10. Jahrgang, 1. Ausgabe 2016, 1-23 - - - Rubrik Neue Arzneimittel - - - Was gab es Neues auf dem Arzneimittelmarkt 2015 Teil 1: Secukinumab und Nivolumab Charakteristika der Psoriasis Bronchialkarzinom Schweregrade der Psoriasis Malignes Melanom Secukinumab Nivolumab Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab 2 Was gab es Neues auf dem Arzneimittelmarkt 2015 Secukinumab und Nivolumab Prof. Dr. Georg Kojda Fachpharmakologe DGPT, Fachapotheker für Arzneimittelinformation Institut für Pharmakologie und klinische Pharmakologie Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf [email protected] *Aus einem Vortrag des Autors vom 25.01.2016 im großen Hörsaal des LFI der Universitätsklinik Köln (organisiert durch Apothekerkammer Nordrhein/Apothekerverband Köln e.V./Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein Bezirksstelle Köln) Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier: http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html Titelbild : Universitätsbibliothek New York , Urheber: Photoprof, Lizenz: Fotolia Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Was gab es Neues auf dem Arzneimittelmarkt 2015? Prof. Dr. Georg Kojda Fachpharmakologe, Fachapotheker für Arzneimittelinformation Fortbildungsbeauftragter Apothekerkammer Nordrhein, Apothekerverband Köln e.V. Herausgeber „Fortbildungstelegramm Pharmazie“ Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie, Universitätsklinikum, Düsseldorf, Fortbildungsvortrag vom 25.01.2016 organisiert durch Apothekerkammer Nordrhein, Apothekerverband Köln e.V., Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, Bezirksstelle Köln Der Autor erhielt Forschungsgelder1 sowie dienstlich genehmigte Beratungs-2 und Referentenhonorare3 von folgenden Arzneimittelherstellern: Actavis1, Allergan2, Boehringer3, Mundipharma3, Schwarz Pharma1, Pfizer1,2, Shire1 Wichtige Hinweise Für die Nutzung dieses Dokumentes gelten die Nutzungsbedingungen, einsehbar unter http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/impressum.html Für die Angaben in diesem Dokument gilt der Disclaimer, einsehbar unter http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/impressum/Disclaimer.html Insbesondere soll hier Folgendes noch einmal betont werden (Disclaimer): „In keinem Falle stellen Informationen zu Arzneimitteln oder sonstigen medizinischen Produkten Empfehlungen oder eine Werbung für Präparate oder Produkte dar. Gleichfalls ersetzen die Informationen nicht eine individuelle fachliche Beratung durch einen Arzt oder Apotheker. Der Inhalt von www.kojda.de darf nicht dazu verwendet werden, eigenständig Diagnosen zu stellen oder Behandlungen anzufangen.“ Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 3 4 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Übersicht Hinweise Zeitraum Die Auflistung beinhaltet erstmals auch neue Arzneistoffe aus 2015, deren Ausbietung zum 01.01.2016 erfolgte (Efmoroctocog alpha und Sacubitril/Valsartan). Die Kombination aus Ceftolozan/Tazobactam (Zerbaxa®) wurde nicht aufgenommen. Erweiterung Die Auflistung beinhaltet ebenfalls neue Impfstoffe (Neisseria meningitidis der Gruppe C [Stamm C11] konjugiert) sowie autologe menschliche Hornhautepithelzellen (erste Stammzelltherapie). Kosten Die Berechnung der Tages-Therapiekosten erfolgte auf der Basis des Apothekenverkaufspreises des jeweils größten erhältlichen Packung und der vom Hersteller empfohlenen Dosierung. Übersicht 38 neue Arzneistoffe in 2015 (12 Zytostatika, 11 Orphan-Drugs!) Seltene Erkrankungen Antiinfektiva Zytostatika Asfotase alfa (Strensiq®) Efmoroctocog alfa (Elocta®) Eliglustat (Cerdelga®) Idebenon (Raxone®) Lumacaftor / Ivacaftor (Orkambi®) Nintedanib (Ofev®) Sebelipase alfa (Kanuma®) autologe menschliche Hornhautepithelzellen (Holoclar®) Dasabuvir (Exviera®) Isavuconazol (Cresemba®) Ombitasvir in Kombination mit Paritaprevir und Ritonavir (Viekirax®) Paritaprevir (Viekirax®) Tedizolid (Sivextro®) Blinatumomab (Blincyto®) Carfilzomib (Kyprolis®) O Ceritinib (Zykadia®) Cobimetinib (Cotellic®) Lenvatinib (Lenvima®) O Nintedanib (Vargatef®) Nivolumab (Opdivo®) Olaparib (Lynparza®) O Panobinostat (Farydak®) O Pembrolizumab (Keytruda®) Ramucirumab (Cyramza®) Trametinib (Mekinist®) Andere Stoffwechsel (Praluent®) Alirocumab Evolocumab (Repatha®) Dulaglutid (Trulicity®) Herz-Kreislauf Cangrelor (Kengrexal®) Edoxaban (Lixiana®) Sacubitril/Valsartan (Entresto®) Naloxegol (Moventig®) Neisseria meningitidis der Gruppe C (Stamm C11) konjugiert (Menjugate®) Netupitant (Akynzeo®) Nonacog gamma (Rixubis®) Safinamid (Xadago®) Vasopressin (Empressin®) Vortioxetin (Brintellix®) Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 5 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Übersicht Frühe Nutzenbewertung nach AMNOG erheblich > beträchtlich > gering und nicht quantifizierbar (z.B. bei Orphan-Drugs) Bewertung erfolgt im Verhältnis zur „zweckmäßigen Vergleichstherapie“. Prüfung des Dossiers innerhalb von 3 Monaten Erstattungsbetragsverhandlungen bis 12. Monat Schiedsspruch bis 15. Monat Anhörung und Beschluss zwischen 4. – 6. Monat IQWiG Einigung G-BA Dossier Einigung Klage oder Marktrücknahme Marktrücknahme durch Hersteller möglich Abb. modifiziert nach: http://www.vfa.de/de/download-manager/_infografik-amnog-fruehe-nutzenbewertung.pdf Autoimmunerkrankungen Gruppe Autoimmunerkrankungen Fortschritte bei der Behandlung der Psoriasis Vollständige Liste erhältlich unter: http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/fortbildungkoeln/index.html Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 6 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Secukinumab (Cosentyx®) Arzneistoff Secukinumab (Cosentyx®) Indikation mittelschwere bis schwere Plaque-Psoriasis bei Erwachsenen selektiver Interleukin 17A (IL-17A) und IL17AF Antikörper (Isotyp IgG1κ) nach unzureichender Vorbehandlung: Psoriasis-Arthritis allein oder in Kombination mit Methotrexat (MTX) bei Erwachsenen aktive ankylosierende Spondylitis bei Erwachsenen Zusatznutzen Hersteller beträchtlich, gering (Vorbehandlung), nicht belegt (ohne Vorbehandlung) Novartis Pharma GmbH Psoriasis Epidemiologie und Begleiterkrankungen Psoriasis vulgaris Psoriasis vulgaris (Plaque-Psoriasis) ist häufigste Form, Autoimmunerkrankung Prävalenz in Deutschland ca. 2% (etwa 1,5 Millionen betroffene Menschen) Therapiestudien fast nur für diese Form Typ 1: Erkrankung <40 J., oft familiär, HLA-Cw6assoziiert*, Tendenz zu schwerem Verlauf Abb. aus: http://derma.uniklinikumgraz.at/Lehre/Seiten/Online-Atlas.aspx Typ 2: Erkrankung >40 J., seltener familiär und HLA-assoziiert, eher leichterer Verlauf extradermale Manifestationen sind Arthritis psoriatica (zu 20 %) oder Uveitis erhöhtes Risiko für rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Dyslipidämien, Adipositas, Typ 2 Diabetes, arterielle Hypertonie und kardiovaskuläre Folgeerkrankungen Psoriasis pustulosa Abb. aus: http://lasimagenesenmedicina.blogspot.de/2010/09/psoriasis-pustulosa.html verkürzte Lebenserwartung bei jüngeren Patienten mit schwerem Verlauf (Typ 1) nach S3 Leitlinie (Update 2011): http://www.psoriasis-rheinruhr.de/pdf/S3%20Leitlinien_Update.pdf *spezifische Variation in der humanen LeukozytenantigenSystem-Region auf Chromosom 6 HLA-C*06:02 gilt als Hauptrisiko-Allel Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Psoriasis Gesunde Haut Pathophysiologie Zusammenspiel von genetischen Faktoren und Umweltfaktoren (Traumata, Bakterien) bewirkt Zusammenbrechen der Immuntoleranz dendritische Zellen Dendritische Zellen der Haut (u.a. Langerhans-Zellen) wandern in Lymphknoten und induzieren über IL-12 und IL-23 die Differenzierung von naiven T-Zellen zu Typ 1 (Th1) und Typ 17 T-Helferzellen (Th17) sowie zu den zytotoxischen T-Zellen Tc1 und Tc17. T-Zellen Psoriasis aktivierte T-Zellen Diese wandern via Diapedese in die Haut ein und setzen Zytokine wie INFγ und TNFa (Th1) sowie IL-22, IL17A und IL17F frei (Th17) frei. Unterstützung der Entzündung durch Endothelzellen, Fibroblasten und Keratinozyten Einwanderung von Neutrophilen mit Bildung steriler Mikroabszesse aktivierte dendritische Zellen Hyperparakeratose durch gesteigerte proliferative Aktivität und gestörte Ausreifung von Keratinozyten (siehe auch: Nestle FO et al., N Engl J Med 2009;361:496-509) Abb. modifiziert nach: http://keyopinions.info/issues/dermatology/gene-to-clinic/1/?type=1 Psoriasis Pathogene Neues zur Pathophysiologie dendritische Zelle Nach neueren Erkenntnissen wird durch IL-23 aus dendritischen Zellen und Makrophagen vor allem eine kleine Subpopulation von T-Zellen aktiviert. Diese dermalen γδ T-Zellen gelten als Bestandteil der angeborenen Immunität und werden auch als Brücke zur erworbenen Immunität bezeichnet. Sie wurden erst kürzlich bei Psoriasis als Hauptquelle von IL-17 in der Haut identifiziert und spielen somit eine zentrale Rolle bei der Pathogenese. Makrophage IL-23 und/oder IL-1ß Expansion Cai Y et al., Immunity. 2011 Oct 28;35(4):596-610 dermale γδ T-Zellen Keratinozyten Neueste Erkenntnissen belegen, dass die Stimulation der T-Zellen durch das Autoantigen ADAMTS-like Protein 5 aus dermalen HLA-C*06:02 positiven Melanozyten ausgelöst werden kann (Autoimmunerkrankung). IL-17 IL-22 TNFα Arakawa A et al., J Exp Med. 2015 Dec 14;212(13):2203-12 dermale Entzündung Neutrophile Abb. modifiziert nach: Cai Y et al., Immunity. 2011 Oct 28;35(4):596-610 Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 7 8 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Psoriasis Einschätzung des Schweregrades Psoriasis Area and Severity Index (PASI) 0 1 Körperregion Einteilung in Kopf-Hals, obere Extremitäten (o.E.), Rumpf und untere Extremitäten (u.E.) Beurteilung der Läsionen pro Körperregion Erythem (Rötung, siehe Beispiel), Induration (Dicke der Läsion) und Schuppung (Desquamation), Einteilung 0-4 Punkte (maximal je 12 Punkte) 2 Beurteilung der betroffenen Körperoberfläche pro Körperregion Abschätzung der betroffenen Körperoberfläche (BSA1) in Prozent, Einteilung 0-6 Punkte (0-100 %), jeweils Multiplikation mit dem Punktwert für die Läsionen 3 Wichtung der Oberfläche der Körperregionen Multiplikation Korrekturfaktor für die Oberfläche: Kopf-Hals (0.1), o.E. (0.2), Rumpf (0.3) und u.E. (0.4) 4 Wichtung des PASI Der maximal erzielbare PASI von 72 ist ein theoretischer Wert. Die Einschätzung der Lebensqualität (DLQI2) spielt eine große Rolle für die Einschätzung des Schweregrades und die Wahl der Therapie (u.a. Juckreiz, Lokalisation) Erytheme 1Body Surface Area Life Quality Index 2Dermatology Abb. aus: http://www.pasitraining.com/calculator/step_1.php Psoriasis Schweregrad bestimmt vorwiegend Pharmakotherapie topische Therapeutika leichte Psoriasis PASI, BSA und DLQI <10 topische Therapie Steinkohlenteer Calcineurin-Inhibitoren: Tacrolimus, Pimecrolimus (off-label) Tazaroten (nur als Import) Dithranol Vitamin D3 und Analoga: Calcipotriol, Tacalcitol, Calcitriol Glukokortikoide: Clobetasol, Betamethason, Mometason, systemische Therapeutika mittelschwere bis schwere Psoriasis PASI oder BSA und DLQI >10 systemische Therapie Retinoide: Etretinat, Acitretin, Isotretinoin Methotrexat Fumarate Ciclosporin Fototherapie: UVB, PUVA (Psoralen Methoxsalen), TNFa-Blocker: Adalimumab, Etanercept, Infliximab, Ustekinumab (IL-12 und IL-23 Antikörper, Isotyp IgG1κ) Listung nach steigender Wirksamkeit entsprechend S3 Leitlinie (Update 2011): http://www.psoriasis-rheinruhr.de/pdf/S3%20Leitlinien_Update.pdf Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 9 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Psoriasis TNFa-Blocker bei Psoriasis „Infliximab wird zur Induktionstherapie für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis vulgaris empfohlen, vor allem wenn andere Therapieformen keinen ausreichenden Therapieerfolg gezeigt haben, unverträglich oder kontraindiziert sind. Bei einer Therapie mit Infliximab erreichen ca. 75–88 % der Patienten bei einer mittelschweren bis schweren Psoriasis bei einer Dosierung von 5 mg/kg KG bei den üblichen Therapieintervallen eine PASI-Reduktion um 75 % nach zehn Wochen“ aus: S3 Leitlinie (Update 2011): http://www.psoriasis-rheinruhr.de/pdf/S3%20Leitlinien_Update.pdf Bildquelle: Universitätshautklinik Düsseldorf, Prof. Dr. med. U. Hengge Abb. aus: http://www.psoriasis-rheinruhr.de/therapie/biologics.html Secukinumab (Cosentyx®) Klinische Effektivität Phase 3 Studie (ERASURE) randomisiert 1:1:1, Placebo-kontrolliert, doppelblind, Ko-primäre Endpunkte waren das PASI 75 Ansprechen und die Änderung der standardisierten globalen Einschätzung des Arztes auf 0-1 Bewertungspunkte (klare bzw. fast klare Haut) 738 Patienten, 45 Jahre, PASI 21,4-22,5; etwa 64 % vorbehandelt, etwa 29 % mit Biological, jedoch unzureichend kontrolliert, nachgewiesene Einschränkung der Lebensqualität (DLQI) Dosierung: in Wochen 1-4: 1x150 mg oder 1x300 mg Secukinumab oder Placebo s.c., danach alle 4 Wochen bis Woche 48 Hauptergebnis: Secukinumab war Placebo bei allen erfassten Endpunkten überlegen. Dies galt auch für die Lebensqualität. Abb. modifiziert nach: Langley et al., N Engl J Med 2014; 371:326-338 Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 10 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Secukinumab (Cosentyx®) Klinische Effektivität Phase 3 Studie (FIXTURE) randomisiert 1:1:1:1, Placebo- und Etanerceptkontrolliert, doppelblind, Ko-primäre Endpunkte waren das PASI 75 Ansprechen und die Änderung der standardisierten globalen Einschätzung des Arztes auf 0-1 Bewertungspunkte (klare bzw. fast klare Haut) 1.306 Patienten, 45 Jahre, PASI 23,2-24,1; etwa 64 % vorbehandelt, etwa 13 % mit Biological (nicht Etanercept!), nachgewiesene Einschränkung der Lebensqualität (DLQI) Dosierung: in Wochen 1-4: 1x150 mg oder 1x300 mg Secukinumab danach alle 4 Wochen bis Woche 48 oder 2x50 mg/Woche Etanercept s.c. oder Placebo s.c., Hauptergebnis: Secukinumab war gegenüber Placebo und Etanercept bei allen erfassten Endpunkten überlegen. Dies galt auch für die Lebensqualität. Abb. modifiziert nach: Langley et al., N Engl J Med 2014; 371:326-338 Secukinumab (Cosentyx®) Klinische Effektivität Phase 3 Studie (FIXTURE) Die mediane Zeit bis zu 50 % Reduktion des mittleren PASI Punktwertes war bei beiden Dosierungen von Secukinumab signifikant kürzer als bei Etanercept (P<0.001,). Unter Placebo wurde dieser Wert nie erreicht. Abb. modifiziert nach: Langley et al., N Engl J Med 2014; 371:326-338 Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 11 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Secukinumab (Cosentyx®) Klinische Effektivität Phase 3b Studie (Clear) Direkter Vergleich mit Ustekinumab, randomisiert 1:1, doppelblind, primärer Endpunkt war das PASI 90 Ansprechen nach 16 Wochen, sekundäre Endpunkte waren die Änderung der standardisierten globalen Einschätzung des Arztes auf 0-1 Bewertungspunkte (klare bzw. fast klare Haut), Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (DLQI) 676 Patienten, 45 Jahre, PASI 21,7-21,5; etwa 68 % vorbehandelt, etwa 14 % mit Biological, etwa 38 % mit schwerer Psoriasis Dosierung bis Woche 52: Secukinumab in Wochen 0-4 1x300 mg pro Woche, danach alle 4 Wochen oder Ustekinumab 45 mg (<100 kg), 90 mg (>100 kg) in Wochen 0 und 4, danach alle 12 Wochen Ansprechen nach 16 Wochen Unterschied bleibt bis Woche 52 erhalten Hauptergebnis: Secukinumab war gegenüber Ustekinumab bei allen erfassten Endpunkten überlegen. Dies galt auch für die Lebensqualität. Daten aus: Thaçy et al., J Am Acad Dermatol. 2015 Sep;73(3):400-9 Psoriasis Arthritis entzündliche seronegative Arthropathie bei Psoriasis tritt bei 85 % der Psoriasis Patienten erst nach kutanen Manifestationen auf, Frauen und Männer gleich häufig betroffen Daktylitis gekennzeichnet durch Steifigkeit, Schwellungen und Ergussbildungen in den Gelenken einschließlich Sternoclaviculargelenke, der Wirbelsäule und Weichteilen wie Sehnen-, Band- und Kapselansätzen (Enthesitis) Daktylitis ist eine Kombination aus Enthesitis und Schwellungen aller Gelenke eines Zehs oder Fingers auch Befall der Zeh- und Fingernägel (Pfeil) Symptome sind Schmerzen, Druckempfindlichkeit und Berührungsempfindlichkeit Verlauf variabel und nicht vorhersagbar unbehandelt können dauerhafte Entzündung, fortschreitender Gelenkschaden mit schwerer physischer Beeinträchtigung und Behinderung entstehen Enthesitis Abb. modifiziert nach: http://img.medscape.com nach: https://www.rheuma-online.de/a-z/p/psoriasisarthritis/, und Gottlieb A et al., J Am Acad Dermatol 2008;58:851-64 Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 12 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Psoriasis Arthritis nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) Ibuprofen, Naproxen, Diclofenac Glukokortikoide hauptsächlich für lokale Injektion Daktylitis synthetische „Disease-Modifying Antirheumatic Drugs“ (DMARDs) Methotrexat, Leflunomid, Sulfasalazin, Cyclosporin A biologische DMARDs Adalimumab, Etanercept, Infliximab, Golimumab (bei Versagen eines TNFa-Blockers „switch“ zu einem anderen) neue biologische DMARDs* Ustekinumab (p40 Antikörper gegen IL-12 und IL-23) Enthesitis Abb. modifiziert nach: http://img.medscape.com nach EULAR Leitlinien 2012: Gossec L et al., Ann Rheum Dis 2012;71:4–12 *Lancet. 2013 Aug 31;382(9894):780-9 Secukinumab (Cosentyx®) Klinische Effektivität Phase 3 Studie (FUTURE 1) randomisiert 1:1:1, Placebo- kontrolliert, doppelblind, primärer Endpunkt war das Erreichen einer Verbesserung des „American College of Rheumatology“ Punktwertes um 20 % (ACR20) 606 Patienten, 45 Jahre, PASI 10,7-15,6; mittelstarker Schmerz, Daktylitis 51,5-57,4 %, Enthesitis 57,9-63,9 %, nachgewiesene Einschränkung der Lebensqualität (SF36) Vorbehandlung mit TNFa-Blocker etwa 30 %, mit Methotrexat etwa 60%, mit lokalen Glukokortikoiden etwa 15 %, Dosierung: in Wochen 0, 2, 4: 10 mg/kg Secukinumab oder Placebo i.v., danach alle 4 Wochen bis Woche 48: 1x150 mg oder 1x75 mg Secukinumab oder Placebo s.c. ACR20: 20 %-ige Reduktion der Anzahl empfindlicher und geschwollener Gelenke, sowie 3 der folgenden 5 Domänen: Einschätzung der Erkrankung durch Arzt und Patient, Einschätzung des Schmerzes durch Patient, Behinderungsgrad („Health Assessment Questionnaire–Disability Index [HAQ-DI]) und akute Phase Proteine (z.B. CRP) Hauptergebnis: Secukinumab war gegenüber Placebo bei allen erfassten Endpunkten überlegen. Der Effekt war unabhängig von Methotrexat aber geringer nach erfolgloser Vorbehandlung mit TNFa-Blockern. Abb. modifiziert nach: Mease et al., N Engl J Med 2015;373:1329-39 Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 13 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Secukinumab (Cosentyx®) Klinische Effektivität Weitere randomisierte kontrollierte Phase III Studie Effektivität bei aktiver ankylosierender Spondylitis (Morbus Bechterew) Primärer Endpunkt der zusammengefassten beiden Studien war die Besserung der Symptomatik um 20 % gemessen mit „Spondylo-Arthritis International Society 20 (ASAS20)” Index nach 16 Wochen Therapie. Die Ansprechrate unter einer Erhaltungsdosis (alle 4 Wochen) betrug 41-61% bei 75 mg und 61 % bei 100 mg Secukinumab. Für Placebo lagen die Ansprechraten bei 28-29 %. Der Effekt blieb ohne weitere Therapie bis zu 52sten Woche erhalten (Beaten D et al., N Engl J Med. 2015 Dec 24;373(26):2534-48) Abb. aus: https://www.sozialversicherung.at Secukinumab (Cosentyx®) Nebenwirkungen „Die am häufigsten gemeldeten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) in den Studien zur Plaque-Psoriasis waren Infektionen der oberen Atemwege (28,7 %, am häufigsten Nasopharyngitis, Rhinitis). Die Mehrzahl der unerwünschten Wirkungen war von milder bis moderater Ausprägung. Das bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis oder mit Psoriasis-Arthritis unter Behandlung mit Secukinumab beobachtete Sicherheitsprofil entspricht dem Sicherheitsprofil bei Psoriasis.“ Gelegentlich (0,5 %) traten schwerwiegende Neutropenien auf (Common Toxicity Criteria Adverse Events Grad 3). Sehr häufige unerwünschte Wirkungen (> 10%): - Infektionen der oberen Atemwege (Nasopharyngitis, Rhinitis) Häufige unerwünschte Wirkungen (> 1% und < 10%): - Oraler Herpes - Rhinorrhoe - Diarrhoe ABDA-Datenbank, Fachinformation Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 14 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Secukinumab (Cosentyx®) Kontraindikationen - schwere Überempfindlichkeitsreaktionen gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile - klinisch relevante, aktive Infektion (z. B. aktive Tuberkulose). Warnhinweise Schwangerschaft Frauen im gebärfähigen Alter sollen während und für mindestens 20 Wochen nach der Behandlung eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden, während einer Schwangerschaft Anwendung vermeiden Stillzeit Abwägung von Nutzen des Stillens und therapeutischem Nutzen Fertilität keine Daten am Menschen, kein Einfluss in tierexperimentellen Studien ABDA-Datenbank, Fachinformation Secukinumab (Cosentyx®) Fazit Secukinumab ist der erste Antikörper gegen IL-17A, der in der EU zugelassen wurde. Es handelt sich um ein neues Wirkprinzip. Die Zulassung umfasst die Indikationen Plaque-Psoriasis, Psoriasis Arthritis und ankylosierende Spondylitis. Bei der Behandlung der mittelschweren bis schweren Plaque-Psoriasis war Secukinumab gegenüber Placebo und einer Standarddosierung von Etanercept (2x50 mg/Woche) überlegen. Dies betraf sowohl das Ausmaß der Wirkung als auch die Geschwindigkeit des Wirkungseintritts. Secukinumab war auch im direkten Vergleich gegenüber Ustekinumab besser wirksam. Bei den beiden anderen Indikationen war Secukinumab gegenüber Placebo überlegen. Hinsichtlich der Verträglichkeit ergeben sich nach bisherigen Daten sehr häufig Infektionen der oberen Atemwege (Nasopharyngitis, Rhinitis, 28,7 %) sowie häufig oraler Herpes, Rhinorrhoe und/oder Diarrhoe. Für bislang erfolglos oder unzureichend behandelbare Patienten ist Secukinumab eine neue Alternative. Die Erhaltungstherapie ist bei Plaque-Psoriasis (67,65 €/Tag bei 300 mg alle 28 Tage) gegenüber Etanercept (Enbrel®, 124,55 €/Tag bei 2x50mg/Woche) kostengünstiger, nicht jedoch gegenüber Ustekinumab (Stelara®, 59,78€/Tag bei 45 mg/12 Wochen). Die Induktion bis Woche 4 kostet 273,99 €/Tag (7.671,72 €). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 15 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Übersicht 6 neue Wirkstoffe für 2 Indikationen Nivolumab (Opdivo®) Arzneistoff Nivolumab (Opdivo®) Indikationen fortgeschrittenes oder metastasiertes nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) mit plattenepithelialer Histologie fortgeschrittenes (nicht resezierbares oder metastasiertes) Melanom humaner monoklonaler Antikörper (IgG4) gegen den “programmed death-1 (PD-1)” Rezeptor Abb. modifiziert nach: http://www.chemgapedia.de Zusatznutzen Hersteller NSCLC: beträchtlich (Hinweis), gering oder nicht belegt, Melanom: je nach Vorbedingungen erheblich (<75 Jahre) bis nicht belegt Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KGaA Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 16 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Nivolumab (Opdivo®) Bronchialkarzinom Häufigster Tumor weltweit In 2012 1,8 Millionen neuer Fälle sowie 1,2 Millionen damit verbundener Todesfälle Betrifft Männer etwa doppelt so häufig wie Frauen, ca. 40 % der Bronchialkarzinome sind homogen, der Rest sind Mischformen hohe Mortalität, das Verhältnis von Inzidenz und Mortalität beträgt 0,87! häufigste Subtypen sind: - kleinzelliges Bronchialkarzinom - nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom Lebenserwartung und Therapie hängen vor allem von der Tumorausbreitung (staging) und dem Allgemeinzustand des Patienten ab Abb. aus GLOBOCAN (WHO) http://globocan.iarc.fr/Pages/fact_sheets_cancer.aspx Nivolumab (Opdivo®) Nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom Der Begriff nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (NSCLC*) fasst alle Lungenkarzinome zusammen, die keine kleinzelligen Anteile enthalten und nicht typischen Karzinoidtumoren entsprechen, ca. 85 % aller Bronchialkarzinome Karzinome mit nicht platten-epithelialer Histologie (Adenokarzinome, großzellige Karzinome und andere Zelltypen) Karzinome mit platten-epithelialer Histologie (epidermoide Karzinome), machen 15-25 % aller NSCLC aus Therapieformen sind Chirurgie und Radiotherapie (vorwiegend für geringere Schweregrade) sowie klassische Chemotherapie (vorwiegend für fortgeschrittene Stadien) Prozentualer Anteil bei Neuerkrankungen in 2012 aus Krebs in Deutschland 2011/2012, Robert Koch Institut 2015: http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Home/homepage_node.html 5-Jahres-Überlebensrate Stadium IV: ca. 1% (www.cancer.org ) *Non-Small Cell Lung Cancer Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 17 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Nivolumab (Opdivo®) Wirkungsmechanismus von Nivolumab humaner monoklonaler Antikörper (IgG4) gegen den “programmed death-1 (PD-1)” Rezeptor Tumorzellen weisen viele genetische und epigenetische Veränderungen auf, die vom Immunsystem gut erkannt werden. Daher müssen Tumore Mechanismen für eine Immuntoleranz entwickeln. Ein wichtiger Mechanismus der Immuntoleranz ist die Aktivierung inhibitorischer Signalwege in Immunzellen (Immun“checkpoints“). Diese Signalwege führen nach Bindung von Liganden an Rezeptoren von z.B. T-Zellen aktiviert und hemmen der Aktivität. Zwei Immun-“checkpoint“ Rezeptoren sind bislang Angriffspunkte für zugelassene Arzneistoffe: CTLA4 („Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen“) PD-1 („Programmed-Death“-Rezeptor 1) Abb. modifiziert nach: Pardoll DM. Nat Rev Cancer. 2012 Mar 22;12(4):25264 Nivolumab (Opdivo®) Wirkungsmechanismus von Nivolumab Zur Vermeidung von Autoimmunität exprimieren T-Zellen Proteine wie CTLA4 und PD-1. Die Ko-Stimulationen CTLA4 – B7 sowie PD-1 – PD-L1 bewirken eine Hemmung der T-Zellaktivität. Durch hohe Expression von z.B. PD-L1 nutzen Tumorzellen diese Mechanismen um den Angriff durch das Immunsystem zu umgehen. Nivolumab und Pembrolizumab unterbrechen die PD-1 – PD-L1 Ko-stimulation und aktivieren dadurch die Immunantwort gegenüber den Tumorzellen (Atezolimab wird noch geprüft). MHC= Haupthistokompatibilitätskomplex TCR=T-Zell-Rezeptor PD-1=„Programmed-Death“-Rezeptor 1 PD-L1=„Programmed-Death“-Ligand 1 CTLA4=„Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen“ Abb. modifiziert nach: N Engl J Med 2012; 366:2517-2519 Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 18 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Nivolumab (Opdivo®) Klinische Effektivität bei NSCLC Phase III Studie an 272 Patienten im mittleren Alter von 63 Jahren (39-85) mit NSCLC im Stadium IV (ca. 80 %) / Vorbehandlung vor allem mit Gemcitabin, Paclitaxel, Etoposid, Vinorelbin / primärer Endpunkt war Gesamtüberleben / sekundäre Endpunkte waren u.a. bestätigtes Ansprechen und Progressions-freies Überleben, Dosierung: Nivolumab 3 mg/kg jede 2. Woche, Docetaxel 75 mg pro qm jede 3. Woche Abb. modifiziert nach: Brahmer J et al., N Engl J Med 2015; 373:123-135 Nivolumab (Opdivo®) Klinische Effektivität bei NSCLC Phase III Studie an 272 Patienten im mittleren Alter von 63 Jahren (39-85) mit NSCLC im Stadium IV (ca. 80 %) / Vorbehandlung vor allem mit Gemcitabin, Paclitaxel, Etoposid, Vinorelbin / primärer Endpunkt war Gesamtüberleben / sekundäre Endpunkte waren u.a. bestätigtes Ansprechen und Progressions-freies Überleben, Dosierung: Nivolumab 3 mg/kg jede 2. Woche, Docetaxel 75 mg pro qm jede 3. Woche Abb. modifiziert nach: Brahmer J et al., N Engl J Med 2015; 373:123-135 Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 19 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Nivolumab (Opdivo®) Das maligne Melanom maligner Tumor der Pigmentzellen (Melanozyten), der sehr früh metastasiert in Europa ca. 1,8 Todesfälle/100.000 Einwohner ca. 50 % der Melanome sind assoziiert mit funktionssteigernden Mutationen der Rezeptor-Tyrosinkinase BRAF (Rapidly Accelerated Fibrosarcoma, Isoform B) Überlebenszeit bei Metastasierung wird bestimmt durch die Ausbreitung des Tumors bei Diagnose und beträgt nur 8-18 Monate (1-Jahres-Überlebensrate ca. 25 %) palliative klassische Chemotherapie z.B. mit DacarbazinKombinationen, jedoch nur geringe Ansprechrate 2011 Zulassung von Ipilimumab (Yervoy®), ein humaner monoklonaler Antikörper gegen das humane Cytotoxic TLymphocyte Antigen 4 (CTLA-4), welches von T-Zellen zur Abschwächung ihrer Aktivierung exprimiert wird, 2012 Zulassung von Vemurafenib, einem TyrosinkinaseHemmer, der spezifisch die konstitutiv aktive Mutante BRAF V600E hemmt Abb. aus: wikipedia (oben), www.nlm.nih.gov (unten) Nivolumab (Opdivo®) Die ABCDE-Regel zur Früherkennung Der halbjährlichen Selbstinspektion kommt eine große Bedeutung zu. Jede sichtbare Veränderung von Muttermalen (Nävuszellnävus) muss dermatologisch abgeklärt werden. Frühzeitig erkannt ist eine Heilung möglich. Ein wichtiger Umweltrisikofaktor ist die exzessive Exposition gegenüber Sonnenlicht (Sonnenbrand). Auch viele Nävi und eine familiäre Anamnese erhöhen das Risiko. Abb. modifiziert nach: www.beautyzion.com Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 20 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Nivolumab (Opdivo®) Das maligne Melanom Stadium III wird bestimmt durch Metastasierung: a) Tumorzellen sind in Lymphknoten gewandert und/oder b) Lymphknoten lagern sich zusammen und/oder c) Tumorzellen sind in Lymphgefäße zwischen dem Primärtumor und naheliegendem Lymphknoten mehr als 2 cm gewandert und/oder d) Es werden sehr kleine Tumore auf oder unter der Haut im Umkreis von 2 cm gefunden Im Stadium IV haben sich die Tumorzellen bereits in andere Körpergewebe und Organe ausgebreitet Abb. modifiziert nach Winslow T, www.cancer.gov Nivolumab (Opdivo®) Klinische Effektivität bei malignem Melanom randomisierte doppelblinde Phase III Studie an 418 Patienten im mittleren Alter von 65 Jahren (18-87) mit malignem Melanom Stadium III-IV (metastasierend) keine BRAF Mutation (d.h. Vermurafenib* keine Alternative) bei 16,8 % Vorbehandlung primärer Endpunkt war Gesamtüberleben Dosierung: Nivolumab 3 mg/kg jede 2. Woche, Dacarbacin 1.000 mg/qm jede 3. Woche Abb. modifiziert nach: Robert C et al., N Engl J Med 2015; 372:320-30 *Kojda G. Was gab es Neues auf dem Arzneimittelmarkt 2012? Orale Tumortherapie Teil 2. Fortbildungstelegramm Pharmazie, 2. Ausgabe 2013 http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/SerieNeueArzneimittel.html Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 21 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Nivolumab (Opdivo®) Klinische Effektivität bei malignem Melanom Randomisierte doppelblinde Phase III Studie an 945 Patienten im mittleren Alter von 60 Jahren (18-90) mit malignem Melanom Stadium III-IV (metastasierend) / 31,5 % BRAF Mutation / keine Vorbehandlung / ko-primäre Endpunkte waren Gesamtüberleben (wird noch publiziert) und Progressions-freies Überleben / Dosierung: Nivolumab 3 mg/kg jede 2. Woche, Ipilimumab 3 mg/kg jede 3. Woche, Kombination nach Dosiseskalation mit je 3 mg/kg jede 2. Woche Abb. modifiziert nach: Larkin J et al., N Engl J Med 2015;373:23-34 Nivolumab (Opdivo®) Klinische Effektivität Weitere randomisierte kontrollierte Phase III Studien Effektivität bei malignem Melanom nach Therapieversagen: Klinisch nützliche Wirksamkeit nach Versagen von Ipilimumab oder einem BRAF Inhibitor wie Vemurafenib (Weber JS et al., Lancet Oncol. 2015 Apr;16(4):375-84) Effektivität bei NSCLC OHNE plattenepitheliale Histologie Überlebensvorteil durch Nivoloumab bei Patienten mit Progression während oder nach einer Platin-basierten Chemotherapie (Borghaei H et al., N Engl J Med. 2015 Oct 22;373(17):1627-39) Effektivität bei fortgeschrittenem oder metastasierendem Nierenzellkarzinom Überlebensvorteil von Nivoloumab gegenüber Everolimus bei Patienten mit Progression nach Vorbehandlung mit 1-2 antiangiogenen Therapien wie Bevazizumab, IL-2, INFa und Everolimus (hier keine prozentualen Angaben zur Art der Vorbehandlung) und/oder den Tyrosinkinase-Inhibitoren Sunitinib, Pazopanib und Axitinib (Motzer RJ et al., N Engl J Med. 2015 Nov 5;373(19):1803-13.) Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 22 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Nivolumab (Opdivo®) Nebenwirkungen von Nivolumab Im zusammengefassten Datensatz zweier Phase-III-Studien beim Melanom (CA209066 und CA209037), waren die häufigsten Nebenwirkungen (>10%) Müdigkeit (33%), Hautausschlag (20%), Pruritus (18%), Diarrhö (16%) und Übelkeit (14%). Die Mehrheit der Nebenwirkungen war leicht bis mäßig (Grad 1 oder 2). Im zusammengefassten Datensatz zweier Studien bei NSCLC mit plattenepithelialer Histologie (CA209017 und CA209063), waren die häufigsten Nebenwirkungen (> 10% der Patienten) Müdigkeit (33%), verminderter Appetit (15%) und Übelkeit (12%). Die Mehrheit der Nebenwirkungen war leicht bis mäßig (Grad 1 oder 2). Sehr häufige unerwünschte Wirkungen (> 10%): - verminderter Appetit - Diarrhö - Übelkeit - Hautausschlag (makulopapulöser Ausschlag, erythematöser Ausschlag, juckender Ausschlag, follikularer Ausschlag, makularer Ausschlag, papulöser Ausschlag, pustulöser Ausschlag, vesikulärer Ausschlag, Dermatitis, Akne-ähnliche Dermatitis, allergische Dermatitis, exfoliative Dermatitis) - Juckreiz - Müdigkeit - AST-Anstieg - ALT-Anstieg - Anstieg des Gesamtbilirubins - Anstieg der alkalischen Phosphatase - Kreatinin-Anstieg - Lymphozytopenie - Thrombozytopenie - Anämie - Hyperkalzämie, Hypokalzämie, Hyperkaliämie, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, Hyponatriämie. ABDA-Datenbank Nivolumab (Opdivo®) Kontraindikationen von Nivolumab Das Arzneimittel darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile Besondere Vorsicht bei (Auswahl): kann schwere Pneumonitis oder interstitielle Lungenerkrankung, auch mit tödlichem Verlauf auslösen, Überwachung erforderlich kann schwere Hepatitis, schwere Nephritis oder Nierenfunktionsstörungen, auslösen, Überwachung erforderlich kann schwere Endokrinopathien, einschließlich Hypothyreose, Hyperthyreose, Nebenniereninsuffizienz, Hypophysitis, Diabetes mellitus und diabetische Ketoazidose auslösen, Überwachung erforderlich kann schwere evtl. immunvermittelte Hautausschläge auslösen, bei Grad 3 Behandlung aufschieben, bei Grad 4 absetzen Schwangerschaft/Stillzeit, nicht empfohlen, Kontrazeption bis 5 Monate nach Behandlungsstopp! ABDA-Datenbank Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab Nivolumab (Opdivo®) Fazit Nivolumab ist einer von zwei Antikörpern gegen den „Programmed-Death“Rezeptor 1, der in der EU zugelassen wurde. Es handelt sich um ein neues Wirkprinzip. Die Zulassung umfasst die Indikationen fortgeschrittenes Melanom und nicht kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC) mit plattenepithelialer Histologie. Bei der Behandlung des NSCLC war Nivolumab hinsichtlich Gesamtüberleben und Progressions-freiem Überleben gegenüber einer Standarddosierung von Docetaxel (2x50 mg/Woche) überlegen . Bei fortgeschrittenem malignem Melanom war Nivolumab gegenüber Dacarbazin und Ipilimumab besser wirksam. Eine Kombination Nivolumab/Ipilimumab war im direkten Vergleich besser wirksam als Nivolumab, aber auch mit mehr schwerwiegenden NW verbunden. Hinsichtlich der Verträglichkeit zeigten sich viele sehr häufige Nebenwirkungen wie Müdigkeit (33%), Hautausschlag (20%), Pruritus (18%), Diarrhö (16%) und Übelkeit (14%). Wegen berichteter schwerer Fälle von Pneumonitis, Hepatitis, Nephritis, Endokrinopathien und Hautausschlägen gelten zahlreiche Warnhinweise. Für bislang erfolglos oder unzureichend behandelbare Patienten mit malignem fortgeschrittenen oder metastasierten Melanom oder NSCLC ist Nivolumab eine wirksame neue Alternative. Die Therapie kostet bei Patienten mit 70-80 kg Körpergewicht (210-240 mg/Anwendung alle 2 Wochen) 309,97 €/Tag. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24 23 Neue Arzneimittel 2015 – Secukinumab und Nivolumab 24 Hinweise 1) Die Bezeichnung Zusatznutzen bezieht sich auf das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG), wonach der G-BA eine Nutzenbewertung neu zugelassener Arzneimittel nach § 35 a SGB V durchführt. 2) Die Informationen zu den Arzneimitteln sind verkürzt dargestellt. Ausführlichere Informationen finden besonders interessierte Leser unter Weblink 1 und Weblink 2. 3) Eine vollständige Liste der im Jahr 2015 zugelassen Arzneistoffe mit Indikationen und und Zusatznutzen bei dieser Indikation ist unter folgendem Link erhältlich: http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/fortbildungkoeln/index.html Weblinks 1) wissenschaftliche Diskussion der Arzneistoffdaten einschließlich Nutzen-Risiko Einschätzung in den European Public Assessment Reports (EPARs,) der Zulassungsbehörde European Medicinal Agency (EMA), verzeichnet nach Handelsnamen, abgelegt unter Assessment History (nur in englischer Sprache) http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/landing/epar_search.jsp&murl=menus/medicines/medicines.jsp&mid=WC0b01ac058001d125&jsenabled=true 2) Webseiten des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit einer Übersicht der Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, für die der G-BA eine Nutzenbewertung nach § 35a SGB V durchführt oder bereits abgeschlossen hat. Dort sind die Gutachten des IQWiG sowie die tragenden Gründe der Beschlüsse einsehbar. http://www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/ Literatur Zitate zu Leitlinien, Phase III-Studien und anderer verwendeter Literatur sind - soweit nicht aufgeführt - auf Nachfrage beim Autor erhältlich Impressum: http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/impressum.html Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(1):1-24