Entscheidungshilfe Generalisierte Angststörung: generalisierte Angststörung behandelt? Wie wird eine Als Behandlung kommen für die generalisierte Angststörung Psychotherapie oder Medikamente infrage. Ziel beider Behandlungen ist es, die Angst auf ein erträgliches Maß zu vermindern. Man kann bisher nicht sagen, ob eine der beiden Behandlungen besser wirkt als die andere. Es gibt bisher zu wenige wissenschaftliche Untersuchungen, in denen beide Behandlungen miteinander verglichen wurden. Daher wird entweder Psychotherapie oder eine Behandlung mit Medikamenten empfohlen, wobei Ihre persönlichen Vorlieben berücksichtigt werden sollten. Wenn bei Ihnen Psychotherapie nicht ausreichend geholfen hat, können Sie eine Behandlung mit Medikamenten ausprobieren (oder umgekehrt) oder Psychotherapie und Medikamente können kombiniert werden. Hilfe annehmen Sowohl bei Psychotherapie als auch bei Medikamenten kann der erste Schritt eine Hürde sein: Einige Menschen schämen sich, Hilfe von einem Psychotherapeuten zu brauchen. Hier kann es helfen, sich klarzumachen: Sie sind damit nicht allein. Suchen Sie sich eine Therapeutin oder einen Therapeuten, dem Sie vertrauen können. Ängste sind genauso wie körperliche Erkrankungen ernstzunehmende Beschwerden. Und: Nach einem Beinbruch, ist es auch kein Zeichen von Schwäche, dass man Krankengymnastik braucht, um wieder auf die Beine zu kommen. Genauso ist das bei einer Angsterkrankung auch. Gerade bei Menschen, die sich ohnehin viele Sorgen machen, können mögliche Nebenwirkungen von Medikamenten auch Sorgen auslösen, auch weil man das Gefühl hat, dies nicht kontrollieren zu können. Lassen Sie sich von Ihrem Arzt oder Therapeuten über die Nebenwirkungen aufklären. Einige Nebenwirkungen können, müssen aber nicht auftreten, viele verschwinden nach den ersten Behandlungswochen wieder. Seite 1 Psychotherapie Bei einer Psychotherapie finden regelmäßig (in der Regel einmal pro Woche) Gespräche mit einem Psychotherapeuten statt. Meist werden Einzelgespräche geführt. Manchmal wird auch eine Gruppentherapie angeboten. Verschiedene Psychotherapieverfahren Es gibt verschiedene Psychotherapieverfahren. Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen für: Verhaltenstherapie Psychoanalytische Therapie Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie „Die Psychotherapie hat mir insofern geholfen, da es eine Auszeit war vom „Funktionieren-Müssen“ im Alltag. Es tat gut über das Erleben sprechen zu können. Dabei war mir die Therapieform weniger wichtig als der Mensch, der mir gegenüber saß und der mir Verständnis entgegenbrachte und zu dem ich Vertrauen haben konnte. Jeder Klinikaufenthalt war eine Notbremse und ein "wieder-zu-sich-Finden". Es tat gut unter Menschen zu sein, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Leider ist es sehr schwer in akuten Krisen einen Therapeuten zu finden, da die meisten hoffnungslos überlaufen sind. Es gibt aber viele Anlaufstellen, die einen erstmal auffangen können. Mir Hilfe zu holen und sich mit meinem Zustand zu beschäftigen hat mir sehr geholfen und mich stabilisiert.“ Erfahrene mit Angststörungen Wirksamkeit der Psychotherapie Die Forschung konnte zeigen, dass von den verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren die kognitive Verhaltenstherapie zur Behandlung der generalisierten Angststörung am wirksamsten ist. Menschen, denen eine Verhaltenstherapie nicht geholfen hat oder psychodynamische Therapie bevorzugen, kann auch diese angeboten werden. die eine Eine wichtige Voraussetzung einer Psychotherapie ist unabhängig vom Verfahren das Vertrauen zwischen Patient und Therapeut. Es hat einen großen Einfluss auf das Behandlungsergebnis. Hier gibt das eigene Gefühl meist die beste Auskunft: Kann ich dem Menschen vertrauen, fühle ich mich ernstgenommen und gut aufgehoben? Was passiert bei einer Verhaltenstherapie? Bei den verhaltenstherapeutischen Verfahren haben sich zwei Methoden als besonders wirksam herausgestellt: Seite 2 die Konfrontation mit den eigenen Sorgen Entspannungsverfahren Die Sorgenkonfrontation kann zunächst unangenehm für den Patienten sein. Er muss sich dabei ganz bewusst seinen Ängsten stellen. Oft vermeiden Menschen mit generalisierter Angststörung es, ihre Sorgen zu Ende zu denken. Wer die Sorgen aber bewusst zu Ende denkt, gewöhnt sich daran. Die Sorgen machen dann weniger Angst. Dieses Verfahren eignet sich besonders gut, wenn die Sorgen im Vordergrund stehen. Wenn die körperlichen Beschwerden, die durch die Angst und Anspannung auftreten, zu stark belasten, ist ein Entspannungsverfahren die Methode der Wahl, die sogenannte angewandte Entspannung. Sie kann leicht erlernt werden und ist sehr effektiv. Bei der angewandten Entspannung wird geübt, die auftretende Angst schnell zu erkennen und dann Entspannungstechniken einzusetzen. Die körperlichen Beschwerden werden weniger und auch die Sorgen werden kleiner. Mit etwas Geduld und Übung kann jeder dieses Verfahren erlernen. Da bei der generalisierten Angststörung auch häufig „Sorgen über Sorgen“ auftreten, z.B. Sorgen darüber, dass man wegen der Sorgen den Alltag nicht mehr bewältigen kann, können diese mit Übungen zu Vorstellungen und Gedanken (kognitiven Methoden) bearbeitet werden. Dabei werden Sorgen hinterfragt (zum Beispiel: Was spricht dafür, dass die Sorgen langfristig für Sie schädlich sind?), aber auch Verhaltensexperimente (z.B. Befragung des Bekanntenkreises zum Umgang mit Sorgen) durchgeführt. Diese Methode kann als Ergänzung zur Sorgenkonfrontation eingesetzt werden. Medikamentöse Behandlung Wenn Sie lieber mit Medikamenten als mit Psychotherapie behandelt werden wollen oder Psychotherapie bei Ihnen nicht gewirkt hat, kommen folgende Medikamente infrage: Mittel der ersten Wahl bei der generalisierten Angststörung sind entweder sogenannte selektive SerotoninWiederaufnahmenehmmer (SSRI) oder selektive Serotonin-NoradrenalinWiederaufnahmehemmer (SNRI). Weitere Informationen zu SSRI und SRNI SSRI und SRNI gehören zur Gruppe der Antidepressiva. Das bedeutet aber nicht, dass Sie – wenn Sie damit behandelt werden – auch gleichzeitig eine Depression haben. Bei Angst und Depressionen sind ähnliche Botenstoffe im Gehirn beteiligt. Deshalb wirken diese Medikamente bei beiden Erkrankungen. Seite 3 Es dauert meist ca. 2 Wochen bis diese Medikamente bei der generalisierten Angststörung wirken. Um Rückfälle zu vermeiden, sollten sie mindestens 6-12 Monate, am besten 1-2 Jahre eingenommen werden. SSRI wirken auf den Botenstoff Serotonin und haben meist wenige Nebenwirkungen. Die Wirkstoffe Paroxetin und Escitalopram haben sich als wirksam für die Behandlung der generalisierten Angststörung erwiesen und sind dafür zugelassen. SNRI wirken neben Serotonin auch auf den Botenstoff Noradrenalin. Diese Medikamente müssen beim Absetzen langsam „ausgeschlichen“ werden, da es sonst zu stärkeren Nebenwirkungen kommen kann. Die Substanzen Venlafaxin und Duloxetin sind hier für die Behandlung der generalisierten Angststörung zugelassen. Weitere Medikamente Wirken weder SSRI noch SRNI, kann Ihnen das Antikonvulsivum Pregabalin verschrieben werden. Pregabalin ist ebenfalls wirksam, zeigte seine Wirksamkeit in einigen Untersuchungen sogar schon in der ersten Woche der Einnahme. Pregabalin ist jedoch mit einem höheren Nebenwirkungsrisiko (z.B. Benommenheit, Gefahr von Missbrauch, besonders bei suchtgefährdeten Patienten) verbunden, daher sind SSRI und SNRI die Medikamentengruppen der ersten Wahl. Wenn weder SSRI, SNRI noch Pregabalin wirksam waren oder nicht vertragen wurden, können Ihnen auch die Substanzen Buspiron oder Opipramol angeboten werden. Weitere Medikamente, die zwar ihre Wirksamkeit für die generalisierte Angststörung nachweisen konnten, die jedoch in Deutschland nicht offiziell für die Behandlung der generalisierten Angststörung zugelassen sind, sind das trizyklische Antidepressivum Imipramin und das Antipsychotikum Quetiapin. Diese Medikamente sollten nur angeboten werden, wenn SSRI, SNRI und Pregabalin nicht gewirkt haben oder nicht vertragen wurden. Wichtig: Viele Ärzte verschreiben bei Ängsten zunächst Beruhigungsmittel (sogenannte Benzodiazepine). Diese reduzieren Ängste sehr schnell, können aber abhängig machen und werden daher nicht empfohlen. Sie sollten nur in Ausnahmefällen (z.B. bei schweren Herzerkrankungen, wenn Standardmedikamente nicht geeignet sind oder bei Suizidalität) und nur für kurze Zeit (nicht länger als vier Wochen) verordnet werden. „Medikamente können ermöglichen, dass der sich ewig wiederholende Gedankenkreislauf erstmal gestoppt wird. Die innere Anspannung lässt nach und das ermöglicht, dass man wieder in der Lage ist, sein Leben in die Hand zu nehmen, aktiv zu werden, sich Hilfe zu suchen oder überhaupt das Haus zu verlassen, was man vorher gar nicht mehr konnte vor lauter Ängsten.“ Erfahrene mit Angststörungen Seite 4 Vor- und Nachteile von Psychotherapie und medikamentöser Behandlung Psychotherapie Medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva Vorteile und Wirkungen Psychotherapie wirkt gut. Hilft, sich selbst besser zu verstehen. Eigene Stärken können erkannt und aufgebaut werden. Behandlungsmethoden und Ziele können individuell gestaltet werden, z.B. kann man ein Entspannungsverfahren lernen oder sich auf andere Art und Weise mit den Sorgen auseinanderzusetzen. Nachteile und Nebenwirkungen Die Wirkung tritt erst nach einigen Wochen ein. Psychotherapie beansprucht mehr Zeit und Energie als die Einnahme von Medikamenten (wöchentliche Termine über mehrere Monate, Mitarbeit). Die Auseinandersetzungen mit den Sorgen oder anderen Lebensschwierigkeiten kann am Anfang der Behandlung belastend sein. Oft gibt es Wartelisten bei Psychotherapeuten, daher muss man evtl. warten bis die Therapie beginnen kann. Antidepressiva wirken gut. Sie wirken schnell (nach meist ca. 2 Wochen). Die Behandlung ist nicht zeitaufwendig. Es sind – vor allem zu Beginn der Behandlung – Nebenwirkungen möglich. Lebensprobleme, die evtl. mit zur Entstehung der generalisierten Angststörung beigetragen haben (z.B. Belastungen im Beruf oder in der Partnerschaft), werden durch Antidepressiva nicht verändert. Man lernt keine aktiven Strategien, um mit den Sorgen und den körperlichen und seelischen Beschwerden, die bei der generalisierten Angststörung auftreten, umzugehen. Vergleichstabelle Psychotherapie versus Medikamente bei generalisierter Angststörung Schneller Wirkungseintritt Wenig Zeitaufwand Unterstützung bei Änderung der Lebensführung, Körperliche Nebenwirkungen Erlernen von Strategien zum Umgang mit der Angst Psychotherapie Medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva - - + + + + - - Seite 5 Weitere Unterstützungsmöglichkeiten Wenn Sie nicht nur mit Ärzten oder Therapeuten sprechen wollen, gibt es die Möglichkeit, sich bei der Peer-Beratung oder in Selbsthilfegruppen mit anderen Betroffenen oder Angehörigen auszutauschen oder einen Selbsthilferatgeber durchzuarbeiten. Was können Angehörige tun? Nahe Bezugspersonen (z.B. Verwandte, Partner) sind meist mitbetroffen, da die Betroffenen sie oft in ihre Sorgen einbeziehen, sich beispielsweise versichern wollen, dass nichts Schlimmes passiert ist oder passieren wird und ihre Bezugspersonen dadurch zum Beispiel oft anrufen. Es ist hilfreich, wenn Angehörige gut über die generalisierte Angststörung Bescheid wissen und somit die Beschwerden besser einordnen können. Möglichst sollten sie vermeiden, den Betroffenen immer wieder zu beruhigen, da dies nur kurzfristig hilft, langfristig aber die Sorgen aufrechterhält. „Es ist eine Gratwanderung: Den Betroffenen einerseits unterstützen, andererseits aber nicht alles abnehmen, was schwerfällt, da es die Lage nicht wirklich verbessert und der Betroffene dadurch nicht gestärkt wird…. Humor kann helfen, der Blick von außen. Feedback geben, an den Menschen erinnern, der man vorher war. Hoffnung machen ohne Druck.“ Erfahrene mit Angststörungen Für das Wohlbefinden ist es wichtig, dass Angehörige sich selbst nicht zu sehr einschränken. Sie sollten zum Beispiel nicht auf Aktivitäten verzichten, die ihnen Freude bereiten, weil der Betroffene sich dann sorgen würde. Wird die Angsterkrankung des Partners, Familienmitglieds oder Freundes zu belastend, können sich auch Angehörige Hilfe bei Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Ärzten und Psychotherapeuten holen. Wie wahrscheinlich ist ein Behandlungserfolg? Um sich für oder gegen eine Behandlungsmöglichkeit zu entscheiden, kann es hilfreich sein, zu wissen, wie wahrscheinlich ein Behandlungserfolg ist. Wie wahrscheinlich ist ein Behandlungserfolg bei Psychotherapie? Die hier angegebenen Zahlen stammen aus Studien, die eine Verhaltenstherapie mit einer Warteliste verglichen haben. Patienten in der Wartelistengruppe warteten auf den Beginn der Behandlung und haben während der Untersuchung noch keine Psychotherapie erhalten. Seite 6 Bei wie vielen Patienten haben sich die Beschwerden nach einem Zeitraum von vier bis 15 Wochen gebessert? Verhaltenstherapie Antidepressiva 44 von 100 14 von 100 Die Zahlen zeigen, dass sich auch bei einem kleinen Teil der Patienten auf der Warteliste die Symptome bessern, bei den Patienten, die Verhaltenstherapie erhalten, sind es jedoch mehr. Ist Gruppentherapie wirksam? Es gibt keine Studien, die Einzel- und Gruppentherapie direkt miteinander vergleichen. Insgesamt zeigt Einzeltherapie höhere Behandlungseffekte. Eine kognitive Verhaltenstherapie in der Gruppe kann aber auch sinnvoll sein, besonders wenn Sie derzeit keine Möglichkeit haben, eine Einzeltherapie zu machen. Wie wahrscheinlich ist ein Behandlungserfolg bei Antidepressiva? Um zu überprüfen, wie hilfreich der Wirkstoff in einem Medikament ist, werden Studien durchgeführt, in denen Patienten entweder ein richtiges Medikament oder ein Scheinmedikament (Tablette ohne Wirkstoff: Placebo) bekommen. Da sich Beschwerden oft auch durch die Erwartung, dass einem geholfen wird, verbessern (Placeboeffekt), ist es wichtig, Medikamente mit Medikamenten ohne Wirkstoff (Placebos) zu vergleichen, um herauszufinden, ob sich die Beschwerden speziell durch den Wirkstoff verbessern. Seite 7 Bei wie vielen Patienten haben sich die Symptome nach einer 8-28 wöchigen Behandlung gebessert? Behandlung mit Antidepressiva Behandlung mit Placebo 54 von 100 38 von 100 Bei den hier zusammengefassten Untersuchungen ist herausgekommen, dass sich bei mehr als einen Drittel der Patienten auch bei der Placebobehandlung die Beschwerden gebessert haben. Gut die Hälfte der Patienten, die das richtige Medikament (SSRI, SNRI oder trizyklische Antidepressiva) bekommen haben, berichten über eine Besserung der Symptome. Wie viele Patienten bekamen einen Rückfall? Behandlung mit Antidepressiva Behandlung mit Placebo 14 von 100 45 von 100 Um zu untersuchen, ob es hilft, Antidepressiva, die in der akuten Phase gewirkt haben, weiter zu nehmen, wenn die Symptome abgeklungen sind, wurden Patienten in einer Untersuchung entweder 6 Monate mit dem Antidepressivum (SSRI oder SNRI) weiterbehandelt oder bekamen ein Placebo. Die Zahlen zeigen, dass von den Patienten, die mit dem Antidepressivum behandelt wurden, weniger Patienten einen Rückfall bekommen. Quelle: http://entscheidungshilfen.psychenet.de/index.php?id=898 Seite 8