Methodik Gitarre Prof

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Methodik Gitarre
Gedanken zum Thema Vorspielen
Unter Vorspielen verstehen wir das Präsentieren von Stücken vor Publikum, sei es ein Hauskonzert,
Studioabend,
der
Musikbeitrag
einer
Verstaltung,
das
Klassenvorspiel,
das
Solo-
oder
Kammermusikkonzert. In jedem Fall will man den Zuhörern etwas bieten, egal ob mit oder ohne Gage.
Etwas bieten kann heißen: Etwas Schönes , etwas bewährtes Schönes, etwas Aufregendes, etwas
Neues, etwas Überraschendes, etwas Berührendes, etwas anderes als das Gewohnte.
Natürlich kann ein Stück oder ein ganzes Programm viele oder sogar alle dieser Eigenschaften
transportieren.
Auch ein Werk aus einer vermeintlich bekannten Epoche, ja sogar ein bekanntes Werk, wird durch eine
gute und eigene Interpretation alle diese Elemente wiedergeben. Das Neue (das wir bekannten Stücken
gerne absprechen) schaffen wir durch unsere eigenständige und persönliche Wiedergabe, durch die
Ideen, mit denen wir „unser“ Stück versehen.
Man darf nicht vergessen, daß die Interpretation ein nachschöpferischer Prozeß ist, der als erster Schritt
nach dem Komponieren stattfindet. Dies ist die zweitwichtigste Stufe; die Komposition kann ohne die
Interpretation nicht klingen und deshalb auch auf den Zuhörer nicht wirken.
Der Komponist braucht den Interpreten und der interpretierende Künstler hat deshalb nicht nur eine
wichtige Funktion, sondern auch eine Verantwortung: Eine schlechte Interpretation fällt auf das Stück
zurück. Man hält es für schlecht, weil man es nicht erkennen konnte; es ist einem nicht nahegekommen.
Kurz gesagt: Wenn wir ein Stück spielen, machen wir uns zum „Botschafter“ des Komponisten, wir
vertreten seine Interessen.
Der Spielraum, die eigene Sicht des Stückes zu zeigen, ist sehr groß und gerade darin liegt der Reiz des
Vortrages. Wir benutzen dabei nicht nur den auditiven Weg , sondern drücken auch durch unsere
Körpersprache eine Interpretation aus. Ein guter Interpret ist immer auch ein bißchen Schauspieler,
wenn auch mit glaubwürdigen Mitteln (Ein maskenhaftes Grinsen wie in der sog. „Volksmusik“-Szene
steht im Gegensatz zu einer echten Anteilnahme). Die Wahl der Mittel hängt natürlich auch
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von unserer eigenen Persönlichkeit ab: Ein introvertierter Spieler wird kaum zu großen Operngesten
greifen, ein temperamentvoller Spieler schon eher. Und doch sollten wir alle uns von den Sängern
Eines abgucken: Das Hineinversetzen in die Stimmung des Stückes und das Wiedergeben dieser
Stimmungen mit unseren individuellen Mitteln. Vielfach treffen wir schon auf „genormte“ Stimmungen
Prof. Bernd Ahlert
oder Affekte, wie sie z. B. die Barockmusik kennt. Hier liegt ein Grundgestus fest und es wäre ein
musikalischer Stilbruch, ihn zu mißachten. Es gibt aber auch Werke, in denen die Stimmungen
wechseln. In jedem Fall müssen wir uns jeweils fragen: Was will ich ausdrücken und wie kann ich das
mit meinen Mitteln umsetzen?
Mein Rat ist in den meisten Fällen: Mehr übertreiben, weniger Zurückhaltung. Die allerwenigsten
Spieler müssen sich in Körpersprache und musikalischem Ausdruck
zurücknehmen. Die meisten
„genieren“ sich und fürchten sich vor übertriebener Darstellung. Insbesondere beim Vorspiel muß aber
die Darstellung übertrieben werden. Wie bei einem Theaterschauspieler, der im Gegensatz zum
Filmschauspieler größere Mimik und Gesten macht, damit man ihn trotz der räumlichen Distanz
versteht.
Das Entgegennehmen von Applaus fällt ebenfalls in diese Sparte. Nachdem ich gespielt habe, wollen
die Zuhörer mir danken. Ihre konzentrierte Hörhaltung will sich im Beifall lösen. Es ist deshalb wichtig,
diesen Dank entgegenzunehmen. Dieser Moment ist für viele Spieler anfangs unangenehm, weil
ungewohnt. Wer läßt sich schon gern loben, ohne rot zu werden? Diese Gegenseitigkeit soll man sich
klarmachen, dann fällt es leichter, den Beifall der Zuhörer zu akzeptieren (Übrigens müssen die meisten
Spieler das Verbeugen auch üben!).
Warum spiele ich vor? Ich will zeigen, was ich musikalisch und technisch kann, ich habe „etwas zu
sagen“, etwas künstlerisch mitzuteilen. Vielleicht möchte ich mit diesem Vorspiel üben, mich vor
anderen Leuten musikalisch auszudrücken. Dies geschieht nicht mit Worten,
sondern nur durch
Handeln (ich rede nicht, ich spiele). In jedem Fall bin ich der Gebende und der Zuhörer empfängt.
Macht man sich diese Rolle ersteinmal klar, ist es leichter, die Situation positiv zu empfinden und
Ängste in den Hintergrund zu stellen. Warum soll ich (als Zuhörer) jemanden schlecht beurteilen,
wenn er mir etwas schenkt, für das er sich viel Mühe gemacht hat?
Was spiele ich vor? Von wenigen Ausnahmen abgesehen spiele ich normalerweise etwas vor, was ich
vor längerer Zeit geplant habe:
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In soundsoviel Tagen, Wochen oder Monaten spiele ich ganz bestimmte Stücke vor (Große Interpreten
müssen manchmal auf Jahre vorher bestimmte Werke wie z.B. Orchesterkonzerte festlegen). Dieses
Vorgehen hat Vor- und Nachteile. Vorteil ist, daß ich auf Bewährtes zurückgreifen kann, der Nachteil
ist (besonders im Studium), daß ich nicht das Stück spiele, mit dem ich mit gerade aktuell beschäftige.
Dies erfordert eine bestimmte Herangehensweise: Ich muß mich immer wieder neu mit meinen Stücken
auseinandersetzen, immer wieder Lust entfachen, sie zu spielen; immer wieder neue Aspekte an ihnen
entdecken und damit immer wieder bereit sein, sie zu verändern (Ich lerne ja in der Zwischenzeit dazu).
Auch große Interpreten spielen Bewährtes. Ein neues Werk meines Repertoirs werde ich behutsam
reifen und sich bewähren lassen: Ich führe es nicht als erstes in der großen Musikhalle auf, sondern im
Hauskonzert oder Klassenvorspiel, erst dann kommt die nächste Stufe.
Wer ständig ein neues
Programm spielen will, riskiert die Qualität seiner Aufführungen.
Ein Stück, das ich lange kenne, ist dem Zuhörer vielleicht gar nicht oder wenigstens in meiner
Interpretation nicht bekannt. Er will gern meine künstlerische Sicht des Stückes erfahren oder freut sich
sogar darauf, das Stück erneut von mir zu hören.
Was ist Bewährtes?
Ein Stück, das ich vorspielen will, muß ich
technisch und musikalisch
beherrschen, bevor ich es präsentiere. Ich muß es zunächst zuhause - so wie ich es mir vorstelle spielen können. Sich in die kommende Vorspielsituation hineinzuversetzen, ist schon eine große Hilfe.
Ich stelle mir den Raum vor; ich sehe mich auf die Bühne gehen, meinen Platz einnehmen, die Gitarre
stimmen; ich konzentriere mich auf das Stück, bevor ich beginne. Ich durchlaufe diese Situationen ganz
bewußt, ich habe den Ablauf in der Hand. Jeder kennt das Gegenteil: Augen zu und durch fertigwerden und bloß weg von hier. Dies ist nur Panik, gegen die das bewußte Erleben das beste
Gegenmittel ist. Ein auf diesem bewußten Erarbeiten basierender Erfolg ist die beste Grundlage für
weitere gelungene Vorspiele oder neue schwerere Stücke.
Für das erste Bewähren eines Stückes sollte man deshalb am besten eine weniger streßbesetzte
Vorspielform wählen: Das häusliche Vorspiel oder das Vorspiel im Unterricht; erst dann größere
Anforderungen wie Klassenvorspiele, Studioabende, öffentliche Auftritte etc.
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Einige praktische Tips zum Vorspielen
Vorbereitung
Stück läuft technisch sauber
Interpretation und ihre Umsetzung ist klar, ich gehe die Noten auch
ohne Gitarre durch und stelle mir alle Aktionen genau vor.
Ich kann mich jederzeit auf das Stück konzentrieren und mir vorstellen,
es zu spielen; es bringt mir Spaß.
Ich spiele das Stück nach nur kurzer Einspielzeit und nicht wie sonst
nach längerem Üben („Spielen üben“)
Ich habe das Stück im Unterricht vorgespielt
Ich kann das Stück auch unter ungewohnten Bedingungen spielen
(in einem anderen Raum, zu anderen Zeiten als meinen gewohnten
Übezeiten, in körperlich matter Verfassung)
Ich mache mir klar, daß ich das Stück schon verschiedene Male gut
gespielt habe. Ich freue mich auf die kommende Aufführung.
Ich stelle mir das nächste Vorspielen genau vor (Hereinkommen,
Hinsetzen, Stimmen, Konzentrieren auf den Anfang usw.).
beim Auswendigspielen: Ich kann das Stück (mit Metronom) auch ganz
langsam auswendig spielen.
Ich kann mir den mechanischen und musikalischen Ablauf auch ohne
Noten und Gitarre genau vorstellen.
Vorspielsituation
Ich gehe selbstbewußt auf die Bühne
Ich nehme mir die Ruhe, um anzukommen, meine Gitarre zu stimmen
und mich auf den Anfang des Stückes zu konzentrieren.
Erklärungen oder Entschuldigungen für unzureichendes Üben o. ä. sind
nicht möglich war, braucht nicht entschuldigt zu werden.
überflüssig. Was
Fehler interessieren mich nicht während des Spielens. Ich darf Fehler
beim Spielen an die Musik.
machen! Ich denke
Ich lasse mein Spiel konzentriert ausklingen und bleibe noch einen
Moment in der Welt des Stückes, bevor ich wieder „auftauche“.
Ich nehme den Applaus des Publikums bewußt entgegen. Ich freue mich
über den Dank der Zuhörer.
nachher
Ich resümiere mein Vorspiel: Wenn es gut war, freue ich mich über den
Erfolg und denke zuversichtlich an den nächsten Auftritt.
Wenn es nicht so gut verlief, versuche ich, die Gründe herauszufinden,
um meine Vorgehensweise ggf. zu ändern. Gelingt mir dies, wird dies
Vorspiel zur nützlichen Erfahrung und damit zum Erfolg.
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