1 Kinematik Zur vollständigen Kennzeichnung einer Geschwindigkeit sind demnach außer dem Betrag noch Angaben über Richtung und Richtungssinn erforderlich1. Eine solche physikalische Größe bezeichnet man als Vektor (gerichtete Größe). Ein Vektor wird durch einen Pfeil dargestellt (▶ Bild 1). Die Länge des Pfeils ist ein Maß für den Betrag der Geschwindigkeit. Der Zusammenhang zwischen Pfeillänge und Betrag (Größe) der Geschwindigkeit wird durch einen Geschwindigkeitsmaßstab ausgedrückt. Die Pfeilachse gibt die Richtung, die Pfeilspitze den Richtungssinn der Geschwindigkeit an. a) allgemeine Darstellung b) fahrendes Auto c) fallender Körper Bild 1 Beispiele für die Vektordarstellung von Geschwindigkeiten unterschiedlicher Größe und Richtung ■ Lehrbeispiel 1 Ein Lkw durchfährt eine 700 m lange Steigung mit der konstanten Geschwindigkeit v = 40 km/h. Am Beginn der Steigung überholt ihn ein Pkw, welcher die Steigung in der Zeit t = 40 s gleichförmig durchfährt. a) Wie groß ist die Geschwindigkeit des Pkw in km/h? b) Wieviel Minuten benötigt der Lkw zum Durchfahren der Steigung? c) Wie groß ist der Abstand sa zwischen Lkw und Pkw, wenn der Pkw die Steigung durchfahren hat? Lösung: a) Die Geschwindigkeit des Pkw beträgt: 1 _____ km 1 000 s 700 m m 3 600 km v = _ = ______ = 17,5 __ = 17,5 __________ = 17,5 _____ ___ t 40 s s 1 000 h 1 _____ h 3 600 km km v = 17,5 · 3,6 ___ = 63 ___ h h b) Aus v = s/t folgt für die Fahrzeit des Lkw: 700 m 700 m 700 · 60 s t = __ = ________ = __________ = ________ min = 1,05 min v 40 km/h _________ 40 000 40 000 m 60 min c) In der Zeit t = 40 s, die der Pkw zum Durchfahren der 700 m langen Steigung benötigt, legt der Lkw folgenden Weg zurück: km 1 000 m sLkw = vLkw · t = 40 ___ · 40 s = 40 · ________ · 40 s = 444 m h 3 600 s Damit beträgt der Abstand zwischen Pkw und Lkw: sa = sPkw – sLkw = 700 m – 444 m = 256 m 1 Vielfach beinhaltet der Begriff Richtung auch gleich den Richtungssinn, dann müssen von der Geschwindigkeit Größe und Richtung bekannt sein. 2 2511_buch.indb 2 31.08.2011 07:55:04 2 Statik 2.4 Allgemeines Kräftesystem Ein allgemeines Kräftesystem liegt vor, wenn die Kräfte – auch wenn sie auf ihrer Wirklinie verschoben werden – keinen gemeinsamen Schnittpunkt bilden, also keinen gemeinsamen Angriffspunkt haben (▶ Bild 1 a). Schon zwei parallele Kräfte (▶ Bild 1 b) bilden ein allgemeines Kräftesystem, weil ihr Schnittpunkt im Unendlichen liegt. ▶ Bild 1c zeigt, wie ein Träger mit nur einer Belastungskraft und dazu parallelen Reaktionskräften ein allgemeines Kräftesystem bildet. a) Welle mit vier verschieden gerichteten Belastungskräften Bild 1 b) Welle mit zwei parallelen Belastungskräften c) Träger mit einer Belastungskraft und dazu parallelen Reaktionskräften Beispiele für allgemeine Kräftesysteme 2.4.1 Moment und Kräftepaar Aufgabe: Eine schwergängige Schraube soll mit einem Gabelschlüssel gelöst werden. Wie kann die Drehwirkung erhöht werden? Lösung: Entweder greift man mit beiden Händen an (Vergrößerung Bild 2 Gabelschlüssel mit aufgestecktem von F), oder man steckt ein Stück Rohr auf den Griff des Rohr zur Erzeugung einer großen Drehwirkung Schlüssels und greift am Rohrende an (Vergrößerung von k). Die Drehkraftwirkung auf die Schraube ist also um so größer, je größer die Kraft F und der Abstand k sind. Den Abstand k bezeichnet man als Wirkabstand. Es ist der senkrecht gemessene, also kürzeste Abstand zwischen dem Drehpunkt (Schraubenmitte) und der Wirklinie der Kraft F. Die Drehkraftwirkung auf die Schraube bezeichnet man als Moment M. Die Größe des Moments ist gleich dem Produkt aus Kraft und Wirkabstand. Damit wird das Moment: g 5 M=F·k M Moment in Nm F Kraft in N k Wirkabstand in m Tritt eine Drehung auf, wie z. B. bei einem Kettenrad, einer Kurbel (▶ Bild 4) oder einem Motor, so bezeichnet man das Moment als Drehmoment M. Tritt keine Drehung auf, wie z. B. bei dem eingespannten Träger in ▶ Bild 3, dann bezeichnet man das auftretende Moment als Biegemoment Mb (b = Biegung) oder allgemein als statisches Moment M.1 Bild 3 1 Statisches Moment bei einem eingespannten Träger Bild 4 Drehmoment bei Kettenrad und Kurbel Vielfach benutzt man den Ausdruck Drehmoment auch für statische Momente. Dies ist möglich, weil zwischen beiden in der Ursache und in der Berechnung kein Unterschied besteht. 42 2511_buch.indb 42 31.08.2011 07:55:18 3 Kinetik Unter Energie versteht man das Arbeitsvermögen, also den Zustand, unter Arbeit den Vorgang selbst. Als Energie bezeichnet man die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten (gespeicherte Arbeit). Energie kann in vielen Arten auftreten. Im Brennstoff ist chemische Energie gespeichert, die durch Verbrennen frei wird, d. h. in Wärmeenergie umgewandelt wird. Die mechanische Energie des Wassers im oberen Becken des Pumpspeicherwerkes wird durch Turbinen und Generatoren in elektrische Energie umgewandelt, welche wiederum in Licht, Wärme oder mechanische Energie umgewandelt werden kann. Bei Energieumwandlungen geht keine Energie verloren, wird aber auch keine Energie hinzugewonnen (Satz von der Erhaltung der Energie). Deshalb ist es nicht richtig, von Energieerzeugern zu sprechen. Energie kann nur umgewandelt werden. Dabei wird ein Teil der Energie in eine für den bestimmten Zweck unbrauchbare Form umgewandelt, z. B. beim Verbrennungsmotor in Wärme. Da Energie gespeicherte Arbeit ist, haben alle Energieformen die Einheit der Arbeit. Im Internationalen Einheitensystem ist die Energieeinheit das Joule (J). Für Umrechnungen gilt: 1 J = 1 Nm = 1 Ws In der Elektrotechnik wird meistens ein Vielfaches der Wattsekunde (Ws) als Einheit für die Energie verwendet. 1 kWh = 3 600 kWs = 3 600 kNm = 3 600 kJ 3.2.5.2 Potentielle und kinetische Energie Beim Hochpumpen des Wassers ins obere Becken eines Pumpspeicherwerks bzw. beim Anheben eines Fallhammers wird Arbeit verrichtet, die als Energie zur Verfügung steht. Die Fähigkeit eines Körpers, dank seiner erhöhten Lage Arbeit zu verrichten, wird als Energie der Lage oder potentielle Energie Wp bezeichnet. Strömt das Wasser abwärts bzw. fällt der Fallhammer, so kann durch diese Bewegung Arbeit verrichtet werden. Die Fähigkeit eines bewegten Körpers, Arbeit zu verrichten, wird als Energie der Bewegung oder kinetische Energie Wk bezeichnet. Zum gleichförmigen Anheben eines Körpers ist die Kraft F1 = G längs des Weges h erforderlich. Die verrichtete Arbeit beträgt nach dem Anheben W = Wp = G · h. Dies ist auch der Fall, wenn der Körper auf einer schiefen Ebene nach oben bewegt wird (▶ Bild 1). In diesem Fall ist: h W = Wp = F · s = G · sin α · _____ = G · h sin α Damit gilt für die potentielle Energie: 13 Wp = G · h Wp potentielle Energie in J G Gewichtskraft in N h Höhe in m Bild 1 Potentielle Energie eines Körpers 134 2511_buch.indb 134 31.08.2011 07:55:52 Beanspruchung auf Biegung 4.5.3 Berechnung der axialen Flächen- und Widerstandsmomente Um das axiale Widerstandsmoment W berechnen zu können, muss das axiale Flächenmoment J bekannt sein. Das Flächenmoment J ist der Summenausdruck Σ (ΔA · y2). Wird der Träger hochkant gebogen (▶ Bild 1), so ist die x-Achse die Biegeachse. Das Flächenmoment muss auf diese Achse bezogen werden: Jx = Σ (ΔA · y2) Je weiter die Teilfläche ΔA von der Biegeachse entfernt ist, desto größer ist ihr Flächenmoment und damit auch ihr Widerstandsmoment. Bild 1 Lage der Biegeachse bei einem auf Biegung beanspruchten Träger Dieselbe Schlussfolgerung kann auch aus der Verteilung der Biegespannung über den Querschnitt gezogen werden (▶ Bild 2, Seite 183). Die von einem Flächenelement zu übertragende Spannung nimmt von der neutralen Faser zu den Randfasern hin stetig zu. Das Flächenelement ΔA2 mit dem großen Abstand y2 (▶ Bild 1) überträgt ein größeres Biegemoment als das gleich große Flächenelement ΔA1 mit dem kleinen Abstand y1; sein Anteil ΔA2 · y22 am gesamten Flächenmoment ist größer als der Anteil ΔA1 · y12. Daraus zu schließen, dass bei auf Biegung beanspruchten Bauteilen der Werkstoff um so „wertvoller“ wird, je größer sein Abstand von der Biegeachse ist. Ein Träger mit rechteckigem Querschnitt kann hochkant ein größeres Biegemoment aufnehmen als flachkant, ein J-Träger mit gleicher Querschnittsfl äche und aus gleichem Werkstoff ein noch größeres; eine Hohlwelle kann bei gleicher Querschnittsfl äche und gleichem Werkstoff ein größeres Biegemoment aufnehmen als eine Vollwelle (▶ Bild 2). a) rechteckige Querschnitte Bild 2 b) kreisförmige Querschnitte Größe der Flächen- und Widerstandsmomente bei gleichem Flächeninhalt der Querschnitte, aber verschiedenen Querschnittsformen Je weiter die einzelnen Flächenteilchen der Querschnittsfläche von der Biegeachse entfernt sind, desto größer ist das axiale Flächenmoment J. 4.5.3.1 Axiale Flächen- und Widerstandsmomente von geometrisch einfachen Flächen und von Normprofilen Für geometrisch einfache Querschnittsfl ächen sind in Tabellen Gleichungen zur Berechnung von Flächen- und Widerstandsmomenten zusammengestellt. Für genormte Profile sind die Flächen- und Widerstandsmomente ausgerechnet und in den entsprechenden DIN-Normen enthalten. 187 2511_buch.indb 187 31.08.2011 07:56:11 Beanspruchung auf Knickung 4.7.1 4.7.1.1 Elastische Knickung Knickkraft FK Die Druckkraft, bei der das Bauteil ausknickt, nennt man die Knickkraft FK. Erreicht die Druckkraft F den Wert der Knickkraft FK, so knickt das Bauteil aus. Ausknicken eines Stabes und Durchbiegen eines Trägers verursachen eine Krümmung der vorher geraden Stab- bzw. Trägerachse. Stab bzw. Träger erfahren eine Durchbiegung f (▶ Bild 1). Beim Herleiten einer Gleichung für die Knickkraft kann man von der Gleichung für die Durchbiegung eines Trägers ausgehen. Bei Beanspruchung auf Biegung ist die Durchbiegung: F · k3 f ~ _____ E·J Mb · k 2 und mit Mb ~ F · k: f ~ ______ E·J Bei Knickung gilt für das Moment: M ~ FK · f Mb = M ~ FK · f gesetzt, ergibt FK · f · k 2 f ~ ________ E·J und für die Knickkraft: E·J FK ~ ____ k2 Neben E, J und k ist noch die Art der Lagerung des Stabes für die Größe der Knickkraft FK maßgebend. Der Stab nach ▶ Bild 2 a wird schon bei einer geringeren Kraft F ausknicken als der Stab nach ▶ Bild 2 b. Euler1 hat für verschiedene Lagerungen (Belastungsfälle) des Knickstabes Gleichungen für die Knickkraft entwickelt. Beim Belastungsfall nach ▶ Bild 2 a, der Belastungsfall II bzw. Grundfall genannt wird, gilt für die Knickkraft: π2 · E · J FK = ________ k2 π2 · E · J Beim Belastungsfall III (▶ Bild 2 b) ist FK = 2 ________ , k2 d. h. der Stab knickt erst bei doppelt so großer Kraft F aus, wie der Stab nach ▶ Bild 2 a. Nach Euler unterscheidet man 4 mögliche Belastungsfälle, d. h. Lagerungsmöglichkeiten des Stabes (▶ Tabelle, Seite 244). 1 a) Durchbiegung eines Trägers Bild 1 b) Ausknicken eines Stabes Durchbiegung eines Trägers und Ausknicken eines Stabes π2 · E · J a) FK = ________ k2 Belastungsfall II (Grundfall) π2 · E · J b) FK = 2 ________ k2 Belastungsfall III Bild 2 Knickkraft FK bei zwei verschiedenen Lagerungen des Knickstabes Leonhard Euler, Mathematiker (1707–1783) 243 2511_buch.indb 243 31.08.2011 07:56:27