Eine Medizin für Alle Was bedeutet diese Forderung für psychisch Kranke – die Psychiatrie Tutzing - 30.05.06 Definition Medizin: Die Medizin (v. lat. ars medicina, „Heilkunst“, auch „Heilkunde“) befasst sich mit der Gesundheit, mit der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen. Psychiatrie: Die Psychiatrie (die Wissenschaft der Seelenheilkunde) ist das Gebiet der Medizin, das sich mit der Diagnostik, Therapie und Prävention der psychischen Krankheiten befasst. Tutzing - 30.05.06 Was ist krank ? Eine Krankheit ist eine Störung der normalen physischen oder psychischen Funktionen, die einen Grad erreicht, der die Leistungsfähigkeit, und das Wohlbefinden eines Lebewesens subjektiv oder objektiv wahrnehmbar negativ beeinflusst. Die Grenze zwischen Krankheit und Befindlichkeitsstörung ist fließend. Sozialversicherungsrechtlich wird unter Krankheit das Vorhandensein einer Störung verstanden, die eine Behandlung im Sinne von medizinischer Therapie und Krankenpflege erfordern und eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Tutzing - 30.05.06 … und psychische Krankheit? Psychische Störungen bzw. Erkrankungen können in allgemeiner Weise als Abweichung von einer bestimmten Norm definiert werden. Psychische Krankheit gilt als ein Zustand gestörter Lebensfunktionen, der durch Beginn, Verlauf und ggf. auch Ende eine zeitliche Dimension ausweist. Tutzing - 30.05.06 … in den Zahlen der DAK Tutzing - 30.05.06 Angststörungen und Depressionen … sind die häufigsten psychischen Krankheiten in Deutschland. Die Zahl der Krankheitstage aufgrund depressiver Störungen stieg um 42 Prozent. Bei Angststörungen betrug der Anstieg 27 Prozent. Frauen sind häufiger wegen psychischer Erkrankungen arbeitsunfähig und von Angststörungen und Depressionen betroffen. Tutzing - 30.05.06 Psychotische Störungen Schizophrene Psychosen rund 1 % der Menschen erkranken Affektive Psychosen Störungen der Stimmung beide Erkrankungen nehmen in der Mehrzahl der Patienten chronischen Verlauf Tutzing - 30.05.06 Erstaufnahme Studie Haar Prof. Dr. M. Albus, Dr. W. Hubmann, Dr. F. Mohr 71 Patienten männlich 36 weiblich 35 50.7 % 49.3 % Alter bei Erstaufnahme Durchschnitt 29 Jahre Rückfälle: 20 Patienten 23 Patienten 10 Patienten 18 Patienten 28,2 % 32,4 % 14,1 % 25,3 % hatten keinen Rückfall hatten einen Rückfall hatten zwei Rückfälle hatten zwei und mehr Rückfälle Behandlungsstatus nach 5 – Jahren: keine Behandlung: 12 Pat. 16.9 % stationär psychiatrisch: 6 Pat. 8.5 % ambulant psychiatrisch 49 Pat. 69.0 % teilstationär 4 Pat. 5.6 % Tutzing - 30.05.06 Erstaufnahme Studie Haar Prof. Dr. M. Albus, Dr. W. Hubmann, Dr. F. Mohr Medikamente: keine Medikamente: Wenn Medikamente: Standard-NL Mono Leponex Mono Atypische, neue NL Kombinationen 15 Pat. 56 Pat. 21.1 % 78,9 % 13 Pat. 18.3% 21 Pat. 29.6% 15 Pat. 21.1% 7 Pat. 9.9% Tutzing - 30.05.06 Erstaufnahme Studie Haar Psychosoziale Hilfen: keine 40 Pat. 56.3 % SPDI 5 Pat. 7.0 % Psychol., Psychoth. 9 Pat. 12.7 % betreutes Wohnen 13 Pat. 18.3 % betreutes Arbeiten 4 Pat. 5.6 % = 43,6 % Formen von psychosozialer Hilfe Arbeit – Beschäftigung: Qualität Freier Arbeitsmarkt 21 Pat. Ausbildung freier Arbeitsm. 8 Pat. Hausfrau/-mann Universitätsstudium 29.6 % 11.3 % 2 Pat. 2.8 % 4 Pat. 5.6 % keine Arbeit Zweiter Arbeitsmarkt AT, Tagesstrukturierung Rehabilitation Rentner 10 Pat. 3 Pat. 8 Pat 3 Pat. 12 Pat. Tutzing - 30.05.06 14.1% 4.2 % 11.3 % 4.2 % 16.9 % … aber Psychose ist auch: Irresein - einer Minderheit anzugehören … von der Umgebung, vielen der vermeintlichen Angehörigen der (vermeintlich) normalen Mehrheit, als minderwertig angesehen (zu werden). Ein … Wirtschaftszweig aus Industrie, Ärzteschaft, Psychologen und Anderen verdient gut daran, den Angehörigen der minderwertigen Minderheit Produkte und Dienstleistungen (Drogen und Behandlung) anzubieten oder zuweilen auch aufzunötigen. Von den nach Behandlungserfolg oft zu einem sinnfernen Rentnerdasein genötigten Angehörigen der scheinbaren Minderheit wird erwartet, dass sie nur noch begrenzt am sozialen Betrieb teilnehmen und nicht weiter stören. www.irresein.de Tutzing - 30.05.06 … und Klaus Dörner sieht eine "Enteignung der Gesundheit„ - die aus einem Gesunden einen therapiebedürftigen Kranken macht und befürchtet, dass durch die zunehmende Überantwortung der Gesundheit an die Wirtschaft immer neue Märkte erschlossen werden … dass letztlich alle Gesunden in Kranke umgewandelt werden, die sich möglichst lebenslang sowohl chemisch-physikalisch als auch psychisch für behandlungsbedürftig halten, um "gesund leben" zu können. Quelle: Frankfurter Rundschau vom 6.12.2003 Tutzing - 30.05.06 Eine Medizin für alle ? Ist eine – • • • • bescheidene Medizin „marktfreie“ Medizin effektive Medizin ausreichend finanzierte Medizin Tutzing - 30.05.06 Eine bescheidene Medizin Nicht jede Befindlichkeitsstörung ist eine behandelbare Krankheit Nicht jede Krankheit kann durch die Medizin „alleine“ geheilt werden hier sind die Behandler gefragt !! Tutzing - 30.05.06 Eine „marktfreie“ Medizin Krankheit ist keine Ware Patienten sind keine Kunden Gesundheit darf nicht zum Geschäft werden Gewinn-Interessen von Einzelnen oder Gruppen verunmöglichen jegliche Lösung im Interesse „Aller“ Tutzing - 30.05.06 Eine effektive Medizin Ist das Recht des Einzelnen Patienten und der Gesellschaft ! Erfordert eine ständige Kontrolle der Behandler, der eingesetzten Methoden und der erreichten Effekte erfordert Mitbestimmung Tutzing - 30.05.06 Eine ausreichend finanzierte Medizin … Ist Voraussetzung, dass eine Forderung: Der moderne Arzt müsse darüber aufklären, dass Gesundheit nicht die Abwesenheit von Störungen ist, sondern "die Kraft mit ihnen zu leben." … keine Begründung für „Reformen“ ist. Tübinger Medizinethiker Dieter Rössler Tutzing - 30.05.06