Depression - Thomas Georgiew

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Depression
Hausarbeit zur Ausbildung als Psychologischer Berater
am IPA-Institut Berlin
vorgelegt von:
Thomas Georgiew
Matrikelnummer: IPA 17006
Dresden, April 2005
Einleitung
1.
Depression
1.1.
Depressionsbegriff im Kontext geschichtlicher Entwicklung
1.2.
Klassifizierung depressiver Erkrankungen
1.3.
Symptome der Depression
1.4..
Diagnose
1.5.
Ursachen
1.6.
Therapie
Schlussbemerkung
Literatur – und Quellenverzeichnis
Erklärung
Einleitung
Eine der Volkskrankheiten in unserer modernen Industriegesellschaft ist die Depression.
Obwohl Depressionen, bzw. die der Depression zugeordnete Symptomatik, bereits in der
frühen Menschheitsgeschichte beschrieben wurde, hat die Verbreitung dieser Krankheit
in den letzten Jahrzehnten in den westlichen Industrienationen rasch zugenommen.
Die Wahrscheinlichkeit, zumindest einmal im Leben daran zu erkranken, liegt zwischen
10 bis 30 %. So ist durch repräsentative Befragungen wiederholt festgestellt worden, dass
selbst 22- bis 30 jährige in 9 bis 20 % der Fälle angeben, im letzten Lebensjahr an
depressionstypischen Symptomen gelitten zu haben.
Jüngere Jahrgänge leiden scheinbar tendenziell häufiger an Depression als ältere
Jahrgänge, wobei das Risiko für Frauen generell fast doppelt so hoch ist als für Männer.
Ein Grund für die stetige Zunahme dieses Krankheitsbildes liegt sicherlich darin begründet,
dass die menschliche Gesellschaft in früheren Zeiten die Depression als Krankheit nicht
wahrgenommen oder verdrängt hat (im Mittelalter wurde sie mit Sünde gleichgesetzt).
Erst mit Beginn der neuzeitlichen, wissenschaftlichen Psychiatrie wurden die
Rahmenbedingungen für eine exakte Diagnose gesetzt. Aber auch heute kann es passieren,
dass eine Depressionssymptomatik als solche zunächst nicht erkannt wird und im Hinblick
auf eine somatogene oder vegetative Symptomatik (larvierte Depression), dem betroffenen
Menschen aber auch dem Arzt zunächst nicht bewusst wird. Erst eine gezielte Diagnostik
macht diese dann sichtbar und therapierbar.
Einen weiteren Grund für eine ständige Zunahme dieses Krankheitsbildes sehe ich
in der zunehmenden Industriealisierung unserer Gesellschaft bzw. in den Anforderungen
die eine solche Gesellschaft an den Einzelnen stellt. Dafür könnte auch der Umstand
sprechen, dass Frauen doppelt so häufig von Depressionen betroffen sind als Männer – und
zwar insbesondere verheiratete Frauen zwischen 25 und 45 Jahren mit Kindern, die in der
modernen Gesellschaft auf besondere Weise belastet sind. Unter diesem Gesichtspunkt stellt
die Depression eine mögliche Reaktionsweise auf Belastung dar.
In dieser Hausarbeit möchte ich diesbezüglich auch darauf eingehen, dass depressive
Symptomatik dem Einzelnen ein durchaus nützliches Instrument zum Erkennen seiner Selbst
und seiner Lebensumstände sein kann.
Bei Krankheit sollten deswegen nicht nur Überlegungen in Richtung Ursachen, sondern auch
in Richtung Sinnhaftigkeit angestellt werden, denn spezifische Symptome haben einen
spezifischen Informationscharakter.
Das Sichtbarmachen bzw. das Bewusstmachen der betreffenden Information kann dem
Kranken dann für seine weitere persönliche Entwicklung dienen.
Die Depression ist gleich einer Dame in Schwarz. Tritt sie auf, so weise sie nicht weg,
sondern bitte sie als Gast zu Tisch und höre, was sie zu sagen hat.
C.G. Jung
1.
Depression
1.1.
Depressionsbegriff im Kontext geschichtlicher Entwicklung
Zu allen Zeiten der menschlichen Geschichte dürfte es zum Auftreten von
depressiver Symptomatik gekommen sein; denn dort wo Menschen mit Ihrer
Umwelt interagieren, kann sich auch psychopathologisches Geschehen manifestieren.
Der Begriff Depression, welcher sich vom lateinischen Verb deprimo (niederdrücken,
unterdrücken) ableitet, wurde dagegen erst mit Beginn der neuzeitlichen, wissenschaftlichen
Psychiatrie geprägt. Seit der Antike haben sich die Bezeichnungen für diese Leidensform
mehrfach geändert.
So bezeichnete Hippokrates im 5. Jahrhundert vor Christi den schwermütigen Zustand als
Melancholie (Schwarzgalligkeit), welchen er aus seiner Typologielehre ableitete. Er stellte die
Theorie auf, dass der menschliche Körper vier Flüssigkeiten enthält, wobei jede mit einem
Temperament verbunden ist. Die Persönlichkeit eines Menschen wird dadurch bestimmt,
welche Körperflüssigkeit vorherrscht.
Hippokrates stellt Körperflüssigkeit und Temperament wie folgt zusammen:
-
Blut – Sanguinisches Temperament, d.h. heiter und aktiv.
-
Phlegma (Schleim) – Phlegmatisches Temperament, d.h. teilnahmslos
und schwerfällig.
-
Gelbe Gallenflüssigkeit – Cholerisches Temperament, d.h. reizbar und
erregbar
-
Schwarze Gallenflüssigkeit – Melancholisches Temperament, d.h. traurig
und grüblerisch.
Bei Vorherrschen von schwarzer Gallenflüssigkeit besitzt daher der Mensch ein
melancholisches Temperament, welches sich nur über die Körperebene, zum Beispiel durch
entsprechende diätische Kost, verändern lässt. In der Schule des Aristoteles wird Melancholie
nicht nur als eine Mangelerscheinung des Geistes angesehen, verband man doch damit auch
außergewöhnliche intellektuelle Fähigkeiten.
Im Mittelalter dagegen erfuhren Menschen mit depressiven Leiden, zu dieser Zeit als Acedia
(Trägheit) bezeichnet, moralische Verurteilung seitens der Kirche. Diese sah in Trägheit eine
der Todsünden und damit eine Absonderung von Gott, die es zu überwinden galt. Die dabei
angewendeten Methoden muten aus heutiger Sicht äußerst archaisch an, band man doch
Kranke zum Beispiel auf ein Rad, welches in Rotation versetzt wurde, um damit das
Schweregefühl im Körper zu vertreiben.
Zu Beginn der wissenschaftlichen Psychiatrie zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich
nach und nach der Begriff Depression durch. Zur damaligen Zeit wurden primär depressiv
schwerstkranke in den neu gegründeten „Irrenanstalten“ behandelt. Leichtere depressive
Verstimmungszustände wurden erst später vermehrt in die Behandlung einbezogen, als sich
auch niedergelassene Ärzte mit ambulanter Psychiatrie befassten.
1.2.
Klassifizierung depressiver Erkrankungen
Klassischerweise werden depressive Erkrankungen ausschließlich nach ihren vermeintlichen
ätiologischen Merkmalen (Ätiologie = Lehre von den Krankheitsursachen) eingeteilt. Die
Unterscheidung erfolgt diesbezüglich in endogene, psychogene und somatogene
Depressionen. Wie es sich aber als unmöglich erwiesen hat, gesund und krank eindeutig
voneinander abzugrenzen, so ist es auch mit methodisch verfeinerten Untersuchungsmethoden
bisher nicht gelungen, die einzelnen Depressionstypen scharf voneinander zu trennen.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde immer deutlicher, dass diese drei Klassifikationsaspekte in psychogene, endogene und somatogene Depressionen letztlich bei fast allen
Verlaufsformen irgendwie eine Rolle spielen, wenngleich natürlich mit unterschiedlicher
Gewichtung. Dabei gab es allerdings schon früher Kompromiss - Vorschläge, z. Bsp. in
Richtung „endo - reaktive" Depression oder "endo - neurotische" Depression, bei der ganz
offensichtlich beide Ursachen, die rein seelischen und die biologischen, gleichrangig die
Depression auslösten und unterhielten. Konsequenterweise werden heute die
unterschiedlichen Depressionsformen eher schwerpunktartig zusammengefasst.
Nachfolgend eine Übersicht über die in den letzten Jahren entwickelten Depressionstypen:
1.
nach ihrer Ursache
Endogene Depression
„Endogen“ bedeutet wörtlich übersetzt „von innen heraus“. Es gibt keine erkennbare
Ursache bei dieser Art von Depression. Sie ist von innen heraus entstanden, d.h. es
liegt wahrscheinlich einfach ein Fehler im Stoffwechsel des Gehirns vor, ohne dass es
dafür eine körperliche oder psychische Ursache gibt. Wahrscheinlich dabei ist aber
eine genetische Prädisposition, also quasi eine Veranlagung dafür, die Depressionen
sind sozusagen vererbt. Typisch für endogene Depressionen ist der phasenhafte
Verlauf. Sie beginnen meist langsam, ohne erkennbaren Anlass, innerhalb von
mehreren Tagen oder Wochen, dauern dann eine gewisse Zeit an, meist einige Monate,
und verschwinden wieder ohne dass eine Therapie stattgefunden hat.
Man fühlt sich anschließend wieder ganz gesund. Ausgeprägte endogene Depressionen
nennt man auch „rezidivierende depressive Störung", sie bedürfen einer dringenden
Behandlung, die oft auch stationär ist.
Psychogene Depression
Psychogene Depressionen werden durch psychische Ursachen hervorgerufen. Es
besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen nachweisbaren seelischen Anlässen
und Auslösern und dem Beginn der Depression.
Zu psychogenen Depressionen zählen:
Erschöpfungsdepression Die Depression wird hier durch anhaltende
gefühlsmäßige Belastung ausgelöst, wobei die Belastung z. Bsp. eine familiäre oder
berufliche Dauerspannung sein kann. Es treten häufig zusätzlich körperliche
Beschwerden auf. Die Betroffenen stecken dabei in Konflikten, weil sie es jedem recht
machen wollen und sich pflichterfüllend und perfektionistisch verhalten, aber dennoch
Harmonie und Ordnung erreichen wollen. Die Depression äußert sich häufig in
Gefühlen wie Resignation, Ohnmacht und Ausgeliefertsein.
Neurotische Depression Eine Neurose ist eine psychisch bedingte
Gesundheitsstörung, deren Symptome unmittelbare Folge und symbolischer Ausdruck
eines krankmachenden seelischen Konflikts sind. Bei einer neurotischen Depression
muss man die Entstehung immer im lebensgeschichtlichen Zusammenhang sehen. In
der kindlichen Entwicklung sind Konflikte entstanden, die nicht verarbeitet wurden,
und später bei ähnlichen Verhaltensweisen wieder ans Tageslicht treten.
Es wird häufig beobachtet, dass bei Patienten mit einer depressiven
Persönlichkeitsstruktur die Geborgenheit, Zärtlichkeit und Sicherheit in der früheren
Kindheit fehlten. Frühzeitig können sich Gehemmtheit und Kontaktstörungen
entwickeln. Im Erwachsenenalter halten sich die Patienten passiv zurück, lassen sich
überfordern, können ihre eigenen Möglichkeiten nicht wahrnehmen und das
Selbstwertgefühl ist beeinträchtigt. Die Entwicklungsstörung bekommt erst dann eine
Bedeutung, wenn z. Bsp. durch eine Trennungs - Situation der unbewusst bestehende
Konflikt aktualisiert wird. Es müssen also immer lebensgeschichtlich erworbene
neurotische Problemlösungsstrategien plus ein auslösendes Ereignis vorliegen.
Reaktive Depression Im Gegensatz zur neurotischen Depression liegt hier der
Auslöser einzig und allein in einem aktuellen Konflikt. Reaktive Depressionen treten
nach einschneidenden Veränderungen der Lebensverhältnisse auf. Auslösende
Ereignisse können z. Bsp. der Tod eines Ehepartners, Scheidung, persönliche
Krankheit, Kündigung, Pensionierung oder ein selbstverschuldeter Unfall sein. Diese
Depressionsform ist die wahrscheinlich am häufigsten auftretende in der Bevölkerung.
Somatogene Depression
Somatogene Depressionen stehen in einem direkten Zusammenhang zu einer
körperlichen Erkrankung. Dazu zählen:
Symptomatische Depression Hier ist die Depression Symptom einer Erkrankung
die nicht im Gehirn lokalisiert werden kann. Solche Krankheiten sind:
Schilddrüsenstörung und andere endokrine Erkrankungen,
Infektionskrankheiten wie AIDS, TBC, Lungenentzündung,
Chronische Herz - Kreislauferkrankungen,
Nierenerkrankungen,
Lebererkrankungen,
Bauchspeicheldrüsenkrebs und
Vitaminmangelerkrankungen.
Pharmakogene Depression Bei dieser Art von Depressionen wird die Krankheit
durch eingenommene Medikamente ausgelöst. Dazu gehören
Medikamente gegen Bluthochdruck,
Kortikosteroide,
Antiepileptika,
Neuroleptika (z. Bsp. gegen Schizophrenie),
Ältere Sorten der „Pille",
Schlafmittel und
chronischer Alkoholmissbrauch.
Organische Depression Von organischen Depressionen spricht man, wenn eine
Erkrankung des Gehirns die Ursache der Depression ist. Diese können sein:
Hirntumore,
Parkinson,
Migräne,
Epilepsie,
Hirnlähmung und
Hirnarteriosklerose.
2.
nach Schweregrad und Erscheinungsbild
Major Depression
Bei systematischer Erfassung von Symptomen wird ein definierter Schweregrad einer
depressiven Störung erreicht. – Depression im engeren Sinne –
Minor Depression
Bei systematischer Erfassung von Symptomen liegt deren Zahl und Schweregrad
unterhalb der Definitionsschwelle einer Major Depression. – mildere depressive
Verstimmung –
Affektive Störung
Erkrankungsform mit klinisch deutlich depressivem (oder manischem) Bild;
meist akut und episodisch auftretend.
Dysthyme Störung
Unterschwellige Erkrankungsform mit mild depressivem Bild, oft unbehandelt;
meist schleichend auftretend mit lang gezogenem Verlauf.
3.
nach Verlauf
Unipolare Störung
Im Langzeitverlauf nur depressive Phasen auftretend, Unterform der affektiven
Störung.
Bipolare Störung
Bei der bipolaren Depression wechseln sich die depressiven Phasen mit manischen
Phasen ab. Zwischen der manischen und der depressiven Phase kann ein sehr langer
Zeitraum ohne Beschwerden liegen. Man bezeichnet die bipolare Depression auch als
manisch - depressive Erkrankung. Zu den Symptomen eine Manie zählt ein Gefühl
euphorischer Glückseligkeit, manchmal ärgerliche Gereiztheit, massive Antriebs - und
Aktivitätssteigerung, unbedachte Handlungen verbunden mit verschwenderischer
Geldausgabe, leichte Ablenkbarkeit, großer Wagemut, Aggressivität,
Vielgeschäftigkeit und vor allem eine mangelnde Krankheitseinsicht.
Saisonale Depression
Meist auf die Wintersaison beschränkte Depression mit häufig gesteigertem Schlaf –
und Essbedürfnis.
Nicht saisonale Depression
Unabhängig von Jahreszeiten auftretende Depression.
Die hier aufgeführte Typisierung der einzelnen depressiven Erkrankungen, die von der
modernen Psychiatrie definiert wurden, legt das Hauptaugenmerk auf das Warum der
Erkrankung. Es wird ganz klar ein kausaler Zusammenhang zwischen der scheinbaren
Krankheitsursache, sei sie psychisch oder somatogen und der depressiven Symptomatik
vorausgesetzt und definiert.
Meines Erachtens wird die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer depressiven Erkrankung
von der klinischen Psychiatrie zu Unrecht häufig nicht gestellt. Diese Frage würde
ausdrücklich kein kausales Geschehen implizieren, sondern ein auf in die Zukunft gerichtetes
Lernziel der Persönlichkeit. Ähnlich einem 100 Meter – Läufer, der ja nicht primär wegen des
Startschusses losläuft, sondern weil er möglichst schnell das vor ihm liegende Ziel erreichen
möchte. Der Start des Läufers und der scheinbar vorausgegangene Startschuss lassen unter
dieser Betrachtungsweise keine Kausalität sondern Synchronizität erkennen.
Übersetzt auf die Psyche des Menschen hieße das, dass eine eventuelle biochemische Störung
im Gehirn oder eine organische Veränderung desselben durch Krankheit oder scheinbar von
außen kommende Anlässe, zeitlich synchron mit der depressiven Erkrankung auftreten und
nicht die eigentliche Ursache darstellen. Hieraus kann abgeleitet werden, dass der Sinn der
Depression im Erkennen und Verwirklichen des eigentlichen Zieles derselben liegt.
Was für ein Ziel könnte also die psychische Instanz des an Depression erkrankten Menschen
verfolgen? Um das zu beantworten, ziehe ich als Erklärungsansatz das aus der Psychoanalyse
entstandene, von Sigmund Freud geprägte, strukturelle Persönlichkeitsmodell der drei
Instanzen heran. Dieses Persönlichkeitsmodell geht von den drei psychischen Instanzen im
Menschen, dem ICH, dem ES und dem ÜBER – ICH aus. Das ÜBER – ICH erfasst den
normativen Bereich des Menschen, seine Kontrollinstanz, die soziokulturell vermittelten
Normen. Es beinhaltet ebenfalls den Bereich der Wert – und Zielvorstellungen. Das ES ist der
Bereich der primären, der triebhaften Grundbedürfnisse des Menschen. Nach Freud sind
solche Grundbedürfnisse z. Bsp. Lebens – und Todestrieb, Sexualität und Aggression.
Das ICH wiederum ist der Vermittler zwischen den Grundbedürfnissen des Menschen im
ES und den normativen Werten des ÜBER – ICH. Seine Aufgabe ist der Ausgleich zwischen
den inneren Grundbedürfnissen und der äußeren Realität. Wenn es dem Menschen, bedingt
durch ein schwaches ICH, nicht gelingt seine elementaren Bedürfnisse gegenüber dem ÜBER
– ICH, zu befriedigen werden diese mittels verschiedener Mechanismen verdrängt und
bleiben daher unbewusst. Dies hat einen Energieverlust zur Folge, die dem jeweiligen
Menschen für sein Leben und Erleben nicht mehr zur Verfügung steht. Für die Frage nach der
Sinnhaftigkeit depressiver Erkrankungen lässt sich hieraus ableiten, dass u. a. unterdrückte
Aggression im psychischen Bereich zur depressiven Symptomatik führen kann. Ziel ist es, die
eigenen, dann erkannten aggressiven Impulse zu erkennen und sie zielgerichtet, konstruktiv
und bewusst handelnd in die Persönlichkeit zu integrieren.
Die dabei freigesetzte Energie, die zur Unterdrückung des triebhaften Bedürfnisses
Aggression nötig war, steht nun dem Menschen wieder zur Verfügung und führt zu einem
Vitalitätsanstieg. Verändert sich also die Persönlichkeit des Menschen, so verändert sich
auch die Symptomatik des Krankheitsgeschehens.
Das wollte C.G. Jung sicherlich zum Ausdruck bringen, wenn er sagte:
„Die Depression ist gleich einer Dame in Schwarz. Tritt sie auf, so weise sie nicht weg,
sondern bitte sie als Gast zu Tisch und höre, was sie zu sagen hat.“
Und auch Schiller dürfte dies mit folgendem Zitat gemeint haben:
„Es ist der Geist, der sich den Körper baut.“
Ich ergänze diesbezüglich die vorliegende Klassifizierung der depressiven Erkrankungen
um einen 4. Punkt wie folgt:
4.
nach der Sinnhaftigkeit
Die aus vorgenannter Erläuterung zu betrachtenden unbewussten und verdrängten
psychischen Inhalte sollten unter den Aspekten von Aggression, verantwortlichem
Handeln, Angst und Todesproblematik betrachtet werden.
Auch unter dem Gesichtspunkt des „sekundären Krankheitsgewinn“ ist die depressive
Erkrankung nach ihrer Sinnhaftigkeit abzuklären.
Der Begriff „sekundärer Krankheitsgewinn“ bezeichnet die äußeren Vorteile, die ein
Kranker aus bestehenden Symptomen ziehen kann. Das sind zum Beispiel:
-
die Zuwendung und besondere Behandlung durch die Umgebung und
-
die Befreiung von Alltagsverpflichtungen und Selbstverantwortung.
Diesbezüglich stellte Otto Fenichel schon 1945 fest, dass depressive Patienten
„versuchen, Menschen in ihrer Umgebung zu beeinflussen, ihr Selbstgefühl durch die
Darstellung ihres Elends zu erwidern … und erpressen ihre Objekte um Liebe… Dem
depressiven Patienten, der so unterwürfig erscheint, gelingt es oft, seine Umgebung zu
beherrschen“.
Hieran kann man ersehen, dass der „sekundäre Krankheitsgewinn“ ein großes
Hindernis im Heilungs – bzw. Entwicklungsprozess des Kranken darstellen kann.
1.3.
Symptome der Depression
Nach Daniel Hell, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, unterscheidet man
11 Leitsymptome der Depression:
-
freudlos gedrückt
-
interesselos,
-
verminderte Konzentration und gestörtes Gedächtnis
-
entscheidungsunfähig, grüblerisch
-
Angst (vor dem Alltag oder unbestimmt), innere Unruhe
-
müde, energielos, ohne Antrieb
-
gestörter Schlaf
-
appetitlos, Gewichtsverlust
-
sexuelle Interesselosigkeit
-
Druck – und Schweregefühl, evtl. Schmerzen (im Bereich Oberbauch, Brust oder
Kopf)
-
vegetative Symptome: Mundtrockenheit, Verstopfung u. a.
Die „Allgemeinheit“ assoziiert mit Depression ein Gefühlsmuster, welches vorrangig von
Traurigkeit geprägt ist. Viele Patienten sind aber so stark betroffen, dass sie nicht einmal
mehr Traurigkeit empfinden, geschweige denn weinen können. Stattdessen haben sie ein
Gefühl der Leere und Gefühllosigkeit. Zum typischen Erscheinungsbild gehört neben der
Niedergeschlagenheit auch die Antriebslosigkeit, die oft mit unerträglicher innerer Unruhe,
sowie Interesseverlust und Konzentrationsschwäche verbunden ist. Meistens sind die
Betroffenen stark eingeschränkt in ihrem Leben, sie können kaum noch ihren alltäglichen
Pflichten nachgehen. Dennoch vermögen die Kranken häufig sehr gut die Symptome zu
vertuschen, denn nur bei einem Teil der Patienten kommt die Depression in Haltung,
Bewegung und Aussehen zum Ausdruck. Auch wenn in ganz schweren Fällen bei
Depressionen Wahnvorstellungen als Symptom hinzukommen, ist es ein weit verbreiteter
Irrtum, dass Depressionen in Demenz und Schizophrenie enden. Es können eine ganze Reihe
weiterer Symptome an depressiven Menschen beobachtet werden.
Psychische und psychosoziale Symptomatik
Zwischenmenschliche Probleme
soziale Isolation, Rückzug auf sich selbst, Unfähigkeit neue Kontakte zu knüpfen
Vernachlässigung von Kleidung und Körperpflege, Unzuverlässigkeit
Berufliche Probleme
Gefühl der Überforderung, Leistungsabfall, Arbeiten dauern länger als gewöhnlich
Suizidgedanken
Suizidgedanken, Suizidpläne, Suizidrate 30 - mal höher als in der Gesamtbevölkerung,
ca. 15 % der Erkrankten führen Suizid auch durch, davon sind prozentual mehr männliche
Patienten betroffen
Elendigkeitsgefühl
schwer erklärbares Unwohlsein, Krankheitsgefühl
Konzentrationsverlust
Aufmerksamkeit ist beeinträchtigt, längere Konzentration auf eine Tätigkeit wird
unmöglich, Denkhemmung, Merkfähigkeit ist eingeschränkt, in Gedanken abwesend
Mutlosigkeit
pessimistische Einstellung, verzweifelt, ratlos, perspektivlos, leicht irritierbar, Angstgefühle
Schuld – und Schamgefühle
Überbewertung früherer oder aktueller Ereignisse, häufig grundlos bzw. maßlos
überzogen, schlechtes Gewissen
Libidoverlust
Gefühllosigkeit, keine Liebe mehr empfinden können, „seelische Mauer“, Libidoverlust
Gesteigerte Empfindlichkeit
sich angegriffen fühlen, übersensibel, vermindertes Selbstwertgefühl, dadurch Gereiztheit,
Aggressivität, Labilität
Somatische Symptome
Appetitverlust
Appetitlosigkeit gepaart mit Gewichtsverlust, gelegentlich auch Appetitzunahme
Atmung
Enge – und Druckgefühl im Brustbereich, flache Atmung, schweres Atmen
Augen
vermindertes Sehvermögen ohne Befund, Entzündungen, Lichtüberempfindlichkeit
Blasenstörungen
Schmerzen beim Wasserlassen, häufigerer Harndrang, Reizblase
Herzbeschwerden
Stechen, Brennen, Druck, Herzrasen
Hals - , Nasen - , Ohrenbereich
Kloß im Hals, wie zugeschnürt, Druckgefühl auf Ohren, Tinnitus, Verminderung des
Hörvermögens ohne Befund
Kreislaufstörungen
Schwindelgefühl, erhöhter Blutdruck
Kopfdruck
diffuse Schmerzen, Verspannungen im Schulter – und Nackenbereich
Magen – Darm – Beschwerden
Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen, Blähungen, Sodbrennen, Magendruck, Verstopfung,
Durchfall, Reizdarm
Vegetatives Nervensystem
Hitzewallungen, Kälteschauer, Zittern, Temperaturüberempfindlichkeit
Zahnbereich
Schmerzen, Klagen über schlecht sitzendes Gebiss ohne Befund
Möglich sind auch:
Wahrnehmungsstörungen
mangelnde Krankheitseinsicht, Zeitempfindungsstörungen, Beeinträchtigung
aller Sinne
Depressiver Wahn
Verarmungsideen, Hypochondrischer Wahn, Schuld – und Versündigungswahn,
Paranoia, Sinnestäuschungen wie Halluzination, Depersonalisation, Derealisation
1.4.
Diagnose
Die heute medizinisch tonangebende Institution, die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
führt in ihren Klinisch - diagnostischen Leitlinien, der Internationalen Klassifikation
Psychischer Störungen ( ICD-10) folgende Krankheitszeichen an, bei denen jeweils eine
Mindestzahl vorliegen muss, um die Diagnose Depression zu sichern.
Symptome einer depressiven Episode nach ICD-10
Hauptsymptome: gedrückte Stimmung, Interesselosigkeit / Freudlosigkeit, Antriebsstörung
Mindestzahl: 2 bis 3; Dauer: mindestens 2 Wochen
Andere häufige Symptome: mangelnde Gefühlsbeteiligung, Störungen von Konzentration und
Selbstwertgefühl sowie Zukunftsperspektiven, Schuldgefühle, Schlafstörungen,
Appetitverminderung und Neigung zur Selbstbeschädigung
Mindestzahl: 2 bis 4, und zwar zusätzlich zu obigen Hauptsymptomen
Somatische Symptome: früh – morgendliches Erwachen, sogenanntes Morgentief (mit
Stimmungsaufhellung im Verlaufe des Tages), seelisch – körperliche Hemmung oder innere
Unruhe, Appetitverlust mit Gewichtsreduzierung (5% im vergangenen Monat), Libidoverlust
Mindestzahl: 4
Da oftmals die nötige Krankheitseinsicht der Betroffenen und auch nicht selten somatische
Symptome dominieren, wird vom Primärversorgenden die Depression als Krankheit
häufig nicht erkannt. Das ist besonders bei larvierten Depressionen der Fall.
Bei Recherchen im Internet bin ich auf einen, meines Erachtens, recht aussagefähigen
Depressions - Diagnose - Test von Prof. Dr. M. Stark / Hamburg, gestoßen.
Ich habe diesen Test bewusst so ausgeführt, dass eine positive Diagnose bezüglich
einer depressiven Erkrankung, generiert wurde. Nachfolgend der Test:
Geschlecht
m:
Alter
w:
Testfragen
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
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nie
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immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
1. Ich habe Interesse und Freude an
verschiedenen Tätigkeiten und Hobbys
2. Ich fühle mich niedergeschlagen und
traurig
3. Ich möchte am liebsten heulen
4. Ich reagiere sehr empfindlich auf Kritik
5. Ich fühle mich geborgen
6. Ich wache zu früh auf und kann nicht
wieder einschlafen
7. Es macht mir Freude, attraktive
Männer/Frauen zu sehen und mit ihnen
zusammen zu sein
8. Morgens fühle ich mich miserabel
9. Ich freue mich über die gleichen Dinge wie
früher
10. Ich betrachte die Zukunft mit Hoffnung
11. Es fällt mir schwer, Ruhe zu finden und
still zu sitzen
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
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nie
fast
immer häufig selten
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nie
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immer häufig selten
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nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
12. Ich bin leicht reizbar
13. Es fällt mir schwer, Entscheidungen zu
treffen
14. Das Leben kommt mir leer vor
15. Ich komme mir nutzlos vor
16. Ich bin zufrieden
17. Ich kann mich schlecht konzentrieren
und habe Schwierigkeiten, klar zu denken
18. Abends geht es mir schlecht
19. Ich bin schreckhaft und ängstlich
20. Ich habe Angst davor,
zusammenzubrechen
21. Ich fühle mich selbstsicher
22. Ich schaffe es nicht, mich auch noch mit
Problemen anderer zu befassen
23. Ich bin überreizt
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
fast
immer häufig selten
fast
nie
24. Ich mache mir Selbstvorwürfe
25. Ich benötige für alltägliche
Verrichtungen viel Zeit
26. Ich kann mich über viele Dinge freuen
27. Ich habe Schuldgefühle
28. Der Tod und das Sterben beschäftigt
mich
29. Ich fühle mich erschöpft
30. Ich fühle mich schwindelig und
benommen
31. Ich fühle mich schwermütig
Zusatzfragen:
ja
nein
ja
nein
ja
nein
1. Haben Sie in den letzten Wochen
abgenommen?
2. Leiden Sie an Verstopfung?
3. Schlägt Ihr Herz manchmal schneller als
gewöhnlich?
Auswertungstext:
Sie haben deutliche Symptome, die Vorboten einer Depression sein können. Versuchen sie,
sich über ihre Situation klar zu werden. Versuchen Sie, Stress und Belastungen des Alltags
abzubauen. Intensivieren sie aufbauende und verstärkende Aktivitäten. Beschaffen sie sich
Ratgeber – Literatur.
Natürlich kann ein solcher Test, keine fachliche fundamentierte Diagnose ersetzen, er stellt
aber diesbezüglich einen wichtigen Anhaltspunkt dar, den es zu beachten gilt.
1.5.
Ursachen
Depressionen werden auch als multifaktorielles Geschehen bezeichnet, das heißt es sind viele
Bedingungen an der Entstehung, Auslösung und Aufrechterhaltung der Krankheit beteiligt.
Es gibt nie die eine Ursache einer psychischen Erkrankung oder Störung. Zunächst muss man
sich die Faktoren bei einem Menschen betrachten, die Grundvoraussetzung sind für die
Entstehung einer Krankheit. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat allerdings noch nicht
zwingend zur Folge, dass die Krankheit auch ausbricht. Erst ein zusätzlich auftretender
Auslöser bringt die Depression zum Ausbruch. Die Grundvoraussetzung selbst, also die
psychobiologische Disposition, setzt sich aus genetisch – somatischen und aus psychologisch
– biografischen Faktoren zusammen.
Psychologische Faktoren
Es gibt ein tiefenpsychologisches Modell, nach S. Freud, welches die psychosexuelle
Entwicklung des Menschen beschreibt. Hier werden verschiedene Entwicklungsphasen
unterschieden:
Orale Phase, Anale Phase, Phallische / Ödipale Phase, Latenzphase und die Genitale Phase.
In der oralen Phase, welche bis zum 18. Lebensmonat dauert und vom Inbesitznehmen
(Inkorporation) über den Mund gekennzeichnet ist, kann es zu einer gestörten Mutter – Kind –
Beziehung kommen. Diese wird manifestiert wenn zum Beispiel frühe Erlebnisse der
Trennung von der Bezugsperson, Dauerzustände emotionaler Versagung oder exzessive
Verwöhnung eintreten. Daraus resultierende infantile Ängste (z. Bsp. Liebesentzug,
Trennungsangst) und Frustrationen werden vom abgelehnten Kind verinnerlicht und können
eine Ursache für ein späteres Erkranken sein. Da das Kind anstelle von Sicherheit und
Wohlbefinden Unsicherheit, Angst, Misstrauen und Minderwertigkeit erfahren hat, kann dies
ein „Anklammern“ jeglicher Form und ein Selbstwertverlust zur Folge haben. Im späteren
Leben können solche Menschen dann eine ausgeprägte emotionale Überbedürftigkeit
entwickeln, die von der Umwelt jedoch nur sehr schwer zu erfüllen ist. Die geringe
Selbstachtung versuchen diese Menschen durch ein überhöhtes Leistungsstreben zu
kompensieren, welches Erschöpfung und depressive Erkrankungen indizieren kann.
Ein weiteres Modell für die Entstehung von Depressionen besagt, dass die Depression ein
Ausdruck einer kognitiven Störung ist. Beck, ein ursprünglich analytisch tätiger Psychiater,
hat bei seinen zahlreichen Untersuchungen depressiver Patienten die sogenannte „kognitive
Triade“ herausgearbeitet. Demnach haben die zur Depression neigenden Menschen in der
Kindheit und Jugend ein negatives Selbstbild erworben. Alles wird negativ gesehen und
beurteilt, die eigene Person, die Umwelt, Vergangenheit und Zukunft; es handelt
sich hier also um eine ausgesprochene pessimistische Grundeinstellung. Dazu kommt ein
Überschätzen der Leistung anderer, wodurch die eigene Leistung geschmälert wird, sowie zu
einer Verallgemeinerung negativer Ereignisse.
Ein weiterer Erklärungsversuch spricht vom Modell „gelernter Hilflosigkeit“.
Die „reformulierte Theorie der Hilflosigkeit“, die der amerikanische Sozialpsychologe Martin
Seligman 1975 vorgestellt und danach in mehreren Stufen weiterentwickelt hat, besagt in
Kurzfassung, dass Menschen (und Tiere), die sich als hilflos und ohnmächtig ansehen,
vorhersagbar drei Symptome entwickeln:
1. Sie werden apathisch, entwickeln nur noch sehr wenig Motivation und Initiative
2. ihre Lernfähigkeit lässt dramatisch nach und
3. sie entwickeln, nach einer Phase der Angst; depressive Züge.
Meines Erachtens und wie im Punkt 1.2., Klassifizierung depressiver Erkrankungen,
bereits dargelegt, kann ebenfalls von einer Sinnhaftigkeit des Symptoms Depression
ausgegangen werden. Wenn bestimmte Wirklichkeitsbereiche des Lebens, innerhalb
der Psyche ausgegrenzt werden, müssen sich diese Bereich quasi über die „Hintertür“
Depression in das Bewusstsein des Menschen integrieren. Das sind vor allem die Bereiche
Aggression, verantwortliches Handeln, Entscheidungsfähigkeit und Auseinandersetzung
mit der Todesproblematik. Wenn diese Bereich bewusst bearbeitet und integriert werden,
wird auch das Symptom Depression überflüssig. Die Ursache liegt demnach in der
Persönlichkeit des Menschen begründet, welche die entsprechenden äußeren Umstände kreiert
und nicht in den äußeren Anlässen selbst.
Biologische Faktoren
Für die Ursachen der Depression im biologischen Sinne gibt es ein neurobiochemisches
Modell. Dabei geht man davon aus, dass ein Gleichgewicht im Stoffwechsel des Gehirns aus
den Fugen geraten ist. Zunächst einmal muss man erklären, dass im Gehirn bestimmte
Regionen für Gefühle zuständig sind. Dabei kommunizieren die Nervenzellen untereinander
durch elektrische Impulse. An der Verbindungsstelle zweier Nervenzellen, der Synapse, gibt
es einen kleinen Spalt, der nicht durch elektrische Impulse überwunden werden kann. An
dieser Stelle übernehmen Botenstoffe, sogenannte „Neurotransmitter“, die Weiterleitung der
Signale. Bei Depressionen spielen besonders die Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin eine
wichtige Rolle. Denn diese Neurotransmitter liegen anscheinend in zu geringem Maße vor.
Die Nervenzelle funkt und funkt zwar die „guten Nachrichten“ an die Nachbarzelle, doch hier
kommen sie einfach nicht an, weil der synaptische Spalt nicht überwunden werden kann.
Positive Gefühle und Gedanken kommen sozusagen nicht mehr an. Das schlägt sich dann
eben entsprechend in Grübeleien und gedrückter Stimmung nieder. Hier können
Antidepressiva helfen. Serotonin und Noradrenalin haben aber noch einen wichtigen
Steuereffekt: sie bremsen die Freisetzung von Streßhormonen im Körper. Wenn man sich
konzentrieren will, wird vor allem das Noradrenalin wichtig. Es aktiviert das Großhirn und
bereitet die Nervenzellen selbst auf schwierigste Denkaufgaben sehr gut vor. Wer sich
allerdings gut konzentrieren möchte, der darf gleichzeitig nicht zu aufgeregt sein. Deshalb
schaltet Noradrenalin parallel die Freisetzung von Stresshormonen zurück. Kommt es nun bei
Depressionen zu einem Mangel an Serotonin und Noradrenalin , schießt die Produktion von
Streßhormonen über das sinnvolle Ziel hinaus – im Körper herrscht dann permanenter Stress.
Das erklärt die innere Unruhe bei Depressionen. Eine andere biochemische Erklärung der
Depression stellt ein Hormon in den Mittelpunkt. Dieses Hormon, genannt CRH, reguliert
seinerseits die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Depressive befinden sich in einem
permanenten Zustand von Stress, wenn CRH und damit Cortisol im Übermaß produziert wird.
Medikamente, die die Wirkung einer „Überdosis“ CRH blockieren sollen, befinden sich in der
Testphase. Ein weiterer biologischer Faktor für die Ursachen einer Depression sind die Gene.
Es kann bereits mit den Genen vererbt werden, dass man eine gewisse Veranlagung hat,
Depressionen zu bekommen. Dies ist vielfach wissenschaftlich belegt.
Gibt es im engeren Verwandtschaftskreis Personen, die depressiv sind, steigt für einen selbst
das Risiko, ebenfalls depressiv zu erkranken. Genau wie es biologische Ursachen für
Depressionen gibt, gibt es auch biologische Auslöser für Depressionen. Dies können z.B.
Veränderungen im Hormonsystem sein (nach der Geburt, in den Wechseljahren), körperliche
Erkrankungen (z. Bsp. an der Schilddrüse) oder eine chronische Überlastung.
1.6.
Therapie
Ein typisches Merkmal der depressiven Erkrankung ist das subjektive Gefühl vieler Patienten,
in einem Teufelskreis gefangen zu sein. Depressiv gestimmte Menschen wirken oft belastend
auf ihre Umwelt oder glauben von sich selbst, eine Last für die Anderen zu sein. Deshalb
werden sie von anderen gemieden oder sie ziehen sich selbst zurück. Dieser Rückzug aber
führt zu einem Verlust an Aktivität. Das Fehlen von sozialen Kontakten, Anregungen und
Impulsen verstärkt dann zusätzlich die depressive Verstimmung. Die Folge ist ein noch
weiterer Rückzug mit noch größerem Kontaktverlust, der in totaler Isolation und Passivität
enden kann. Man spricht hier von einer Depressionsspirale.
Das Ziel einer Behandlung ist also die Umkehr einer solchen Spirale in das Positive.
Voraussetzung einer Therapieauswahl ist das vorher einwandfreie Abklären einer eventuell
bestehenden somatogenen Krankheitsursache. Diese muss von einem Facharzt diagnostiziert
und entsprechend behandelt werden. Wenn eine solche Ursache ausgeschlossen wird, können
im Anschluss verschiedene Therapien, entweder einzeln, meist aber in Kombination
angewendet, stattfinden.
Nachfolgend eine Auflistung dieser verschiedenen Therapieformen:
Medikamentöse Therapie
Medikamente, die stimmungsaufhellend und angstlösend wirken, werden als Antidepressiva
(Thymoleptika) bezeichnet. Einige Antidepressiva wirken darüber hinaus beruhigend, andere
antriebssteigernd. Entgegen eines häufigen Vorurteils besteht keine Abhängigkeitsgefahr.
Antidepressiva hellen nur die depressive Verstimmung auf, sie heben nicht die ausgeglichene
Stimmung eines Gesunden. Allerdings dauert es ca. 10 – 20 Tage bis zur
Stimmungsaufhellung. Das am häufigsten verwendete Antidepressivum ist Johanniskraut
(Hypericum perforatum). Es eignet sich aber nur für leichte Fälle von Depression, keinesfalls
reicht es aus, wenn z. Bsp. Suizidgefahr besteht. Außer Johanniskraut sind alle anderen
Antidepressiva verschreibungspflichtig. Antidepressiva werden meist nach ihrer
chemischen Struktur eingeteilt:
Tri – und tetrazyklische Antidepressiva
Diese Medikamente hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin. Zu ihnen
zählen beispielsweise Laroxyl, Saroten, Aponal, Tofranil, Ludiomil (Auflistung nach
Handelsnamen).
MAO – Hemmer
Die neueren MAO – Hemmer (Mono - Aminooxidase - Hemmer) wie z. Bsp. Aurorix
(Handelsname) hemmen selektiv und reversibel einen Untertyp des Enzyms Mono Aminooxidase (baut Neurotransmitter wie Serotonin und Noradrenalin ab), so dass
die Konzentration von Serotonin und Noradrenalin im Gehirn erhöht wird.
Selektive Serotonin – Wiederaufnahme – Hemmer
(kurz SSRI; RI = re – uptake inhibitor) gehören zu den neueren Antidepressiva. Da sie
bei ungefähr gleicher Wirksamkeit insgesamt besser verträglich sind als die trizyklischen
Antidepressiva, werden sie zunehmend eingesetzt.
Atypische Antidepressiva
Die atypischen Antidepressiva unterscheiden sich von den übrigen Gruppen der chemischen
Pharmaka durch einen andersartigen Wirkungsmechanismus. Wird Serotonin ausgeschüttet,
registrieren Nervenzellen dies gewöhnlich durch spezielle Rezeptoren an der äußeren
Zellwand und stellen anschließend die Ausschüttung ein. Die atypischen Antidepressiva
wirken nun, indem sie diese Rezeptoren blockieren und so die Zelle zu einer Fortsetzung der
Ausschüttung bewegen. So erhöht sich der Serotoninspiegel am synaptischen Spalt, was mit
einer stimmungsaufhellenden Wirkung einhergeht. Wirkstoff z. Bsp. Mianserin (Handelsname
u.a. Tolvin)
Besonders gefährlich ist die Zeit, in der die Antidepressiva schon zu einer Antriebssteigerung,
aber noch nicht zu einer Stimmungsaufhellung geführt haben. Dann besteht erhöhte
Suizidgefahr!
Eine weitere Medikamentengruppe die zur Therapie schwerster Depressionen eingesetzt
wird, sind Tranquilizer.
Tranquilizer
Tranquilizer sind Beruhigungsmittel, deren Wirkung überwiegend angstlösend, dämpfend,
ermüdend, muskelentspannend und krampflösend ist. Sie besitzen ein hohes Suchtpotential.
Aus diesem Grund sollte ein Tranquilizer nur zur kurzfristigen Einnahme angewendet
werden. In Deutschland werden vorwiegend Benzodiazepine verordnet, z. Bsp. Lendormin,
Lexotanil, Valium, (aufgelistet nach Handelsnamen).
Sonstige Psychopharmaka sind Lithium, Carbamazepin, Valporinsäure, Neuroleptika und
beta - Blocker
Lithium
Lithium z. Bsp. Quinolum, Hypnorex (aufgelistet nach Handelsnamen) wird zur Prophylaxe
rezidivierender depressiver Störungen und Manien und zur Akutbehandlung der Manie
eingesetzt. Schätzungsweise 75 % der Patienten erfahren durch Lithium eine Verbesserung
ihrer Erkrankung. Lithium ist ein Salz, welches im Körper nur in geringen Spuren vorkommt.
Bei dessen Einnahme muss regelmäßig der Serumlithiumspiegel überprüft werden.
Carbamazepin
Carbamazepin ist eigentlich als Mittel zur Epilepsiebehandlung entdeckt worden, ist aber
chemisch verwandt mit Antidepressiva. Bei seiner Anwendung stellte man seine beruhigende
und ausgleichend – stabilisierende Wirkung bei Unruhezustände und
Stimmungsschwankungen fest. In der modernen Psychopharmakatherapie findet es
Anwendung bei manisch – depressiven und schizoaffektiven Erkrankungen, bei
psychomotorischen Anfällen und bei neuralgischen Schmerzerkrankungen.
Bekannte Präparate sind z. Bsp. Tegretal und Timonil (Handelsnamen)
Valporinsäure
Valporinsäure wurde ursprünglich auch als Mittel zur Epilepsiebehandlung entwickelt.
Es wird jedoch neuerdings auch zur Behandlung von bipolaren Störungen, Manien oder
depressiver Symptomatik eingesetzt. Es wirkt stimmungsausgleichend und soll so die
Spitzen in den Stimmungsschwankungen nehmen. Ein bekanntes Präparat ist z. Bsp. Oferil
(Handelsname)
Neuroleptika
Die Neuroleptika werden auch als Antipsychotika bezeichnet. Normalerweise werden solche
Medikamente bei Schizophrenie eingesetzt. Ist eine Depression so schwer, dass sie auch zu
Wahnvorstellungen führt (psychotische Depression) und die angstlösende Wirkung von
Antidepressiva nicht ausreicht, können Neuroleptika mit Antidepressiva kombiniert werden.
Das sollte aber dennoch nur über einen begrenzten Zeitraum geschehen.
In dem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass besonders hochpotente Neuroleptika
erhebliche Nebenwirkungen haben können, mitunter können sogar bleibende Schäden
entstehen. Im Einzelfall können Neuroleptika auch selbst depressive Verstimmungen auslösen
oder verstärken. Abhängig machen Neuroleptika allerdings genausowenig wie die
Antidepressiva.
beta – Blocker
Eigentlich werden beta – Blocker gegen erhöhten Blutdruck und Angina pectoris eingestzt,
um Herzinfarkten vorzubeugen. 1966 wurden sie jedoch auch in die Psychiatrie eingeführt.
Die Wirkung beruht darauf, dass die beta- Rezeptoren blockiert werden, an denen eigentlich
die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin andocken. So werden die damit verbundenen
Symptome wie Herzrasen, Zittern und Angstgefühle gedämpft.
Psychotherapie
Da man besonders bei depressiven Erkrankungen psychogenen Ursprungs mit einer
medikamentösen Therapie nur die Symptome der Depression behandeln kann, ist in den
meisten Fällen eine Psychotherapie indiziert. Damit die Patienten überhaupt in der Lage sind
eine derartige Therapie zu durchlaufen, ist es sinnvoll eine medikamentöse Behandlung
parallel durchzuführen.
Ausgehend, von den unter Punkt 1.2. erörterten psychologischen Ursachen einer depressiven
Erkrankung, kommen als Depressionstherapie die Psychoanalyse, die kognitive
Verhaltenstherapie, und die systemische Therapie in Frage.
Psychoanalyse
Begründer der Psychoanalyse ist Sigmund Freud (1856-1939). Freud hatte zunächst versucht,
seelisches Leiden durch Hypnose zu beeinflussen. Innerhalb der Hypnosesitzungen stellte sich
bei den Patienten ein Erinnern und Wiedererleben schmerzlicher, kränkender Gedanken und
Gefühle ein, deren Bewusstwerdung führte zum Abklingen der vorher vorhandenen
Symptome. Freud fiel auf, dass es in jedem Menschen seelische Anteile gibt, die diesem nicht
durch willentliche Anstrengung zugänglich sind, die jedoch auf Erleben, Fühlen und Handeln
Einfluss nehmen. Freud widmete sich diesem Unbewussten und entwickelte eine
Therapieform, die den Weg zu Entdeckung und Beeinflussung unbewusster Anteile
ermöglicht - die Psychoanalyse. Der Begriff der Psychoanalyse wird auch als ein
psychologisches Lehrgebäude verstanden, welches Freud aus einer Reihe von Begriffen
konstruierte. Mit zu den bekanntesten Feldern zählen die drei Persönlichkeitsinstanzen,
welche nach Freud zu jedem Menschen innewohnen: das Es, das Über-Ich und das Ich. Das
Es steht für das Lustprinzip und die Triebbefriedigung. Das Über-Ich repräsentiert die Instanz
des Gewissens, die angeeigneten elterlichen und gesellschaftliche Normen. Das Ich stellt den
Kontakt zur Realität dar. Psychoanalytische Therapie soll die Ich-Funktionen stärken, was
sich in einer größeren Unabhängigkeit von übersteigerten, unhaltbaren Idealen des Über-Ichs
und einer gerichteten Nutzbarmachung der Triebe des Es ausdrückt (Freud: „Wo Es war, soll
Ich werden“). Ein weiterer wesentlicher Begriff im Rahmen der Psychoanalyse, ist der der
Neurose. Demnach kann es im Widerstreit der unterschiedlichen Triebe und Instanzen zu
Affekten kommen, welche von der Person nicht ausgehalten werden können, da sie deren
Wertvorstellungen widersprechen (Angst, Ekel, Schuld, Scham, Aggression). Die nicht
ertragbaren Affekte werden ins Unbewusste verschoben (Abwehr, Verdrängung), dort bleiben
sie jedoch virulent. Der Organismus empfindet es aber als unerträglichen Zustand, einen
solchen Affekt aufspeichern zu müssen, seine Energie taucht in Form des Symptoms - der
Neurose - wieder auf. Das Symptom löst somit kompromisshaft den Konflikt. Freud erlebte in
seinen Therapien, dass die angestrebte Erinnerung verdrängter Inhalte ein schwieriges
Unterfangen war. Er begegnete dieser Schwierigkeit mit der Aufforderung an den Patienten,
alles zu sagen, was ihm im Zusammenhang mit seinen Krankheitsbeschwerden und
schließlich überhaupt in den Sinn komme. Dieses Prinzip der freien Assoziation begründet die
Standardtechnik der Psychoanalyse.
Zur Bewusstmachung typischer symptomverursachender Verhaltensmuster eines Menschen
bietet die Psychoanalyse das Konzept der Übertragung. Demnach gestaltet der Patient
gegenüber dem Therapeuten die Beziehung zunächst nach denselben Mustern, wie er dies bei
anderen Menschen vornimmt, wie er es schon in der Kindheit (bei den Eltern) gelernt hat.
In der therapeutischen Beziehung projiziert der Patient auf den Therapeuten jene Gefühle,
Wünsche, Ängste und Gedanken, die eigentlich anderen Personen (beispielsweise der Mutter
oder dem Vater) gelten. Die Verknüpfung von Emotionen mit einem eigentlich falschen
Adressaten geschieht, da der Patient offene "Lebensrechnungen" hat, welche er bei anderen
Personen beständig auszugleichen sucht. In der Therapie wird nun versucht, die typischen
Muster zu erkennen und bewusst zu machen. Somit soll eine größere Variationsbreite des
Verhaltens ermöglicht und die Wiederholung ständig gleicher Fehler vermieden werden.
Bei Depressionserkrankung steht in der Psychoanalyse das Aufdecken infantiler Ängste
(Angst vor Liebesentzug, Angst vor Alleinsein u. a.) und das Bewusstmachen von
verdrängten Grundbedürfnissen (Ausleben von Sexualität, Aggression u. a.) im Vordergrund.
Nach dem Sichtbarmachen dieser Muster, kann eine bewusste Integration in die
Persönlichkeit erfolgen. Eine Psychoanalyse erstreckt sich bei mehreren
Behandlungsterminen pro Woche teilweise über viele Jahre, ist also ein zeitlich
aufwendiger Prozess.
Kognitive Verhaltenstherapie
Wie der Name schon sagt, umfasst Kognitive Verhaltenstherapie sowohl kognitive
(= Erkenntnis betreffend; Einstellungen, Gedanken, Selbstgespräche, Vorstellungen und
Interpretationen) als auch verhaltensbezogene Techniken; sie hat sich seit den 50er Jahren aus
der Verhaltenstherapie entwickelt. Wichtige Vertreter dieser Richtung sind A. BECK, A.
ELLIS und D. MEICHENBAUM, die ihr Interesse verstärkt auf innere gedankliche und
bildhafte Prozesse legen. Grundannahme ihrer Theorien ist, dass Gefühle und
Verhaltensweisen ein direkter Ausdruck von Gedanken sind. Deshalb wird im
Therapieprozess daran gearbeitet, irrationale, ungesunde und problematische Denkweisen, die
mit psychischen Problemen einhergehen, zu verändern.
Ein typisches gerne von ELLIS angesprochenes Beispiel ist die Gedankenkette: "Ich muss
von allen geliebt und gemocht werden, wenn dies nicht der Fall ist, so ist es schrecklich."
Diese negativen Gedankenmuster, die ständige pessimistische Grundeinstellung und
Selbstentwertung führen zu Ängsten und / oder Depressivität. Derartige Gedanken werden in
der Kognitiven Verhaltenstherapie hinterfragt und bearbeitet, wenn der Klient sich dazu
entschieden hat, die damit verbundenen Probleme verringern zu wollen.
Verhaltenstechniken stammen aus der Verhaltenstherapie und haben einen gleich hohen
Stellenwert in der Kognitiven Verhaltenstherapie. Basisannahme dabei ist, dass ungünstige,
problematische Verhaltensweisen erlernt wurden und wieder verlernt werden können. Bei
einer depressiven Symptomatik stehen hier das Erlernen selbstsicherer Verhaltensweisen
hinsichtlich des konstruktiven Umgangs mit Aggression und das Entwickeln von
Entscheidungsfähigkeit im Vordergrund. Sowohl kognitive als auch verhaltensbezogene
Techniken haben sich als effektiv in der Behandlung von Ängsten, Phobien (= Ängste vor
Objekten) und Depressionen erwiesen. Dies ist vielfach wissenschaftlich untersucht und
nachgewiesen worden. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass (Kognitive)
Verhaltenstherapie neben tiefenpsychologischen Methoden am ehesten von deutschen
Krankenkassen bezahlt wird.
Systemische Therapie
Die Systemische Therapie ist zur Behandlung depressiver Symptome angezeigt, da sie
das soziale Umfeld in dem der Kranke lebt, mit einbezieht. Es bezeichnen sich alle
Therapeuten als systemisch orientiert, die in ihrer Arbeit Beziehungsprozessen mehr
Beachtung schenken als intrapsychischen Prozessen. Dies sind daher vor allem Therapeuten,
die aus den unterschiedlichsten Familientherapieschulen hervorgegangen sind. Herausragende
Persönlichkeiten dieser Schule sind unter anderem Gregori Bateson, Virginia Satir und Paul
Watzlawik. Ziel einer Systemischen Therapie (z. Bsp. Familientherapie) ist es die
Sozialkompetenz des Depressiven zu stärken; welche ihm ein besseres Agieren in einer
bestimmten Gruppe von Menschen erlaubt. Hier ist es angezeigt, eventuell versteckte Ängste
und Aggressionen konstruktiv in der Gruppe zu äußern. So kann der „gelernten Hilflosigkeit“
begegnet werden. Das Mitwirken des sozialen Umfeldes des Kranken, wirkt sich positiv und
nachhaltig auf die Therapie aus; die Therapiezeit wird dadurch verkürzt.
Schlafentzug
Bei depressiven Symptomen wirkt Schlafentzug therapeutisch. Zahlreiche wissenschaftliche
Untersuchungen bestätigen, dass verordneter Schlafentzug regelmäßig zu einer Besserung der
Symptomatik führt. Symptome wie Niedergeschlagenheit („Morgentief“), Antriebshemmung,
Unruhe, innere Anspannung, Getriebenheit, Angstzustände und Interesselosigkeit werden
günstig beeinflusst. Die Besserung tritt in den frühen Morgenstunden ein und schreitet am
Tag fort. Der Erfolg ist zeitlich begrenzt; Rückfälle treten teilweise schon in der Folgenacht
wieder auf. Daher sind Wiederholungen empfohlen.
Lichttherapie
Die Synthese des Hormons Melatonin wird durch Licht gehemmt. So kommt es im lichtarmen
Winter zu einer verstärkten Melatoninausschüttung, welche in Verdacht steht Depressionen
zu begünstigen. Bei der Lichttherapie muss sich der Patient zwei Stunden täglich vor einen
hellen, weißen Schirm mit hoher Lichtintensität setzen. Diese Therapie wird vor allem bei
saisonal bedingten Depressionen (Winter – Depression) eingesetzt.
Elektrokrampftherapie – EKT
Die Elektrokrampftherapie wird auch als Elektrokonvulsions -, Elektroschock -, oder
Elektrotherapie bezeichnet. Sie ist immer noch sehr umstritten, vor Entwicklung der
Antidepressiva, war die EKT jedoch eine häufige Behandlungsmethode. Die EKT
ist die wirkungsvollste einzeln angewendete Therapieform bei schwersten Depressionen;
nach deren Beginn kommt es nur noch selten zu Suizidversuchen. Die Wirkung hält
nur kurze Zeit an.
Magnetstimulation – TCM
Die Transcranielle Magnetstimulation stellt eine Alternative zur Elektrokrampftherapie
dar. Diese Therapieform befindet sich allerdings noch in der Erprobungsphase.
Seit den 80er Jahren entwickelte sich die Methode von einem diagnostischen Hilfsmittel zu
einer Therapie, die bei 30 – 40 % der Patienten erfolgreich ist.
Ergotherapie
Die Beschäftigungs – und Arbeitstherapie ist aus dem bewährten Behandlungsrepertoire
stationärer und auch ambulanter psychiatrischer Therapie nicht mehr wegzudenken.
Arbeitstherapie im engeren Sinne ist bei den meisten Depressiven nicht angezeigt, denn hier
geht es weniger um den Nachweis von Leistungsfähigkeit, sondern um die Reduktion eines
überhöhten Leistungsanspruchs.
Entspannungstherapie
Gezieltes Entspannungstraining mit verschiedenen Verfahren, insbesondere bei ängstlich –
gehemmten und angespannten Patienten hat sich als begleitende Therapiemaßnahme bewährt.
Hier kommen zum Beispiel Autogenes Training nach Schultz, Progressive Muskelrelaxation
nach Jacobson und Atemübungen zum Einsatz.
Schlussbemerkung
Da die Depression in unserer Gesellschaft zu einer der Erkrankungen zählt, die
sich am schnellsten ausbreitet, liegt der Verdacht nahe, dass unsere Gesellschaftsform
den „Nährboden“ für diese psychische Störung bietet. Wenn die menschliche
Gesellschaft auf permanentes und ungebremstes Wirtschaftswachstum ausgerichtet ist
und nichts weiter zählt als leistungsorientiertes Handeln (um jeden Preis), muss es nicht
verwundern, dass das einzelne Individuum diesem Dauerdruck nicht gewachsen ist und mit
entsprechenden Symptomen reagiert. Dem Depressiven wird dann zwingend bewusst, dass
auch Verlangsamung, Innehalten und sich Besinnen zum Leben gehört. Wenn aber außer an
materiellen Werten die Gesellschaft keine anderen Orientierungsmaßstäbe im Leben anbietet,
muss der Einzelne verzweifeln. Denn Menschsein beinhaltet noch andere Dimensionen als
ökonomische Expansion. Da wäre z. Bsp. die Auseinandersetzung mit der Frage nach der
Sinnhaftigkeit des Lebens. Was will der Einzelne wirklich von diesem, seinem Leben? Dazu
gehört wahre Selbstverwirklichung (das was also dem Einzelnen wirklich entspricht) genau so
wie humanitäres Denken und Handeln.
Diese Überlegungen könnten z. Bsp. zum Entdecken der inneren Berufung und deren
Ausleben in einem adäquaten Beruf führen. Beruf kommt von Berufung und nicht von
einer Tätigkeit die ausschließlich von „Job – Mentalität“ geprägt ist.
Wenn man kollektiv Sinnhaftigkeit und Todesproblematik (man beachte den Jugendwahn in
unserer Gesellschaft) im Leben verdrängt, muss es nicht verwundern, wenn es zu kollektiven
Symptomen wie die der Depression kommt. Aber es wäre zu einfach, die Ursache von
Depressionen allein dem Staat zuzuschreiben, denn jeder Einzelne ist letztendlich
ein Teil davon. Hier gilt es für den einzelnen Menschen, seiner Verantwortung gegenüber
sich selbst und der Gesellschaft gerecht zu werden und neue Wege eigenverantwortlich
zu beschreiten.
Literatur – und Quellenverzeichnis
Dethlefsen, T. / Dahlke, R.: Krankheit als Weg. München: Goldmann
Hell, D.: Welchen Sinn macht Depression? Hamburg: Rowohlt
Nissen, G.: Depressionen Ursachen, Erkennung, Behandlung. Stuttgart: Kohlhammer
IPA – Institut: Lehrmanuskript für die Ausbildung psychologischer Berater
Internetrecherchen
Heinz-Gerd Reinkenhoff, Institut für Angewandte Psychologie und Psychotherapie
Ulrich von Breithaupt, Melancholie im Cinquecento
Propädeutikum Online, Uni. Wien
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/depression.html
http://www.angst-und-depri.info
http://www.psychiatrie-aktuell.de/bgdisplay.jhtml?itemname=psychoanalyse#7
http://www.mwonline.de/db/literatur/lit_display.php3?l_id=450
http://www.arua.ch/cgi-bin/bit.cgi?bank=insp&id=49
http://de.wikipedia.org/wiki/Antidepressivum#Trizyklische_Antidepressiva
Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Hausarbeit zur Ausbildung als
psychologischer Berater, selbstständig angefertigt und keine andere Literatur
und Quellen als die hier angeführten benutzt habe.
----------------------------------Thomas Georgiew
Dresden, April 2005
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