Badische Neueste Nachrichten am 16.04.2013 von Eike

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Keine heile Welt bei Bachs Sohn
Man kann klassische Musik als routinemäßigen Beitrag zur Kultur und Bildung im
Alltag bringen – oder man kann sie lebendig vergegenwärtigen. Letzteres ist dem
Moderator der „Kammermusik auf dem Dinkelberg“, Michael Ruf, mit dem letzten
Konzert der Saison geglückt. Das lag auch am geschlossenen Programm aus der
Zeit von Friedrich dem Großen.
Nach Urte Lucht (Cembalo) hat der Preußenkönig nämlich in seinem Schloss
Sanssouci in Potsdam etwa 1000 Konzerte veranstaltet und zum Teil selbst
mitgestaltet. So fragten sich die begeisterten Hörer und Hörerinnen im
evangelischen Gemeindezentrum Östringen, ob der Regierungschef der Preußen
vor 260 Jahren wirklich so flüssig und virtuos Flöte spielen konnte, wie es an
diesem sonnigen Frühlingssonntag am Tor des Kraichgaus zu hören war. Na ja,
dachten viele, er hatte ja den Flötenlehrer Johann Joachim Quantz, dem er am
Lebensabend sogar eine Pension spendierte. Bei dessen D-Dur Sonate betonte
Heike Nikodemus zusammen mit der Cembalistin im Arioso-Satz den Gegensatz
zwischen dem gemächlichen Schreittanz und den schwindelerregenden
Sechzehnteln. Mit ihrer historischen Traversflöte, die sie auch erläuterte, konnte
sie auch bei der g-moll Sonate des Preußenkönigs selbst die im Barock so
geliebten starken und schwachen Töne abwechseln lassen.
„Das richtige Artikulieren macht Spaß“, kommentierte sie nach dem Konzert.
„Diese Flötenmusik ist etwas Ästhetisches!“. Das merkten die Gäste gleich am
Anfang, als die Sonate G-Dur von Friedrich Wilhelm Benda (gestorben 1814)
erklang. Der Sohn von Friedrichs Hofmusiker lässt das Allegro mit stürmischen
Läufen im Vierertakt beginnen, beschleunigt das Ganze noch mit vielen
Verzierungen – und hält plötzlich inne, mit einem Legato der Flöte und einem Echo
auf dem Cembalo. Dieses Hin und Her – es passt zur Sturm- und Drangzeit. So
passte auch als Zugabe das weitere Allegro desselben Komponisten.
Auf die Frage „Ist hier überall heile Welt?“ protestierte Urte Lucht im
anschließenden Gespräch. „Bei Carl Philipp Emanuel Bach geht es zur Sache: Die
Welt ist da oft in Unordnung!“ Tatsächlich hatte sie bei der Cembalo-Sonate g-moll
dieses Sohnes von Johann Sebastian Bach sozusagen alle Register gezogen: die
neuartigen, orgelnden Basstöne, die marschmäßigen und dann wieder
bedächtigen Passagen. „Attacca!“ hieß ja auch der Kommentar des Komponisten
nach dem Adagio: und „vorwärtstreibend“ interpretierte Lucht diese Musik, die
schon auf die Impressionisten vorausweist. Dagegen hat Vater Bach bei der
abschließenden Sonate h-moll (BWV 1030) ein ruhigeres Werk geschrieben. Aber
auch hier konnten die beiden gut harmonisierenden Meisterinnen ihres Fachs mit
rasanten Fugen und Staccato-Passagen beeindrucken.
Badische Neueste Nachrichten am 16.04.2013 von Eike Schmidt-Lange
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