Landesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE behinderter Menschen Baden-Württemberg e.V. Dachverband von Selbsthilfevereinigungen Rotebühlstr.133, 70197 Stuttgart Tel.: 0711 / 251181-0, Fax: 0711 / 251181-1 e-mail: [email protected], www.lag-selbsthilfe-bw.de Stuttgart, 1.08.2008 An die BAG SELBSTHILFE Kirchfeldstr. 149 40215 Düsseldorf Stellungnahme zur Neufassung der Hilfsmittelrichtlinien Sehr geehrter Herr Dr. Danner, wir gehen davon aus, dass die indikationsspezifischen Verbände zu den Kapiteln B „Seehilfen“ und C „Hörhilfen“ eigene Stellungnahmen abgeben. Wir verzichteten daher auf eine eigene Stellungnahme zu diesen Punkten und beschränken uns auf Ausführungen zum allgemeinen Teil der neu gefassten Hilfsmittelrichtlinien. Zu § 7 (3) Der Verzicht auf die ausdrückliche Nennung eines Hilfsmittelsherstellers bzw. eines Produktnamens bei der Auswahl der Hilfsmittel ist einerseits nachvollziehbar. Anderseits wird er dazu führen, dass bisher bei den Kunden beliebte und bezüglich Qualität und Bedienung ausgezeichnete Produkte vom Markt verschwinden werden, weil nicht mehr der Endverbraucher nach den Produkten frägt, sondern die Kassen die Hilfsmittel im Gesamtpaket ausschreiben und nach Erfüllung der Minimalanforderungen nur nach dem günstigsten Preis auswählen werden. Ausdrücklich möchten wir darauf hinweisen, dass ein Hilfsmittel nur so gut ist, wie es vom Endverbraucher aufgrund seiner individuellen anatomischen Gegebenheiten auch genützt werden kann. Eine individuelle Auswahl nach Passform – z.B. bei Atemmasken – oder nach technischen Leistungsmerkmalen – z.B. Stärke des Ventilwiderstandes beim Einatmen – ist somit nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass die qualitativen Aspekte eines Hilfsmittels (z.B. Hautfreundlichkeit des verwendeten Materials), die dem Endverbraucher aufgrund seines 24-stündigen Gebrauchs sehr wichtig sind, für die Kassen nur sekundär sind, da sich ihr „Erfolg“ nach den finanziellen Einsparungen bei einem Hilfsmittel bemessen wird. Als Kompromisslösung zwischen den widerstreitenden Interessen von Kosten und Qualitäts-/Bedienungsanforderungen schlagen wir vor, dass die Hilfsmittelanbieter – ohne Aufpreis - mindestens ein gleichwertiges weiteres Produkt der gleichen Hilfsmittelart anbieten müssen, sodass zumindest eine minimale Wahlmöglichkeit für den Endverbraucher möglich ist. 1 Als Alternativlösung dazu regen wir an, den § 8 (2) so zu konkretisieren, dass im Falle von individuellen Problemen mit einem Hilfsmittel ein Ersatzgerät von einem anderen Hersteller angeschafft werden kann und dieses nach erfolgter ärztlicher Prüfung nicht zu einer entsprechenden Aufzahlung führen darf. Zu § 8 Die ausschließliche Abgabe von Hilfsmitteln durch die ausgewählten Vertragspartner wird voraussichtlich dazu führen, dass renommierte Sanitätshäuser, welche eine realistische Kostenkalkulation und eine verantwortungsvolle Personal- und Fortbildungspolitik betreiben, mittelfristig nicht auf dem Markt bestehen können. Es sei denn, sie reduzieren ihre Standards auf den „billigsten Mitbewerber“ herab. In der Vergangenheit hat die Selbsthilfe – insbesondere bei Hilfsmittel im lebenswichtigen Bereich – die Bildung von Qualitätszirkeln zwischen den Sanitätshäusern und eine gemeinsam verantwortete Notfallbereitschaft gefördert. Mit der neuen Vergabepraxis droht dieses System zu zerbrechen und andere Anbieter werden an die Stelle der verdrängten Sanitätshäuser treten. Darüber hinaus befürchten wir, dass der Preiskampf zwischen den verschiedenen Hilfsmittelanbieter dazu führen wird, Kosten beim Endverbraucher einzusparen. Dies kann z.B. über verlängerte Wartungsintervalle, ungenügende Reinigungsarbeiten, mangelhafte Ersatzteilqualität oder auch lange Wartezeiten bei der Reparatur eines Hilfsmittels geschehen. Erschwerend kommt hinzu, dass Maschinen oder Hilfsmittel von Anbietern, die vom Markt verdrängt wurden, plötzlich von den neuen aktuellen Hilfsmittelanbietern gewartet werden müssen, ohne dass das Personal eine Einführung in die zu betreuenden Hilfsmittel des Fremdherstellers erhalten hat, die in der Bedienung oder bei einer Störung relativ komplex sein können. Zur praxisgerechten Lösung dieser Probleme schlagen wir vor, dass bei der Erstellung der Ausschreibung und der allgemeinen Vorgaben für ein Hilfsmittel Patienten bzw. Hilfsmittelempfänger zwingend mitwirken müssen und diese Patientenbeteiligung über einen entsprechenden Zusatz im § 8 geregelt wird. Als Endverbraucher verfügen sie über „Expertenwissen in eigener Sache“ und können daher ihren Bedarf bezüglich Qualität, Bedienungselemente, Wartungsintervalle etc. detailliert benennen und auf einen noch effizienten Minimalstandard (Kosten versus Nutzen) festschreiben. Desweiteren ist über diese Beteiligung gewährleistet, dass Erkenntnisse aus der Praxis bzw. aus dem Anwenderkreis schon frühzeitig in den nächsten Ausschreibungsprozess einfließen. Mit freundlichen Grüßen Alexander Zoller -Geschäftsführer- 2