Inhalt Multimodale Therapie von Kindern und Jugendlichen mit Autismus-SpektrumStörungen (ASS) • • • – – – Dr. rer. nat. Dipl.- Psych. Nicole Bruning 23. Kölner Kinderpsychotherapie-Kolleg Workshop 15.05.2011 Einführung – Geschichtliche Aspekte – Klassifikation von ASS – Klinisches Bild – Differenzialdiagnosen Aktuelle Ansätze zur Erklärung von ASS – Genetik – Neurobiologie – Dysfunktionen in den Spiegelneuronen – Psychopharmakologische Auffälligkeiten – Neuropsychologische Auffälligkeiten Diagnostik von ASS • • ADI-R/ ADOS Fragebogenverfahren Computerunterstützte Diagnostik Therapie bei ASS – Allgemeine Aspekte – Interventionsebene der Eltern – Interventionsebene der Erzieher & Lehrer – Interventionsebene der Patienten – Pharmakotherapie Fallbeispiele „Ob sie aber an sich selbst leiden, das können wir bei diesen Menschen, die so schwer sich erschließen, deren Gefühlsleben so andersartig ist, die so schwer durchdringbar sind kaum beurteilen.“ Einführung Hans Asperger Geschichtliche Aspekte Autismus als Rückzug in eine eigene Welt ! „frühkindliche Schizophrenie“ Eugen Bleuler (1911) beschrieb als erster das Störungsbild des „frühkindlichen Autismus“ (KannerAutismus) beschrieb unabhängig von Kanner erstmals eine Art autistische Persönlichkeitsstörung ! „Asperger-Syndrom“ Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) F0 F1 F2 F3 Organische incl. symptomatisch er psychischer Störungen Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen Affektive Störungen F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen F5 F6 F7 F8 F9 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren Persönlichkeits - und Verhaltensstörungen Intelligenzminderungen Entwicklungsstörungen Verhaltens- u. emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend 1 Klassifikation der Entwicklungsstörungen nach ICD-10 F8 Entwicklungsstörungen F84 Tiefgreifende Entwicklungsstörungen F80 Umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache (z.B. expressive, rezeptive Sprachstörung) F81 Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (z.B. Lese-Rechtschreibstörung, isolierte Rechtschreibschwäche, Dyskalkulie) F82 Umschriebene Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen F83 Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen F84 Tiefgreifende Entwicklungsstörungen F88 Andere Entwicklungsstörungen F89 Nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörungen 3 Kernbereiche der Autismus- Spektrum Erkrankung Stereotypes, rigides, repetitives Verhalten ASS Interaktionsstörung Klassifikation der ASS nach ICD-10 Kommunikationsstörung Formen von Autismus II F84.0 Frühkindlicher Autismus F84.1 Atypischer Autismus F84.2 Rett-Syndrom F84.3 Andere desintegrative Störung des Kindesalters F84.4 Hyperkinetische Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien F84.5 Asperger-Syndrom Formen von Autismus I ! Atypischer Autismus (F 84.1): Späterer Krankheitsbeginn (> 3. Lebensjahr) bzw. Kernsymptome aus nur einem oder zwei der drei Bereiche vorhanden; häufiger bei schwerster Intelligenzminderung, schwerer Beeinträchtigung der rezeptiven Sprache und schweren zentralnervösen Erkrankungen; Prävalenz: 1:10.000. ! Asperger Syndrom (F 84.5): Ohne allgemeine Entwicklungsverzögerung und ohne Sprachentwicklungsrückstand, ohne Intelligenzminderung, aber motorische Ungeschicklichkeit; Inselbegabungen!; Prävalenz: 8-10:10.000. Zusammenfassung ! Frühkindlicher Autismus (F 84.0): manifestiert sich vor dem dritten Lebensjahr; Vorhandensein der drei Kardinalsymptome; Jungen: Mädchen 3-4:1, Prävalenz: 5:10.000. Beeinträchtigung der sozialen Interaktion ! High-Functioning-Autismus (HFA): Variante des frühkindlichen Autismus mit hohem kognitiven Funktionsniveau (nicht in ICD-10 enthalten, soll aber im ICD-11 berücksichtigt werden) Eingeschränktes, repitives Verh. (Stereotypien) -> Definition nach Gillberg (1998): 1. Kriterien für frühkindlichen Autismus sind erfüllt 2. Gesamt-IQ > 65-70 3. Wichtige Aspekte zur Differenzierung von Asperger/HFA: - Entwicklungsverlauf - motorische Fertigkeiten - Sprachentwicklung Beeinträchtigung der sozialen Interaktion Asperger-Syndrom ICD-10: F 84.5 Frühkindlicher Autismus ICD-10: F 84.0 Störung der Kommunikation 2 Zusammenfassung Der Begriff der AutismusSpektrum-Störungen (ASS) Kriterien für frühkindlichen Autismus erfüllt Autismus-Spektrum High- IQ> 65-70 Motorische Ungeschicklichkeit High- Functioning Autismus „Normal“ Frühkindlicher Asperger FunctioningAutismus Autismus Geistige Behinderung (Unterform des frühkindlichen Autismus) Sprachentwicklungsverzögerung Klinisches Bild I Klinisches Bild 1. Sozialbeziehungen - fehlendes Kontakt- und Bindungsverhalten - wenig bzw. fehleingesetzter Blickkontakt (nicht mit Aufmerksamkeitssuche verbunden) - Mangel an sozio-emotionaler Gegenseitigkeit - unangemessene Einschätzung sozialer und emotionaler Signale 2. Kommunikationsstörung - Verzögerung der Sprachentwicklung - Störung des Sprachgebrauchs (geringe Flexibilität im Sprachausdruck) - Sprachverständnisschwierigkeiten - Sprache wird nicht reziprok als soziales Kommunikationsmittel eingesetzt Klinisches Bild II 3. Ritualisierungen - eingeschränkte, sich wiederholende, stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten - zwanghafte Konstanthaltung von Umwelt und Handlungsabläufen - frühe Kindheit: Störung des Spielverhaltens (keine Variation, Phantasie und Imagination) 4. Kognitive Störungen - Störung des Einsatzes von Sprache im Denken - Entwicklungsabweichungen - Defizit bei Ableitung von Sinn- und Bedeutungsinhalten aus sprachlichen Informationen Klinisches Bild III 5. Sensorische Störungen - es können alle Sinnesmodalitäten betroffen sein (z.B. taktiles System: Ablehnung von Berührung, Betasten und Beriechen von Oberflächenstrukturen) - Hypo- bzw. Hypersensibilität einzelner Sinnessysteme 6. Körperliche Störungen - Manifestation einer Epilepsie möglich - neurologische Befunde, die Verdacht auf Hirnschädigung nahelegen 3 Einordnung der drei Kerndimensionen von ASS Schizoide/ Schizotype Störung Soziale Phobie Differenzialdiagnosen Soziale Beeinträchtigung ADS bzw. ADHS Zwangsstörung Aspergersyndrom AutismusSpektrumsStörungen Begrenzte Interessen & repetitive, stereotype Verhaltensmuster Kommunikative Beeinträchtigung (nach Hollander et al., 1998) Komorbidität/ Differenzialdiagnose im Vorschulalter Komorbidität Differenzialdiagnosen Schlaf- & Essstörungen, Regulationsstörungen, allg. Unruhe Bindungsstörungen Allg. Entwicklungsverzögerung (Sprache, Motorik, Spiel) i. S. einer Intelligenzminderung Geistige Behinderung ohne ASS, genetisch-somatische Erkrankungen Allg. Entwicklungsverzögerung i. S. einer Intelligenzminderung mit spezif. neurolog. Symptomen (Epilepsie, Macro- oder Microzephalie) Spezifische genet. Syndrome ohne ASS, Epilepsiesyndrome ohne ASS, Sinnesbeeinträchtigungen (Hör- oder Sehstörungen), fragiles X-Syndrom Regression Desintegrative Störung, Rett-Syndrom, neurolog. Erkrankung, LandauKleffner-Syndrom Autoaggressives Verhalten, aggressives Verhalten, Oppositionelle Störung, ADHS, Intelligenzminderung Komorbidität/ Differenzialdiagnose im Schulalter Komorbidität Differenzialdiagnosen Aufmerksamkeitsstörungen, oppositionelles Verhalten ADHS, Störung des Sozialverhaltens, Mutismus Lernstörungen Umschriebene Sprachentwicklungsstörung, Intelligenzminderung /Lernbehinderung Ticstörungen Tourette-Syndrom Zwänge Zwangsstörung Fazit Komorbidität/ Differenzialdiagnose im Jugendalter/ Erwachsenenalter 1. ADHS/ADS Komorbidität Differenzialdiagnosen - nicht selten werden ASS zunächst als ADHS verkannt Ängste, Depressionen, Zwänge, Essstörungen Angststörung, Phobien, Zwangsstörung, Anorexia nervosa, Persönlichkeitsstörungen - soziale Interaktion/ Emotionserkennung ist auch bei ADHS oft beeinträchtigt Akute Belastungsreaktionen bei jahrelang bestehender kognitiver/ sozialer Unterforderung Schizophrene Psychosen, Psychotische Episoden, Bipolare Störungen - insgesamt gibt es jedoch eine hohe Komorbidität 2. Zwangsstörungen: - zwanghaftes Verhalten wird i. d. R. nicht als quälend, sondern eher als angenehm erlebt - kein Widerstand geleistet - dient nicht der Vorbeugung gegen Ansteckung oder Schuld, sondern eher Beruhigung und Sicherheit 4 Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Asperger-Syndrom und ADHS AD(H)S Asperger-Syndrom Sprachentwicklung Unterschiedlich Normal oder früh Sprachstil Schnell sprechend, rasche Themenwechsel Oftmals pedantisch, auffällige Modulation der Stimme Lesen/Schreiben gehäuft LRS Eher früh, LRS untypisch Motorik Unterschiedlich Motorische Ungeschicklichkeit Theory of Mind (ToM) Deutlich eingeschränkt Keine grundlegende Einschränkung Zentrale Kohärenz Gering Unauffällig Exekutivfunktionen Eingeschränkt Eingeschränkt Körperkontakt Unauffällig Vermindert oder ausschließlich selbst bestimmt Blickkontakt Unauffällig, z. T. rasch abgelenkt Auffällig vermindert, nicht sozial moduliert Soziale Fertigkeiten Wenig Einsicht in Eigenanteile in Konflikten Deutlich eingeschränkt Kognitiver Denkstil Eher unflexibel Eher unflexibel Freundschaften (Gleichaltrige) Vorhanden Eingeschränkt bis gar nicht Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Asperger-Syndrom und ADHS AD(H)S Asperger- Syndrom Wahrnehmung/ Aufmerksamkeit nehmen zu viel gleichzeitig wahr, können nicht fokussieren, Schwierigkeiten in der Daueraufmerksamkeit von außen abgelenkt überfokussiert, wirken unkonzentriert, weil sie Welt nur fragmentiert wahrnehmen, schneller Aufmerksamkeitswechsel schwierig von innen abgelenkt Kommunikation/ Kontaktverhalten nonverbale Komm. ist alters entsprechend bzw. wechselseitig & bezugnehmend blind für soziale Signale, nahezu keine nonverbale Komm., einseitig, Monologe Impulsivität impulsives Verhalten als reaktiver Prozess (Versagen der neurochemischen Hemmmechanismen) reagieren impulsiv, weil sie sich durch andere gestört fühlen Neugierverhalten suchen alles, was neu, interessant, spannend und gefährlich ist befassen sich eingehend & ausdauernd mit einer Sache (gradlinig) Spielverhalten sind kreativ und interaktiv, suchen Kontakt zu anderen Kindern, aber impulsiv und hyperaktiv Kein kooperatives, interaktives und phantasievolles Spiel (spielen alleine; sind in der Gruppe heillos überfordert) Frühe Theorien zur Erklärung von Autismus Erklärungsansätze " refrigerator moms " kindliche Schizophrenie " spezifisches emotionales Trauma Das sind Mythen! Aktuelle Ansätze zur Pathogenese von ASS Genetik Aktuelle Ansätze zur Pathogenese von ASS Genetik Neurobiologische Auffälligkeiten Dysfunktionen in den Spiegelneuronen Psychopharmakologische Auffälligkeiten Neuropsychologische Auffälligkeiten 5 Pathogenese der ASS: Genetik Zwillingsstudien Erkrankungsrisiko von Geschwistern bei 2,2% (Gupta & State, 2006) Genetische Erklärungsmodelle Zwillingsstudien Zytogenetische Studien Molekulargenetische Studien (Identifikation v. Kandidatengenregionen) Zytogenetische Studien Nur 3-12% weisen identifizierbare Chromosomenaberrationen auf (Lauritsen & Ewald, 2001) Die häufigsten Chromosomenanomalien betreffen das Chromosom 15q11-13, 16q23 und17p11.2 Auffälligkeiten, die das Chromosom 15q11-q13 betreffen, führen zu einem autistischen Phänotyp mit geistiger Behinderung Genaue genetische Transmission ist noch unklar Aktuelle Ansätze zur Pathogenese von ASS Konkordanzraten von 96% bei monozygoten Zwillingen & von 23% bei dizygoten Zwillingen (Poustka et al., 2004; Fritag et al., 2007) Bei Geschwistern muss nicht das Vollbild der Störung in Erscheinung treten, sondern vielfach einzelne Merkmale wie kognitive Defizite, Kontaktstörungen bzw. Störungen im Sozialverhalten und stereotype Verhaltensweisen (Delorme et al., 2007) Shank 3- Hypothese (Feng et al., Duke University) Annahme: das Protein Shank 3 (in Synapsen) soll ASS auslösen, in dem es die effektive Kommunikation zwischen den Gehirnzellen stoppt In tierexperimentellen Studien konnte durch die Mutation eines Gens, dass die Produktion des Proteins Shank 3 kontrolliert, autistische Mäuse geschaffen werden (repetitive Verhaltensmuster, soziale Auffälligkeiten) Aber: Nur ein kleiner Prozentsatz der Patienten mit ASS scheint über das Protein Shank 3 zu verfügen! (Funktionelle) MagnetresonanzTomographie (fMRT) Genetik Neurobiologische Auffälligkeiten 6 Strukturelle Auffälligkeiten im Gehirn I Strukturelle Auffälligkeiten im Gehirn II Asperger- Autismus/ HFA: " reduzierte Dichte der grauen und weißen Substanz im Temporallappen & im Gyrus fusiformis (Anagnostou et al., ,2011; Stigler et al., 2011) Frühkindlicher Autismus: " Auffälligkeiten bei der Hirnentwicklung (Über- bzw. Unterentwicklung bestimmter Strukturen), " Beeinträchtigte neuronale Konnektivität im Bereich des Corpus callosum und des Temporallappen bzw. scheint die funktionelle Konnektivität zwischen Amygdala, Gyrus Fusiformis und Sulcus temporalis superior maßgeblich beeinträchtigt zu sein (Jou et al., 2011) Gyrus fusiformis Temporallappen Funktionelle Auffälligkeiten Funktionelle Auffälligkeiten I „Multifaceted Empathy Test“ (MET) Ziel: Untersuchung emotionaler und kognitiver Empathie mit Hilfe eines computerunterstützten Verfahrens, Darbietung von Personen in verschiedenen negativen emotionalen Zuständen Aufgabe: a) Emotion erkennen (kognitive Empathie) b) Einschätzung, wie Proband sich selbst fühlt in Reaktion auf dargebotenes Bild (emotionale Empathie) 1. Verhaltensdaten Reaktionszeiten bei Gesichtern deutlich länger und signifikant erhöhte Fehlerzahlen bei den Autisten (Schultz et al., 2000). 2. Funktionelle Daten Autisten nehmen Gesichter wie Objekte und Objekte wie Gesichter wahr (Schultz et al, 2002). Ergebnisse:: Erwachsene mit ASS waren in kognitiver Empathie beeinträchtigt, empfanden jedoch genauso viel emotionale Betroffenheit wie gesunde KG Dziobek et al., 2008 Aktuelle Ansätze zur Pathogenese von ASS ABER: Die beschriebenen Hirnauffälligkeiten können nicht im Sinne eines Indikators für die Störung angesehen werden, da es sich hierbei um Grundlagenforschung handelt. Genetik Neurobiologische Auffälligkeiten Dysfunktionen in den Spiegelneuronen 7 Dysfunktionen in den Spiegelneuronen (G. Rizzolatti) Frontoparietales Spiegelneuronensystem (MNS) " Nervenzellen, die sich v.a. im inferioren frontalen- bzw. prämotorischen Kortex befinden und zuerst bei Affen entdeckt wurden # werden aktiv, wenn eine lebende handelnde Person beobachtet wird ... die drei Regionen bilden den Hauptkreislauf für Imitation! Funktionen: " Wichtig für Imitation und Verarbeitung mimischer Signale " Ausführung und Beobachtung von Bewegungen bzw. Verhalten deuten und verstehen (Lernen durch Nachahmung) " Empathieverständnis " Sprache Spiegelneuronensystem und ASS Aktuelle Ansätze zur Pathogenese von ASS Genetik Neurobiologische Auffälligkeiten Dysfunktionen in den Spiegelneuronen Psychopharmakologische Auffälligkeiten Kinder mit ASS zeigen eine deutliche reduzierte Aktivität im frontalen MNS- System. Die erniedrigte MNS- Aktivität hängt mit dem Schweregrad der autistischen Symptomatik zusammen (Iacoboni & Dapretto, 2006). Psychopharmakologische Befunde - Serotonin: 30 bis 50% der Autisten haben einen erhöhten Serotonin-Blutspiegel: erhöhte Aufnahme und Speicherung, (Stereotypien, Rituale, rigides Verhalten), mglw. steht Hyperserotoninämie eher mit häufig den komorbid auftretenden ment. Retardierung in Zusammenhang, als mit der ASS insgesamt - Dopamin: erhöhte Konzentration im synaptischen Spalt, (Stereotypien und repetitives Verhalten), Aber kein spezifischer Indikator für Autismus - Noradrenalin: widersprüchliche Befunde (Hyperaktives Verhalten, Impulsivität, Irritierbarkeit) Aktuelle Ansätze zur Pathogenese von ASS Genetik Neurobiologische Auffälligkeiten Dysfunktionen in den Spiegelneuronen Psychopharmakologische Auffälligkeiten Neuropsychologische Auffälligkeiten 8 Neuropsychologische Ansätze 1. Theory of Mind- Defizit Theory of Mind 2. Schwache zentrale Kohärenz (SZK) 3. Defizit der Exekutivfunktionen 4. Aufmerksamkeitsprobleme Zitat eines elfjährigen Patienten Mutter: Patient: „Du hast Tobias gerade ziemlich verletzt. Kein Wunder, dass er sich nicht mehr mit Dir treffen möchte.“ „Ich kann ihn gar nicht verletzt haben, der blutet ja gar nicht! Theory of- Mind (ToM) Definition: Fähigkeit die Intentionen, Überzeugungen und Wünsche anderer Menschen von ihrem Verhalten abzulesen und entsprechend darauf zu reagieren. Abbildung: Sally-Anne-Task Unterschiedliche ToM- Aspekte 1. Emotionsrekognition (richtige Zuordnung von sprachlichen Benennungen zu emotionalen Äußerungen) 2. Empathie (primär emotionale Reaktion: Wie würde ich mich anstelle der anderen Person fühlen?) 3. Kognitive Attributionen Schwache zentrale Kohärenz (soziale Problemlösefähigkeiten) 4. Perspektivenübernahme (Verständnis von psychischen Zuständen, Denkprozessen, Fühlen/ Wollen einer anderen Person aus deren Perspektive; berücksichtigt Interaktionskontext) 9 Zentrale Kohärenz " Fähigkeit, einzelne Wahrnehmungselemente in einen Gesamtkontext zu integrieren (Gesichter als Ganzes wahrnehmen) " Erfassung des Gesamtzusammenhangs in z. B. sozialen Situationen Schwache zentrale Kohärenz " Bevorzugung von Details " Schwierigkeiten aus einer Vielzahl von Eindrücken ein zusammenhängendes Bild zu formen " Der fehlende Sinn für das Ganze (nie wissen, was wichtig ist) Frage Therapeut: Was siehst Du? Antwort Patient: Mmhh. Also da liegt ein Fahrrad am Boden, dass kann ich jedoch nicht so gut erkennen, weil das Mädchen davor sitzt. Im Hintergrund einen Park. Das Mädchen hat einen gelben Helm mit grünen Streifen an. Embedded Figures Task Frage: Ist die einfache Figur in der komplexen Figur enthalten? Navon-Aufgabe N N N N N N N N NNNNNNNNNN K K K K K K K K KKKKKKKKK K K K K K K K K Augenblickbewegungsverhalten bei Autisten und Gesunden Defizit der Exekutivfunktionen 10 Exekutivfunktionen Beispiele für verwendete Aufgaben Kognitive Flexibilität Definition: Gedankliche Prozesse, die die interne Verhaltensplanung und -kontrolle (Selbstregulation) gewährleisten (z.B.: Aufmerksamkeit, Planung, Vigilanz, kognitive Flexibilität, Initiierung und Hemmung von Handlungen,...) Befunde: Exekutivfunktionen & Autismus-Spektrum-Störungen 37 37 Planen/ Problemlösen Inhibition + Zusammenfassung Äthiopathogenese Genetische Faktoren/Umweltfaktoren • Relative Stärken im Bereich der Reaktionshemmung und des Arbeitsgedächtnisses (Russo et al., 2007) • Relative Schwächen im Bereich kognitiver Flexibilität, Planen und Denkflüssigkeit (Geurts et al., 2004; Goldberg et al.,, 2005) • Aber insgesamt müssen die Befunde mit Vorsicht betrachtet werden, da Defizite in den Exekutivfunktionen nicht spezifisch für ASS sind (Bowie & Harvey, 2005; Doyle, 2006) und die Befunde insgesamt uneinheitlich sind Assoziierte körperliche Erkrankungen (z.B.: Epilepsien) Anatomische Anomalien, Hi rnschädigungen, Hirnfunktionsstörungen Neuropsychologische & kognitive Störungen: Exekutive Funktionen, Theory of Mind, Zentrale Kohärenz Spezi fische Sym pt omatik -Interaktionsstörung -Stereotype Verhaltensmuster -Empathiestörung Biochemische Anomalien, (z.B.:Hyperserotoninämie) Störungen der affektiven Entwicklung Neurobiologische Auffälligkeiten Neuropsychologische Auffälligkeiten aus Remschmidt & Kamp-Becker (2006) Schlussfolgerungen $ Genregionen, die mit Autismus assoziiert zu sein scheinen, konnten eingegrenzt werden $ Annahme einer mangelnden Vernetzung wichtiger Hirnstrukturen $ Defizite im Bereich der ToM, SZK und EF sind weder spezifisch, noch universell für das Störungsbild # weitere Konkretisierung und Operationalisierung notwendig $ bildgebende Verfahren werden auch weiterhin im Mittelpunkt des Interesses stehen Diagnostik 11 Diagnostik % Anamnese % Psychopathologischer Befund % körperliche Untersuchung % Intelligenzdiagnostik % Sprachentwicklungsdiagnostik % Verhaltensbeobachtung Diagnostische Verfahren: Fragebogenverfahren 1. Fragebogen über Verhalten und soziale Kommunikation (FSK) % Autismusscreening für Forschung und Praxis (dt. Übersetzung des „Autism Screening Questionnaire“ von S. Bölte, K. Crecelius, F. Poustka) - 40 Items abgeleitet aus dem ADI-R - befriedigende bis gute Testgütekriterien 2. Marburger Fragebogen zum Asperger-Syndrom und HFA (MBAS) - Normen für den Altersbereich 6-24 Jahre - entwickelt von Kamp-Becker et al., 2005 3. FBB-TES aus dem Diagnostik-System für psychische Störungen im KJ-Alter (Döpfner et al., 2000) 4. Checklist for Autism in Toddlers (CHAT) % Autismusscreening (Baron-Cohen et al., 1992) % ermöglicht schon im frühen Kindesalter Diagnose (ca. 1,5 Jahren) Erfassung störungsspezifischer Symptomatik Allgemein: Früherkennung ASS vor dem 36. Lebensmonat wichtigste Anforderung an die Diagnostiker Grundvoraussetzung: a) gezielte symptom-orientierte Befragung der Eltern b) strukturierte Beobachtung des Verhaltens des Kindes oder Jugendlichen Diagnostische Verfahren: 1. Fragebogenverfahren (z.B.:FBB-TES, MBAS, FSK) 2. Strukturierte Interviews (ADI-R) 3. Strukturierte Beobachtung (ADOS-G) Diagnostische Verfahren: Autismus Diagnostisches Interview (ADI-R) Ziel: Detaillierte Beschreibung autismusspezifischer Verhaltensweisen (vorwiegend konzentriert auf die diagnostischen Schlüsselkriterien des ICD-10 und des DSM-IV) - durchgeführt mit einer Hauptbezugsperson - untersuchergeleitetes Interview: keine Ja/Nein-Antworten kodieren, sondern so lange weiterfragen, bis alle erforderlichen Informationen gewonnen sind ! Kodierung von Verhaltensbeschreibungen - Tonbandaufnahme, zur Verbesserung der diagnostischen Validität + schriftliche Aufzeichnungen 5. Childhood Autism Rating Scale (CARS) ! zusätzliches Verfahren Diagnostische Verfahren: Autismus Diagnostisches Interview (ADI-R) Das ADI-R besteht aus 6 Abschnitten: 1. Allgemeiner Teil (Erfragung von Hintergrundinformationen über das Kind und die Familie) 2. Frühe Entwicklungsgeschichte: Zeitpunkt an dem Auffälligkeiten zum ersten Mal deutlich wurden, Meilensteine der kindl. Entwicklung 3.- 5. Erfassung des Verhaltens des Probanden in den früheren Jahren und zum gegenwärtigen Zeitpunkt 6. Unspezifische Verhaltensschwierigkeiten und spezielle Fähigkeiten Diagnostische Verfahren III: Autismus-DiagnostischesBeobachtungs-Instrument (ADOS-G) $ Strukturiertes Verfahren zur Erfassung der sozialer Interaktion, Kommunikation und Spielverhalten $ Beobachtung des Auftretens oder Fehlens bestimmter Verhaltensweisen, die sich als relevant für die Diagnosestellung erwiesen haben $ Gezieltes Herstellen von Situationen, in denen best. Verhaltensweisen mit großer Wkt. auftreten $ 4 Module (Durchführungszeit pro Modul ca. 45-60 Min.) $ Auswahl des Moduls in Abhängigkeit von expressiven sprachl. Fähigkeiten und chronologischem Alter # das ADOS dient der Unterstützung der Diagnosestellung, es ist nicht zur Erfassung zeitlicher Veränderungen geeignet!! 12 Wichtige Anmerkungen zur Auswertung # in jedem ADOS-Modul werden 28-31 Verhaltenskriterien bewertet # eine Auswahl an Items wird in diagnostischem Algorithmus für Autismus verrechnet (in Anlehnung an ICD-10/DSM-IV) # diese Items werden auf den Skalen „Kommunikation“ und „soziale Interaktion“ summiert, die wiederum Diagnose Cut-offs definiert haben # Skala „stereotypes und restriktives Verhalten“ geht nicht in diagnostischen Algorithmus ein, da eine zuverlässige Symptomerfassung im Rahmen der 45-minütigen Diagnostikprozedur nicht möglich ist) Auswahlrichtlinien für die ADOS-Module ADOS Modul Niveau der expressiven Sprache Minimum Maximum 1 keine Sprache einige einfache Sätze 2 flexible Dreiwortsätze fließend sprechend 3 fließend sprechend (Kinder/Jugendliche) 4 fließend sprechend (Jugendliche/Erwachsene) Vor- und Nachteile des ADOS Vorteile: & Gut geeignet zur Erfassung autistischer Symptomatik und zum Ausschluss des frühkindlichen Autismus & Auswertung erfolgt über Algorithmus, der diagnostischen Richtlinien von ICD-10/DSM-IV operationalisiert & Hohe Interraterreliabilität und gute Testgüte Nachteile: ' Spezifität bei der Abgrenzung der einzelnen Störungen aus dem ASS liegt im Zufallsbereich (50%) ' Nicht gut geeignet zur Erfassung des Asperger-Syndroms ' Keine Unterscheidung zwischen Asperger und HFA möglich ' Zeitaufwendig, sowohl bei der Durchführung, als auch bei der Auswertung Zusammenfassung Diagnostik Goldener Standard: 1. Autismusscreening (FSK, MBAS, FBB-TES) 2. Autismus Diagnostisches Interview (ADI-R) Computerunterstützte Diagnostik 3. Autismus-Diagnostisches-BeobachtungsInstrument (ADOS-G) 13 Computerunterstützte Diagnostik Rey Osterrieth Figur 1. Amsterdamer Neuropsychological Tasks (ANT) - Matching Facial Emotions (MFE): Sind die abgebildeten Gefühle gleich? - Identification Facial Emotions (IFE): Welches Gefühl ist dargestellt? 2. Neuropsychologische Testbatterie „candit.com“ - Facial Emotion Matching (FME): Mit welchem der abgebildeten Gefühle stimmt untere Bild/Gefühl überein? 3. Embedded Figure Task (EFT) 4. Frankfurter Training des Erkennens von fazialem Affekt (FEFA) 5. Theory of Mind- Film Identification facial Emotion (IFE) Frankfurter Training des Erkennens von fazialem Affekt Aufgabe: richtige Zuordnung von sprachlichen Benennungen zu emotionalen Äußerungen Aufgabe: Emotionserkennung Beispielfotos des Untertests IFE der ANT; von links nach rechts: happpy, sad, angry, fear ANT: Exekutivfunktionen Kognitive Flexibilität/Inhibition ANT: Daueraufmerksamkeit Aufgabe: bei Erscheinen des 4-Punkte Musters schnellstmöglich „Ja-Taste“ drücken 28 27 Aufgabe: Taste in Richtung drücken, in die grünes Quadrat springt bzw. Taste in entgegengesetzte Richtung drücken, in die rotes Quadrat springt 1 37 37 14 ANT: Fokussierte Aufmerksamkeit Therapie bei AutismusSpektrum-Störungen Überblick Therapieansätze ( Verhaltenstherapie ( Frühförderung ( Elternberatung/ Psychoedukation ( Schulische und berufliche Förderung ( Ergo- und Physiotherapie ( Soziales Kompetenztraining (in der Gruppe) ( Musiktherapie ( (Psychotherapie) ( Sensorische Integrationstherapie ( Logopädie ( TEACCH (nach Eric Schopler) ( Picture Exchange Communication ( Reittherapie ( Pharmakologische Behandlung ( Gestützte Kommunikation (KEINE Therapie, nur Kommunikationshilfe) ( Delphintherapie ( Festhaltetherapie Ziele der Behandlung • Minderung/Modifikation der Symptome • Abbau störender und den Patienten in seiner Entwicklung beeinträchtigender Verhaltensweisen • Aufbau konstruktiven, adaptiven Verhaltens (unter Berücksichtigung angemessener Bewältigungsstrategien) • Einbeziehung der Familie und des sozialen Umfeldes in alle Behandlungsmaßnahmen (Eltern als Ko-Therapeuten) Aber Ziel sollte nicht sein, die soziale Anpassung zu erreichen oder die Individualität des Patienten zu brechen, sondern die Anzahl der Verhaltensalternativen erhöhen Generelle Aspekte zur Therapie von ASS • Therapie sollte immer im Entwicklungskontext statt finden • Therapie ist multimodal und multifaktoriell, d.h. die unterschiedlichen Interventionsebenen und die ganze Bandbreite der wirksamen Therapiemethoden (unterschiedliche Therapietraditionen) sollten genutzt werden • Vorraussetzung für die Therapie umfangreiche und differenzierte Diagnostik • Interventionen sollten als Entwicklungsprozess strukturiert und organisiert sein (entsprechend der Fähigkeiten, Defizite und dem Entwicklungsstand des Kindes) • Aufgrund der vermutlich genetisch bedingten hirnorganischen, jedoch bis heute nicht eindeutig benennbaren Ursachen, gibt es bisher keine kausalen Behandlungsansätze, d. h. Störung ist nicht ursächlich behandelbar • ASS-Therapie ist immer eine Langzeittherapie • Möglichst früher Beginn ist von allergrößter Bedeutung für den Erfolg (u.a. auch in Hirnentwicklung begründet) Behandlungskomponenten • Psychoedukation des Patienten und seiner Bezugspersonen • Training sozialer und kommunikativer Kompetenzen (ToM nimmt besonderen Stellenwert ein) • Förderung der Identitätsfindung (Selbst- und Störungsbild) • Förderung lebenspraktischer Fähigkeiten • Bearbeitung sekundärer Verhaltensprobleme (z.B.: Ängste, Depressionen) • Schulische und berufliche Förderung (Integration) • Einbeziehung der Eltern als Ko-Therapeuten • Verbesserung der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung • Training der Sensorik, Motorik, Wahrnehmung 15 Interventionsebenen Multimodaler Therapieansatz ( Verhaltenstherapie (z.B.: KVT) 1. Ebene der Eltern ( Gruppentraining bzw. Gruppenintegration ( Psychoedukation der Eltern, Erzieher, Lehrer ( Picture Exchange Communication 2. Ebene der Lehrer, Erzieher, Mitschüler ( TEACCH ( Ergotherapie, Logopädie, Krankengymnastik 3. Ebene des Patienten ( Pharmakologische Behandlung 1. Ebene der Eltern Ziel: Das eigene Kind besser verstehen und akzeptieren lernen Material: V. Kopp & T. Ehlkes: „Ein Einblick in ein anderes Leben - Autismus“, Auszug aus einer Hausarbeit aus dem Masterstudiengang klinische & experimentelle Neurowissenschaften, 2008, S7 „Seit wir die Diagnose kennen und Martin besser verstehen können, läuft vieles schon viel entspannter.“ Psychoedukation • Informationsvermittlung, aber auch Auseinadersetzung mit realem Selbstbild und Wunschbild • Altersgerechte Aufklärung über die Diagnose mit Bedacht und großer Sorgfalt • Angemessenes Störungskonzept für die Eltern (klare & eindeutige Aufklärung, keine unbegründeten Hoffnungen schüren) • Wichtige erzieherische Grundsätze vermitteln (Konsequenz zentral, Vorraussetzung für das Erlernen von Regeln und Strukturen), Elterntraining bei ASS 1. Ziele des Trainings • • • • Aufklärung über das Störungsbild Kognitive und emotionale Auseinandersetzung Verbesserung der Qualität der Elter/Kind-Beziehung Sensibilisierung gegenüber den Bedürfnissen aller Familienmitglieder (z.B.: sich nicht nur für das autistische Kind aufopfern) • Stärkung der erzieherischen Kompetenzen • Einbeziehung der Eltern in die Behandlung (Abklärung von Lernzielen, Absprachen über Interventionsmöglichkeiten, Training im häuslichen Umfeld,...) 16 Elterntraining bei ASS Elterntraining bei ASS 2. Methoden 3. Bedeutung • Vermittlung von Methoden zum Training der ToMKompetenzen • In-vivo-Eltern-Kind-Verhaltensübungen mit Verhaltensfeedback • In-vivo-Modelltraining durch beobachten der TherapeutKind-Interaktion • Hausaufgaben an die Eltern (z.B.: Erstellen eines Tagesplans) • Supervision der Eltern-Hausaufgabenprogramme • Methoden der Problemanalyse und des Problemlösens • Training und Beratung der Eltern zentral, aufgrund eines erwiesenen dauerhaften Belastungserlebens, bedingt durch Störung des Kindes • Reduktion der Inkongruenzerlebnisse aufgrund antiquierter psycho- und soziogenetischer ASSTheorien • Kontinuierliche Verunsicherung durch Propagierung pseudowissenschaftlicher Erklärungsansätze (z.B.: Gestützte Kommunikation, Impfungen) Welchen Bedingungen sind wichtig für eine Integration in die Klasse? 2. Ebene der Lehrer & Erzieher Ziel: Erarbeitung eines gemeinsamen Bildes: • • • • • • • • • • • • „An einem Strang ziehen!“ Kleine Klassen und übersichtliche Schulen Ein gutes Verhältnis zwischen Eltern/Lehrern Lehrer, die sich über ASS fortbilden bzw. informieren Gut aufgeklärte und verständnisvolle Mitschüler Stärkung der sozialen Kompetenzen aller Schüler Konstante Schulbegleitung Nachteilsausgleiche So wenig Lehrerwechsel wie möglich Rückzugsmöglichkeiten für den Schüler Ressourcen fördern Strukturierung von Lernprozessen Psychedukation Therapieziele 3. Ebene der Patienten Ziel: Sich selbst und seine eigene Form des Autismus besser kennen lernen Material: z.B.: „Ich bin was Besonderes“ von Peter Vermeulen Allgemein: • • • • • • • • • • Förderung sozialer Interaktion und Kommunikation, Entwicklung eines Verständnisses von sozialen Regeln und Stärkung selbstregulativer und exekutiver Funktionen Lernen Kontakt aufzunehmen/Beziehungen zu gestalten Soziale Regeln lernen und einhalten können Gefühle erkennen und einordnen können Strategien zum Umgang mit Gefühlen Anderer und den eigenen Gefühlen Kommunikationstechniken erlernen (z.B.: zuhören können) Selbst- und Fremdwahrnehmung verbessern Konfliktlösestrategien erarbeiten Selbstständigkeit stärken Soziale Kompetenzen steigern Selbstvertrauen stärken/Ängste im sozialen Kontext reduzieren 17 Wirkfaktoren in der Therapie • Therapeut sollte sprachlichen Besonderheiten der Menschen mit ASS kennen • Der Patient braucht mehr Zeit zur Verarbeitung von Erklärungen • Asperger profitieren am besten von klar strukturiertem & systematischen Ansatz • Kürzere, aber häufigere Sitzungen sinnvoll • Wichtige Punkte schriftlich fixieren und zu Beginn der nächsten Sitzung noch einmal aufgreifen/ Austausch eventuell via e-mail/ Comic-Gespräche • Wesen und Grenzen der therapeutischen Beziehung müssen geklärt werden (Therapeut ist kein persönlicher Freund) • Eigene Identität finden (verstehen, was das Asperger-Syndrom ausmacht und welche Merkmale sich im Fähigkeits- bzw. Persönlichkeitsprofil bemerkbar machen) Vier mögliche Reaktionen auf das Bemerken des Anderssein 1. Depression 2. Flucht in die Fantasie (problematisch, wenn Phantasie das reale Leben bestimmt) 3. Arroganz 4. Überleben durch Nachahmung (schlüpfen in eine fremde Rolle –> Person begreift nicht, wer sie wirklich ist) 3 Gruppen wichtiger VT-Strategien 1. Verhaltenstherapie 2. 3. Kognitiv-behaviorale Verhaltenstherapie (KVT) Definition: - Therapiemethoden, aufbauend auf Erkenntnisstand der Entwicklungspsychologie - Berücksichtigung störungsspezifischen Wissens - Ausgangspunkt Verhaltensanalyse Fokus liegt auf: • Motivationsförderung • Diskriminationstraining • Training sozial-kommunikativer Fähigkeiten • Emotionsregulation • Erlernen genereller und spezifischer Problemlösestrategien • Selbstmanagement, Self-Monitoring • Generalisierungsfähigkeit • Förderung lebenspraktischer Kompetenzen Vorausgehende Interventionen zur präventiven Beeinflussung abweichenden Verhaltens (z.B.: Umgebungsänderung, Frühförderung) Nachfolgende Interventionen zur Beeinflussung eines bestimmten Zielverhaltens (z.B.: Abbau stereotyper Verhaltensweisen, Beeinflussung hartnäckiger Schlafstörungen oder depressiver Verstimmungen) Interventionen zur Entwicklung von Fähigkeiten (z.B.: Förderung kommunikativer Kompetenzen, Entwicklung der ToM) Stufen der KVT 1. Beurteilung der Art und Schwere der affektiven Störung 2. Affektives Lernen zur Erweiterung des Wissens über Emotionen (Verbindung zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen erarbeiten) 3. Kognitive Restrukturierung (Korrektur verzerrter Vorstellungen und falscher Ansichten, um Emotionen konstruktiv regulieren zu können) 4. Einübung neuer kognitiver Fähigkeiten mittels, um eine Steuerung der Emotionen im Alltag zu üben Hinweis: Exploring Feelings (Programm zur Steuerung von Wut und Angst basiert auf Grundlage der KVT von Tony Atwood (2009)) 18 Elemente der entwicklungsorientierten KVT Störungsmodell Konsequenzen Risikofaktoren Kind Schutzfaktoren Kind + Risikofaktoren Umwelt Therapeutische Ziele Schutzfaktoren Umwelt Abbildung aus: Remschmidt & Kamp-Becker „Asperger-Syndrom“ Manuale psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen 2008, S. 180. 1. Schritt: Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse: Wo sind therapeutische Ansätze? S Situation (S) Was passiert gerade? Organismus (O) Angeborene Merkmale Reaktion (R) Verhalten/ Gedanken Konsequenz (K) * 1. Positive Verstärkung ) 2. Negative Verstärkung ) 3. Direkte Bestrafung * 4. Indirekte Bestrafung * TEACCH- Ansatz +Durch Strukturierung der Situation Vorhersehbarkeit/ Sicherheit schaffen KONSEQUENZEN Positive Verstärkung = Negative Verstärkung = Direkte Bestrafung = Indirekte Bestrafung = O " ToM- Training, " Training sozialer Kompetenzen " Gruppentherapie (z.B.: KONTAKT) R Ziel : Alternative Verhaltensweisen erlernen angenehmer Reiz passiert; Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens nimmt zu; unangenehmer Reiz wird weggenommen; Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens nimmt zu; unangenehmer Reiz wird dargeboten; Verhalten nimmt ab angenehmer Reiz wird weggenommen; Verhalten nimmt ab K Lernprinzipien, wie z.B. positive/ negative Verstärkung (Punktepläne) TEACCH I TEACCH: Ziele: TEACCH (S-Variable) Treatment and Education of Autistic and related Communication-handicapped Children - größtmögliche Selbständigkeit - Maximierung der Lebensqualität Annahme: Menschen mit ASS nehmen Informationen besser auf, wenn sie sie nicht nur hören, sondern auch sehen. Daher werden Formen visueller Gestaltung (Bilder, Gegenstände, Markierungen) und Strukturierungsmaßnahmen in Bezug auf Raum, Zeit, Aufgabenstellung und Aufgabenmaterial eingesetzt Theoretischer Hintergrund: - entwicklungspsychologische Konzepte - kognitiv- verhaltenstherapeutische Ansätze - keine Therapiemethode, Rahmengerüst zur Förderung und Erziehung 19 Strukturierung/ Organisation des Raumes TEACCH II + Beinhaltet den Einsatz gut strukturierter pädagogischer Maßnahmen + Trägt dem Entwicklungsstandes des Kindes Rechnung + Bezieht spezielle Zugänge zu autistischen Kognitionen und Verhaltensweisen ein + Große Anzahl von Bereichten scheinen große Effektivität des Programms zu belegen (Campbell et al., 1996; Mesibov et al., 2009) Orientierungshilfen (Verstehen): " Einteilung in überschaubare Bereiche " Klare Abgrenzung der einzelnen Bereiche " Markierung der Bereiche " Verbindung von Ort und Aktivität (= Hilfe zum Verstehen der Erwartungen) Hilfen zur Verhaltensorganisation: + Aber wenig neuere vergleichende Untersuchungen zu anderen Therapieverfahren " Reizabschirmung " Sitzordnung " Nähe zur Tür/ Fenster/ Toilette etc. Strukturierung der Zeit Was soll ich mit dem Material tun? Orientierungshilfen (Verstehen): " Einteilung in überschaubare Zeitabschnitte " Klarer Beginn und klares Ende " Signale für Anfang und „fertig“ "Visualisierung des Ablaufes und des Verstreichens der Zeit Strukturierung der Aufgabenstellung Hilfen zur Verhaltensorganisation (Handeln): " Ablaufpläne " Eier/ Timer/ Wecker " Ausgewogenheit der Aktivitätenfolge Visuelle Zeitstrukturierung durch: Handlungsabfolge: Modell zum Vergleich anbieten Eindeutigkeit des Materials Schriftliche Anleitungen Zeigen des zu verwendenden Gegenstandes Visualisierung von Instruktionen Gesten Schablonen zum Einsetzen Schablonen zum Drauflegen Bilder der Handlungsabfolge Demonstration Markierungen, Pfeile, Punkte Wie entwickelt man eine Theory of Mind? Schritt 1: ToM-Training (O-Variable) Ziel: Schritt 2: Ziel: Förderung der Wahrnehmung (Was nimmt der Patient wahr? Was ist relevant?) Wahrnehmung von sozial relevanten Hinweisreizen, von Blickkontakt, Förderung zentraler Kohärenz; Wahrnehmungsspiele (ich sehe was, was du nicht siehst) Emotionserkennung (Wie fühlt sich der wahrgenommene Mensch? Wie fühle ich selbst mich?) Differenzierung verschiedener Emotionen 1. Erkennen von Emotionen in schematischen Darstellungen (z.B.: Cartoons, Kinderbücher) 2. Erkennen von Emotionen in Fotografien (Baron-Cohen et al., 2004) 3. Erkennen von Emotionen in Situationen (Geschichten, Bücher, Filme, alltägliche Situationen) 20 Wie entwickelt man eine Theory of Mind? Schritt 3: Ziel: Spielverhalten fördern Entwicklung eines reziproken, kooperativen & sozialen Spiels (Verstärkung, Shaping, Chaining) Schritt 4: Ziel: Sozial-kognitive Attributionen fördern Bewusstsein dafür, dass Menschen unterschiedliche Perspektiven haben (Menschenwissen verschiedene Dinge, Menschen fühlen & denken unterschiedlich usw.) Schritt 5: Ziel: Perspektivenübernahme fördern Fähigkeit fördern Situationen aus der Perspektive anderer Menschen zu betrachten und empathisch nachzuvollziehen (über z.B. Rollenspiele) Wie entwickelt man eine Theory of Mind? Schritt 6: Pragmatische Regeln der Kommunikation einüben (Ist der Kommpartner bereit zuzuhören?; Welche körperliche Nähe/Distanz ist angemessen?) Schritt 7: Ziel: Förderung der exekutiven Kontrolle Planerisches Denken, kognitive Flexibilität zur Verbesserung der Selbstkontrolle erhöhen Schritt 8: Ziel: Selbstbewusstsein und Identität fördern Sich selbst und die eigene Störung akzeptieren Schritt 9: Klare Unterscheidung zwischen Phantasie und Realität fördern Identification facial Emotion (IFE) Förderlich für Entwicklung der ToM-Kompetenzen • Gute Sprachfähigkeiten (auch in emotionalen Bereichen) • Gebrauch mentalistischer Sprache durch die Eltern (Verbalisation von Gedanken, Gefühlen, Wünschen, Ansichten & Intentionen) • Kontakt zu nicht-autistischen Kindern, die Kind und seine Besnderheiten akzeptieren • Gute ToM-Fähigkeiten des Umfeldes • Hohe erzieherische Kompetenzen, die weder autoritär noch rigide oder alles gewährend sind • Entwicklungsförderndes Spiel (z.B.: So-tun-als-ob-Spiel entsprechend des Entwicklungsstandes) Aufgabe: Emotionserkennung Beispielfotos des Untertests; von links nach rechts: fröhlich, traurig, wütend, ängstlich Emotionswahrnehmung trainieren Theory of Mind Training 1. Emotionsrekognition (richtige Zuordnung von sprachlichen Benennungen zu emotionalen Äußerungen) • • • • • • Welche Gefühle kennst Du? Woran erkennt man diese Gefühle? Vertiefung FEFA Spiegel Fotos der dargestellten Gefühle Rollenspiele/Pantomimespiel 21 Gefühle-Situations-Memory Als ich nachts alleine war, habe ich unheimliche Geräusche Angst Meine Mutter hat mich gelobt, als ich eine gute Note geschrieben habe. Stolz Nachher bekomme Ich von meinem Vater eine Süßigkeit am Kiosk. Freude Im Flur hat es fürchterlich gestunken. Ekel Probleme mit der Gefühlskontrolle • Emotionsregulationsstörung bei ASS als „Energieproblem“ (Atwood, 2008) darstellen – „emotionaler Werkzeugkasten“ • Hammer: Freisetzung emotionaler Energie durch konstruktive Tätigkeit (Hammer zeichnen und Auflistung all jener Fähigkeiten, mit denen man auf sichere Weise Energien freisetzen kann • Bei Kindern Trampolin springen, Schaukeln • Traurigkeit wird oft als Wut ausgedrückt Frankfurter Kommunikationsund soziales Interaktions- Gruppentraining bei Autismus (KONTAKT) KONTAKT = Gruppentraining für Kinder und Soziales Kompetenztraining (O-Variable) Jugendliche mit AutismusSpektrums-Störungen Ziele sind die Verbesserung: 1. der Kommunikationskompetenzen 2. der sozialen Interaktionsfähigkeit, 3. der sozialen Wahrnehmung, 4. der Empathiefähigkeit 5. Der Anpassungsfähigkeit in einer Gruppe Frankfurter Kommunikationsund soziales Interaktions- Gruppentraining bei Autismus (KONTAKT) Vorgehen: - Lernen, Kontakt aufzunehmen - soziale Regeln lernen und einhalten - Training von Selbst- und Fremdwahrnehmung - Konfliktlösungsstrategien erarbeiten - soziale Kompetenzen erlernen/ stärken (z.B.: Rücksicht nehmen; sich entschuldigen etc.) - soziale Konstrukte und die eigene Rolle dabei besser verstehen lernen (z.B.: Freundschaften) - Selbstvertrauen stärken Ablauf Schritt 1: Kennen lernen # Kennen lernen/Kontakt untereinander herstellen # Regeln und Abläufe in einer sozialen Gruppe verstehen/ einhalten # Rituale implementieren (Gefühlsgesichter zur Begrüßung; Gruppenspiel; Hausaufgaben; Abschlussrunde zur emotionalen Befindlichkeit) # Gruppenidentität schaffen Schritt 2: Emotionale Wahrnehmung # Grundlegende Gefühle erkennen, benennen und verstehen # Gefühle mimisch darstellen (Fotos, Bildkarten, Rollenspiele) # Gefühle mit auslösenden sozialen Situationen verknüpfen # sich in andere Menschen hineinversetzen # Verbalisieren von Gefühlen und Problemen Schritt 3: Soziale Kompetenzen # Vermittlung theoretischer Konzepte (z.B.: Theorie sozialer Fertigkeiten) # Einüben sozialer Fertigkeiten (videounterstützte Rollenspiele; Gruppengespräche) # Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdwahrnehmung (Spiele, Beschreibungen) Schritt 4: Generalisierung # Transfer in den Alltag, Generalisierung (z.B.: Gruppenaktivitäten, Rollenspiele) # Reflexion 22 „Rollenspielsituationen für Kinder“ Du möchtest mit einem anderen Kind spielen. Wie machst Du das? Ihr bekommt heute Besuch von Arbeitskollegin Deiner Mutter, die Du noch nicht kennst. Die Kollegin kommt zur Tür herein. Was machst Du? Ein anderes Kind, das Du nicht kennst nimmt Dir auf dem Spielplatz Deine Schaufel weg. Wie reagierst Du? Ein Junge aus Deiner Klasse fragt Dich, ob Du ihn am Nachmittag besuchen möchtest. Du findest den Jungen nett. Wie reagierst Du darauf? „Rollenspielsituationen für Jugendliche“ Du sollst beim Bäcker Brötchen und Brot kaufen. Du hast aber Vergessen, welches Brot Du kaufen sollst. Was machst Du? Du stehst in der Pause neben zwei Jungen aus Deiner Klasse, die sich über einen neuen Kinofilm unterhalten. Du möchtest gerne mitreden. Probier das einmal aus! Du bist ganz vertieft in ein Buch zu Deinem Lieblingsthema. Da kommt ein Junge aus Deiner Klasse und fragt Dich, was Du gerade liest. Wie reagierst Du? Beispiel einer Social Story Neue Verhaltensweisen lernen (R-Variable) Manchmal umarmen mich Kinder. Sie tun das, um freundlich zu sein. Gestern habe ich in der Klassenarbeit drei Rechtschreibfehler gemacht. Als meine Freundin Amy die Arbeit und die drei Fehler sah, dachte sie, dass ich darüber wohl traurig bin und ich war wirklich traurig. Amy hat dann ihren Arm um mich gelegt und gesagt: „Ist schon okay, Juanita.“ Amy ist meine Freundin. Sie hat mich in den Arm genommen, damit ich mich besser fühle. Einigen Menschen hilft es, umarmt zu werden, damit sie sich besser fühlen. Umarmt zu werden hilft Amy, sich besser zu fühlen. Wenn Amy mich umarmt, dann, weil sie möchte, dass ich mich besser fühle. Ich kann mich bei ihr bedanken, nachdem sie mich umarmt hat. Tony Atwood: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom. Trias, 2008; S.194 f Social Stories 1 Kognitive Restrukturierung 2 3 1. Indizien für einen bestimmten Gedanken sammeln (Neigung Dinge wortwörtlich zu nehmen) 2. Ansichten mit Fakten und Logik konfrontieren 3. Realitätsverzerrungen auflösen 4. Reaktionsmöglichkeiten erweitern (Listen mit angemessenen und unangemessenen Reaktionen erstellen) Comic Geschichten (Carol Gray) : Zeichnen einfacher Comicgeschichten zur Lösung von Problemen (z.B.: Wann ist es angebracht das Thema zu wechseln, statt ewig über giftige Spinnen und Skorpione zu erzählen 23 Konsequenzen (K-Variable) Aus: Wever C & Phillips N (2001). Immer Flausen im Kopf. Lübeck: Menschenkinderreihe. Fallbeispiel (Alexander 11 Jahre) Fallbeispiel (Alexander 11 Jahre) • Erste Auffälligkeiten im Säuglingsalter (Schreikind, kein Interesse an Spielzeug, kein Imitationsspiel, kein Spiel mit anderen Kindern) • Interessen: Geographie, stereotype Beschäftigungen, wie stundenlang vor Wecker im Zimmer sitzen und Zeiten notieren ( 18:05 Uhr, 18:06 Uhr usw.) • Förderung mit Logopädie, Krankengymnastik & Ergotherapie • Aktuell Schulbegleitung (Schwierigkeiten mit Abläufen in Schule, bei gleichzeitig guten Schulleistungen) • zu Hause fehlen Handlungskonzepte (zur Toilette gehen, Schultasche einräumen, zu-Bett-geh-Situation etc.) • Anschlussschwierigkeiten in Schule • Gruppenspiele schwierig • Früher übermäßige Lärmempfindlichkeit (normale Haushaltsabläufe waren deswegen nicht möglich) • Aktuell bestehen ungewöhnliche Geruchsinteressen (Süßigkeiten), auch berühre er seine Eltern reibend und jaulend • Aktuelle Sorgen der Eltern: Alexander „höre“ oftmals nicht, seine Lebensperspektive und der Umstand, dass er vor ein paar Wochen sein Kaninchen durch Genickbruch getötet habe Fallbeispiel (Alexander 9 Jahre) 1. Definition eines Problemverhaltens („Nicht hören“ bedeutet z.B. bei Zubettgehsituation ein Problem - ins Badezimmer kommen, umziehen, Zähne putzen... Handlungskonzept fehlt) 2. Wie häufig tritt dieses Problemverhalten auf? Die erweiterte Ampel Regeln formulieren Wirkungsvolle Aufforderungen geben Positive Konsequenzen, wenn Regeln eingehalten werden Negative Konsequenzen, wenn Regeln nicht eingehalten werden 3. Wie belastend war bzw. ist das Problem? 24 Zu- Bett- Geh- Situation Regeln formulieren Ziel ist, im Vorhinein möglichst viel Klarheit + Struktur für schwierige Situationen zu schaffen. Das gibt dem Kind und den Eltern Sicherheit. • 19:00 Uhr: Alexander zieht sich eigenständig um • Zähneputzen/ Waschen gemeinsam mit Eltern: Ablauf besprechen • Nach dem Zähneputzen einmal auf Toilette gehen, einen Schluck Wasser trinken • Buch aussuchen + vorlesen • 20:00 Uhr Licht aus, „kein Mucks mehr zu hören“ Zu- Bett- Geh- Situation Zu- Bett- Geh- Situation Aufforderungen geben Gerade Kinder mit Autismus bekommen Aufforderungen häufig gar nicht mit, weil sie versunken in sich selbst sind. Die Eltern sind dann schon ärgerlich, bevor die eigentlich schwierige Situation beginnt. • Aufforderung nur geben, wenn ich bereit bin, sie durchzusetzen • Sicherstellen, dass Alexander Aufforderung hört (angucken, anfassen...) • Klare, freundliche und bestimme, eindeutige Ansagen, keine Frage! • Nur eine entwicklungsangemessene Aufforderung • „Alexander geh jetzt bitte in dein Zimmer und zieh dich um“ Zu- Bett- Geh- Situation ..................................... Name des Kindes Ich bekomme Punkte, wenn ich es schaffe, folgende Anzahl Regeln einzuhalten: der Punkte positive Konsequenz 1.Aus+ Umziehen Waschen, 2.Zähneputzen, Toilette, Trinken Positive Konsequenzen müssen durchführbar sein, sollten sofort und regelmäßig erfolgen. Aufmerksamkeit, Lob, gemeinsames Tun, Privilegien, materielle Belohnung... Anzahl der Punkte können eingetauscht werden in: 3 Abends länger lesen 1 6 Pizza backen 10 Buch zu Spezialthema 1 3.Ruhig im Bett bleiben 1 Zu- Bett- Geh- Situation Vorher vereinbaren: negative Konsequenz Ich darf meine Punkte eintauschen „ Wenn du trödelst, dich weigerst oder schreist oder mir wehtust, werde ich dich einmal auffordern, das zu lassen und dich an deine Punkte erinnern. Wenn du das dann noch einmal machst, bekommst du den Punkt nicht.“ Punktepläne Ziel: Erwünschtes Verhalten soll aufgebaut werden Entwicklung: 1. Möglichst genaue Beschreibung des Problemverhaltens. 2. Beschreibung des erwünschten, angemessenen Verhaltens. 3. Wie viele Punkte erhält der Schüler bei angemessenem Verhalten? 4. Welche Belohnung erhält der Schüler bei Erreichen der Punktzahl? 5. Gut sichtbar aufhängen! 6. Bei Erreichen der erforderlichen Punktzahl, Eintausch in Sonderbelohnungen in der Schule oder durch die Eltern. Wichtig ist es, sich genau an Vorgaben zu halten. Auch wenn sich das Verhalten zunächst schnell ändert, sollte der Punkteplan mehrere Wochen durchgeführt werden! 25 Wettkampf um lachende Gesichter , Ziel: Häufig auftretende problematische Verhaltensweisen abbauen + Entwicklung: 1. 2. 3. 4. 5. Beschreiben Sie möglichst genau das Problemverhalten. Schreiben Sie die unerwünschten Verhaltensweisen auf. Wählen Sie eine definierte Zeiteinheit. Besprechen Sie mit dem Schüler die Regeln. Legen Sie fest, wie viele lachende Gesichter der Schüler benötigt. 6. Legen Sie die Belohnungen fest. 7. Plan gut sichtbar aufhängen 8. Unmittelbare Verstärkung (pos./neg.) Applied Behavior Aanalysis (ABA) ABA - Angewandte Verhaltenstherapie/ Frühförderprogramme Ziele: - Verbesserung von Sprachvorläuferfähigkeiten (Aufmerksamkeit, Imitation), von kommunikativen & sozialen Fähigkeiten - Verhaltensänderung durch Entwicklung adaptiver, prosozialer Verhaltensmuster, sowie die Reduktion unangemessenen Verhaltens - Integration in Regelschuleinrichtung - ex trem hoher Zeitaufwand (Durchführung im häuslichen Rahmen) - so früh wie möglich beginnen - theoretischer Hintergrund: behavioristisch geprägte VT/ Methoden des operanten Konditionierens - Ivar Lovaas hat diese Prinzipien als erster auf Kinder mit ASS angewandt - Wirksamkeit belegt (siehe Cordes & Dzikowski, 1991; Eikeseth et al., 2002; Smith et al., 2000; Bölte & Poustka, 2002) - in Deutschland kaum Anwendung (bedingt durch berufspolitische Gründe) Medikamentöse Behandlung 26 Pharmakotherapie • Kernsymptomatik ist medikamentös nicht zu behandeln • In erster Linie wird die Begleitsymptomatik wie aggressives und autoaggressives Verhalten, Hyperaktivität und Impulsivität, Ängste, Depressionen, stereotypes und repetitives Verhalten gebessert • Patienten werden der Behandlung zugänglicher gemacht • Medikamente wirken häufig nur bei einer Teilpopulation der Patienten Pharmakotherapie Generell: Die medikamentöse Behandlung autistischer Störungen erfolgt immer symptomorientiert Zielsymptome Medikament Aggressives & selbstverletzendes Verhalten, Wutanfälle, Erregungszustände Neuroleptika (Risperdal, Olanzapin) Lithium, Antikonvulsiva, Clonidin Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität, Irritabilität, motorische Unruhe, Stimulanzien, Atypische Neuroleptika Clonidin Naltrexon Angst; Zwangsstörungen, Antidepressiva (SSRI, Fluvoxamin, Depressivität, repetitives Verhalten Citalopram, Paroxetin) Stereotypien, Rituale, rigides Verhalten SSRI (z.B. Buspiron), Atypische Neuroleptika (z.B. Risperdal) Schlafstörungen Melatonin, Nitrazepam, Atosil Fallbeispiel: Julian N. (15 Jahre) Vorstellungsanlass: Drohungen gegen Mitschüler; nationalsozialistische Ideen; aggressiv-impulsive Ausraster in der Schule, die zu zwei Schulverweisen geführt haben, aufgrund dessen wurde der Patient für einige Monate zu Hause beschult Anamnese I: Fallbeispiel - kurzzeitige Ticstörung (Zuckungen der Gesichtsmuskulatur); Ergo- und Musiktherapie, Logopädie - Wechsel auf Gesamtschule: große Schwierigkeiten, v.a. mit ausländischen Mitschülern (zunehmend Schulunlust & Isolation von Mitschülern aufgrund der Wutausbrüche,verbale Attacken/ Provokationen durch Mitschüler); Leistungen o.k. - Wechsel aufs Gymnasium: Wiederholung der 6. Klasse, insgesamt durchschnittliche Leistungen (sehr gute Leistungen in Deutsch & Geschichte, schlechte Noten in Mathe); ebenfalls massive Konflikte mit Mitschülern, aggressive Wutausbrüche gegen Mitschüler und Lehrer, letztere haben Angst vor ihm; zwei Schulverweise aufgrund aggr. Ausraster; - für mehrere Monate Beschulung im häuslichen Rahmen - verschiedene erfolglose Behandlungsversuche mit Stimulanzien (Diagnose: Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens, bei durchschnittlicher Intelligenz) - ersten zwei Lebensjahre als unauffällig erinnert - Meilensteine der Entwicklung früh erreicht (z.B.: Sprachentwicklung – mit anderthalb Jahren Mehrwortsätze), Sprachmelodie schon immer laut & monoton - Kleinkind: feinmotorisch ungeschickt, häufig unpassende Fragen gestellt, die Eltern peinlich gewesen seien - Kiga: Trennungsängstlichkeit; sei gerne für sich gewesen; z. T. Wutausbrüche, aber noch nicht so problematisch, da sehr klare Strukturen, könne sich schlecht über längeren Zeitraum konzentrieren, aber keine motorische Unruhe - Einschulung zeitgerecht, trotz Empfehlung einer Rückstellung; seit 2. Klasse zunehmende Wutausbrüche und Konflikte, Aufmerksamkeitsprobleme - beide Eltern Gymnasiallehrer - bei Diagnosestellung massiver Wutausbruch (umschmeißen eines Stuhls, werfen eines Blocks, Weglaufen) - stationäre Aufnahme: vorzeitiger Abbruch der stationären Therapie auf Wunsch des Patienten; keine Akzeptanz der Diagnose; manglende Kooperation der Eltern bedingt durch Überforderung - Zurückführung auf Regelschule nur unter Voraussetzung, dass Diagnose transparent gemacht wird (bei Mitschülern & Eltern) - völlige Überforderung der KM, befand sich selbst aufgrund einer depressiven Symptomatik in therapeutischer Behandlung (ebenso die 21-jährige Schwester des Patienten) - KV mindestens autistische Züge (aber keine offizielle Diagnose) - sehr enge Beziehung zum Großvater (väterlicherseits) - ambulante Therapie - noch nie „echter“ Blickkontakt; kein soziales Lächeln; aktuell keine Freunde, früher habe er vereinzelt Freunde gehabt - Hobbies: PC, Klavier, nationalsozialistische Themen und Ideen (hier sei er sehr umfassend informiert) 27