Projekt „Fischart im Kontext. Wissen in Parodistischer Literatur des 16. Jahrhunderts“ Projektleitung: Prof. Dr. Beate Kellner Projektmitarbeiter: Dr. Tobias Bulang Förderung: DFG Im Rahmen dieses Projektes entsteht ebenfalls die Habilitationsschrift von Dr. Tobias Bulang Das Projekt möchte der in den aktuellen Debatten zur Literatur der Vormoderne besonders akzentuierten Leitfrage, wie literarische Texte ins kulturelle Archiv ihrer Zeit eingebunden sind, an enzyklopädisch parodistischen Texten der Literatur des 16. Jahrhunderts als einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher, epistemischer und medialer Umbrüche nachgehen. Da Text-Kontext-Interferenzen in einer für literarische Texte außerordentlichen Dichte in Johann Fischarts Geschichtklitterung programmatisch werden, liegt das Schwergewicht der Analysen auf diesem in der Forschung noch immer vernachlässigten zentralen Text, dessen Vorlage, François Rabelais’ Gargantua, in komparatistischen Analysen berücksichtigt werden soll. Das Projekt wird sich unter wissensgeschichtlicher und kulturanthropologischer Perspektive auf die für das 16. Jahrhundert fraglos bedeutsamen und für Fischart wie Rabelais zentralen Diskurse über 1) Affekte, 2) Humanismus, Erziehung, Bildung und 3) Sprache konzentrieren. Diese historischsystematische Zielstellung wird mit der Frage nach der Eigenart des literarischen Textes, seiner Literarizität, verbunden: Unter literaturwissenschaftlicher Perspektive zielt das Projekt damit auf die spezifisch literarischen Verfahren der Transformation gelehrter Diskurse und deren literarische Inszenierung. Literaturwissenschaftliche, wissensgeschichtliche und kulturanthropologische Fragestellungen sind auf diese Weise zu einem innovativen, weder in der Forschung zu Fischart, noch zu anderen literarischen Texten des 16. Jahrhunderts bislang erprobten Ansatz verknüpft. Methodisch gehen die Projektarbeiten von folgenden Prämissen aus: Sie verstehen literarische Texte als Repräsentationen, die nicht unmittelbar auf die Wirklichkeit verweisen, sondern bereits Erfahrungen, Wahrnehmungen, Deutungen, ‘Verarbeitungen’ von Wirklichkeit voraussetzen, wie sie im Sinne eines “outillage mental” in Form von Metaphern, Bildfeldern, ikonographischen Mustern, Gattungen, Erzählschemata, Deutungsmustern zur Verfügung stehen. Sie fragen insbesondere nach der Vernetzung, den Kontinuitäten, aber auch den Diskontinuitäten von diskursiven Formationen. Dabei geht es um Übersetzungsvorgänge, Umcodierungsprozesse zwischen den verschiedenen Diskursen, im Blick auf die Literatur also etwa zwischen Literatur und Historiographie, Literatur und Recht, Literatur und Theologie/Philosophie, Literatur und Medizin/Naturkunde, und damit um Übersetzungsvorgänge zwischen literarischen und anderen kulturellen Konfigurationen.