Schützen Sie Ihre Patienten vor Infektionskrankheiten!

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ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG _ FOLGE 437
Prof. Dr. med. Sabine Wicker
Betriebsärztlicher Dienst, Universitätsklinikum Frankfurt/Main
Koautoren: Dr. med. Imke Friedrichs, Institut für Medizinische Virologie,
Reisemedizinische Impfambulanz, Universitätsklinikum Frankfurt/Main;
Prof. Dr. med. Volkhard Kempf, Institut für Medizinische Mikrobiologie
und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Frankfurt/Main
In Zusammenarbeit mit der
Bayerischen Landesärztekammer
Teilnahme unter
www.springermedizin.de/kurse-mmw
Indikationsimpfungen bei Erwachsenen
Schützen Sie Ihre Patienten
vor Infektionskrankheiten!
Die kontinuierlich steigende Lebenserwartung in Deutschland
beruht auf großen Fortschritten im Gesundheitswesen. Wesentlichen Anteil daran hat nach wie vor die Infektionsprävention.
Wirksame Antiinfektiva und Impfprogramme spielen hier eine
entscheidende Rolle.
Impfmüdigkeit ist sowohl international als auch in Deutschland ein Phänomen, das immer wieder zu Ausbrüchen von impfpräventablen Erkrankungen führt und die Eliminierung von
Infek tionen (z. B. Masern) verhindert
[1, 2]. So hat sich in den letzten Jahren
das Erkrankungsalter verschiedener
impf präventabler Infektionen zunehmend in das Erwachsenenalter verlagert
– beispielsweise betrafen 64% der gemeldeten Fälle von Pertussis und 39%
der gemeldeten Fälle von Masern Erwachsene [3].
Sowohl nationale als auch internationale Studien belegen, dass der Einsatz
von Erinnerungssystemen (z. B. Telefonanrufe, schrift liche Erinnerung mittels
E-Mail oder Postkarten) in der Praxis
niedergelassener Ärzte dazu beitragen
kann, die Durchimpfungsquoten zu steigern [4, 5]. Wenngleich in den meisten
■ This article is part of a supplement not sponsored by
the industry.
MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (S1)
Praxis-PC-Systemen Programme zum
Impfmanagement enthalten sind, die
auch die Möglichkeit von Erinnerungssystemen bieten, ist der zeitliche Aufwand, der zum Aufbau und zur Pflege
der Daten erforderlich ist, sicherlich
nicht zu vernachlässigen. Dies stellt vor
dem Hintergrund der niedrigen finanziellen Honorierung von Impfungen in
der Gebührenordnung für Ärzte (GoÄ)
vermutlich ein Hindernis bei der flächendeckenden Einführung von Erinnerungssystemen dar [4].
Impfstoffsicherheit
Die in Deutschland verwendeten Impfstoffe durchlaufen ein umfassendes Zulassungsverfahren und werden auch
nach der Zulassung weiter kontrolliert.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) führt
die sogenannte staatliche Chargenprüfung durch und gibt den Impfstoff frei.
Das Referat Arzneimittelsicherheit des
PEI überprüft und bewertet auch nach
© JPC-PROD / fotolia.com
−
Impfen im Alter – ebenso wichtig wie das
Impfen von Kindern.
der Zulassung weiterhin die Verträglichkeit (Unbedenklichkeit) der Impfstoffe.
Alle in Deutschland verwendeten
Impfstoffe sind gut verträglich. Bleibende
schwerwiegende Nebenwirkungen werden nur sehr selten beobachtet. Für Verdachtsfälle von Impfreaktionen, die über
das übliche Maß einer Impfreaktion
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FORTBILDUNG _ÜBERSICHT
Kasten 1
Kategorien der Impfungen
S: Standardimpfungen mit allgemeiner Anwendung für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene
A: Auffrischungsimpfungen nach erfolgter Grundimmunisierung
I: Indikationsimpfungen: Indikationsimpfungen sind Impfungen für Risikogruppen
bei individuell erhöhtem Expositions-, Erkrankungs- oder Komplikationsrisiko sowie zum Schutz Dritter.
Sonderfälle der Indikationsimpfungen für bestimmte Gruppen sind:
B: Impfungen aufgrund eines erhöhten beruflichen Risikos, z. B. nach Gefährdungsbeurteilung gemäß Arbeitsschutzgesetz/Biostoff verordnung/Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) und/oder zum Schutz Dritter im Rahmen der beruflichen Tätigkeit.
Mod. n. [6]
R: Reisemedizinische Impfungen: Welche Impfungen für eine Reise inzidiert sind,
hängt vom Reiseland (z. B. endemische Situation, Ausbrüche, hygienischer Standard, medizinische Versorgung im Reiseland) und dem Reisestil (z. B. Langzeitaufenthalt, Einsatz mit einer Hilfsorganisation, Rucksackreise, Tierkontakte) ab. Zusätzlich gibt es in einigen Ländern Impfvorschriften (bezieht sich v. a. auf Gelbfieber, manchmal auch auf Meningokokken), wobei die Impfung unabhängig von
der medizinischen Indikation bei Ein- und Ausreise verlangt wird.
hinausgehen, besteht nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine Verpflichtung für den impfenden Arzt, dies an das
zuständige Gesundheitsamt zu melden.
Von dort erhält das PEI die Daten in
anonymisierter Form.
Impfempfehlungen
Neben den Grundimmunisierungen bei
Kindern und Jugendlichen sind auch für
Erwachsene verschiedene Impfungen erforderlich. Kasten 1 gibt einen Überblick
über die verschiedenen Impfkategorien.
Tab. 1 listet anhand der Empfehlungen der
Ständigen Impfkommission (STIKO) am
Robert-Koch-Institut (RKI) die unterschiedlichen Indikationsimpfungen für
Erwachsene mit individueller Gefährdung
auf (ohne die Sonderfälle der Indikations-
impfungen wie berufliche und reisemedizinische Indikationen) [6]. Dieser Beitrag
beschäftigt sich mit den Indikationsimpfungen Influenza, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Tollwut sowie mit der Asplenie, die eine Indikation
für verschiedene Impfungen darstellt.
Influenza
In Deutschland kommt es durch saisonale Influenzawellen jedes Jahr zu schätzungsweise 1–5 Mio. zusätzlichen Arztkonsultationen und zu etwa 5.000–
20.000 zusätzlichen Krankenhauseinweisungen. Ca. 0,1–1% der Patienten, die
sich wegen einer Influenzainfektion
ärztlich vorstellen, werden stationär eingewiesen. Die Zahl der influenzabedingten Todesfälle schwankt sehr stark. Sie
Kasten 2
Beispiele für eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung bzgl. Influenza
Mod. n. [6]
−
−
−
−
−
−
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Chronische Krankheiten der Atmungsorgane (inkl. Asthma und COPD)
Chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Leber- und Nierenerkrankungen
Diabetes mellitus und andere Stoff wechselkrankheiten
Chronische neurologische Krankheiten, z. B. multiple Sklerose mit durch Infektionen
getriggerten Schüben
Personen mit angeborener oder erworbener Immundefizienz mit T- und/oder
B-zellulärer Restfunktion bzw. Immunsuppression
HIV-Infektion
wird als sogenannte „Übersterblichkeit“
bezeichnet und mittels statistischer Methoden geschätzt [7].
Die Bedeutung der Influenzaimpfung wird jedoch unterschätzt und die
Akzeptanz der Impfung ist unzureichend. Die Europäische Union hatte im
Jahr 2009 das Ziel defi niert, dass bis zur
Influenzasaison 2014/15 mindestens
75% der Risikogruppen gegen Influenza geimpft werden sollen [8]. Dieses Ziel
wird Deutschland sowohl bei chronisch
Kranken als auch beim medizinischen
Personal nicht erreichen. Daten der
Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufk lärung (BZgA) zeigen, dass sich
weniger als 50% der chronisch Kranken
regelmäßig gegen Influenza impfen lassen. Dass jedoch eine Influenzaimpfung gerade für Risikogruppen wichtig
ist, zeigt eine aktuelle Metaanalyse, die
belegt, dass durch die Influenzaimpfung, insbesondere bei kardiovaskulären Risikopatienten, die Rate von kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkten und Schlaganfällen gesenkt
werden kann [9].
Nach den Empfehlungen der STIKO
sollen sich im Rahmen einer Indikationsimpfung Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines
Grundleidens sowie alle Schwangeren ab
dem zweiten Trimenon und bei erhöhter
gesundheitlicher Gefährdung infolge
eines Grundleidens ab dem ersten Trimenon sowie Bewohner von Alters- oder
Pflegeheimen gegen Influenza impfen
lassen. Beispiele für erhöhte gesundheitliche Gefährdungen infolge eines
Grundleidens finden sich im Kasten 2.
Verschiedene Metaanalysen belegen
eine Effektivität des Influenzaimpfstoffs
bei Erwachsenen von 59–67% [10]. Daten zur Impfstoffeffektivität bei chronisch Kranken liegen zum jetzigen Zeitpunkt nur begrenzt vor. Aufgrund der
u. U. hohen Morbidität/Mortalität bei
chronisch Kranken kann jedoch auch
eine niedrige Impfeffektivität einen relativ großen absoluten Effekt haben.
Frühsommer-Meningoenzephalitis
(FSME)
FSME wird durch das FSME-Virus verursacht, das durch Zecken auf den Men-
MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (S1)
FORTBILDUNG _ÜBERSICHT
Tabelle 1
Indikationsimpfungen gemäß der Ständigen Impfkommission (STIKO) für Erwachsene in Deutschland
Impfung
gegen
Indikation
Anwendungshinweise
FSME
Personen, die in FSME-Risikogebieten Zecken exponiert sind
Siehe Fachinformation
FSME-Risikogebiete werden jährlich durch das RKI im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht: http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/epid_bull_node.html
Hepatitis A
Hepatitis B
Personen mit anatomischer oder funktioneller Asplenie
−
−
−
−
−
Influenza
−
−
−
−
Einmalige Impfung. Inwiefern Wiederholungsimpfungen erforderlich sind, kann momentan wegen unzureichender Datenlage
nicht beurteilt werden.
Personen mit einem Sexualverhalten mit hoher Infektionsgefährdung
Grundimmunisierung und Auffrischungsimpfung gemäß Fachinformation.
Personen mit häufiger Übertragung von Blutbestandteilen
Eine serologische Vortestung auf Anti-HAV ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll (Personen die länger in Endemiegebieten gelebt
haben oder in Familien aus Endemiegebieten aufgewachsen
sind oder vor 1950 geboren wurden).
Bewohner von psychiatrischen Einrichtungen oder vergleichbaren Fürsorgeeinrichtungen für Menschen mit Verhaltensstörung oder Zerebralschädigung
Personen, bei denen wegen einer vorbestehenden oder zu
erwartenden Immundefizienz bzw. -suppression oder wegen einer vorbestehenden Erkrankung ein schwerer Verlauf
einer Hepatitis-B-Erkrankung zu erwarten ist, z. B. HIV-positive oder Hepatitis-C-positive Menschen oder Dialysepatienten. Hier ist eine individuelle Risikobeurteilung erforderlich!
Eine routinemäßige serologische Testung zum Ausschluss einer
vorbestehenden Hepatitis-B-Infektion ist nicht notwendig.
Zur Kontrolle des Impferfolgs sollte 4–8 Wochen nach der dritten Impfdosis das Anti-HBs bestimmt werden (erfolgreiche Impfung: Anti-HBs > 100 IE/l). Nach erfolgreicher Impfung ist eine
Auffrischung nur in Ausnahmefällen erforderlich (siehe hierzu
[6]).
Personen mit einem erhöhten nicht beruflichen Expositions- Weitere Infos/Hinweise – beispielsweise zu Low- und Nonrisiko, z. B. Kontakt zu HBsAg-Träger in Familie/Wohngemein- Respondern – sind den aktuellen STIKO-Empfehlungen zu entschaft, Sexualverhalten mit hohem Infektionsrisiko, i.v. Dronehmen [6].
genkonsumenten, Gefängnisinsassen, ggf. Patienten psychiatrischer Einrichtungen. Eine individuelle Risikobeurteilung
ist erforderlich!
Alle Schwangeren ab zweiten Trimenon, bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens ab
dem ersten Trimenon
Impfung mit einem Impfstoff mit einer aktuellen, von der WHO
empfohlenen Antigenkombination.
Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge Jährliche Impfung im Herbst mit einem Impfstoff mit aktueller,
eines Grundleidens [6].
von der WHO empfohlener Antigenkombination.
Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen
Wenn eine intensive Epidemie aufgrund von Erfahrungen in
anderen Ländern droht oder nach Antigendrift oder Antigenshift zu erwarten ist, und der Impfstoff die neue Variante
enthält.
Entsprechend den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden.
Masern
Im Rahmen eines Ausbruchs: Nach 1970 Geborene mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in
der Kindheit.
Meningokokken (Serogruppen
ACWY)
Gesundheitlich gefährdete Personen mit angeborener oder er- Impfung mit 4-valentem ACWY-Konjugatimpfstoff, sofern für
worbener Immundefizienz bzw. -suppression mit T- und/oder B- die Altersgruppe zugelassen.
zellulärer Restfunktion, Hypogammaglobulinämie, funktioneller
oder anatomischer Asplenie
Bei Ausbruchsgeschehen
Pertussis
Einmalige Impfung mit einem Masern-Mumps-Röteln-(MMR)Impfstoff (attenuierter Lebendimpfstoff ).
Entsprechend den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden.
Sofern in den letzten zehn Jahren keine Pertussis-Impfung statt- Tdap-Kombinationimpfstoff, bei entsprechender Indikation
gefunden hat:
Tdap-IPV-Kombinationsimpfstoff.
−
−
−
Frauen in gebärfähigem Alter
enge Haushaltskontaktpersonen und Betreuer eines Neugeborenen, spätestens vier Wochen vor Geburt des Kindes
Mod. n. [6]
Haemophilus influenzae Typ b
(Hib)
Mütter ohne Impfung vor der Konzeption: Impfung bevorzugt in den ersten Tagen nach der Geburt
MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (S1)
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FORTBILDUNG _ÜBERSICHT
Tabelle 1 (Fortsetzung)
Indikationsimpfungen gemäß der Ständigen Impfkommission (STIKO) für Erwachsene in Deutschland
Impfung
gegen
Indikation
Anwendungshinweise
Pneumokokken
Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge
einer Grunderkranlung:
Ab dem Alter von fünf Jahren kann die Impfung mit dem
13-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff oder dem
23-valenten Polysaccharidimpfstoff erfolgen.
Poliomyelitis
Röteln
Mod. n. [6]
Varizellen
−
−
−
−
−
−
−
−
−
−
−
angeborene oder erworbene Immundefekte bzw. Immunsuppression
anatomische und fremdkörperassoziierte Risiken für
Pneumokokkenmeningitis
Reisende in Regionen mit Infektionsrisiko
Aussiedler, Flüchtlinge und Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, bei der Einreise aus Gebieten mit
Poliomyelitisrisiko; aktuelle Angaben finden sich unter:
http://www.polioeradication.org/Dataandmonitoring/
Poliothisweek.aspx
Ausstehende Impfungen der Grundimmunisierung bzw. eine
nicht dokumentierte Grundimmunisierung werden mit IPV
(inaktivierte Poliovakzine) nachgeholt bzw. es erfolgt eine
Auffrischungsimpfung, wenn die letzte Impfung länger als
zehn Jahre zurückliegt.
Ungeimpfte Frauen oder Frauen mit unklarem Impfstatus im Zweimalige Impfung mit einem MMR-Impfstoff
gebärfähigen Alter
(attenuierter Lebendimpfstoff ).
Einmal geimpfte Frauen im gebärfähigen Alter
Einmalige Impfung mit einem MMR-Impfstoff
(attenuierter Lebendimpfstoff ).
Seronegative Frauen mit Kinderwunsch
Zweimalige Impfung.
Seronegative Patienten vor geplanter immunsuppressiver
Therapie oder Organtransplantation
Impfung seronegativer Patienten unter immunsuppressiver
Therapie: Rücksprache mit dem beteiligten Fachärzten empfohlen!
Empfängliche Personen mit schwerer Neurodermitis
Empfängliche Personen mit engem Kontakt zu den beiden
zuvor Genannten
© Carsten Stolze / fotolia.com
schen übertragen wird. Zahlen zur Erkrankungshäufigkeit liegen in Deutschland seit der im Jahr 2001 eingeführten
Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) vor. Im Jahr 2013
kam es zu 442 Fällen und im Jahr 2014
zu 278 Fällen (https://survstat.rki.de/
Content/Query/Create.aspx).
In den FSME-Endemiegebieten sind
ca. 0,1–5% der Zecken mit dem FSME-Virus infiziert. Zecken können ebenso beispielsweise auch das Bakterium Borrelia
burgdorferi übertragen, dass zur LymeBorreliose führen kann. Diese Erkrankung tritt wesentlich häufiger als die
FSME auf (ca. 10–35% der Zecken können mit Borrelien befallen sein). Diese
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Wiederholungsimpfungen sind u. U. in Erwägung zu ziehen.
chronische Krankheiten
„Empfängliche Personen“ bedeutet: Keine Impfung und
anamnestisch keine Varizellen oder bei serologischer Testung
kein Nachweis spezifischer Antikörper.
Infektion ist gegenwärtig jedoch nicht
impfpräventabel [11].
Die FSME-Impfung stellt neben schützender Kleidung (hell, langärmlig) und
Repellents die wichtigste Schutzmaßnahme gegenüber FSME-Infektionen dar.
Beide zugelassene Impfstoffe schützen gegen den europäischen, den sibirischen
und den fernöstlichen Subtyp, weshalb
auch Russlandreisende durch eine Immunisierung geschützt sind. Personen,
die in FSME-Risikogebieten leben und
entweder durch Hobby (z. B. Hobbygärtner, Freizeitsportler) oder Beruf (Laborpersonal, Forstarbeiter und Arbeiter in
der Landwirtschaft) gefährdert sind, sollten gegen FSME geimpft werden [6, 11].
Im Epidemiologischen Bulletin des RKI
werden regelmäßig die aktualisierten
FSME-Risikogebiete veröffentlicht. Im
April 2014 wurden insgesamt 142 Kreise
als FSME-Risikogebiete ausgewiesen
(http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/
EpidBull/Archiv/2014/ 15/Art_01.html).
Postexpositionsprophylaxe nicht
sinnvoll
Nach bisherigen Erkenntnissen ist eine
Übertragung von Mensch zu Mensch
nicht möglich [11]. Eine postexpositionelle FSME-Impfung nach Zeckenstich
kann eine Infektion nicht mit Sicherheit
verhindern, da es einige Tage dauert, bis
das Immunsystem Antikörper produziert hat, und ein ausreichender Schutz
nach Angabe der Impfstoffhersteller erst
ab der zweiten Impfung gegeben ist.
Eine postexpositionelle FSME-Impfung kann auch die serologische Diagnostik erschweren, weil auch durch die
Impfung die Bildung von spezifischen
Immunglobulinen (IgG und IgM) induziert wird und sich nicht differenzieren
lässt, ob die nachgewiesenen Antikörper
aus der Impfung oder einer Infektion resultiren (FSME-Leitlinie [http://www.
awmf.org/ uploads/tx_szleitlinien/030035l_S1_Frühsommer_Meningoenzephalitis_FSME_2012_1.pdf]).
MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (S1)
FORTBILDUNG _ÜBERSICHT
Tollwut
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) versterben
weltweit jährlich etwa 55.000 Menschen
an Tollwut. Deutschland gehört jedoch
zu den Ländern, die durch systematische Bekämpfungsmaßnahmen, v. a.
durch die orale Immunisierung der
Füchse, frei von terrestrischer Tollwut
sind. Für in Deutschland lebende Personen besteht eine Infektionsgefährdung fast ausschließlich bei Reisen in
Länder mit endemischem Vorkommen
der Tollwut [12]. Davon abgesehen ist
das Tollwutvirus auch bei Fledermäusen nachweisbar, weshalb auch beim
Kontakt zu Fledermäusen eine Übertragung möglich ist.
Die Übertragung des Tollwutvirus
auf den Menschen erfolgt i. d. R. durch
einen Biss, ist aber auch über Hautverletzungen oder direkten Kontakt des
infektiösen Materials (z. B. Speichel)
mit der Schleimhaut möglich [12]. Tollwut kann auch noch nach der Übertragung durch Impfung verhindert werden. Die Infektion verläuft jedoch i. d. R.
tödlich, sobald die typischen Krankheitszeichen (Lähmungen oder Krämpfe, Lichtscheu und Abneigung gegen
Wasser) aufgetreten sind.
Gemäß den Empfehlungen der
STIKO sollten neben Laborpersonal
mit Expositionsrisiko gegenüber
Tollwut viren auch Tierärzte, Jäger,
Forstpersonal und andere Personen, die
Umgang mit Tieren in Gebieten mit neu
aufgetretener Wildtollwut oder zu Fledermäusen haben, präexpositionell gegen Tollwut geimpft werden. Zusätzlich
wird die Impfung Reisenden empfohlen, die in Länder mit hohem Tollwutaufkommen (z. B. durch streunende
Hunde) reisen. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass Tollwut-Immunglobuline und -Impfstoff zur Postexpositionsprophylaxe nicht in jedem
Land verfügbar sind.
Bei Personen mit fortbestehendem Expositionsrisiko sollten regelmäßig Auffrischungsimpfungen entsprechend den Angaben der Hersteller durchgeführt werden.
Vor allem bei beruflicher Exposition empfiehlt sich zur Bestimmung des optimalen
Auffrischungszeitpunktes eine Titerkon-
MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (S1)
trolle. Eine Auffrischungsimpfung ist bei
Titern < 0,5 IE/ml Serum indiziert [6]. Informationen zur Tollwutepidemiologie
finden sich im Epidemiologischen Bulletin
des RKI. Empfehlungen zur postexpositionellen Tollwut-Immunprophylaxe finden sich in den aktuellen STIKO-Empfehlungen (http://www.rki.de/DE/Content/
Infekt/EpidBull/Archiv/2013/Ausgaben/34_13.pdf_blob=publicationFile).
Asplenie
In Deutschland leben mehr als 80.000
Personen ohne Milz.Jährlich werden
circa 8.000 Splenektomien vorgenommen. Splenektomierte Patienten bzw.
Patienten mit funktioneller oder anatomischer Asplenie haben ein erhöhtes
Risiko, schwer verlaufende bakterielle
Infektionen – insbesondere mit gramnegativen Erregern (z. B. Staphylococcus aureus und Pneumokokken) – zu
entwickeln (OPSI-Syndrom: overwhelming post-splenectomy infection). In
Deutschland sind gegenwärtig nur circa 20% der Menschen ohne Milz ausreichend geimpft [13]. Gemäß den aktuellen Empfehlungen der STIKO besteht
eine Empfehlung zur Indikationsimpfung für:
Pneumokokken (bei Kleinkindern bis
zum Alter von einschließlich vier
Jahren sollte der PneumokokkenKonjugatimpfstoff verwendet werden,
ab dem Alter von fünf Jahren kann
die Impfung mit dem 13-valenten
Pneumokokken-Konjugatimpfstoff
oder dem 23-valenten PolysaccharidImpfstoff erfolgen)
Meningokokken
Haemophilus influenzae Typ b (Hib)
(verfügbarer Impfstoff ActHiB; Verwendung ab einem Lebensalter von
zwei Monaten [14]).
Ebenso wird die jährliche Influenzaimpfung für Patienten ohne Milz empfohlen,
da durch eine Influenzainfektion das Risiko von bakteriellen Sekundärinfektionen, insbesondere mit Pneumokokken,
erhöht sein kann.
Bei geplanten Splenektomien sollten
die Impfungen gegen Pneumokokken,
Meningokokken und Haemophilus influenzae Typ b (Hib) circa 14 Tage vor
dem Eingriff erfolgen, ansonsten in der
−
−−
Regel 14 Tage nach der Splenektomie unter Berücksichtigung des Allgemeinzustandes des Patienten.
Literatur unter mmw.de
Für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Sabine Wicker
Betriebsärztlicher Dienst
Universitätsklinikum Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7
D-60590 Frankfurt am Main
E-Mail: [email protected]
Indikationsimpfungen
Fazit für die Praxis
1. Bei den STIKO-Empfehlungen
werden Standard-, Auffrischungsund Indikationsimpfungen unterschieden.
2. Indikationsimpfungen sind Impfungen für Risikogruppen bei individuell erhöhtem Expositions-, Erkrankungs- oder Komplikationsrisiko sowie zum Schutz Dritter.
3. Der Einsatz von Erinnerungssystemen in der Praxis niedergelassener
Ärzte kann dazu beitragen, die
Durchimpfungsquoten von Risikopatienten zu steigern.
Keywords
Recommended adult immunization
schedule
Vaccination – immunization schedules
– risk groups
Interessenkonflikt
Die vertretenen Positionen entsprechen der persönlichen Einstellung der Autoren und repräsentieren nicht zwangsläufig die Position der
medizinischen Organisationen oder Institutionen
denen wir angehören. Prof. Wicker ist Mitglied der
Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert
Koch-Institut (RKI) und stellvertretende Vorsitzende der Nationalen Verifizierungskommission Masern/Röteln beim RKI (NAVKO). Sie hat Vorträge zu
Impfthemen ohne Produktbezug auf Fortbildungsveranstaltungen gehalten, die Honorare wurden
zum Teil durch Impfstoff hersteller (re)finanziert.
Die anderen Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen. Der Verlag erklärt, dass die
inhaltliche Qualität des Beitrags von zwei unabhängigen Gutachtern geprüft wurde. Werbung in
dieser Zeitschriftenausgabe hat keinen Bezug zur
CME-Fortbildung. Der Verlag garantiert, dass die
CME-Fortbildung sowie die CME-Fragen frei sind
von werblichen Aussagen und keinerlei Produktempfehlungen enthalten. Dies gilt insbesondere für Präparate, die zur Therapie des
dargestellten Krankheitsbildes geeignet sind.
47
CME-Fragebogen
FIN: MM1523SZ
gültig bis 13.4.2015
Bitte beachten Sie:
• Die Teilnahme ist nur online unter www.springermedizin.de/eAkademie möglich.
• ausführliche Erläuterungen unter www.springermedizin.de/info-eakademie
Diese CME-Fortbildungseinheit ist von
der Bayerischen Landesärztekammer mit
zwei Punkten in der Kategorie I zur
zertifizierten Fortbildung anerkannt.
Indikationsimpfungen bei Erwachsenen
Unter „Indikationsimpfungen“ für bestimmte
Gruppen fallen typischerweise:
⃞ Standardimpfungen.
⃞ Auffrischungsimpfungen.
⃞ Grundimmunisierungen für Kinder und
Jugendliche.
⃞ Impfungen aufgrund eines erhöhten beruflichen Risikos.
⃞ Kombinationsimpfungen.
Bei einem Patienten ist eine Splenektomie
geplant. Welche Indikationsimpfungen sollten
durchgeführt werden?
⃞ Pneumokokken, Meningokokken, Haemophilus influenzae Typ b (Hib).
⃞ Hepatitis A, Hepatitis B, Hepatitis C.
⃞ Tetanus, Diphtherie, Röteln.
⃞ FSME, Masern, Mumps.
⃞ Gelbfieber, Tollwut, Typhus.
Welche Aussage zu Erinnerungssystemen für
Impfungen in der Praxis trifft zu? Sie
⃞ sind ohne arbeitstechnischen Aufwand zu
unterhalten.
⃞ sind nur in der pädiatrischen Praxis sinnvoll.
⃞ können die Durchimpfungsquoten steigern.
⃞ sind nur in wenigen gängigen Praxis-PCSystemen verfügbar.
⃞ sind aus Datensicherheitsaspekten abzulehnen.
Welche Aussage zur Indikationsimpfung gegen
Hepatitis B trifft zu?
⃞ Die Impfung ist indiziert bei Personen mit
zu erwartender Immundefizienz oder -suppression bei denen ein schwerer Verlauf einer
Hepatitis-B-Erkrankung zu erwarten ist.
⃞ Eine Hepatitis-B-Impfung ist nur bei beruflichem Kontakt zu HBs-Antigenträgern
indiziert.
⃞ Vor der Grundimmunisierung wird eine serologische Testung zum Ausschluss einer Hepatitis
B empfohlen.
⃞ Eine Immunitätskontrolle nach Impfung sollte
zwei Wochen nach der zweiten Impfdosis
erfolgen.
⃞ Eine erfolgreiche Immunisierung gegen Hepatitis B ist gegeben, wenn der Nachweis von
Anti-HBs negativ ausfällt.
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Welche Aussage zur Indikationsimpfung von
Influenza von Schwangeren trifft zu?
⃞ Schwangere sollten nicht gegen Influenza
geimpft werden.
⃞ Schwangere sollten – wenn überhaupt – im
dritten Trimenon geimpft werden.
⃞ Eine Influenzaimpfung im ersten Trimenon ist
prinzipiell nicht möglich.
⃞ Für Schwangere gibt es einen besonderen
Influenzaimpfstoff.
⃞ Alle Schwangeren ab dem zweiten Trimenon
sollten geimpft werden.
Eine Frau mit Kinderwunsch hatte bisher noch
keine Varizellen. In der durchgeführten labordiagnostischen Untersuchung zeigt sich ein
seronegatives Testergebnis. Was tun Sie?
⃞ Sie führen regelmäßige Titerkontrollen zur
frühen Erkennung einer Varizellen-Infektion
durch.
⃞ Gar nichts.
⃞ Die Patientin sollte zweimal gegen Varizellen
geimpft werden.
⃞ Sie halten Antikörper vor, um im Ansteckungsfall rasche Hilfe (passive Immunisierung)
leisten zu können.
⃞ Sobald die Patientin schwanger ist, wird die
Varizellenimpfung durchgeführt.
Welche Aussage zur Indikationsimpfung gegen
Pertussis trifft zu?
⃞ Frauen im gebärfähigen Alter sollten nicht
gegen Pertussis geimpft werden.
⃞ Eine Impfung während der Stillzeit ist nicht
möglich.
⃞ Eine Impfung gegen Pertussis sollte mit einem
monovalenten Pertussisimpfstoff erfolgen.
⃞ Enge Haushaltskontaktpersonen und Betreuer
eines Neugeborenen sollten bei fehlendem
Impfschutz spätestens vier Wochen vor Geburt
des Kindes geimpft werden.
⃞ Pertussisimpfungen sollten jährlich erfolgen.
Welche Aussage zur Indikationsimpfung gegen
Pneumokokken trifft zu?
⃞ Pneumokokkenimpfungen sollten generell
nur bis zum fünften Lebensjahr erfolgen.
⃞ Eine einmalige Impfung bietet lebensllangen
Schutz.
⃞ Ab dem Alter von fünf Jahren kann die Impfung mit dem 13-valenten PneumokokkenKonjugatimpfstoff oder dem 23-valenten
Polysaccharid-Impfstoff erfolgen.
⃞ Angeborene oder erworbene Immundefekte
bzw. Immunsuppression sind ein Ausschlusskriterium für die Pneumokokkenimpfung.
⃞ Anatomische und fremdkörperassozierte Risiken für Pneumokokkenmeningitis stellen keine Indikation zur Pneumokokkenimpfung dar.
Wie hoch ist die Effektivität des Influenzaimpfstoffs bei Erwachsenen? Sie liegt
⃞ nahezu bei 100%.
⃞ lediglich bei 10%.
⃞ bei circa 90%.
⃞ bei circa 80%.
⃞ bei circa 60%.
Welche Aussage zum Zeitpunkt einer Indikationsimpfung vor einer geplanten Splenektomie
trifft zu? Sie sollte
⃞ circa 14 Tage vor dem Eingriff erfolgen.
⃞ auf jeden Fall nach dem Eingriff erfolgen.
⃞ am besten am Tag des Eingriffes erfolgen.
⃞ circa ein Jahr nach der Splenektomie erfolgen.
⃞ nicht erfolgen.
Bitte beachten Sie:
Diese zertifizierte Fortbildung ist zwölf Monate
auf springermedizin.de/eakademie verfügbar.
Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss und erhalten bei technischen und inhaltlichen Fragen tutorielle Unterstützung.
Pro Frage ist jeweils nur eine Antwortmöglichkeit
(Richtig- oder Falschaussage) zutreffend. Sowohl
die Fragen als auch die zugehörigen Antwortoptionen werden im Online-Fragebogen in
zufälliger Reihenfolge ausgespielt, weshalb die
Nummerierung von Fragen und Antworten im
gedruckten Fragebogen unterbleibt. Prüfen Sie
beim Übertragen der Lösungen aus dem Heft
daher bitte die richtige Zuordnung.
MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (S1)
DOI 10.1007/s15006-015-2721-2
springermedizin.de/eAkademie
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