Document

Werbung
Version vom 29.04.2014
Ergänzungen zu "Strukturprinzipien der Lebenssysteme"
Grundzüge der Zellstruktur der
in der Zusammenschau
Eukaryota
Kursiv ausgedruckte Zahlen in Klammern (000) beziehen sich auf im "Systematik"-Teil
(Organisation der Lebenssysteme) erwähnte Spezies
Abkürzungen
M = Männchen, männlich
F = Weibchen, weiblich
Dm = Durchmesser
+ = mehr oder weniger
m = Mikrometer (10-6 m)
nm = Nanometer (10-9 m)
LM = Lichtmikroskop
EM = Elektronenmikroskop
Die Standard-Zellgrösse variiert bei vielzelligen Organismen zwischen 2 und 300 m
Dm (Pflanzen 100-300 m, Tiere 2-20 m). Unter den Einzellern gibt es Formen von
'Riesenzellen', so die Vertreter der siphonalen Organisationsstufe vorwiegend der
Algen. Die Eizellen mancher Tierarten (z.B. das Vogelei) erreichen eine beachtliche
Grösse. Die Milchröhren mancher Pflanzen bestehen aus einer einzigen stark
gedehnten Zelle von 2 und mehr Metern Länge. Es gibt Pollenschläuche von 10 cm
Länge (z.B. Colchicum; Liliales; 070). Bastzellen erreichen Längen von mehr als 20
cm. Nervenzellen können mit ihren Fortsätzen bis zu 1 m lang werden.
Zum Vergleich: Die Grösse der Bakterien schwankt zwischen 0,3 und 600 m.
Die Zellen in den Geweben der Landpflanzen schliessen, soweit keine
Interzellularräume vorhanden sind, i.a. lückenlos aneinander und sind dabei meist
polyedrisch. Die dünne und flexible Membran der tierlichen Zelle gestattet ein
'nicht-geometrisches' Aneinanderfügen.
Mobile, d.h. frei bewegliche Zellen der Eukaryota sind, von den Gameten abgesehen,
feste Bestandteile des Blutes und der Lymphe. Während der Embryogenese finden
Zellwanderungen zu Zielorganen statt.
Mitochondrien und Chloroplasten enthalten eine eigene DNA und RNA.
rRNA-Sequenzen aus Mitochondrien ähneln denen der prokaryotischen
Schwefel-(purpur)bakterien (Thiopneutes, 005).
Zytoplasma und Organellen
Die wasserreiche Grundsubstanz ist das Hyaloplasma (Zytosol), das Produkte des
intermediären Stoffwechsels enthält (bei den Tieren und Pilzen findet im Zytoplasma
die Fettsäuresynthese statt), dazu kommen Proteine (bis ca. 35%), Ribonukleinsäuren
(RNA, DNA), Nukleotide, Ribosomen (s.u.), Zucker u.a.
Die wesentlichen Organellen sind, ausser dem Zellkern (Nucleus), die
Mitochondrien (s.u.), ein Golgiapparat und ein Endoplasmatisches Retikulum (ER).
Schon einfache Formen der Chlorophyta (015) enthalten diese Standard-Strukturen.
Die Organellen können durch Zentrifugieren eines Zellhomogenisats voneinander getrennt
werden. In Stufe I werden die Kerne isoliert, darüber befinden sich nicht-sedimentierte
Organellen. Stufe II liefert im Bodensatz des Zentrifugats hauptsächlich Mitochondrien,
Lysosomen und Peroxisomen. In Stufe III werden die Mitochondrien als 'Supernatant' von den
Lysosomen und Peroxisomen getrennt.
Organellen fehlen i.a. den in Faulstoffen saprozoisch lebenden farblosen Flagellaten
und vielen endoparasitischen Protozoen. Die endoparasitische Sporozoenzelle (092)
enthält jedoch, ausser den 'Standard'-Organellen, Mikrotubuli, Vakuolen und
Lipoideinschlüsse.
Zytoplasma u. Organellen Pflanzen: B-3.1., Tiere: E-3.0. ("Strukturprinzipien")
Ribosomen
Die Ribosomen der Eukaryota bilden vor allem die Basis der Proteinsynthese* und
entsprechen Ribonukleoproteingranula mit einem Dm von ca. 25-30 nm. Sie sind
häufig zu Aggregaten vereint (Polysomen, Polyribosomen). Ribosomen kommen auch
in den Mitochondrien und in Plastiden vor, wo sie in ihrer Grösse den Ribosomen der
Prokaryota etwa gleichkommen (um 20 nm).
*Der DNA-Code eines Gens wird durch mRNA den Ribosomen zugeleitet; die genetische
Information führt dann zur Bildung spezifischer Proteine (Translation).
Bildungsort der Präribosomen ist der Zellkern bzw. der Nucleolus (bei den Prokaryota
das 'Kernäquivalent' = Nucleoid).
Haften Ribosomen an der Membran des ER, wird dieses zum rER (s.u.).
Mitochondrien
Mitochondrien sind, wie die Chloroplasten, semi-autonome Kompartimente der
eukaryotischen Zelle und besitzen i.a. eine doppelte Membranhülle. Die innere
Membran ist kammartig gefaltet und bildet als Oberflächenvergrösserung durch
Invagination in die Matrix die Cristae. In den Cristae erfolgt die C-Oxidation, der
Citratzyklus, die Atmungskette, die Häm-Synthese und der Harnstoffzyklus.
Im Innern der Mitochondrien können Ribosomen vorhanden sein.
Mitochondrien sind schon bei Euglena gracilis (Euglenophyta; 009) zu finden (vgl.
z.B. GUTTMAN 1971). Es handelt sich dabei um runde oder stabförmige Gebilde, von
deren Hüllmembran die Cristae ins Lumen vorwölben.
Der 'Endosymbionten-Hypothese' zufolge sind die Mitochondrien während der Evolution
der eukaryotischen Zelle aus aufgenommenen Prokaryota
hervorgegangen.
Bei den 'Hydrogenosomen' z.B. des Pilzes Neocallimastix frontalis (Anaerobier;
Chytridiomycetes; 078) aus dem Pansen der Wiederkäuer dürfte es sich um
modifizierte Mitochondrien handeln, die das Überleben des Organismus unter
sauerstoffarmen Bedingungen ermöglicht (Details z.B. bei van der GIEZEN et al.,
1997).
Golgi-Strukturen
Der Golgi-Apparat ist ein nach dem italienischen Arzt Camillo Golgi benanntes
Zisternensystem der eukaryotischen Zelle.
Golgistrukturen sind offensichtlich Produkte des ER, das wiederum mit der Kernhülle in
Verbindung steht. Sie sind für die Proteinsynthese wesentlich und bestehen aus (meist
scheibenförmigen) Stapeln von Zisternen von jeweils 1-2 m Dm. Ein solcher Stapel
entspricht einem Dictyosom. Bei manchen Algen ist nur 1 Dictyosom vorhanden.
Mehrere Dictyosomen (Leberzelle: bis zu 250) sind zu einem grösseren Gebilde
vereinigt, das sich häufig in unmittelbarer Nachbarschaft des Zellkerns u/o des
zentralen Zytoplasmas (Zentroplasma) befindet. In der typischen Pflanzenzelle ist das
Golgimaterial häufig + im Zytoplasma verstreut.
Im Verlauf einer Zellteilung (Cytokinese) wird das Golgimaterial auf beide
Tochterzellen verteilt.
Golgi-freie Zellen der Mammalia sind z.B. die kernlosen roten Blutzellen (Erythrozyten)
und verhornte Epithelzellen.
Ergänzungen
Mit dem EM lässt sich ein dreidimensionales Modell des Golgi-Apparates am
Beispiel der Rattennierenzelle darstellen (LANDINSKY et al., 1999). Es sind Stapeln von
7 Zisternen als kompakte Region zu erkennen, welche durch 6 nicht-kompakte
Regionen (nkR) voneinander getrennt sind. Die Golgi-Zisternen der nkR können in 3
Zweiergruppen eingeteilt werden: a) trans-Golgi-Zisternen (trans-Golgi-Netz), b)
medial-Golgi-Zisternen, c) cis-Golgi-Zisternen (cis-Golgi-Netz). Sie sind jeweils an
beiden Seiten von Lagen des cis- und trans-ER umgeben. Der Rest der nkR ist mit
Vesikeln und polymorphen, membranösen Elementen angefüllt. Alle Zisternen zeigen
Fensterbildungen, an denen Vesikel unterschiedlicher Volumina abgeschnürt werden.
Die enge Verknüpfung des trans-ER mit dem trans-Golgi-Netz lässt annehmen, dass
diese Assoziation für den Lipidtransport, u/o den Transfer von Phosphatidylserin aus
dem ER zu den Mitochondrien von Bedeutung ist.
Neben Golgiformationen aus kohärenten Stapeln, gibt es solche aus im Zytoplasma
verstreut vorkommenden Zisternen (ROSSANESE et al., 1999), so z.B. in 2 nahe
miteinander verwandten Hefearten (079). Pichia pastoris zeigt kohärente Stapel,
Saccharomyces cerevisiae nicht gestapelte, nicht zusammenhängende
Golgi-Elemente. Bei Pichia sind die Stapel eng mit dem trans-ER verknüpft.
Endoplasmatisches Retikulum (ER)
Ein ER ist bereits bei Bakterien (Bacteria, 003) nachweisbar. Das ER der Eukaryota
besteht aus Membranvesikeln, in deren Lumina Reaktionen einer Glykolisierung
ablaufen. Schliesslich ist das ER für die Proteinsynthese und die
Cholesterolsynthese von Bedeutung. ER-Zisternen nehmen häufig weite Bereiche
des Zytoplasmas ein. Ist die Aussenfläche mit Ribosomen besetzt, liegt ein 'raues' ER
vor (rER; Ergastoplasma); beim agranulären, also nicht mit Ribosomen besetzten ER
handelt es sich um ein 'glattes' ER (gER). Bereiche mit dicht gepacktem rER sind z.B.
in Drüsengewebe zu finden.
Eine spezielle Form des ER ist das Sarkoplasmatische Retikulum mit hoher
Ca++-Konzentration; es steht in engem Kontakt mit dem Plasmalemm
(Zytoplasmamembran) der Muskelzelle.
Peroxisomen
Die Peroxisomen sind von einer Membran umgebene Partikel von ca. 1m Dm, mit
dichter Matrix. In der pflanzlichen und tierlichen Zelle führen sie hauptsächlich
Peroxidase, Katalase (zum Abbau von H2O2) und andere Enzyme. Gemeinsam mit den
Glyoxisomen, den Enzymträgern des Glyoxylsäurezyklus* bei Pflanzen, werden sie
als microbodies bezeichnet. Grosse Peroxisomen sind besonders in der Säugerleber
und -niere zu finden (intensiver Stoffwechsel inkl. 'Entgiftungen').
* mit CO2-Bildung
Lysosomen
Bereits in der (prokaryotischen) Bakterienzelle sind Lysosomen nachweisbar. Sie
enthalten Enzyme (besonders saure Hydrolasen und Phosphatasen), die dem Abbau
'gebrauchter' zelleigener Substanzen, sowie aufgenommener zellfremder Partikel
dienen. Bei Pflanzen entspricht häufig die zentrale Vakuole der Zelle einem
lysosomalen Kompartiment. Primäre Lysosomen werden im Golgiapparat gebildet.
In der Wirbeltierzelle können Lysosomen als Lipofuscingranula gespeichert werden.
Die Lysosomen der Schilddrüse (E-2.13.2.3.) entsprechen autophagen Vakuolen und
enthalten u.a. häufig Reste von Mitochondrien und ER.
Vakuolen
Als Vakuolen werden mit Flüssigkeit u/o Partikeln gefüllte Räume im Zytoplasma
bezeichnet.
Im Zytoplasma der Pflanzen- und Pilzzelle kommt den Vakuolen eine spezielle
physiologische Bedeutung zu, bei der Pflanze auch als 'Speicherorganellen'.
In der differenzierten Pflanzenzelle ist das Zytoplasma i.a. von mehreren Vakuolen
durchsetzt. Füllt eine einzige Vakuole das Zellvolumen aus, liegt das Zytoplasma der
Zellwand i.a. schlauchartig an.
In der Tierzelle sind Vakuolen der Nahrungsaufnahme und Verdauung zu beobachten.
Nahrungsvakuolen zeigen auch bei den Mycetozoa (Plasmodiale Schleimpilze; 087)
Phagozytose an.
Mikrotubuli
Es handelt sich um intrazelluläre Transportsysteme in der Form von Röhren (Dm. bis
100 m), die + Actinfilamenten entsprechen.
Die Mikrotubulus-Röhre besteht aus Proteinen mit 13 globulären Untereinheiten, die
wiederum aus 13 Reihen von Protofilamenten bestehen. Jedes Protofilament setzt
sich aus einer Reihe von Dimeren zusammen, jedes Dimer wiederum aus den
Polypeptiden B- und C-Tubulin.
Mikrotubuli können als ein Zytoskelett fungieren und sind daher besonders in
Zellfortsätzen wie Flagellen (Geisseln) und Axopodien (s.u.), sowie in Dendriten von
Nervenzellen zu finden. Schliesslich sind Mikrotubuli in den Fasern der
Kernteilungsspindel während der Zellteilung nachweisbar.
Zellkern
Das Charakteristikum der Eukaryotenzelle ist der Kern (Nucleus). Er enthält fast die
gesamte DNA und somit das Genom der Zelle. Weitere 'ringförmige' DNA ist in den
Mitochondrien, bei der Pflanze auch in den Chloroplasten, vorhanden.
Der DNA-Gehalt beträgt im Kern einiger Muskelzellen etwa 5 %, um 10 % in
Leberzellen, 50 oder >50 % in Thymus-Lymphozyten, in Wurzelspitzen der
Blütenpflanzen, generell in allen sich rasch teilenden Zellen, d.h. auch in Krebszellen.
Die nukleäre DNA fast aller Eukaryota besteht aus etwa 10 nm starken Filamenten
(Chromatinfibrillen)*. Die Kernhülle steht mit dem ER in Kontakt und besteht aus einer
mit Poren durchsetzten Doppelmembran.
*Bei den Dinophyta (010) z.B. sind die Filamente nur ca. 2,5 nm stark und anstelle von Histonen
mit anderen basischen Proteinen verknüpft, d.h. das Chromatin (Euchromatin und
Heterochromatin) ist ähnlich organisiert wie die Bakterien-DNA.
Der Nucleus führt häufig Nucleoli (Kernkörperchen; in Ein- oder Mehrzahl). Der
Nucleolus besteht aus Fibrillen und Granula, die primär RNA-Moleküle bzw.
RNA-Proteinkomplexe darstellen, d.h. es kommt zur Bildung von Präribosomen.
Kernporen ermöglichen den RNA-Transport ins Zytoplasma.
Chromosomen
Im Interphasestadium der Kernteilung (s.u.) formiert sich der aufgelockerte
Chromatin-Komplex zu den Chromosomen, d.s. die Träger der Gen-Information, die
das genetische Material enthalten. Das Chromosom enthält i.a. ausser Protein ein
DNA-Molekül, genau genommen einen DNA-Doppelstrang.
Das Chromatin entspricht einem Nukleinsäure-Protein-Komplex aus DNA und
Histonen, sowie anderen interagierenden Proteinen. Der Grundbaustein ist das
Nucleosom aus dem zentralen Chromatosom, in welchem die Helix in 2 Windungen
(aus je ca. 83 Basenpaaren) um einen Protein-Komplex gewunden ist. Mehrere
Nucleosomstränge bilden ein Supranucleosom.
Ein dem Chromatin anliegender Hormon-Rezeptor-Komplex steuert die Genexpression.
Bei den Einzellern und den somatischen Zellen der meisten Pflanzen und der Metazoa
liegen die Chromosomen im Doppelsatz vor, d.h. diploid (n=2). Im Fall von
Generationswechsel bei Moosen und Pteridophyten kann eine Generation nur einen
einfachen (haploiden) Chromosomensatz besitzen; dies trifft im Übrigen auch für
ausgereifte Gameten zu. Nach dem Verschmelzen des F mit dem M Gameten ist die
so entstandene Zygote diploid.
Die Gesamtzahl der Chromosomen variiert zwischen 2 (Parascaris univalens,
Nematoda (122); die Ameise Myrmecia pilosula (287)) und mehreren hundert (der Farn
Ophioglossum reticulatum (026) mit 2n=1260; der Schmetterling Lysandra atlantica
(302) mit 2n=440), spiegelt aber nicht die Organisationsstufe einer Art wider.
Drosophila melanogaster (294), der Champignon Agaricus campestris (082) und die
Schwarzwurz (Scorzonera hispanica, 065) besitzen jeweils nur 8 Chromosomen, Reis
(Oryza sativa; 075) und Feuersalamander (Salamandra salamandra; 372) jeweils 24,
der Mensch 46, die Kartoffel 48, der Topinambur (Helianthus tuberosus; 065) 102, der
Karpfen (Cyprinus) 104, der Einzeller Euglena viridis (Euglenophyta; 009) ca. 200
Chromosomen.
An 'Quetschpräparaten' sind mit speziellen Kernfärbungen die Chromosomen darstellbar
(Wurzelspitzen von Pflanzen; Chironomidenlarven).
Die grobe Chromosomendiagnostik gibt Aufschlüsse über numerische u/o strukturelle
Veränderungen.
Abweichungen des artspezifischen Chromosomensatzes werden als Aneuploidie
(Genommutation) bezeichnet:
- Fehlen eines von 2 homologen Chromosomen (Hypoploidie, Monosomie).
- Mehrere anstelle von 2 homologen Chromosomen vorhanden
(Hyperploidie;
Trisomie, Tetrasomie, usw.).
Bei Kulturformen von Pflanzen, wie z.B. Weizen, Kartoffel, Baumwolle (Gossypium),
Iris, Thalictrum, Achillea, ist häufig Polyploidie zu beobachten, wie sie unter
'natürlichen' Bedingungen als Folge des Vordringens in Extrembiotope vorkommen
kann. Im Tierreich kommt Polyploidie hauptsächlich im Zusammenhang mit
Parthenogenese vor, jedoch zeigen z.B. die Riesenneuronen der Meeresschnecke
Aplysia (134), sowie der Spinndrüsenzellen des Seidenspinners (Bombyx mori; 301)
hohe Polyploidiegrade. Ustilago maydis (Maisbrand; 080) bildet haplontische Rassen.
Die Weizenart Dinkel (Poaceae; 075) ist hexaploid. Polyploidie finden wir im Übrigen
bei 95 % der Farngewächse, 58 % der Monokotylen, 43 % der Dikotylen, aber nur <2
% bei den Koniferen (z.B. Sequoia sempervirens; 030).
Im LM sichtbare Veränderungen der Chromosomenstruktur sind im Wesentlichen
folgende Aberrationen (Chromosomenmutationen):
- Deletion (Defizienz): Verlust von Chromosomen- bzw. Chromatidstücken; selten
spontan.
- Inversion: Austausch der beiden Chromosomenenden.
- Duplikation: Bestimmte Chromosomenabschnitte werden im haploiden
Chromosomensatz verdoppelt.
- Translokation: Übertragung eines Chromosomenabschnitts auf ein nicht homologes
Chromosom
Bei vielen Organismen ist beim F, meist jedoch beim M Geschlecht, ein ungleiches
Chromosomenpaar vorhanden, oder das Äquivalent zu einem Chromosom fehlt (Xbzw. Y-Chromosom). Das Chromosomenmuster XY/XX finden wir bei vielen
Blütenpflanzen, Dipteren und Säugern; das Muster XX/XY ist bei Schmetterlingen
(Lepidoptera), Vögeln und Fischen zu beobachten. Bei manchen Insektenarten kann
das Y-Chromosom fehlen.
Vor allem in den Speicheldrüsenzellen von Dipterenlarven (Chironomus, Drosophila;
291, 294) sind Riesenchromosomen von bis zu 250 m Länge und 10 m Dm zu
finden, die aus vielen gestreckten, parallel angeordneten Chromonemata* bestehen
(Polytänie); die Chromomeren** erscheinen dann als Querbande. Die Chromonemata
replizieren wiederholt, trennen sich aber nicht voneinander (Endomitose,
'endomitotische Polyploidisierung').
*Fadenstrukturen der Mitosestadien im Chromatid
**In konstanten Abständen vorhandene knotenförmige Verdickungen in ProphaseChromosomen
Kernteilung (Karyokinese)
Einer Zellteilung (Cytokinese) geht i.a. die Kernteilung voraus. Es ist prinzipiell zu
unterscheiden zwischen
- der Mitose, wobei i.a. 2 genetisch identische Tochterkerne gebildet werden.
- der Meiose (Reife- oder Reduktionsteilung), wobei unter Halbierung des
Chromosomensatzes Geschlechtszellen gebildet werden, die sich bei der Befruchtung
wieder zu einem kompletten Chromosomensatz vereinigen.
Die Chromosomen werden in die genetisch identischen (Schwester)-Chromatiden
aufgeteilt, die am Centromer, d.h. der Ansatzstelle der Teilungsspindel, miteinander
in Verbindung stehen.
In der Steuerung der Verteilung der Chromosomen sind u.a. Kinesine als 'Zellmotoren' von
Bedeutung (FISCHER & MERTENS, 2002).
Bleibt die Zellteilung (Cytokinese) nach einer Mitose aus, ensteht ein zwei- bis
vielkerniges Plasmodium.
Die wesentlichen Phasen der Mitose in der Übersicht:


Prophase: Auflockerung des Chromatins; Zweiteilung des Zentriols in 2
'Tochterzentriolen', die nach den Zellpolen wandern; Bildung der
Teilungsspindel (Kernspindel). Auflösen der Kernmembran und, soweit
vorhanden, der Nucleoli.
Anaphase: Auseinanderweichen der Chromosomen, die Chromatiden wandern
als neu gebildete Chromosomen zellpolwärts. Verdoppelung der Centromeren.


Metaphase: Anordnung der Chromosomen zur Äquatorialplatte. Bildung der
Spindelfasern zwischen den Centromeren und den Zellpolen.
Telophase: Trennung der Kernmasse in 2 gleiche Teile, d.h. Lokalisieren der
Chromosomen an den Zellpolen. Abbau des Spindelapparats. Bildung der
neuen Kernmembranen und, gegebenenfalls, der Nucleoli.
Zu Beginn der Mitose ist die DNA des Chromatins schon repliziert. Die Kernteilung
wird durch Verdichten des Chromatins angezeigt, sowie durch Aufschraubung und
-faltung der Chromonemata.
Am Ende der Prophase liegt das Chromatin in inaktiver Transportform vor. Die bei der
Replikation entstandenen beiden (Schwester-)chromatiden bleiben zunächst in 1
Chromosom vereint. Bildet sich der Spindelapparat, werden die grossen Organellen
verdrängt. Von den Spindelpolen reichen viele Mikrotubuli zur Kernhülle; die Nucleoli
werden aufgelöst.
Während der relativ kurzen Metaphase erscheinen Bündel von Mikrotubuli (im LM als
Spindelfasern erkennbar). Die Ansatzstellen der Spindel (Centromer, Kinetochor)
ordnen sich in einer Äquatorialebene an. Zuletzt sind die Chromatiden nur noch in der
Centromerenregion vereint, ihr Auseinanderweichen zeigt das Ende der Metaphase an.
In der mitotischen Spindel kommt das Kalzium bindende Protein Calmodulin
besonders konzentriert vor, das für die Formbildung der Zelle von Bedeutung ist.
Die Telophase fällt i.a. mit der eigentlichen Zellteilung (Cytokinese) zusammen. In den
neu gebildeten Chromosomensätzen kommt es zur Auflockerung und Entschraubung
der Chromonemata. Nucleoli und Kernhülle werden neu gebildet, die Mikrotubuli des
Spindelapparats abgebaut und das frei gewordene Tubulin in der Zelle gespeichert
(oft in der Form von Mikrotubuli).
Bei der Pflanzenzelle wird in der Telophase zwischen den Tochterkernen der Phragmoplast
(aus Mikrotubuli) gebildet, in welchem die neue Mittellamelle der Zellwand angelegt wird.
Nach Abschluss von Karyokinese (Kernteilung) und Cytokinese (Zellteilung) wird die
Proteinsynthese, die während der Kernteilung reduziert war, wieder aktiviert. Generell
muss die Karyokinese nicht synchron mit der Cytokinese verlaufen.
Teilungsstadien der Eukaryota sind am häufigsten bei kurzlebigen Einzellern bzw.
embryonalen Geweben der Mehrzeller zu beobachten, jedoch auch in sich rasch
teilenden Geweben der höher organisierten Tiere, wie u.a. der Dermis der Vertebrata,
bzw. bei der Hämatopoese und Gametogenese.
Details zur Meiose
Bei der Meiose (Reifeteilung) wird der Chromosomensatz von 2n auf 1n reduziert,
d.h. es entstehen die haploiden Gameten. Wie bei der Mitose folgt die
Chromosomenkondensation einer S-Phase (Chromosom aus 2
Schwesterchromatiden, das Chromosomenpaar also mit 4 Chromatiden).
Bei der 1. meiotischen Teilung spalten die Chromosomen nicht wie bei der Mitose in
2 Tochterchromosomen auf. Während der Prophase (Prophase I) werden die
Chromosomen zu Fäden kondensiert (Leptotän), die sich im darauf folgenden Zygotän
paaren. Im Pachytän ist die Paarung homologer Chromosomen abgeschlossen, deren
Trennung erfolgt im Diplotän, wobei sie über die Chiasmen* verbunden bleiben. Die
Prophase I endet mit der Spindelbildung und dem Abbau der Kernhülle. Die
Anordnung der Bivalenten (Doppeleinheiten aus den 4 Chromatiden) in der
Äquatorialebene der Spindel kennzeichnet die Metaphase I. In der Anaphase I
gelangen 2 Chromatiden eines Bivalents zu den Spindelpolen. In der Telophase I kann
die Kondensation der Chromosomen aufgehoben werden. Häufig ist zwischen die
Telophase I und die Meiose II (s.u.) ein Interkinese-Stadium eingeschoben.
Die 2. meiotische Teilung gleicht einer 'haploiden Mitose'. In der auf die
Prophase II und Metaphase II folgenden Anaphase II trennen sich die beiden
verbliebenen Chromatiden um zu den (entgegengesetzten) Polen zu wandern. Die
neue Kernhülle entsteht in der Schlussphase der Meiose II (Telophase II).
*Im Chiasma überkreuzen sich die Chromatiden homologer Chromosomen.
Während der Oogenese der Amphibien treten vor allem im Verlauf der meiotischen
Prophase bis zu 200 m lange Lampenbürsten-Chromosomen mit Chromatinschleifen
auf, die sich zu typischen Metaphasestadien umbilden. Solche Chromosomen sind z.B.
auch in Teilungsstadien des Y-Chromosoms M Drosophila-Arten, oder im
teilungsfähigen Kern der Alge Acetabularia (Dasycladophyceae; 016) nachweisbar.
Die prämeiotische Phase der Oogenese der Mammalier fällt in die Pränatalphase der
Entwicklung, und zwar in die Perioden der späten Embryonal- bis frühen
Fetalentwicklung. Der Vorgang wurde besonders bei der Maus untersucht (BORUM
1966; MONNIAUX et al., 1997; McGAUGHEY & CHANG, 1969; THIBAULT et al., 1987),
beim Meerschweinchen unter der Berücksichtigung feinstruktureller Aspekte (ADAMS &
HERTIG 1964).
Ergänzungen
Die vermutlich einfachsten Eukaryota, die Caryoblastea (007), zeichnen sich offenbar
durch eine direkte Kernteilung aus, d.h. es finden beim Fehlen von Chromosomen
und Zentriolen keine Mitosen statt. Solche Amitosen sind auch bei Protozoen und
Organen hoch entwickelter Mehrzeller zu beobachten (Leber, Niere).
Die Chromosomen der Euglenophyta (009) bilden nicht immer eine typische
Metaphaseplatte. Die Kerne enthalten grosse Karyosomen, die den Nucleoli anderer
Eukaryota entsprechen dürften. Die Teilung der Zelle erfolgt in Längsrichtung.
Die Mitose der Opalinida (Flagellata; 088) erfolgt unter der Bildung der 'eigentlichen
Chromosomen' (Mikrochromosomen) und Satelliten mit Nucleoli (Makrochromosomen).
Zellzyklus im Überblick
Bis zum Ende der Interphase (Intermitose), d.h. der Periode zwischen 2 Zellteilungen
und der eigentlichen Wachstumsphase der Zelle, steigt die RNA-Produktion an; i.a.
erfolgt dabei keine DNA-Replikation (G1-Phase). Die G1-Phase ist bei Pflanzen z.B. in
Ruhestadien (Samen, Knospen) vorzufinden.
Während der Replikationsphase (S-Phase) erfolgt die DNA-Synthese:
1. Replikation von Euchromatin (S1), 2. Replikation von Heterochromatin (S2), die S1und S2-Phasen überlappen sich. In der S-Phase werden die Centriolen verdoppelt.
Auf die S-Phase folgt bis zur nächsten Prophase die G2-Phase.
Zellmembran, Zellwand
Die Zellmembran ist beim Mehrzeller die Schaltstelle für die Kommunikation der Zellen
untereinander und besteht prinzipiell aus einer Phospholipid-Schicht zwischen 2
Proteinschichten (z.B. TROSKO et al., 1990).
Häufigste Lipide in der Membran hoch organisierter Lebenssysteme sind die
Phospholipide, in Begleitung von Cholesterin und Sphingolipiden.
Weiteres zur Membran der Tierzelle in E-3.3. ("Strukturprinzipien").
Für die Pflanzen ist die Zellwand kennzeichnend, die neben ihrer physiologischen
Funktion besonders bei relativ geringem Plasmavolumen eine Stützfunktion der Zelle
erfüllt. Hauptbestandteil ist das Polysaccharid Cellulose. Verholzten Zellwänden ist
Lignin eingelagert.
Weiteres zur Zellwand in B-3.4.
Cellulose ist auch die Grundsubstanz der Zellwand der Pilze (C-3.); daneben sind u.a.
Verknüpfungen von Chitin und Glukanen als stabilisierende Strukturen nachweisbar.
Zell-Zell-Bindungen: Pflanzen B-3.5., Tiere E-3.4.
Geisseln (Flagellen) und Zilien
Geisseln und Zilien als Organellen der Bewegung sind haarförmige Zellanhänge aus
einem medianen Mikrotubuli-Dynein-System* (s.o.); sie gehen von Basalkörpern in
der Zelloberfläche aus.
*Proteinaggregat aus Polypeptidketten
Die häufig als Zilien bezeichneten Mikrovilli z.B. der Epithelien der Tiere setzen sich
aus Actinfilamenten zusammen.
Pinzipiell bestehen die Geisseln und Zilien der Eukaryota aus 9 äusseren (peripheren)
Mikrotubuli*-Paaren, die in gleichen Abständen angeordnet sind, sowie 2 inneren
(zentralen) Mikrotubuli (s.o.).
*Auch als Mikrofibrillen bezeichnet
Die Mikrotubuli bilden das Axonem als Stützstruktur und kontraktile Einheit. Das
Dynein-Mikrotubuli-System des Axonems treibt die Wellenbewegungen der Geisseln
bzw. das Schlagen der Zilien an. Zilien sind im Verbund zu synchronen Bewegungen
befähigt.
Bevor das Axonem von der Spitze der Kontraktionswelle erreicht wird, befindet es sich in einem
metastabilen physiko-chemischen Zustand. Die passive, durch eine herankommende
Erregungswelle herbeigeführte Deformation ändert das sterische und elektrostatische Verhalten
der Einheit.
An der Geissel- bzw. Zilienbasis enden die inneren Mikrotubuli an einem
Basalkörper (Granulum) nahe einer Basalplatte. Die äusseren Mikrotubuli
passieren die Platte und gehen dann in den Basalkörper über.
Ergänzungen
Zur Bewegung durch Geisseln und Zilien generell liegen detaillierte, z.T. ältere
Arbeiten vor (u.a. GIBBONS & GRIMSTONE, 1960; BRADLEY 1966; RINGO 1967, 1967a;
GIBBONS 1981).
Gameten
Die Gameten (Keimzellen) sind die haploiden Fortpflanzungszellen. Bei der
Befruchtung verschmelzen diese Zellen zur diploiden Zygote.
Höher organisierte Algen, Pilze (bereits die Chytridiomycetes, 078), Kormophyten
(Sprosspflanzen) und Tiere zeigen Anisogamie. Es sind grosse, an Plasma und
Reservestoffen reiche F Makrogameten (Oozyten) von den i.a. bedeutend kleineren,
plasmaarmen M Mikrogameten (Spermatozoen) zu unterscheiden.
Isogameten unterscheiden sich nur physiologisch voneinander (+, -).
Makrogamet (Oozyte)
Die Eizelle ist ist meist immobil und wird passiv durch Strömung des Mediums (Wasser
bzw. Körperflüssigkeit) oder durch Flimmerschlag (Zilien) transportiert. Das
morphologische Hauptmerkmal der Eizelle ist ihre Grösse im Vergleich zu den sie
umgebenden somatischen Zellen.
Nach der Befruchtung bilden die Eier Schutzhüllen (Algen, Nematoden, Cestoden,
Haie), Gallerthüllen (Fische und Amphibien) oder Kalkschalen (Sauropsiden).
Sonderbildungen der Eihülle dienen dem Anheften an Pflanzen (Insekten, Haie).
Mikrogamet (Spermatozoon)
Das Spermatozoon ist das einzellige, meist begeisselte Endglied der Reifung der M
Geschlechtszellen. Unter sukzessivem Plasmaschwund entsteht es bei den Pflanzen
durch Zerfall oder Umwandlung von Parenchymzellen, bei den Tieren über eine
unterschiedliche Anzahl von Spermatiden, die sich ohne Teilung durch mehrfache
Metamorphose fortentwickeln. Bei den meisten Tierarten sind die einzelnen Stadien
der Spermatidenreifung durch die Ausbildung eines Akrosoms, oder, bei
phylogenetisch ältesten Klassen, durch akrosomenähnliche Strukturen,
gekennzeichnet.
© Dr. H. Fritz
Herunterladen