2 .
Nun ist der Reflexionskoeffizient aber unabhängig
von spezifisch quantenmechanischen Größen, wie z.B. das Planck’sche
Wirkungsquantum h. Effektiv wird jedoch gerade
h → 0 betrachtet,
weswegen der Reflexionskoeffizient also im klassischen Limes erhalten
bleibt. Hierbei wird allerdings vorausgesetzt, dass die Stufe in (5) scharf
gegen die Wellenlänge λ ist. Dieser Effekt wird als Nicht-Newton’sche
Streuung bezeichnet und tritt auch für andere Potentiale mit scharfen
Kanten auf. Dieses führt zu chaotischen Verhalten, welches allerdings nicht
deterministisch ist.
Abbildung 2: Mögliche Orbits für bestimmte Wortlängen m wächst exponentiell mit m aus [Dabaghian, 2005]
möglichen geometrisch unterschiedlichen Orbits wächst exponential gemäß
0,7·m
N≈em .
Bei jeder Reflexion oder Transmission verringert sich quantenmechanisch
die Amplitude der Wellenfunktion. Für einen hauptperiodischen Orbit p
( prime periodic orbit“), der nicht als Wiederholung von kürzeren Orbits
”
dargestellt werden kann, wird die Anfangsamplitude um den Faktor Ap
reduziert:
In den Gebieten A und B des Potentials bewegt sich ein klassisches
Teilchen gleichmäßig, gleichförmig, jedoch mit jeweils unterschiedlichen
Geschwindigkeiten. An der Stelle x = b kann es allerdings mit gewissen
Wahrscheinlichkeiten entweder reflektieren oder transmittieren. Durch
dieses stochastische Element wird der Prozess plötzlich sehr kompliziert,
da jeweils an der Stelle x = b zwei Möglichkeiten entstehen, wie ein
Teilchen weiterlaufen kann.
Ap
=
(−1)χ(p) rσ(p) (1 − r2 )τ (p)/2 ,
(12)
wobei χ(p) die Zahl der Reflexionen an den Wänden des Potentialtopfes
und in das Gebiet B an der Schwelle x = b angibt, da sich dort jeweils das
Vorzeichen ändert. Die Zahl der Reflexionen an der Potentialstufe und der
Transmissionen sind durch σ(p) und τ (p) bestimmt. Für einen Orbit, der
durch ν-facher Wiederholung von p dargestellt werden kann, gilt für den
Reduktionsfaktor der Amplitude Aνp . Der Faktor Aνp gibt gleichzeitig eine
Gewichtung“ an, mit welcher Wahrscheinlichkeit der zugehörige Orbit
”
Der Orbit eines Teilchens kann durch die Angabe der Gebiete A bzw.
B vereinfacht dargestellt werden, wobei sich der Orbit bei jedem Streuprozess um einen Buchstaben A bzw. B verlängert. Der Orbit für ein
Teilchen nach m Streuprozessen hat also die Länge m. Die Anzahl N der
3
durchlaufen wird. Diese Gewichtung gilt auch im klassischen Fall, da auch
sie unabhängig von quantenmechanischen Größen ist und so im klassischen
Limes ebenso wenig wie r verschwindet.
2.2
Wiederholung eines Orbits.
Die Formel (15) kommt durch Überlagerungseffekte der oszillierenden
Terme für hauptperiodische Orbits zustande, wodurch die Energie E ein
Peak erzeugt, falls sie mit einem Energielevel En zusammenfällt. Der Term
ρ(E) steht für den nicht oszillierenden Teil der Zustandsdichte.
Das Energiespektrum
Betrachten wir den integrablen Fall, so ist es einfach, das Energiespektrum
zu berechnen. Generell lassen sich bei integrablen Systemen mit N Freiheitsgraden N Konstanten der Bewegung I1 , ..., IN finden, die quantisiert
sind gemäß [Gutzwiller, 1990, S. 33, 209f, 214]
I
.
Ii =
pdx = 2πh̄(ni + µi ),
(13)
Es ist anzumerken, dass die Zustandsdichte nur von klassischen Größen
(ρ(E), Tp , Sp , Bp ) abhängt, wodurch sie also auch im klassischen Limes
berechenbar ist.
Ein weiteres wichtiges Charakteristikum des Spektrums ist die spektrale
Treppenfunktion N (E) ( spectral staircase“) mit
”
ZE
.
N (E) =
ρ(E 0 )dE 0 .
(16)
Γ
wobei ni natürliche Zahlen und µi bestimmte geometrische Konstanten
sind. Die Energie E lässt sich nun als Funktion der Ii schreiben.
0
Diese Funktion gibt die Zahl der Zustände im Intervall [0, E] an.
Im obigen Beispiel des unendlichen Potentialtopfes (1) ohne Stufe ist also
!
die Größe
I = 2 |p| L = 2πh̄n
E = p2 /2m = (h̄πn)2 /2mL2 .
Für unser Beispiel ist die Erweiterung (15) exakt und man kann die Zahl
der Zustande angeben mit
∞
XX
Aνp iνSp (E)
1
N (E) = N (E) + Im
e
,
(17)
π
ν
p ν=1
erhalten, womit für die Energie folgt:
Für den nichtintegrablen Fall (5) ist das Energiespektrum nicht mehr so
einfach auszurechnen. Allerdings lässt sich die Zustandsdichte ρ(E) des
integrablen Falles [Gutzwiller, 1990, S. 267f]
ρ(E)
.
=
∞
X
δ(E − En )
wobei Ap durch (12) gegeben ist. Für den nicht oszillierenden Anteil in
wobei S(E) die Wirkung für den
N (E) gilt
N (E) = π1 S(E) − γ0 ,
klassisch erreichbaren Bereich und γ ein kleiner Korrekturterm ist.
(14)
n=1
Aus einer bekannten Zustandsdichtefunktion ρ(E) ist es unter Umständen
möglich das Energiespektrum zu bestimmen. Ist bekannt in welchem Intervall [En− , En+ ] ein bestimmter Energieeigenwert En liegt und ist allein
dieser Eigenwert im Intervall vorhanden, so gilt
für den nichtintegrablen Fall für periodische Orbits erweitern auf die so
genannte Gutzwiller trace formular“
”
∞
X X
1
ρ(E) ≈ ρ(E) + Re
Tp
Bpν eiνSp (E) ,
(15)
π
p
ν=1
+
ZEn
En
wobei Tp die Periode, Sp die Wirkung und Bp ein bestimmter Gewichtungsfaktor für einen hauptperiodischen Orbit p sind. ν steht für die
=
Eρ(E)dE.
−
En
4
(18)
2.3
Energiespektrum am Beispiel
ein Histogramm über der Anzahl der Abstände benachbarter Energieeigenwerte auf.
Für das Beispiel des unendlichen Potentialtopfes mit Stufe wollen wir nun
das Energiespektrum berechnen. Dazu invertieren wir die Gleichungen (7)
und (8) und erhalten

 (−1)n (arcsin(r sin(S1 − S2 )) + π ), für E > V
2
1
S =π n−
−
(19)

2
arctan(χ(1 + e−2S2 )/k(1 − e−2S2 )), für E < V
Beim regulärem Fall scheinen mehr kleinere Abstände als große aufzutauchen und die Energielevels scheinen völlig zufällig unabhängig von anderen
Levels verteilt zu sein, ähnlich wie Energiepulse bei einem radioaktiven
Target in der Zeit verteilt sind.
Beim irregulärem Fall scheinen die Energielevel nicht mehr völlig
unabhängig zu sein, sondern einen gewissen Abstand zueinander zu bevorzugen. Dies wird mit der so genannten level repulsion“ bezeichnet und
”
wird in der Random Matrix Theorie genauer hergeleitet [Brody et al., 1981].
wobei n = 1, 2, ... eine positive natürliche Zahl ist.
Vergleichen wir
(19) mit (13), so kann man spekulieren, dass der erste
Term π n − 21 den regulären Anteil des Spektrums beschreibt. Der zweite
Term, der dafür verantwortlich ist, dass das System nicht integrabel ist,
beschreibt dann den irregulären Anteil des Spektrums. Falls das Potential
in den Fall des Potentialtopfes ohne Stufe übergeht, verschwindet der
zweite irreguläre Anteil.
Betrachten wir dazu für eine Zufallssequenz die Wahrscheinlichkeit, dass
ein Energielevel im Intervall (E + , E + + d) liegt. Die Wahrscheinlichkeit sollte im regulären Fall völlig unabhängig davon sein, ob bereits
ein Energielevel im Intervall liegt oder nicht. Anders ist das hingegen beim
irregulärem Fall. Sei ein Level bei der Energie E gegeben, so tritt das
nächste Level nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
P ()d im
Intervall (E + , E + + d) auf.
Der zweite Term ist dabei auf [− π2 , +π] beschränkt, da auch
− π2 ≤ arcsin(x), arctan(x) ≤ + π2 . Der reguläre Term ändert sich
beim Übergang von einem Level zum nächsten allerdings um π und trägt
daher mehr zum Spektrum bei. Es ergeben sich also durch den irregulären
Beitrag fluktuationen auf dem regulärem Energiespektrum.
Für die Verteilung der Abstände der benachbarten Energielevels ergibt sich
somit
P ()d
Die diskreten Wirkungswerte Sn müssen daher im Intervall
(π(n − 21 ), π(n + 12 )) mit n = 1, 2, 3, ... sein. Darüber lässt sich nun
auch die Zustandsdichte in Abhängigkeit der Wirkung ρ(S)dS = ρ(E)dE
∞
P
bestimmen: ρ(S) =
δ(S − Sn ) dE
wodurch nun das Spektrum
dS ,
=
P (1 ∈ |0 ∈ )P (0 ∈ ),
(20)
wobei P (n ∈ ) die Wahrscheinlichkeit ist, dass innerhalb des Intervalls
mit Länge bereits n Energielevel vorhanden sind. P (n ∈ |m ∈ ) ist
die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass das Intervall mit Länge d genau n
Level enthält, wenn das Intervall der Länge gerade m Level beinhaltet.
n=1
berechnet werden kann (siehe Dabaghian [2005]).
2.4
Der zweite Faktor aus (20) beschreibt die Wahrscheinlichkeit P (0 ∈ ), dass
der Levelabstand größer ist als , was durch
Levelstatistik
Z∞
Zur Untersuchung eines Systems mit diskreten Energiespektrum ist es
hilfreich die so genannte Levelstatistik zu betrachten. Dabei erstellt man
P (x)dx
5
(21)
berechnet werden kann. Der erste Faktor wird eine Funktion von proportional zu der Intervalllänge d sein, die wir r10 ()d nennen wollen. Damit
ergibt sich sich für (20) die Gleichung:
Z∞
P ()
=
r10 () ·
P (x)dx,
(22)
welche gelöst werden kann durch
Z
P ()
=
C · r10 () · exp(−
r10 (x)dx).
(23)
0
Im regulären Fall ist die Wahrscheinlichkeit, unabhängig von der Zahl der
bereits vorhandenen Level und die Funktion r10 () ist nur durch den mittleren Levelabstand gegeben: r10 () = 1/D. Damit ergibt sich die so
genannte Poisson-Verteilung:
P ()
=
1
exp(− ),
D
D
≥ 0,
wobei die Konstante C durch die Normierung
Abbildung 3: Energielevels für verschiedene Systeme
aus [Brody et al., 1981]
(24)
R
P (x)dx = 1 festlegt ist.
Im irregulären Fall wird angenommen, dass die Levelabstoßung einem linearen Gesetz folgt: r10 () = α. Damit ergibt sich die so genannte
Wigner-Verteilung
P ()
=
π
π2
exp(− 2 ),
2
2D
4D
≥ 0.
Der Mittelwert der Abstände wird auch hier mit
ben.
(25)
R
xP (x)dx =: D angege-
Durch die Untersuchung der Levelstatistik ist es also möglich gewisse Aussagen über Levelfluktuationen zu machen und somit chaotisches Verhalten
zu charakterisieren. Dies kann schön am Beispiel des Wasserstoffatoms
(Rydbergatom) im starken Magnetfeld gezeigt werden.
Abbildung 4: Levelstatistiken für die Spektren von Abbildung 3 aus
[Brody et al., 1981], links: Wigner-Verteilung, rechts: Poisson-Verteilung
mit eingezeichneter Wigner-Verteilung
6
3
Voraussetzungen für Quantenchaos
Ein System mit N Freiheitsgraden und gegebener Hamiltonfunktion H
heißt also genau dann separabel, wenn es eine kanonische Transformation (p1 , ..., pN , q1 , ..., qN ) → (P1 , ..., PN , Q1 , ..., QN ) gibt, so dass das
System auf N Systeme mit je einem Freiheitsgrad reduziert wird, d.h.
N
P
H(P, Q) =
Hi (Pi , Qi ).
[Kronz, 1998]
3.1
Nichtseparabilität
In der klassischen Physik ist unbedingte Voraussetzung für chaotisches
Verhalten ein nichtlinearer Term in der Bewegungsgleichung, der mindestens zwei Variablen miteinander koppelt. Da der Hamiltonoperator
in der Quantenmechanik rein linear ist, sind allerdings auch die Bewegungsgleichungen rein linear. Daher könnte man meinen, dass folglich kein
chaotisches Verhalten in Quantensystemen auftreten kann.
Nun ist es einerseits möglich, einfach einen nichtlinearen Term in die
Schrödinger-Gleichung einzuführen, was hier nicht weiter betrachtet
werden soll. Andererseits sollte man zunächst einmal prüfen, ob es nicht
auch chaotisches Verhalten in Quantensystemen geben könnte, selbst wenn
kein nichtlinearer Term in den Bewegungsgleichungen auftritt.
i=1
Betrachten wir lineare klassische Systeme, so sind diese separabel, da diese
leicht als Einzelsysteme ohne Kopplung untereinander aufgefasst werden
können. Nichtlinearität ist also ein notwendiges Kriterium für Nichtseparabilität. Gibt es einen nichtlinearen Kopplungsterm im Hamiltonian
des Systems, der nicht durch eine kanonische Transformation eliminiert
werden kann, so heißt das System nichtseparabel. Dies kann zu chaotischen
Verhalten führen.
3.1.2
3.1.1
Definition von Separabilität in der klassischen Physik
In der Quantenmechanik müssen wir also nicht nach nichtlinearen Termen suchen, sondern unser System auf Nichtseparabilität untersuchen.
Dabei ist die Existenz von nichtlinearen Termen keine Voraussetzung
für Nichtseparabilität in der Quantenmechanik. Dabei gilt die obige
Definition für Separabilität eines klassischen Systems exakt auch in der
Quantenmechanik1 und es ergibt sich, dass die Schrödinger-Gleichung immer separiert, wenn das klassische Problem separabel ist [Gutzwiller, 1990].
Ein Hamiltonian eines Systems zu den kanonischen Koordinaten
(p1 , . . . , pN , q1 , . . . , qN ) heißt separabel, falls kanonische Koordinaten
(P1 , . . . , PN , Q1 , . . . , QN ) existieren, so dass
• jede neue Koordinate eine analytische Funktion der alten Koordinaten
ist
Pi
Qi
=
=
Pi (p1 , . . . , pN , q1 , . . . , qN )
Qi (p1 , . . . , pN , q1 , . . . , qN ).
und
(26)
(27)
Es gibt allerdings eine weitere nicht äquivalente Definition für die Separabilität eines quantenmechanischen Zustands. Dabei ist der Zustand eines
zusammengesetzten Quantensystems nichtseparabel, falls er nicht in einen
(Tensor-)Produktzustand transformiert werden kann. Dieser Zustand lässt
sich nicht durch eine einfache Zustandsfunktion ausdrücken, sondern muss
durch einen Dichteoperator beschrieben werden.
• die Transformation zwischen alten und neuen Koordinaten kanonisch
ist, d.h.
{Pi , Pj } = 0,
{Qi , Qj } = 0,
{Qi , Pj } = δi,j .
Nichtseparabilität in der Quantenphysik
(28)
1 Diese Definition ist nicht zu verwechseln mit der Separabilität des Hilbertraums. Hier
ist von der Separabilität des Systems, also des Hamiltonoperators bzw. im klassischen
der Bewegungsgleichung die Rede.
• der Hamiltonian eine analytische Funktion allein der Pi ist.
7
3.1.3
Integrabilität und Separabilität
Betrachten wir hierzu einen zeitunabhängigen Hamiltonian H und die
Zustände |φ0> und <ψ0 |. Die Zustände |φt> und <ψt | nach der Zeit t
sind gegeben durch
Bei klassischem Chaos wird als Voraussetzung für chaotisches Verhalten die
Integrabilität des Systems genannt. Betrachten wir zunächst ein klassisches
System mit N Freiheitsgraden und gegebener Hamiltonfunktion H. Dann
ist die Zeitentwicklung durch 2N einfache Differentialgleichungen gegeben:
q̇i =
∂H
,
∂pi
ṗi = −
∂H
,
∂qi
i = 1, ..., N.
|φt> = e−iHt/h̄ |φ0>
Das Skalarprodukt
bleibt also erhalten.
(29)
Solche Systeme im Allgemeinen nicht analytisch lösbar.
<ψt | = <ψ0 |e+iHt/h̄ .
(30)
<ψt |φt> = <ψ0 |e+iHt/h̄ e−iHt/h̄ |φ0> = <ψ0 |φ0>
Man benötigt also eine nicht unitäre Zeitentwicklung, um eine hohe Sensibilität gegenüber der Anfangsbedingungen zu erreichen. Dazu betrachten
wir ein Quantensystem in Wechselwirkung mit einem anderen, deren
Zeitentwicklung durch einen nicht separablen Hamiltonian beschrieben
wird. Die Zeitentwicklung des Systems ist dann nicht unitär. Ein solches
System wird als offen bezeichnet.
Gibt es jedoch N unabhängige Konstanten der Bewegung (f1 , . . . , fN )
gibt, die als Funktionen der generalisierten Koordinaten (q1 , . . . , qN ) und
Momente (p1 , . . . , pN ) global definiert und differenzierbar sind, so ist
das System integrabel. Die Konstanten der Bewegung gelten dabei als
unabhängig, falls alle Poissonklammern {fi , fj } verschwinden.
Integrable Systeme sind analytisch lösbar und können nicht zu chaotischem
Verhalten führen. Der Begriff der Integrabilität ist logisch äquivalent zum
Begriff der Separabilität. Zunächst ist Separabilität ein hinreichendes
Kriterium für Integrabilität, da die Hamiltonians Hi , i = 1, ..., N gerade
N Konstanten der Bewegung darstellen. Andererseits stellt sich heraus,
dass die Konstanten der Bewegung dazu verwendet werden können, ein
System mit Hilfe von kanonischen Transformationen zu separieren.
3.2
und
3.3
3.3.1
Komplexität der Zeitentwicklung
Beispiel eines offenen Quantensystems
Betrachten wir als Beispiel für ein offenes System ein wechselwirkendes
Paar s1 + s2 von nicht identischen Zweizustandssystemen s1 und s2 . Der
Hamiltonian des Systems soll nichtseparabel sein. Deshalb betrachten wir
gemischte Zustände, welche notwendig durch einen Dichteoperator ρ beschrieben werden müssen. Sei der Anfangszustand mit ρ = |φ><φ| gegeben, wobei |φ> = (r0 r1 r2 r3 )T gegeben ist. Der Hamiltonian sei durch
die Diagonalmatrix


a0 0 0 0
 0 a1 0 0 

H = 
(31)
 0 0 a2 0 
0 0 0 a3
Offenes Quantensystem
Eine weitere wichtige Eigenschaft von chaotischem Verhalten in der
klassischen Physik ist die extreme Sensibilität gegenüber der Anfangsbedingungen, d.h. benachbarte Trajektorien entfernen sich im Laufe der Zeit
exponentiell voneinander. Nun wird die Zeitentwicklung in der Quantenmechanik durch die Schrödinger-Gleichung beschrieben. Dies entspricht
einer unitären Transformation, welche abstands- und winkeltreu ist.
Daher ist es unmöglich, dass sich zwei benachbarte Zustände exponentiell
voneinander entfernen.
gegeben mit Eigenwerten ai , i = 0, . . . , 3. Nach Abschnitt 3.1.1 ist das
System separabel, falls sich der Hamiltonian H als Summe von zwei
Hamiltonians H1 , H2 schreiben lässt. Daher muss für die Eigenvektoren
8
|ai> ≡ |αs1 > ⊗ |βs2 > ≡ |αs1 βs2 > mit s1 , s2 ∈ {0, 1} (i als Binärdarstellung: [s1 s2 ]) gelten:
2. Die von Renyi eingeführte α-Entropie ist gegeben durch
Sα = (1 − α)−1 ln T r(%α ) und kann mit α = 2 auch zur Informationsmessung benutzt werden: ln T r(%2 ).
!
⇐⇒
H|αs1 βs2 > = H1 |αs1 > ⊗ 1|βs2 > + 1|αs1 > ⊗ H2 |βs2 > (32)
ai |αs1 βs2 > = αs1 |αs1 βs2 > + βs2 |αs1 βs2 >.
(33)
3. Für
unser
Beispiel
ist
die
β-Entropie
Dβ = (21−β − 1)−1 (T r(%β ) − 1) von Daróczy gut geeignet. Mit
β = 2 erhalten wir zur Informationsmessung D2 (%) = 2(1 − T r(%2 ))
[Kronz, 1998].
D.h. es müssen folgenden Gleichungen gleichzeitig erfüllt sein, damit das
System separabel ist:
a0 = α0 + β0 ,
a1 = α0 + β1 ,
a2 = α1 + β0 ,
Welche Entropie am besten geeignet ist, muss je nach Fall entschieden
werden.
a3 = α1 + β1 . (34)
Dies ist allerdings für die meisten Systeme nicht erfüllt, und so sind
die meisten Hamiltonians nichtseparabel. Damit ist aber auch die Zeitentwicklung nichtseparabel, da sie durch den Zeitentwicklungsoperator
U = exp(iHt/h̄) beschrieben wird.
3.3.3
Wenden wir nun die Informationsmessung von Daróczy auf unser Beispiel
für reelle Einträge in |φ> an, so erhalten wir

2
1
1
X
X
D2 (ρ1 (t)) = 2 − 2
<αi | 
<βj |φ(t)><φ(t)|βj > |αi>
(36)
Der zeitabhängige gemeinsame Zustand s1 + s2 ist durch den zeitabhängigen Dichteoperator ρ(t) = U ρ U −1 gegeben. Durch ausseparieren der
Freiheitsgrade des Zustandes s2 bekommt man den reduzierten Dichteoperator ρ1 für den Zustand s1 :
ρ1 (t)
=
s2
T r (ρ(t))
=
1
X
<βs2 |φ(t)><φ(t)|βs2 >.
Informationsmessung am Beispiel
i=0
(35)
=2−2
s2 =0
3.3.2
1
X

<αi |
i=0
Entropien zur Charakterisierung der Zeitentwicklung
=2−2
1
X
j=0
1
X
j=0

<βj |ρ(t)|βj >
1
X
k=0
!
|αk ><αk |
1
X
!
<βl |ρ(t)|βl > |αi>
l=0
<αi βj |φ(t)><φ(t)|αk βj ><αk βl |φ(t)><φ(t)|αi βl >
(37)
i,j,k,l=0
Nun lässt sich die Frage nach der Komplexität der Zeitentwicklung für den
Zustand s1 stellen. D.h. wird sich der Zustand periodisch, quasiperiodisch
oder chaotisch verhalten? Mit Hilfe einer Entropie lassen sich solche Aussagen machen.
=2−2
1
X
r2i+j e−ia2i+j t/h̄ · r2k+j eia2k+j t/h̄ · r2k+l e−ia2k+l t/h̄ · r2i+l eia2i+l t/h̄
i,j,k,l=0
= 4 · (r02 r32 + r12 r22 ) − 8 · r0 r1 r2 r3 · cos(a0 − a1 − a2 + a3 )t.
1. Für einen Dichteoperator % ist die von Neumann-Entropie definiert
durch S = −kT r(% · ln %), wobei die Boltzmannkonstante k = 1
gesetzt werden kann. Da Erhöhung der Entropie eine Abnahme an
Information bedeutet, kann T r(%) · ln % als Informationsmessung
benutzt werden.
(38)
Betrachten wir nun aber die letzte Zeile, so erkennen wir, dass die
Zeitentwicklung stabil ist, falls das System separabel ist, weil dann
a0 − a1 − a2 + a3 = 0 gilt. Aber auch für den nicht separablen Fall hat
das System nur periodisches Verhalten. Erweitert man dieses Problem nun
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führt, will man chaotisches Verhalten erzeugen. Es wurde gezeigt, dass
unabhängig davon chaotisches Verhalten in Quantensystemen auftreten
kann, falls das System nichtseparabel und offen ist.
auf offene Systeme mit mehreren diskreten Eigenzuständen, so finden wir
auch hier nur periodisches oder quasiperiodisches, nicht aber chaotisches
Verhalten.
3.4
Zuletzt wurde eine Möglichkeit gezeigt, chaotisches Verhalten in Quantensystem durch die so genannte Levelstatistik zu untersuchen und zu
charakterisieren. Dabei unterscheiden sich reguläre Systeme von irregulären durch die Levelabstoßung (level repulsion), was im ersten Fall zur
Poisson- und im letzteren Fall zur Wigner-Verteilung führt.
Kontinuierliches Eigenwertspektrum
Wie eben erkannt reicht die Voraussetzung eines nicht separablen, offenen Systems nicht aus, um in Quantensystemen chaotisches Verhalten
zu bekommen. Für ein diskretes Eigenwertspektrum liefert ein solches
System nur periodisches oder quasiperiodisches Verhalten. Zur Erzeugung
chaotischen Verhaltens ist ein kontinuierliches Eigenwertspektrum eine
weitere Voraussetzung.
In der Praxis allerdings lassen sich mit einem kontinuierlichen Eigenwertspektrum meist keine konkreten Rechnungen durchführen. Als chaotisch
betrachtet man daher schon Systeme, welche zwar periodisch sind, aber
eine sehr lange Periode haben, so dass sie quasi chaotisch sind.
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Zusammenfassung
In dem ersten Beispiel haben wir ein System betrachtet, welches bei klassischer Betrachtung vollständig regulär ist und kein chaotisches Verhalten
aufweist. Geht man allerdings vom quantenmechanischen Standpunkt
aus und führt dann den klassischen Limes aus, so ist das semiklassische
System plötzlich irregulär und zeigt chaotisches Verhalten. Weiter wurde
an diesem System gezeigt, dass es möglich ist, das Energiespektrum für
den chaotischen Fall bei bekannter Energiedichte zu bestimmen.
Literatur
T. Brody, J. Flores, J. French, P. Mello, A. Pandey, and S. Wong. Randommatrix physics: spectrum and strength fluctuations. Reviews of Modern
Physics, Vol. 53, No. 3, July 1981.
Y. Dabaghian. Quantum chaos in elementary quantum mechanics. ArXiv
Online Press, 2005. quant-ph/0407239.
Im zweiten Teil wurde die Frage aufgestellt, welches die Voraussetzungen
für chaotisches Verhalten in Quantensystemen ist. In der klassischen Physik ist Chaos durch hohe Sensibilität gegenüber der Anfangsbedingungen
charakterisiert und setzt einen nichtlinearen Term in der Bewegungsgleichung voraus. In der Quantenmechanik ist der Hamiltonoperator allerdings
rein linear und die Zeitentwicklung unitär, was scheinbar zu Problemen
M. C. Gutzwiller. Chaos in Classical and Quantum Mechanics. SpringerVerlag New York Inc., 1990.
F. M. Kronz. Nonseparability and quantum chaos. Philosophy of Science
65, 1998.
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