NEUE VERSORGUNGSKONZEPTE BEI HERZINSUFFIZIENZ 17 CME Neue Versorgungskonzepte für komorbide Herzinsuffizienz-Patienten Stefan Störk Die Herzinsuffizienz ist seit einigen Jahren der häufigste Grund für die stationäre Krankenhausaufnahme in Deutschland. Sie betrifft im Vollbild der Erkrankung praktisch alle Organsysteme und ist deshalb hochkomplex. Bedingt durch zahlreiche Komorbiditäten sowie weitere, sich während der Krankheitsprogression häufig einstellende Komplikationen, stellt die Herzinsuffizienz eine der großen Herausforderungen in der Krankenversorgung des 21. Jahrhunderts dar. Die Entwicklung und Umsetzung neuer Thera- pieoptionen und Versorgungskonzepte ist eine zentrale Aufgabe der klinischen Forschung in der Inneren Medizin/Kardiologie und in der älter werdenden Gesellschaft von hoher gesundheitlicher und sozioökonomischer Relevanz. Das Krankheitsmanagement von systemischen Erkrankungen, wie auch der Herzinsuffizienz, erlaubt aufgrund der Unterschiede in Erkrankungsschwere, Profil der Komorbiditäten sowie der heterogenen Altersstruktur und Bedürfnisla- ge der betroffenen, zumeist älteren Patientengruppen keine Generalisierung. Genau diese dominiert jedoch seit geraumer Zeit Therapieund Behandlungspläne vieler chronischer Erkrankungen und führte ab etwa 2003 zur Einführung von sogenannten Disease Management Programmen (DMP) im deutschen Gesundheitssystem [1]. Ihnen liegen ökonomische Kriterien zugrunde, die bei nicht-systemischen Krankheitsverläufen noch relativ einfach zu erfassen sind. Komplexe, heterogene Krankheitsbilder, wie Leitthema des DZHI: Syndrom Herzinsuffizienz „Prävention der Herzinsuffizienz und ihrer Komplikationen“ Risikofaktoren • Multikausal AGGRAVIERUNG • Multiple Therapieansätze: Komplexe Intervention Kardiovaskukläre Erkrankung Koronare Herzerkrankung Herzklappenerkrankung Hypertonie Myokardiale Erkrankung Seltene Herzerkrankung Syndrom der chronischen Herzinsuffizienz Komplikationen PRÄVENTION • Multiple Komorbitäten Komorbiditäten • Multiorganbeteiligung Renale Erkrankungen, Pulmonale Erkrankungen, Zelebrale Erkrankungen, Depression, etc. Alter Geschlecht Genetische Disposition Rauchen Sitzender Lebensstil Alkoholkonsum Adipositas Muskuläre Dysfunktion / Kachexie Renale Dysfunktion Anämie / Hämodilution Plättchenaktivierung Endtheliale Dysfunktion Neuroendokrine Aktivierung Arrythmie Kognitive Dysfunktion / Depression Atemwegserkrankung Tod Abb. 1: Komplexität der Herzinsuffizienz bei Prävention und Versorgung. DZHI: Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg 04/2015 CMExtra 18 NEUE VERSORGUNGSKONZEPTE BEI HERZINSUFFIZIENZ Abb. 2: Die ganzheitliche Erforschung der Herzinsuffizienz erfolgt am DZHI in drei Großforschungsbereichen (Myocardium, Metabolismus und andere Organe, Herz und Gehrin) mit interdisziplinären Teams. die Herzinsuffizienz jedoch, lassen sich ungleich schwerer mit Hilfe eines einzigen, universal angewandten DMP versorgen. Beispielsweise unterscheiden sich die Bedürfnisse poststationärer Herzschwäche-Patienten vom Bedarf noch niemals hospitalisierter, klinisch stabiler Patienten mit Herzschwäche grundlegend – selbst wenn beide an der gleichen Grunderkrankung, beispielsweise einer koronaren Herzkrankheit, leiden [2] (EAbb. 1). Einer Generalisierung konträr gegenüber steht auch der Trend zur personalisierten Medizin. Sie soll, wenn nicht für das Individuum, dann für bestimmte Patientengruppen maßgeschneiderte Behandlungskonzepte entwickeln und bereithalten. Dieser Idee folgend, müssen auch die Bausteine der Ver- CMExtra 04/2015 sorgungskette weiter individualisiert werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass in den kommenden Jahrzehnten kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen auch weiterhin die Hospitalisierungsstatistik anführen werden. Deshalb bleibt die Notwendigkeit zur Effizienzsteigerung in der medizinischen Versorgung der Betroffenen bestehen, was aber die personalisierte Medizin erschwert. Bei Herzschwächepatienten sollte die personalisierte Medizin als Versorgungsansatz Anwendung finden. Er geht weit über eine individuelle Pharmakotherapie hinaus [1]. Am Würzburger Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) werden seit 2010 spezielle, auf die verschiedenen Bedürfnisse von Herzinsuffizienzpatienten zuge- schnittene Versorgungsprogramme in klinischen Studien entwickelt und validiert. Das Zentrum ist eine gemeinsame Einrichtung der Universitätsklinik und der Universität Würzburg und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum für die Dauer von zehn Jahren gefördert. Das DZHI versorgt in seiner kardiologischen Spezialambulanz rund 2.000 Herzschwächepatienten pro Jahr. Viele dieser Patienten nehmen an den klinischen Studien des DZHI teil, da sie von innovativen Therapieoptionen profitieren und ein breiteres Betreuungsangebot erfahren können, als NichtStudienteilnehmer. Das breite Betreuungsangebot ergibt sich aus dem Ansatz der DZHI-Forschung, die programmatisch multidisziplinär ausgerichtet ist (E Abb. 2). NEUE VERSORGUNGSKONZEPTE BEI HERZINSUFFIZIENZ nterdisziplinäre Konzepte für eine Systemerkrankung In Forschungsprojekten sind in der Regel mindestens drei Fachdisziplinen gemeinsam Antragsteller und kooperieren gebietsübergreifend. Dabei werden konsequent neue Interaktionen geschaffen, da die Grenzen zwischen Grundlagenfächern und klinischen Fachdisziplinen überschritten werden. Herzinsuffizienz wird dabei als Systemerkrankung aufgefasst (E Abb. 1): Verschiedenste kardiale aber auch nicht-kardiale Erkrankungen führen zum meist oligosymptomatischen klinischen Bild der Herzinsuffizienz. Dies bedeutet, dass bei Erstmanifestation der Beschwerden, z.B. beim Hausarzt, die Ursache der Erkrankung in der Regel unklar ist und vorrangig geklärt werden muss. Während koronare Herzerkrankung, arterieller Hypertonus und Herzklappenerkrankungen nach wie vor den größten Stellenwert haben (und deren Diagnostik recht klar umschrieben ist), gibt es viele Fälle, die Spezialwissen und eine deutlich erweiterte Diagnostik erfordern. Hier sind Krankheitsbilder wie Herzmuskelentzündung, genetische Erkrankungen, Speicherkrankheiten, aber auch viele Erkrankungen, die erst in zweiter Instanz die Herzleistung beeinträchtigen relevant. Das Thema des DZHI Würzburg lautet demzufolge: „Prävention der Herzinsuffizienz und ihrer Komplikationen“ (E Abb. 1). Dahinter verbirgt sich die Auffassung, dass eine günstige Beeinflussung des Krankheitsverlaufs aber auch echte Prävention möglich ist, indem man sowohl kardiale wie nicht-kardiale Faktoren identifiziert und gezielt therapiert. Diese Betrachtung bedingt, dass die Erkrankung erst dann gänzlich verstanden ist, wenn die Auswirkungen des schwachen Herzens auf das einzelne Organ, das einzelne Gewebe und eventuell die einzelne molekulare Struktur – also Häufige Begleiterkrankungen bei Herzinsuffizienz (122.630 Personen, mindestens 65 Jahre alt) Bluthochdruck Diabetes mellitus Chronisch obstruktive Lungenerkrankung Augenerkrankungen (Grüner/Grauer Star, Makuladegeneration u.a.) Hypercholesterinämie Periphere arterielle Verschlusserkrankung Osteoporose Weitere chronische Atemwegserkrankungen Schilddrüsenerkrankungen Alzheimer-Erkrankung / Demenz Depression Nierenfunktionsstörung Prostatahyperplasie Andere chronische Rücken-/Muskelerkrankungen Asthma 19 % 55 31 26 24 21 16 21 14 14 9 8 7 7 7 5 Abb. 3: Häufigkeit typischer Begleiterkrankungen bei Herzinsuffizienzpatienten (adaptiert nach [8]) auch skalenübergreifend – verstanden sind. Für die Patientenversorgung hat sich dieser Ansatz bereits als zielführend erwiesen, da dadurch der hohen Komplexität der Komorbiditäten und Komplikationen effizient begegnet werden kann und zugleich individuelle Bedürfnisse fokussiert werden können. Komorbiditäten und Komplikationen beeinflussen Prognose und Therapieverlauf entscheidend Den vielen im Klinikalltag auftretenden kardio- und zerebrovaskulären Krankheitsbildern ist gemeinsam, dass sie im Endstadium in eine Herzinsuffizienz münden [3]. Da die Blut- und Sauerstoffversorgung aufgrund des schwachen Herzens den gesamten Organismus beeinträchtigt und dieser stets individuell reagiert, sind die Komorbiditäten und weiteren Komplikationen zahlreich und interagierend. Sie resultieren in hochgradig individuellen Patientenbedürfnissen [4]. Bei den fortgeschrittenen Stadien der Herzinsuffizienz (New York Heart Association [NYHA] Stadien III und IV) treten neben den typischen Herzschwäche-Symptomen häufig so schwer belastende Begleiterkrankungen auf, dass Prognose und wei- terer Therapieverlauf dadurch entscheidend beeinflusst werden. Dann können diese Komorbiditäten sogar dominieren und die Behandlung der Herzinsuffizienz in den Hintergrund drängen. Beispiele hierfür sind Vorhofflimmern, Niereninsuffizienz, Diabetes, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) oder seelische Erkrankungen, wie Depressionen und Hirnleistungsstörungen. Bei den meisten Erkrankten treten noch weiter komplizierend, altersbedingte Probleme hinzu (E Abb. 3). Während in großen Krankenhäusern noch von einem ordentlichen Versorgungspotenzial für diese Begleitprobleme ausgegangen werden darf, tritt in der poststationären Phase an diese Stelle der Hausarzt, der mittels Überweisung an niedergelassene Fachpraxen oder wiederum in ein Krankenhaus die Versorgung steuert. Die Menge an Schnittstellen in diesem Szenario macht unmittelbar klar, dass optimale Abläufe in Kommunikation und Koordination unabdingbar sind, um im Sinne des individuellen Patientenwohls handeln zu können [5]. Bei den derzeitig begrenzten Kapazitäten und Möglichkeiten der hausärztlichen Versorgungsleis- 04/2015 CMExtra 20 NEUE VERSORGUNGSKONZEPTE BEI HERZINSUFFIZIENZ tung sowie dem anwachsenden Hausarzt-Mangel, gilt es auch, diese Aspekte bei der Weiterentwicklung von Versorgungsprogrammen zu berücksichtigen. Im Folgenden wird dargestellt, wie die Multidisziplinarität in der klinischen Forschung mittels neuer Versorgungskonzepte wirkungsvolle Behandlungsoptionen für Patienten mit Herzinsuffizienz schaffen kann. Von der Registerstudie zum innovativen Pflegeprodukt Aufbauend auf Daten einer großen Registerstudie mit 1054 Patienten [6] aus der Region sowie einer Bedürfnisanalyse [7] der Herzinsuffizienzpatienten selbst, wurde für die post-stationäre Betreuung von Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz am DZHI ein Disease Management Programm entwickelt und evaluiert (HeartNetCare-HF™). Das Herzinsuffizienzregister lieferte wesentliche, für die Planung des DMP unerlässliche Informationen im Hinblick auf die Art der klinischen Präsentation der Patienten, das Profil an Begleiterkrankungen, die leitliniengerechte medikamentöse Versorgung sowie die entscheidenden, die Prognose determinierenden Faktoren. Aus der Literatur war bereits bekannt, in welcher Häufigkeit wichtige Begleiterkrankungen bei älteren Herzinsuffizienzpatienten auftreten (E Abb. 3) [8]. Neben Bluthochdruck (55%) und Diabetes mellitus (31%) spielen insbesondere Atemwegserkrankungen (45%), Skelettund Muskelerkrankungen (28%) und psychische Probleme (17%) eine herausragende Rolle. Im Würzburger Register bestätigte sich dies: Die Hälfte aller Patienten litt unter mindestens sieben dieser Begleiterkrankungen (Abb. 3), die im deutschen Versorgungssystem mit Leitlinien hinterlegt sind und genau aus- CMExtra 04/2015 formulierte Therapieempfehlungen vorgeben. Patienten mit den meisten Komorbiditäten hatten das höchste Sterberisiko: 15 % Risiko bei Patienten mit null bis drei Erkrankungen, 45 % bei Patienten mit mehr als neun Erkrankungen im Zeitraum von zweieinhalb Jahren. Multimorbidität erschwert die Behandlungsstrategie zum Teil erheblich: Medikamente für unterschiedliche Leiden werden in der Regel durch verschiedene Ärzte verordnet, was die Pharmakotherapie verteuert, verlängert oder die gesamte Behandlung zusätzlich belastet. Auf Patientenseite kommen unzureichende Kenntnisse bezüglich ihrer multiplen Erkrankungen hinzu, die sich ihrerseits negativ auf die Therapieadhärenz auswirken. Infolge dessen erhalten die Patienten ihre Zieldosierung nicht wie vorgesehen und werden früher als notwendig hospitalisiert. Daraus ließ sich ableiten, dass ein DMP nicht nur der jeweils individuellen Ursache und Ausprägung der Herzinsuffizienz, sondern auch dem sehr individuellen Profil der Begleiterkrankungen gerecht werden muss. Die Bedürfnisanalyse an 60 Patienten ergab, dass eine zentrale Schulung (z.B. in Räumen der Universität) nicht sehr attraktiv erschien (nur 50% zeigten Interesse) und gerade für ältere Patienten schwierig zu organisieren war. Auf der anderen Seite bestand durchaus ein starkes Interesse an Zusatzinformationen zu medizinischen Themen, wie Risikofaktoren, Lebensstil, Herzfunktion, Beschwerden und Symptome. Forschung im Interdisziplinären Netzwerk Herzinsuffizienz: Die INH-Studie Das am DZHI entwickelte Versorgungsprogramm HeartNetCareHF™ stellt ein Behandlungskonzept dar, das diesen mannigfachen Anforderungen genügt. Zentrales Ele- ment von HeartNetCare-HF™ ist die Begleitung der Patienten durch eine speziell ausgebildete Herzinsuffizienzschwester. Nach genau strukturiertem Vorgehen und unter ärztlicher Supervision begleitet sie die poststationären Patienten via systematisierter Telefonabfragen individuell und bedarfsgerecht und so lange wie nötig. Die persönliche Ansprache durch spezialisiertes Pflegepersonal hat sich bei der Versorgung der Patienten als besonders effektiv erwiesen. Die im Interdisziplinären Netzwerk Herzinsuffizienz durchgeführte randomisierten INH-Studie zeigte an 1022 Patienten als bundesweit erstes und einziges evidenzbasiertes Versorgungsprogramm dieser Art, dass die Mortalitätsrate durch die HeartNetCare-HF™ Versorgung im Vergleich zur Regelversorgung drastisch gesenkt werden kann, die Auftitration mit Medikamenten besser gelingt, und die Patienten eine bessere Leistungsfähigkeit und Lebensqualität erreichen [9, 10] (E Abb. 4). Dabei bezog die INH-Studie die Erfahrung und Expertise von mehr als 300 niedergelassenen, hausärztlichen, internistischen und kardiologischen Praxen sowie zehn Krankenhäuser mit in die Behandlung ein. Herzinsuffizienzschwestern als koordinierende Schnittstelle In der Studie eingesetzte Herzinsuffizienzschwestern waren Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, die bereits langjährige Berufserfahrung in der Versorgung kardiovaskulär erkrankter Patienten hatten und zusätzlich intensiv in der strukturierten Überwachung und telefon-basierten Schulung unterwiesen wurden. Die Herzinsuffizienzschwester steht – angepasst an den Schweregrad der Erkrankung(en) – im Kontakt mit dem Patient, dem Hausarzt, dem behandelnden Kardiologen und gegebenenfalls weiteren Fachärzten. Sie stellt damit ei- NEUE VERSORGUNGSKONZEPTE BEI HERZINSUFFIZIENZ Effekt von HeartNetcare-HF™ (randomisierte Studie, multizentrisch) 40% Mortalitätsreduktion in 6 Monaten 15% A 20% Alle Patienten n=1022 B Älter als 70 Jahre n=512 C NYHA III/ IV n=446 D Schwere depressive Verstimmung n=150 15% 10% 12,5% Regelversorgung HeartNetCare-HF™ 5% 0% 10% Tod (Prozent) 20% 15% 7,5% 10% 5% 0% 5% 20% 15% 2,5% 10% 5% 0% 0% 0 30 60 90 120 150 180 Nachbeobachtung (Tage) 0 30 60 90 120 150 180 Nachbeobachtung (Tage) Abb. 4: In den ersten sechs Monaten Betreuung im HeartNetCare-HF Programm sinkt die Mortalitätsrate im Vergleich zur Regelversorgung um ca. 40 %. Anspruchsvolle Subgruppen, wie ältere Patienten (> 70 Jahre), schwerer kranke Herzinsuffizienz-Patienten (NYHA Klasse III & IV) sowie schwer depressive Patienten profitieren besonders. ne koordinierende Schnittstelle im optimalen Ineinanderwirken der Versorger dar. Sie erfasst und dokumentiert den Zustand des Patienten anhand einer wissenschaftlich evaluierten, strukturierten Gesprächsführung. Die Rhetorik dazu erlernte sie zuvor in einer mehrwöchigen Weiterbildung am DZHI, in dem auch wichtige Inhalte der Kardiologie und Pharmakologie so aufbereitet sind, dass keinerlei Verständnisprobleme auftreten. Herzstück des Programms ist also die Professionalisierung des Pflegepersonals im Umgang mit Patienten und Behandelnden. Die Weiterbildung wird am Universitätsklini- kum Würzburg ein bis zweimal jährlich berufsbegleitend angeboten (www.chfc.ukw.de/karriere/hischwester. html). HeartNetCare-HF™ ist damit auch ein Paradebeispiel für die notwendige Verschränkung von Aufgaben des ärztlichen und nichtärztlichen Personals, um so eine effizientere Versorgung komplexer Erkrankungen zu gewährleisten. Zwischenzeitlich konnte der Nachweis erbracht werden, dass die Betreuung im DMP auch außerhalb der klinischen Studie, an Krankenhäusern der Regelversorgung, gleichermaßen günstige Effekte zeigt. Somit ist HeartNetCare-HF™ als innovatives Pflegeprodukt im deutschen Versorgungssystem einsetzbar. Brückenschlag in die klinische Forschung Ein weiteres Beispiel für ausgeprägte fachübergreifende Zusammenarbeit am DZHI liefert die Kooperation von Kardiologen mit Psychiatern und Psychologen im Rahmen der MOOD-HF-Studie. Diese randomisierte Medikamentenstudie ging der Frage nach, ob sich die Prognose (Tod und Rehospitalisierung) von herzinsuffizienten Patienten mit begleitend ausgeprägter Depression durch die Einnahme von Antidepressiva (Wirkstoff: Escitalopram) verbessern lässt. Wie oben bereits erwähnt, ist Depression eine wichtige Begleiterkrankung bei Herzschwäche: Sie kommt dort drei bis 04/2015 CMExtra 21 22 NEUE VERSORGUNGSKONZEPTE BEI HERZINSUFFIZIENZ fünf Mal häufiger vor als bei Gesunden. Das Vorliegen einer depressiven Störung geht zudem mit einem höheren Risiko für Tod, Rehospitalisierung und einer schlechteren Lebensqualität einher. So stellte sich die Frage, wie und warum sich beide Erkrankungen gegenseitig ungünstig beeinflussen. Dass Depressionen Therapieerfolg, medizinische Intervention und Versorgungsstrategie deutlich verändern können, wird beim Vergleich mit der Versorgungsleistung von Krebspatienten deutlich. Hier wird seit den 1970er Jahren die Rolle des seelischen Zustandes bei onkologischen Erkrankungen systematisch erforscht und hat die in großen Tumorzentren mittlerweile standardmäßig angebotene Psychoonkologie als Disziplin begründet. In der MOOD-HF-Studie wurden mehr als 11.000 Patienten mit Herzinsuffizienz aus bundesweit 16 Versorgungszentren auf das Vorliegen einer begleitenden depressiven Störung hin untersucht. Bei Verdacht auf Depression wurde der Schweregrad beider Erkrankungen von Fachärzten festgelegt. Letztendlich wurden 372 Patienten randomisiert in zwei Gruppen, Antidepressivum vs. Placebo, verglichen. Es konnte gezeigt werden, dass das eingesetzte Antidepressivum keinen wesentlichen Einfluss auf das Sterbe- und Rehospitalisierungsrisiko ausübt, während die günstigen Effekte der begleitend durchgeführten Betreuung durch Herzinsuffizienzschwestern erneut nachweisbar waren. Die Daten der MOOD-HF-Studie legen deshalb nahe, die Therapie auf das individuelle Krankheitsprofil depressiver Herzschwächepatienten anzupassen – auch was die Pharmakotherapie der komorbiden Depression angeht. CMExtra 04/2015 Komorbiditäten und Herzschwäche sind unzureichend erforscht Im Klinikalltag ist der Schritt häufig noch nicht vollzogen, Herzschwäche als eigene Entität mit komplexem Komorbiditätsprofil zu aufzufassen [2]. Das spezielle Versorgungsbedürfnis des einzelnen Patienten steht im Hintergrund. Abhilfe können hier klinische Studien schaffen, die neue Therapieoptionen für komplexe Erkrankungen evaluieren. Im Falle der Herzinsuffizienz rückt der (Patienten)wunsch nach einer individuellen Versorgungsleistung nun in greifbare Nähe, HeartNetCare-HFTM ist ein Beispiel hierfür. In der Zukunft werden „Omics“- und Genetikstudien eventuell weitere Erkenntnisse liefern, die es erlauben, noch gezieltere Therapieansätze bei Systemerkrankungen zu entwickeln. Das Potenzial, dem Patienten auch bei schwerer Erkrankung mit vielen Komorbiditäten gerecht zu werden, schlummert jedoch im interdisziplinären Ansatz, der in seinen vielen Facetten im Falle der Herzschwäche eben erst entdeckt wurde. Doch hier liegt auch die Crux für die Entdeckung neuer Therapie- und Versorgungsinnovationen: Die Anzahl von Personen, die pathophysiologisch motivierte Konzepte systematisch bis hin zum Einsatz am Menschen translational entwickeln, werden immer weniger. Der Mangel an Studienärzten stellt einen Rückschritt für das Versorgungs- und Forschungsangebot der Patienten dar, insbesondere auch für den allgemeinen Wunsch nach personalisierter Medizin und Pflege. Dabei stellen Studienärzte einen zentralen Baustein in der Wertschöpfungskette hin zu neuen Versorgungsstrukturen dar. Dennoch werden Studienärzte nach wie vor durchschnittlich schlechter vergütet als ihre behandelnden Kollegen, was die Attraktivität des Berufes schmälert. Dabei bietet der Berufszweig gerade für Frauen Bedingungen, die sie im Klinikalltag häufig vergeblich suchen. Die hohe Flexibilität als Forschende ermöglicht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei freier Zeiteinteilung. Um frühzeitig auf Vorteile, wie diesen, hinzuweisen, wurde in Würzburg am DZHI – einem der Hotspots klinischer Forschung – das Ausbildungsmodell zum „Clinician Scientist“ im Curriculum der Medizinerausbildung etabliert. Das Begleitstudium ermöglicht Medizinstudenten und Medizinern, frühzeitig die Faszination der interdisziplinären, klinischen Forschung selbst zu erfahren, ohne die praktische ärztliche Ausbildung zu verzögern oder aufzugeben (www.chfc.de). Die Literaturstellen finden Sie auf: www.cmextra.info Korrespondenzadresse: Prof. Dr.med. Stefan Störk, PhD Universitätsklinikum Würzburg Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) Comprehensive Heart Failure Center (CHFC) Straubmühlweg 2a 97078 Würzburg Tel.: +49 (0)931 / 201 46325 E-Mail: [email protected] www.dzhi.de Prof. Dr.med. Stefan Störk, PhD