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BRIEFING PAPER
zum 5. UN-Klimagipfel im Oktober 1999 in Bonn
Das Kyoto-Protokoll:
Ohne Alternative und voller Risiken
Stand: 23.10.1999
Autoren: Christoph Bals, Dörte Bernhardt, Gerold Kier, Dr. Manfred Treber
Dieses Briefing Paper kann in der jeweils aktuellen Fassung unter
www.germanwatch.org/rio/bpcop5.htm oder www.germanwatch.org/rio/bpcop5.rtf
abgerufen werden
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GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
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Inhalt
Einführung
Zwischenstand
Kyoto-Mechanismen
Lohnt sich denn der ganze Klimamarathon von Rio
über Kyoto bis Bonn?
 Um was geht es eigentlich beim Klimagipfel in
Bonn?
 Wie groß werden die Schlupflöcher im
Kyoto-Protokoll?
 Erste Anzeichen für eine ökonomische
Klimaschutz-Dynamik
Welche Ergebnisse wurden in Buenos Aires zur
Ausgestaltung des Kyoto-Protokolls erzielt und was
folgt daraus für die anstehenden Verhandlungen?
Wie können Reduktionsverpflichtungen im Ausland
erfüllt werden? Was sind die Neuerungen seit COP4?
 Emissions Trading (ET)
“Joint Implementation” (JI)
Clean Development Mechanism (CDM)
 Emissions Trading und Hot Air
 Emissions Trading und Liability

Demonstrable Progress
(nachweisbarer
Fortschritt)
Non-Compliance-Mecha
nismus
(Mechanismus zur
Erfüllungskontrolle)
Einbeziehung der
Entwicklungsländer
Flugverkehr
Der Clean Development Mechanism: 'Joint
Implementation' für Entwicklungsländer?
Welchen Nachweis über Fortschritte soll es schon vor
der ersten Verpflichtungsperiode geben?
Wie kann die Einhaltung der Verpflichtungen
gewährleistet werden?
Inwieweit und wann wird es zusätzliche
Verpflichtungen für Entwicklungsländer geben?
 Entwicklungsländer - Hauptbetroffene einer
Klimaänderung
 Freiwillige Selbstverpflichtungen von
Entwicklungsländern
 No-regret-Maßnahmen als Win-Win-Win-Option
 Position der USA in der Entwicklungsländerfrage
Wie beurteilt die Wissenschaft den Einfluß des
Flugverkehrs auf das Klima? Was bedeutet dies für die
Verhandlungen?
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
Einführung
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Lohnt sich denn der ganze Klimamarathon von Rio
über Kyoto bis Bonn?
 Um was geht es eigentlich beim Klimagipfel in
Bonn?
 Wie groß werden die Schlupflöcher im
Kyoto-Protokoll?
 Erste Anzeichen für eine ökonomische
Klimaschutz-Dynamik
Um was geht es eigentlich beim Klimagipfel in Bonn?
Bei all den Details, um die weit mehr als 100 Staaten im Bonner Hotel Maritim ringen und
angesichts der immer technischer werdenden Verhandlungssprache muß man auch die
Delegierten von Zeit zu Zeit daran erinnern, was auf dem Spiel steht. Bilder in den
TV-Nachrichten der letzten Tage erinnern daran: Kinder, die von Wassermassen mitgerissen
werden, Soldaten, die in letzter Minute Menschen vor dem Ertrinken retten: Die Bilder des
Oktober 1999 gleichen denen vom Herbst 1998. Knapp ein Jahr nach dem verheerenden
Hurrikan
Mitch
durchleben
hunderttausende
Mittelamerikaner
erneut
eine
Hochwasserkatastrophe ungewöhnlichen Ausmaßes. Aus Guatemala, Honduras, Nicaragua,
Costa Rica und Panama werden nach wochenlangen Regenfällen hunderte Tote, Verletzte und
Vermißte gemeldet. Hunderttausende verloren zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Monaten
ihr gesamtes Hab und Gut.
Natürlich kann man nie eine einzelne Wetterkatastrophe mit der globalen Klimaerwärmung in
Verbindung bringen. Zum guten Teil ist dies ein statistisches Problem. Stellen sie sich ein
Roulette-Spiel vor. Sie erhalten den Tip, daß die schwarzen Felder mit Magneten manipuliert
wurden. Und tatsächlich: von den nächsten 20 Würfen fallen 17 auf Schwarz. Aber auch wenn
beim 21. Wurf zum 18ten Mal die Kugel auf Schwarz liegen bleibt, ist dies kein Beweis, daß
die Kugel diesmal wegen der vermuteten Manipulation auf Schwarz fiel. Sie hätte ja in
diesem Fall auch rein zufällig auf Schwarz fallen können. Und es lassen sich sicherlich sogar
aus irgendeiner Spielbank Berichte vorweisen, daß schon einmal eine solche merkwürdige
Serie aufgetreten ist, und zwar ohne daß die schwarzen Felder manipuliert wurden. Also ist
sogar die Serie auch noch kein Beweis, daß tatsächlich manipuliert wurde. Alles richtig. Aber
wer würde in einer solchen Situation noch darauf setzen, daß die schwarzen Felder nicht
manipuliert wurden, zumal wenn dabei die Existenz ungezählter Menschen auf dem Spiel
steht?
Das internationale Wissenschaftlergremium mit der weltweit höchsten Autoritat zu
Klimafragen, der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), hat bereits 1995
gesagt: “Die Abwägung der Erkenntnisse legt einen erkennbaren menschlichen Einfluß auf
das globale Klima nahe”. Die 14 weltweit wärmsten Jahre seit Beginn der
Temperaturaufzeichnungen im Jahr 1866 traten alle seit 1980 auf. Das Jahr 1998 war global
das heißeste Jahr seit Temperaturmessung. Zugleich war es das Jahr mit den meisten
Wetterkatastrophen: der Hurrikan Mitch, die Dürren in Afrika, Asien und Südamerika, die
darauffolgenden Wandbrände in Indonesien und Brasilien, die gewaltigen
Überschwemmungen in China und Bangladesch. Inzwischen, darauf wies in diesem Jahr das
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GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
Internationale Rote Kreuz hin, gibt es auf diesem Globus mehr Umweltflüchtlinge als
Kriegsflüchtlinge. Viele befürchten, daß dies erst der Beginn eines Trends ist. So warnt der
weltweit größte Rückversicherer Münchener Rück: Der vom Menschen verursachte
zusätzliche Treibhauseffekt könne “nach heutiger Einschätzung zu einem Temperaturanstieg
um mehrere Grad innerhalb des nächsten Jahrhunderts führen und damit zu einer weiteren
Zunahme extremer Wetterereignisse”.
Am 25. Oktober 1999 beginnen in Bonn die UN-Klimaverhandlungen, der 5. UN-Klimagipfel
(COP5). Das Ziel dieses Gipfels klingt bescheiden: Am Ende hoffen die Vertragsparteien,
einen Verhandlungstext für den nächsten Klimagipfel in Händen zu halten. Wahrscheinlicher
ist, daß sie dem Vorsitz den Auftrag erteilen, auf Grundlage der Verhandlungsergebnisse
einen solchen Text vorzulegen. Erst beim nächsten Klimagipfel in Den Haag (COP6) soll der
Text dann verabschiedet werden. Dies bildet die Grundlage für die nächste Etappe des
Klima-Marathons: Eine hoffentlich schnelle Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch die
Industrieländer und damit ein Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls. Der Fortschritt ist eine
Schnecke.
Eine deutliche Vorreiterrolle der EU in der Umsetzung des Klimaschutzes könnte Schwung in
den “Verhandlungszirkus” bringen. Es geht darum, den Nachweis zu führen, daß Klimaschutz
ohne größere sozio-ökonomische Nachteile möglich ist. Dieser Nachweis könnte Treibstoff
für den Verhandlungsprozeß sein. Manche gehen sogar soweit, sich ganz auf die nationale
Umsetzung von Klimaschutz zu konzentrieren und meinen, auf den “Verhandlungszirkus”
könne verzichtet werden.
Eine solche Position zeugt von Unkenntnis der politischen Dynamik. Vorreiterrollen wird es
nur begrenzt geben, wenn nicht ein internationales Abkommen sicherstellt, daß die anderen
dem Vorreiter nachfolgen. Nur in diesem Fall hat der Vorreiter auch dauerhaft ökonomische
Trümpfe in der Hand – er kann nun die von ihm neu entwickelten Technologien exportieren.
Ja, mehr noch: fast alle Klimaschutzprogramme in Industriestaaten wurden im Kielwasser der
großen Verhandlungsrunden parlamentarisch auf den Weg gebracht oder durchgesetzt. So
wird sich in der Woche nach dem Klimagipfel in Bonn der Deutsche Bundestag erstmals in
dieser Legislaturperiode ernsthaft mit dem Klimaschutz beschäftigen. Dynamische
internationale Verhandlungen bringen Schwung in nationale Umsetzungskonzepte. Beherzte
Klimaschutzpolitik zuhause beschleunigt den Verhandlungsprozeß. Wir brauchen beides.
Klimaschutz zuhause und Klimaschutz international.
Wenn das Kyoto-Protokoll in Kraft tritt, heißt das, daß die Industriestaaten im Durchschnitt
ihre Treibhausgasemissionen bis zum Zeitraum 2008-2012 um 5 %, Deutschland gar um 21
%, gegenüber 1990 verringern müssen (siehe Kasten “Die Beschlüsse von Kyoto”, im
nächsten Abschnitt). Das ist nur ein erster Schritt. Aber ohne Protokoll wäre mit einem
Anstieg der Emissionen um 25 % in den Industrieländern zu rechnen. Im Vergleich dazu
bedeutet das Kyoto-Protokoll viel. Es bedeutet den Beginn des Ausstiegs aus dem fossilen
Zeitalter. Die Schnecke hätte einen Elefanten geboren.
Richtig ist, daß das Kyoto-Protokoll nach der Klimarahmenkonvention von 1992 nur ein
zweiter Schritt auf einem Klima-Marathon ist, dem in den kommenden Jahrzehnten viele
weitere Etappen folgen müssen. Spätestens bis Ende des nächsten Jahrhunderts sollten die
globalen CO2-Emissionen um etwa 60 % reduziert werden. Für Industrieländer mit ihrem
hohen Treibhausgasausstoß bedeutete das gar eine Reduktion um 80 %. Dazu bedarf es noch
sowohl vieler Klimagipfel als auch nationaler Umsetzungsprogramme.
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
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Wie groß werden die Schlupflöcher im Kyoto-Protokoll?
Der zurückliegende Klimagipfel in Buenos Aires (COP4, 2.-14. November 1998) erbrachte
kaum Fortschritte. Das wichtigste Ergebnis von COP4, der Aktionsplan von Buenos Aires,
legt fest, welche Arbeiten in den nächsten Jahren angegangen und wann sie erledigt werden
sollen. Solche Terminfestsetzungen sind in internationalen Verhandlungen immer ein
wichtiger Zwischenschritt. So sollen bis zum 6. Klimagipfel in Den Haag Ende 2000 / Anfang
2001 die offenen Fragen zu den Kyoto-Mechanismen geklärt sein. Dabei ist besondere
Aufmerksamkeit auf die Schwachstellen - oft auch als “Schlupflöcher” bezeichnet - zu
richten: Denn das Protokoll ermöglicht derzeit noch einige “Tricks”, mit denen auf dem
Papier Emissionsreduktionen nachgewiesen werden können, obwohl die Atmosphäre nicht um
eine einzige Tonne Treibhausgas entlastet wird. Zudem sind nicht alle Treibhausgasquellen
der Industriestaaten mit Reduktionspflichten versehen worden. Die Risiken des
Kyoto-Protokolls stehen vor allem in Zusammenhang mit:
 dem Handel mit “Hot Air” und “Tropical Air”. So bezeichnet man eine spezielle Variante
des Handels mit Emissionskontingenten (Emissions Trading), bei der solche Emissionen
gehandelt werden, die nicht vorher durch konkrete Maßnahmen eingespart wurden.
Vielmehr werden hier Kontingente gehandelt, die - ohne jegliche Klimaschutzmaßnahme durch ein unrealistisch niedriges Emissionsziel (im Fall von Rußland ist es ein
Stabilisierungsziel) für einige Länder zustandegekommen sind (näheres siehe Abschnitt
“Kyoto-Mechanismen”).
 den im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) durchgeführten Projekten in
Entwicklungsländern, die dazu führen, daß die Industrieländer zu Hause mehr
Treibhausgase emittieren dürfen, als in Kyoto festgelegt wurde (näheres siehe Abschnitt
“Kyoto-Mechanismen”). Denn sie dürfen sich die im Ausland erzielten
Treibhausgasverringerrungen vom nationalen Reduktions- oder Begrenzungsziel abziehen.
Dies ist in Ordnung, solange auf diesem Weg tatsächlich Vorreitertechnologien in
Entwicklungsländer exportiert werden. Bei der Frage, wieviel Treibhausgas-Reduktionen
wegen eines Projektes zertifiziert werden, ist man allerdings auf ein Referenzszenario
angewiesen: Wie wäre die Entwicklung ohne dieses zusätzliche Projekt verlaufen? Im
schlimmsten Fall könnten fast alle Exporte im Energiebereich – selbst neue
Kohlekraftwerke – zu Klimaschutz-Zertifikaten führen, etwa mit dem Argument, daß sie
weniger CO2 ausstoßen als alte Kraftwerke. So könnten die ohnehin getätigten Exporte
ohne irgendeinen zusätzlichen Klimanutzen zu einer erheblichen Reduktion der in Kyoto
für die Industrieländer ausgehandelten Ziele führen (näheres siehe Abschnitt
“Kyoto-Mechanismen”).
 der methodisch sehr ungesicherten Anrechnung von Wäldern als CO2-Senken, bei deren
Verankerung im Protokoll sogar noch ein Anreiz zum Abholzen von Urwäldern geschaffen
werden könnte, wenn diese durch schnellwachsende Plantagen ersetzt werden. Ganz unklar
und etwa temperaturabhängig ist, wieviel CO2 ein Wald tatsächlich binden kann. Wegen
dieser Unsicherheiten wurde der IPCC auf den Klimaverhandlungen im Juni 1998 um die
Erstellung eines Special Report gebeten. Erst nach Fertigstellung dieses Berichts (unter
dem Titel “Land Use, Land Use Change and Forestry”, voraussichtlich im Mai 2000) soll
eine Entscheidung fallen, inwieweit und mit welcher Methodologie Senken einbezogen
werden.
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GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
 dem internationalen Flugverkehr, im Kyoto-Protokoll überhaupt nicht reguliert wurde.
Dabei ist der Flugverkehr das große kommende und am meisten vernachlässigte
Klimaproblem. Wegen seines starken Wachstums ist damit zu rechnen, daß der
Flugverkehr die Hälfte der Treibhausgase, die durch das Kyoto-Abkommen verringert
werden, kompensiert. Bis Mitte des nächsten Jahrhunderts könnte er in etwa soviele
Treibhausgase ausstoßen, wie dann die Menschheit überhaupt ausstoßen darf, wenn sie das
Klimasystem nicht verändern will. Hier ist offensichtlich großer Handlungsbedarf gegeben
(siehe Abschnitt “Flugverkehr”).
Ein weiterer, noch vollständig auszugestaltender und ganz allgemein für die Wirksamkeit des
Protokolls bedeutsamer Punkt ist die Schaffung eines Mechanismus, der Hilfen und
Sanktionen für den Fall vorsieht, daß ein Land seine Klimaschutzziele nicht erreicht. COP4
erbrachte den Beschluß, eine gemeinsame Arbeitsgruppe der beiden Nebenorgane der
Konvention (SBSTA und SBI) zu errichten, mit dem Ziel, daß möglichst bis COP6 ein
Beschluß zu diesem Mechanismus gefaßt werden kann (siehe Abschnitt
“Non-Compliance-Mechanismus”).
Erste Anzeichen für eine ökonomische Klimaschutz-Dynamik
Angesichts des langsamen Fortschritts der Klimaverhandlungen verfallen manche in
Kleinmut. Hoffnungszeichen kommen da von unerwarteter Seite: Die wissenschaftlichen
Erkenntnisse über den menschgemachten Treibhauseffekt, das Abwägen der ökonomischen
Chancen und Risiken von Klimaschutz und die zunehmende öffentliche Diskussion haben in
der Wirtschaft bedeutende Entwicklungen angestoßen. Denn mit den Beschlüssen von Kyoto
hat die internationale Staatengemeinschaft ein unüberhörbares Signal an die gesamte
Wirtschaft ausgesandt und den Anfang vom Ende des fossilen Zeitalters eingeläutet.
Zum Teil ist die Klimaschutzdynamik heute im ökonomischen Bereich größer als im
politischen. Aus der Wirtschaft formierten sich mit dem US Business Council for Sustainable
Energy und dem European Business Council for a Sustainable Energy Future (e5) bereits
1992 bzw. 1996 zwei Zusammenschlüsse von Unternehmen, die stärkere
Klimaschutzmaßnahmen einfordern und stetigen Mitgliederzuwachs verzeichnen. Auch aus
den Reihen der Versicherungswirtschaft haben sich inzwischen mehr als 70 Versicherer
weltweit zusammengeschlossen, um in der UNEP-Initiative der Versicherer dem
Klimawandel zu begegnen.
Und mittlerweile orientieren sich selbst Mineralölkonzerne wie British Petroleum Amoco (BP
Amoco), Elf Aquitaine und Shell schrittweise um. Ihr Austritt hat die
Anti-Klimaschutz-Lobby Global Climate Coalition geschwächt. (Um so bedauerlicher, daß
Daimler durch die Verschmelzung mit Chrysler Mitglied in diesem Schmuddelverein
geworden ist). In den USA verkündeten im Jahr 1998 mehr als 20 große Unternehmen
gemeinsam mit dem Pew Center, das der globale Klimawandel real und das Kyoto-Protokoll
ein erster, wenn auch noch unzureichender Schritt sei. In der Investitionsbranche liegen die
ersten Klimaschutzindikatoren für Unternehmen auf dem Tisch. Intelligente Politik stützt
solche dynamischen Prozesse durch entsprechende Rahmensetzung. Es ist noch zu früh zu
sagen, ob die Tatsache, daß im Jahr 1998 erstmals seit 1982 der Weltenergieverbrauch und
CO2-Ausstoß abnahm, auch Ausdruck einer solchen Dynamik ist. Zumindest läßt aufmerken,
daß in den USA trotz starken Wirtschaftswachstums (3,9 %) der CO2-Ausstoß weitgehend
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
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stabil blieb und daß er in China bei einem (angegebenen) Wirtschaftswachstum von mehr als
7 % sogar um 4 % fiel.
Zwischenstand
Welche Ergebnisse wurden in Buenos Aires zur
Ausgestaltung des Kyoto-Protokolls erzielt und was
folgt daraus für die anstehenden Verhandlungen?
Ein zentrales Ergebnis des Erdgipfels in Rio de Janeiro 1992 war die Unterzeichnung der
Klimarahmenkonvention (Framework Convention on Climate Change, FCCC) durch über 150
Länder. Der Klimagipfel 1995 in Berlin, d. h. die erste Vertragsstaatenkonferenz (Conference
of the Parties, COP) der Klimarahmenkonvention, beschloß dann die Erarbeitung eines
Zusatzprotokolls mit konkreten Verpflichtungen für Industrieländer (“Berliner Mandat”).
Dieses Protokoll wurde Ende 1997 in Kyoto auf der COP3 verabschiedet - nicht zuletzt dank
des Geschicks von Verhandlungsführer Estrada. Es sieht u. a. vor, den jährlichen
Treibhausgas-Ausstoß der Industrieländer bis zum Zeitraum von 2008-2012 um
durchschnittlich 5,2 % gegenüber 1990 zu reduzieren (näheres siehe Kasten “Die Beschlüsse
von Kyoto”).
Die Vertragsstaaten hatten sich in Artikel 2 der Konvention dazu verpflichtet, die
atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen auf einem ungefährlichen Niveau zu
stabilisieren und somit Schaden von Mensch, Landwirtschaft und Ökosystemen abzuhalten.
Das Kyoto-Protokoll kann hierzu nur ein erster Schritt sein. Daß dafür sehr viel weitergehende
Reduktionsziele nötig gewesen wären, hätten sie aus dem 2. Bericht des unabhängigen
internationalen Wissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate
Change) herauslesen können. Diesen hatten auch die Vertragsstaaten als “derzeit
umfassendste und maßgebliche Bewertung der Wissenschaft” bezeichnet.
Wenngleich das Protokoll also noch viel zu schwache Reduktionsverpflichtungen enthält, die
zudem für einen sehr späten Zeitraum (2008-2012) vorgesehen sind, so weist es doch in die
richtige Richtung. Immerhin konnte man in Kyoto davon ausgehen, daß - wenn die Staaten
ihre Emissionsziele erfüllen - wegen des sonst anzunehmenden Wachstums die Emissionen
der Industrieländer im Jahre 2012 um etwa 30 % niedriger liegen werden, als es ohne ein
Umsteuern der Fall wäre; und daß in den Industrieländern die Treibhausgasemissionen in der
Folge nicht mehr steigen, sondern fallen.
Das Protokoll tritt allerdings erst in Kraft, wenn es von mindestens 55 Staaten ratifiziert
worden ist und dadurch gleichzeitig mindestens 55 % der 1990 von Industrieländern
ausgestoßenen CO2-Emissionen abgedeckt sind. Diese gehen zu rund 34 Prozentpunkten auf
das Konto der USA. Die USA haben deswegen eine Schlüsselposition für das Inkrafttreten des
Protokolls inne, machen ihre Ratifizierung jedoch u. a. von der Bedingung abhängig, daß die
Entwicklungsländer, zumindest zentrale Schwellenländer “aussagekräftige Verpflichtungen”
übernehmen. Diese Forderung nach Meaningful Participation von zentralen
Entwicklungsländern birgt ein nicht unerhebliches Konfliktpotential für das Verhältnis
zwischen Nord und Süd und könnte zu einem Scheitern des gesamten Prozesses führen
(näheres siehe Abschnitt “Einbeziehung der Entwicklungsländer”).
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GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
Viele Länder wollen erst dann ratifizieren, wenn die noch offenen Punkte im Kyoto-Protokoll
festgelegt sind (84 Vertragsstaaten haben das Protokoll unterzeichnet, fünfzehn Staaten darunter keine Industrienation - haben es bislang ratifiziert). Zu vielen Punkten, die für die
Wirksamkeit des Protokolls entscheidend sind, konnten in Kyoto nur sehr unkonkrete
Beschlüsse gefaßt werde.
Die Beschlüsse von Kyoto
Auf der UN-Klimakonferenz, die im Dezember 1997 in Kyoto stattfand, wurden u.a. folgende
Beschlüsse gefaßt:
 Reduktionsziele: Die Industriestaaten sollen insgesamt den Ausstoß von sechs klimaschädlichen
Gasen bis zur Zielperiode 2008-2012 um 5,2 % gegenüber 1990 verringern, aber in
unterschiedlichem Maße: etwa die EU und einige andere europäische Länder um 8 %, die USA um
7 %, Japan um 6 %, Rußland um 0 %. Einige Industrieländer (Norwegen, Island, Australien) dürfen
ihre Emissionen sogar noch steigern.
 Entwicklungsländer: Diese werden von der Reduktionsverpflichtung - zumindest in der ersten
Zielperiode - ausgenommen. Über den sogenannten Clean Development Mechanism sollen jedoch
Einzelprojekte gefördert werden, die sowohl dem Klimaschutz als auch der Entwicklung dieser
Länder dienen.
 Treibhausgase: Neben Kohlendioxid (CO2), Methan und Distickstoffoxid, die zusammen für 70-80
% des Treibhauseffekts verantwortlich sind, wurden v. a. auf Betreiben der USA
Schwefelhexafluorid und zwei weitere Gasgruppen einbezogen: teilhalogenierte und perfluorierte
Kohlenwasserstoffe (zusammen für ca. 2 % des Treibhauseffekts verantwortlich). [Die restlichen
Gase wurden wegen ihres Ozonzerstörungspotentials bereits über das Montrealer Protokoll
geregelt.]
 Flexibilität: Zu einem bestimmten Anteil können Reduktionsverpflichtungen auch im Ausland erfüllt
werden. Dies kann zum einen im Rahmen von Projekten in anderen Industriestaaten (Joint
Implementation) oder in Entwicklungsländern (Clean Development Mechanism) erfolgen. Zum
anderen können Industriestaaten untereinander mit Emissionskontingenten Handel treiben
(Emissions Trading). [Die vierte Vertragsstaatenkonferenz beschloß mit dem Aktionsplan von
Buenos Aires, Einzelheiten hierzu im weiteren Verhandlungsprozeß bis zur sechsten
Vertragsstaatenkonferenz festzulegen.]
 Inkrafttreten: Das Protokoll tritt in Kraft, wenn es von mindestens 55 Staaten ratifiziert worden ist
und dadurch gleichzeitig mindestens 55 % der 1990 von Industrieländern ausgestoßenen
CO2-Emissionen abgedeckt sind. Damit ist nicht vor dem Jahr 2001 zu rechnen.
Beim Kyoto-Protokoll ist jedoch nicht allein entscheidend, ob es in Kraft tritt. Mindestens
ebenso bedeutend ist, daß neue Etappen des Klima-Marathons eingeläutet werden, bis
Verpflichtungen schließlich angemessen sind, um dem Klimawandel zu begegnen. So sieht
Art. 4.2 der Konvention vor, diese Angemessenheit der Verpflichtungen regelmaessig zu
pruefen. Zuletzt sollte dies eigentlich bis zum 31.12.98 geschehen sein - COP4 erzielte hierbei
jedoch keine Ergebnisse. Der Bonner Klimagipfel (COP5) soll sich jetzt dazu äußern. Hiermit
könnte der Prozeß für schärfere Reduktionsziele der Industrieländer in der nächsten
Verpflichtungsperiode
(Commitment
Period)
eingeleitet
werden.
Diese
2.
Verpflichtungsperiode ist nach Auffassung von GERMANWATCH direkt an die erste
anzuschließen, soll also die Jahre 2013-2017 umfassen.
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
Kyoto-Mechanismen
Emissions Trading,
Mechanism
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Wie können Reduktionsverpflichtungen im Ausland
erfüllt werden? Was sind die Neuerungen seit COP4?
 Emissions Trading (ET)
“Joint Implementation” (JI)
Clean Development Mechanism (CDM)
 Emissions Trading und Hot Air
 Emissions Trading und Liability
 Der Clean Development Mechanism: 'Joint
Implementation' für Entwicklungsländer?
“Joint
Implementation”
und
Clean
Development
Das Kyoto-Protokoll gibt den Vertragsstaaten verschiedene Möglichkeiten, Emissionen auch
in anderen Ländern zu reduzieren, wenn dies dort kostengünstiger ist. Die Staaten erhalten
hierdurch mehr Flexibilität (Flexibility) beim Erreichen ihres Emissionsziels. Bis zu COP4
wurden diese Instrumente deshalb als Flexible Mechanismen (“Flex Mex”) bezeichnet, seit
COP4 heißen sie auf Vorschlag der Entwicklungsländer nun Kyoto-Mechanismen.
Das Protokoll gibt den Vertragsstaaten hierzu folgende Verfahren an die Hand (siehe auch
Tab. 1):
Emissions Trading (Emissionshandel) ist ein zwiespältiges Konzept. Einerseits ist es in
der Theorie ein sehr effizientes Instrument, um Klimaziele zu erreichen. Andererseits
erlaubt es reichen Staaten, statt die eigene Art des Wirtschaftens und den Lebensstil zu
ändern, Klimaschutzmaßnahmen in anderen Ländern durchzuführen. Deswegen hatten
viele NRO - auch GERMANWATCH - lange Zeit grundsätzliche Bedenken gegen dieses
Konzept. In Kyoto wurde nun beschlossen, daß Staaten, die Reduktionsverpflichtungen
eingegangen sind, im Rahmen eines Emissions Trading untereinander mit
Emissionskontingenten handeln können. Wenn ein solcher Staat in der Periode 2008-2012
weniger Treibhausgase emittiert als ihm zugestanden wurde, kann er die entsprechenden
Emissions-Kontingente an andere Staaten verkaufen, die ihre Emissionsziele nicht
erreichen (diese Kontingente werden im Verhandlungsjargon Assigned Amount Units,
AAU, genannt). Die gehandelten AAUs sind folglich nicht an tatsächliche Maßnahmen
zur Emissionsreduzierung gekoppelt (s. u.). Wahrscheinlich wird demnächst entschieden,
daß das Recht zu solchem Handel auch an private Akteure delegiert werden kann. Dieses
in Artikel 17 des Protokolls behandelte Verfahren ist nur zwischen Industrieländern
zugelassen, d. h. zwischen den im Anhang B des Protokolls aufgeführten Staaten.
Joint Implementation und Clean Development Mechanism: Ein Industrieland - oder ein
Akteur aus diesem Land - kann in einem anderen Staat Klimaschutzprojekte durchführen
und sich die hierdurch eingesparten Emissionskontingente für sein eigenes Emissionsziel
gutschreiben lassen. Im Gegensatz zu Emissions Trading sind diese Kontingente folglich
an tatsächliche Maßnahmen zur Emissionsreduzierung gekoppelt. Wird das Projekt in
einem anderen Industrieland (d. h. einem Land mit Reduktionsverpflichtungen)
durchgeführt, spricht man von “Joint Implementation” (JI; dieser Begriff taucht jedoch in
Artikel 6, wo das Verfahren geregelt wird, nicht auf). Das Durchführen von
entsprechenden Projekten in Entwicklungsländern hingegen findet im Rahmen des
sogenannten Clean Development Mechanism (CDM) statt (Artikel 12), für den andere
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
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Bestimmungen gelten (s.u.). Die anrechenbaren Emissionskontingente bezeichnet man bei
JI als Emissions Reductions Units (ERU), beim CDM als Certified Emissions Reductions
(CER) (siehe Tab. 1).
Die Kyoto-Mechanismen können einerseits ein ökonomisch effizientes und ökologisch
effektives Instrument sein, um kostengünstig Klimaschutzziele zu erreichen.
Zukunftsweisende Technologien und Konzepte wie Kraft-Wärme-Kopplung und Erneuerbare
Energien können durch JI und CDM in vielen Fällen eingesetzt werden, wenn sie ohne diese
Unterstützung knapp unterhalb der Rentabilitätsgrenze liegen würden. Die
Kyoto-Mechanismen bergen andererseits - je nach Ausgestaltung - einige ernsthafte Gefahren,
die in den folgenden Abschnitten angesprochen werden. Es gibt Akteure, die diese
Instrumente sofort benutzen wollen, ohne daß die entsprechenden Richtlinien im Detail
ausgearbeitet sind. Durch ihren Übereifer drohen sie die Seriosität dieser Mechanismen zu
zerstören. Andere Akteure wollen die Mechanismen gar so ausgestalten, daß
Treibhausgasreduktionen lediglich auf dem Papier, aber nicht in der Realität durchgeführt
werden.
Tabelle 1: Die Kyoto-Mechanismen und ihre Probleme
Mechanismu Artikel
Bezeichung der
s
(Kyoto-P transferierten
rotokoll) Emissionskontingente
Emissions
17
Assigned Amount
Trading (ET)
Units (AAU)
Begin
n
(Jahr)
Herkunft der
Emissionskontingente
2008
(1)
Anteile der in Kyoto Annex-B-Staat
zugebilligten
an
Emissionsmenge
Annex-B-Staat
Joint
6
Implementatio
n (JI)
2008
Durch zertifizierte
Projekte
eingesparte
Emissionen
Emission Reduction
Units (ERU)
Handelspartner
Annex-I-Staat
an
Annex-I-Staat
(2)
Problempunkte
-
Clean
Development
Mechanism
(CDM)
12
Certified Emission
Reductions (CER)
evtl.
schon
2000
Durch zertifizierte
Projekte
eingesparte
Emissionen
Nicht-Annex-I-S taat an
Annex-I-Staat
(2)
Hot Air
Tropical Air
Liability-Frage
Ansetzen zu hoher Baselines
Senken-Frage
Transfer der zweitbesten
Technologien
Proliferationsrisiko bei
Transfer von
Kernkraftwerken
Öffnen der “Industrieländer-Bubble”
Alle oben unter JI
aufgeführten Probleme, hier
jedoch in verschärfter Form
(1) Der Handel kann zwar schon vorher beginnen, bezieht sich jedoch nur auf solche Emissionen, die zwischen 2008 und 2012
eingespart werden; (2) Im Gegensatz zu Emissions Trading verweist das Kyoto-Protokoll hier nicht auf seinen eigenen Anhang,
sondern auf den Anhang I der Klimarahmenkonvention.
Emissions Trading und Hot Air
Manche Industrieländer haben sich auf der Kyoto-Konferenz ein unrealistisch niedriges
Emissionsziel erkämpft - oder besser: ertrotzt. So muß z. B. Rußland seine Emissionen nicht
reduzieren, wird jedoch auch ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen (d. h. bei einem
“Business-as-usual-Szenario”) im Jahr 2010 voraussichtlich mindestens 20 % unter dem
Niveau von 1990 liegen. Dies liegt vor allem am Zusammenbruch großer Teile seiner
Wirtschaft in den 90er Jahren sowie an der aktuellen Wirtschaftskrise und gilt in ähnlichem
Maß für die meisten mittel- und osteuropäischen Länder, die sich im Übergang zur
Marktwirtschaft befinden (Countries in Transition). Diesen Staaten werden folglich große
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
11
Emissionskontingente, die in diesem Fall als “Hot Air” bezeichnet werden, zum Verkauf zur
Verfügung stehen, ohne daß sie dafür irgendwelche zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen
ergreifen müssen.
Anzumerken ist hier, daß die im Kyoto-Protokoll festgelegte 5,2 %-Reduktion bereits enthält,
daß Rußland und andere ehemalige Zentralverwaltungswirtschaften ihre “Hot Air” veräußern.
Eine Lösung, die den Handel der Hot Air ausschließt, würde die durch das Kyoto-Protokoll
festgeschriebene Emissionsreduktion auf bis zu zehn Prozent verschärfen.
Eine ähnliche Situation wie bei der “Hot Air” könnte entstehen, sobald sich - worauf derzeit
v.a. die USA drängen - auch Entwicklungs- und Schwellenländer am Emissions Trading
beteiligen können, nachdem sie auf freiwilliger Basis rechtlich verbindliche Emissionsziele
akzeptiert haben. Hier besteht ebenfalls die Gefahr, daß ihnen Emissionsmengen zugestanden
werden, die weit über einem realistischen Business-as-usual-Szenario liegen. Damit würde
auch hier die Möglichkeit geschaffen, große Kontingente von lediglich “virtuell eingesparten
Emissionen” (in diesem Zusammenhang als “Tropical Air” bezeichnet) zu verkaufen. Diesen
Nachteil gilt es jedoch mit einem Vorteil abzuwägen: es könnten so mehr Staaten in den
Prozeß der Emissionsverpflichtungen eingebunden werden.
Die USA beispielsweise haben großes Interesse am Ankauf solcher “Hot Air” bzw. “Tropical
Air”, weil sie dann im eigenen Land weniger Maßnahmen umsetzen müßten. Aber auch in der
EU wächst das Interesse. Dem Klimaschutz ist damit nicht gedient: die Kontingente wurden
nicht durch reelle Klimaschutzmaßnahmen eingespart, erlauben dem Käuferland jedoch
tatsächlich, mehr Treibhausgase auszustoßen.
GERMANWATCH fordert:
 Für den Emissionshandel über die Kyoto-Mechanismen sollte eine Obergrenze (Cap oder
Ceiling) gelten, um zu gewährleisten, daß Reduktionsverpflichtungen zu einem
wesentlichen Teil auch zu Hause erfüllt werden. GERMANWATCH hält hierzu drei
Varianten für sinnvoll: 1.) Maximal ein Drittel der Emissionsmenge, die laut
Kyoto-Protokoll gegenüber 1990 verringert werden muß, darf im Ausland (d. h. über die
Kyoto-Mechanismen) reduziert bzw. eingekauft werden. Die Rückkehr zu den
Emissionen von 1990 - viele Länder haben ihre Emissionen seit 1990 noch einmal kräftig
gesteigert - sollten sie auf jeden Fall im eigenen Land verwirklichen. 2.) Ein Land darf
nicht mehr als 5 % seiner Emissionen von 1990 als Emissionskontingente kaufen oder
verkaufen. 3.) Es muß der Nachweis stetig sinkender Pro-Kopf-Emissionen geführt
werden.
 Das Problem einer Forderung nach einer solchen Cap bringt im Falle von Island und
Norwegen Probleme mit sich, dennoch sollte die EU die Forderung nach einer Seller-Cap
(Obergrenze für den Verkäufer) auf keinen Fall aufgeben, es sei denn es finden sich
andere Wege, die Hot Air weitgehend zu begrenzen. Ein Weg könnte der verpflichtende
Nachweis sein, daß eingekaufte Emissionen entweder nachweislich durch
Klimaschutzmaßnahmen reduziert wurden, oder daß das eingenommene Geld solchen
Maßnahmen zugute kommt. Diese Forderung ist um so wichtiger, je weniger sich die
Forderung nach einer Mengenbegrenzung (s. o.) durchsetzen läßt.
 Auf jeden Fall aber gilt: Bevor Emissions Trading zugelassen wird, muß ein
funktionierender Mechanismus zu Monitoring, Verifikation und Sanktionen vorhanden
sein.
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GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
Emissions Trading und Liability
Nur wenn ein Staat weniger Emissionen verursacht, als ihm durch das Kyoto-Protokoll
zugebilligt werden, darf er (oder private Akteure) die überschüssigen Emissions-Kontingente
(Assigned Amount Units, AAU) im Rahmen des Emissions Trading verkaufen. Der Verkauf
von AAUs, die nicht aus einem solchen Überschuß stammen (“faule AAUs”), muß folglich
unterbunden werden. Um dies sicherzustellen, sind prinzipiell unterschiedliche Regelungen
denkbar, wer für den Verkauf “fauler” AAUs nach welchem Verfahren haften muß.
Für das Verfahren sind zwei Regelungen vorstellbar. Zum einen könnten für den Verkauf
anhand von klar definierten Kriterien automatisch Sanktionen in vorher exakt bestimmter Art
und Höhe verhängt werden. Zum anderen könnte ein Gremium von Fall zu Fall über die
angemessene Sanktion entscheiden. Letzteres könnte zwar in Einzelfällen der jeweiligen
Situation gerecht werden, hätte jedoch gegenüber einem Automatismus den Nachteil, daß vor
allem bei einflußreicheren Staaten immer Gründe gefunden werden, keine Sanktionen zu
verhängen.
Auf die Frage, wer für den Verkauf “fauler AAUs” haftbar gemacht werden könnte, sind drei
Antworten denkbar:
a) der Verkäufer (Seller Liability / Verkäuferhaftung) (Position der USA) oder
b) der Käufer (Buyer Liability / Käuferhaftung) oder
c) beide.
Derzeit ist noch unklar, ob am Emissions Trading nur Regierungen oder auch private Akteure
teilnehmen dürfen. Sollte es auf die Regierungen beschränkt bleiben, so ist die Frage nach
Buyer Liability oder Seller Liability von geringerer Bedeutung - auch wenn selbst in diesem
Fall die Buyer Liability der wirkungsvollere Weg ist. Wird das Emissions Trading jedoch auf
private Akteure ausgedehnt, so wird die Frage nach Buyer Liability oder Seller Liability sehr
wichtig für die ökologische Effektivität des Emissions Trading im Sinne des Klimaschutzes.
Haftet der Verkäufer für “faule” AAUs (Seller Liability), so fliegt dies erst dann auf, wenn die
2008-2012 von seinem Heimatland ausgestoßenen Emissionen erfaßt worden sind.
Entsprechende Statistiken werden voraussichtlich erst ca. 2014 vorliegen. Zu so einem späten
Zeitpunkt kann jedoch ein Unternehmen, das z. B. im Jahre 2002 “faule” AAUs verkauft hat,
unter Umständen nicht mehr belangt werden (z. B. weil es inzwischen Konkurs angemeldet
hat). Und ob es tatsächlich gelingt, ernsthafte Sanktionen für den Verkäuferstaat (wenn er sein
Emissionsziel nicht erreicht) zu vereinbaren, steht völlig in den Sternen.
Dieses Problem kann durch die Einführung der Buyer Liability in Kombination mit einer
“Versicherung” gelöst werden. Hier haftet der Käufer, indem die gekauften AAUs ganz oder
anteilmäßig “abgewertet” würden. Er wird sich deshalb gegen den Schaden “versichern”, der
entsteht, wenn sich die gekauften AAUs als “faul” herausstellen. Die Höhe der Risikoprämie,
die er an ein Versicherungsunternehmen entrichtet, hängt klarerweise von der
Wahrscheinlichkeit ab, mit der das Herkunftsland der AAUs sein Kyoto-Ziel erreichen wird.
Je besser und glaubwürdiger das Emissionsszenario eines Landes ist, desto geringer fallen die
Risikoprämien aus, desto besser sind folglich die Marktchancen seiner Unternehmen für den
Verkauf von AAUs. Die hierfür benötigte Einstufung (Rating) der Länder kann durch die
Versicherungsunternehmen selbst oder - wahrscheinlicher - durch Rating-Agenturen erfolgen.
Eine so gestaltete Buyer Liability hat entscheidende Vorteile:
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
-
-
-
13
Es entsteht ein zusätzlicher Anreiz für das Verkäuferland, sein Kyoto-Ziel zu erreichen, da
dies die Marktchancen seiner Unternehmen steigert.
Das Einbringen von “faulen” AAUs in den Markt wird durch hohe Risikoprämien
erschwert.
Da die Risikoprämie beim Kauf aufgeschlagen wird, entsteht ein ab sofort wirksamer
Anreizmechanismus, nur “saubere” AAUs zu verkaufen. Ein solcher könnte bei der Seller
Liability erst 2014 greifen.
GERMANWATCH fordert daher:
 Für das Emissions Trading sollte die Buyer Liability gelten, da sie in Kombination mit
einer “Versicherung” für den Klimaschutz viel effektiver und ökonomisch effizienter, weil
unbürokratischer, als die Seller Liability ist.
 Sanktionen für den Handel mit “faulen” AAUs sollten anhand von klar definierten
Kriterien nach einem automatischen Verfahren und in vorher exakt bestimmter Art und
Höhe verhängt werden.
Der
‘Clean
Development
Entwicklungsländer?
Mechanism’:
‘Joint
Implementation’
für
Bei Joint Implementation (JI) und Clean Development Mechanism (CDM) werden nicht
Emissionskontingente anderer Länder gekauft. Sondern Akteure von Land A führen in Land B
Klimaschutzmaßnahmen durch, die sich Land A von seiner “Bringschuld” ganz oder teilweise
abziehen lassen kann. Die auf diesem Wege durch einen unabhängigen Zertifizierer
bescheinigten und dann gutgeschriebenen Emissionskontingente entsprechen der Differenz
aus zwei Werten: dem Emissionsniveau nach Fertigstellung des Projekts und der sogenannten
Baseline, d. h. dem Emissionsniveau, das ohne das Projekt entstanden wäre (also bei einem
Business-as-usual-Szenario). Ein Hauptunterschied zwischen JI und CDM ist, daß JI nur
zwischen Akteuren aus Industrieländern eingesetzt werden kann, während beim CDM
Projekte in Entwicklungsländern durchgeführt werden. Es gibt jedoch noch weitere, wichtige
Unterschiede:
Der CDM soll durch den damit geleisteten Technologietransfer zur nachhaltigen - d. h. vor
allem auch der sozial nachhaltigen - Entwicklung der Entwicklungsländer beitragen.
Der CDM führt zu einer Steigerung der Summe der in Kyoto für die Industrieländer
festgelegten Treibhausgas-Emissionen, d. h. zur sogenannten “Öffnung der
Industrieländer-Bubble”. Wenn hier “Mitnahmeeffekte” in größerem Stil ermöglicht
würden, verlöre das Kyoto-Protokoll enorm an Wert. Beispiel: Wenn sich die USA und
andere Länder die Treibhausgasreduktionen ihrer ohnehin etwa an China gelieferten
Kernkraftwerke gutschreiben lassen dürfte. Deshalb kommt es beim CDM ganz zentral auf
das zugrunde gelegte Referenzszenario (Baseline) an.
Der CDM soll, wenn bis dahin die Detailrichtlinien verabschiedet sind, bereits im Jahr
2000 beginnen, während JI-Projekte erst mit Beginn der Zielperiode (2008) angerechnet
werden können.
Mit dem CDM ist ein Finanzierungsmechanismus für vom Klimawandel betroffene
Entwicklungsländer verbunden, der durch Gebühren aus der Durchführung von Projekten
gespeist wird. Dessen Details sind jedoch noch völlig ungeklärt.
14
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
Bei Joint Implementation können im Gegensatz zum CDM Senken (CO2-Speicher durch
Wälder) angerechnet werden.
-
Sowohl beim CDM als auch bei JI könnten außerdem u. a. folgende Probleme entstehen:
Bei der Ermittlung der durch ein Projekt erzielten Emissionseinsparungen besteht die
Gefahr, daß diese vorsätzlich zu hoch angesetzt werden, indem die Baseline zu hoch
veranschlagt wird. Denn beide beteiligten Parteien haben ein Interesse daran: das
Geldgeberland, weil es billig Zertifikate erhalten will; das Empfängerland, weil es somit
für Investitionen attraktiver wird als seine Wettbewerber. Allerdings führt im Fall des JI
eine zu hohe Baseline nicht zu einer Verschlechterung der Kyoto-Ziele, was beim CDM
der Fall wäre.
Es wird allenfalls in wenigen Fällen “finanzielle Zusätzlichkeit” (Additionality)
festgestellt werden können. Darunter versteht man den Nachweis, daß das Projekt allein
aus ökonomischen Gründen nicht durchgeführt wird. Um so mehr kommt es darauf an,
klare und transparente Kriterien für die ökologische Effektivität des Projektes zu
entwickeln.
Es besteht die Gefahr, daß im Rahmen von Joint Implementation und Clean Development
Mechanism Projekte gefördert werden, die sich als Bumerang erweisen werden. So würde
z. B. der Transfer von Kernkraftwerkstechnologie ein nicht unerhebliches Sicherheits- und
Proliferations-Risiko darstellen. Andere Technologien, wie etwa effizientere
Kohlekraftwerke, könnten zwar unter Umständen zu kurzfristigen Emissionseinsparungen
gegenüber dem Business-as-usual-Szenario führen, stellen jedoch nur die zweitbesten
Technologien dar und würden auf lange Sicht im Vergleich zu Kraft-Wärme-Kopplung
oder regenerativen Energiequellen weitaus klimaschädlicher wirken. Außerdem muß eine
weitere Intensivierung der Kohlenutzung weltweit verhindert werden, um langfristig die
Klimaschutzziele zu erreichen.
Bei Projekten zur Schaffung von CO2-Senken ergäbe sich ein anderes Problem: hier
bestehen derzeit noch große methodische Unsicherheiten, wie ihre Wirksamkeit genau zu
quantifizieren ist. Eventuell wird dadurch sogar ein Anreiz geschaffen, alte, naturnahe
Wälder durch Plantagen schnell wachsender Hölzer zu ersetzen. Zur Zeit ist außerdem
noch nicht klar geregelt, ob Holzeinschlag und Brandrodung als CO2-Emission gerechnet
werden. Dies könnte zu der paradoxen Situation führen, daß großflächig Wälder abgeholzt
und anschließend kleinflächige Aufforstungen als CDM-Projekte durchgeführt werden.
Vor dem Hintergrund all dieser Probleme fordert GERMANWATCH:


Die ökologische Seriosität des Clean Development Mechanism muß sichergestellt sein.
Es muß gewährleistet sein, daß die angerechneten Emissionskontingente auch tatsächlich
eingespart wurden. Dies fordert nicht zuletzt klare Kriterien für die Auswahl der
Zertifizierer sowie ihre wirksame Kontrolle, bei der im Sinne des Klimaschutzes tätige
Nichtregierungsorganisationen ein Mitspracherecht haben müssen. Angesichts des
enormen Aufwands kann diese Mitwirkung von NRO nicht unentgeltlich erfolgen.
Im Rahmen von Joint Implementation und Clean Development Mechanism dürfen auf
keinen Fall Projekte anerkannt werden, die den Transfer von Kohle- oder
Kernkrafttechnologien beinhalten (auch die Regionalbanken, welche eine maßgebliche
Rolle bei der Durchführung von CDM-Projekten haben sollten, dürfen keine Fördermittel
für diese Technologien bereitstellen). Ein Beschluß über die Einbeziehung von Senken
sollte erst fallen, sobald die methodischen Fragen hinreichend geklärt sind, d. h. auf
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”



15
keinen Fall vor Abschluß des IPCC Special Report (Mai 2000). Im ersten Schritt sollten
nur Projekte zur Steigerung der Energie-Effizienz und zur Einführung von erneuerbaren
Energieträgern durchgeführt werden.
Um Fehlentwicklungen zu korrigieren und die ökonomische Dynamik in Richtung
Öko-Effizienz zu fördern, ist eine mit dem technischen Fortschritt sich verschärfende
Floating Baseline für CDM-Projekte unabdingbar (d. h. es sollte in einem regelmäßigen
Review-Prozess überprüft werden, inwieweit neue technische Entwicklungen eine
Anpassung der Referenzszenarien auch bestehender CDM-Projekte nahelegen). Damit
kann die Möglichkeit einer ungerechtfertigten Mitnahme von Emissionszertifikaten
verringert werden.
Um zu vermeiden, daß durch eine (schwache) Praxis Fakten geschaffen werden, fordert
GERMANWATCH von der COP5 eine Entscheidung: Wer CDM-Projekte (oder
AIJ-Projekte) startet, wird aufgefordert, sich Sicherheiten zu schaffen für den Fall, daß
diese Projekte den auf COP6 festzulegenden Kriterien nicht entsprechen.
Entgegen der Forderung der Bundesregierung hält GERMANWATCH es nicht für
sinnvoll, die AIJ-Pilotphase zu verlängern. Eine Fortsetzung der Pilotphase würde nur zu
mehr Komplikationen, Konfusion und politischen Problemen führen, da die Teilnehmer
argumentieren, daß sie für ihre in gutem Glauben getätigten Projekte rückwirkend
Kredite bekommen. Wer jetzt Projekte starten will, sollte dies ab 2000 im Rahmen des
CDM tun.
Demonstrable Progress
(nachweisbarer
Fortschritt)
Welchen Nachweis über Fortschritte soll es schon vor
der ersten Verpflichtungsperiode geben?
Eine Unsicherheit im Klimaprozeß beruht auf dem Sachverhalt, daß für Industrieländer zwar
rechtlich verbindliche und genaue Emissions-Reduktionsziele für die 1. Verpflichtungsperiode
(2008 - 2012) festgelegt sind, es jedoch für die Art und Weise der Durchführung bzw. für die
zeitlichen Fortschritte noch keine genauen Regeln gibt. Zwar haben die Industrieländer in der
Konvention das Ziel festgelegt, bis zum Jahr 2000 auf die menschgemachten
Treibhausgas-Emissionsniveaus von 1990 zurückzukommen, aber diese Forderung ist nicht
rechtsverbindlich. Viele Industrieländer der OECD werden dieses Ziel verfehlen.
Artikel 3.2 des Protokolls fordert jedoch, daß jedes Industrieland bis zum Jahr 2005 einen
nachweisbaren Fortschritt (“Demonstrable Progress”) auf dem Weg zur Erfüllung der
Vertragspflichten gemacht haben soll.
GERMANWATCH fordert:
 Die Nationalberichte der Industrieländer sollten verpflichtend Projektionen enthalten, wie
die jeweiligen “Kyoto-Ziele” erreicht werden sollen. Diese Projektionen sollten jeweils im
Rahmen der “In-Depth-Reviews” auf ihre Plausibilität überprüft werden.
 Diese Verpflichtung soll im Rahmen der Revision der Richtlinien für Nationalberichte in
diese Richtlinien aufgenommen und von COP5 endgültig verabschiedet werden. Damit ist
auch eine erste Abschätzung möglich, ob die nachgefragten und zur Verfügung gestellten
AAUs in Deckung zu bringen sind.
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GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
 In zwei “Stützjahren” 2005 und 2008 soll - anhand der eigenen Szenarien - der
“Demonstrable Progress” überprüft werden.
 Bei fehlendem Nachweis des “Demonstrable Progress” einzelner Länder tritt für diese ein
Verbot des Verkaufs von AAUs im Rahmen des Emissions Trading in Kraft.
 Bei fehlendem Nachweis der Industrieländer insgesamt treten eventuelle Verpflichtungen
der Schwellenländer in der zweiten Verpflichtungsperiode nicht in Kraft.
Non-Compliance-Mecha
nismus
(Mechanismus zur
Erfüllungskontrolle)
Wie kann die Einhaltung der Verpflichtungen
gewährleistet werden?
Ein zentraler Punkt des Protokolls sollte ein Mechanismus sein, der Hilfen und Sanktionen bei
Nichterfüllung der Verpflichtungen vorsieht (Non-Compliance-Mechanismus). In Artikel 18
des Protokolls kommt ein solcher zwar bereits zur Sprache, genauere Bestimmungen sind dort
jedoch noch nicht enthalten.
Neben solchen direkten Sanktionsmaßnahmen gibt es auch einen indirekten, moralischen
Druck. Dieser entsteht z. B. durch die schon in der Konvention festgelegte Verpflichtung zum
Veröffentlichen der Nationalberichte. Zudem würde der Druck auf die Industrieländer steigen,
wenn sie wissen, daß erst nach Erfüllung ihrer Reduktionspflichten die Schwellenländer
weitere Pflichten auferlegt bekommen (siehe Abschnitt “Einbeziehung der
Entwicklungsländer”). Der indirekte, moralische Druck wird jedoch um so geringer sein, je
mehr Länder an ihren Zielen zu scheitern drohen.
Ein wirkungsvoller Non-Compliance-Mechanismus ist unbedingt notwendig, damit
InvestorInnen, UnternehmerInnen und VerbraucherInnen nicht ihr Vertrauen in die
Klimaverhandlungen verlieren und um einen wirksamen Klimaschutz zu gewährleisten. Er ist
zudem eine essentielle Voraussetzung für das Funktionieren der Kyoto-Mechanismen und ist
in diesem Zusammenhang eng mit der Liability-Frage verknüpft. Denn der Wert gekaufter
bzw. verkaufter Emissionskontingente sinkt, wenn andere Akteure ihre Verpflichtungen nicht
einhalten und damit sozusagen eine Inflation der handelbaren Emissionsmenge bewirken
(siehe Abschnitt “Kyoto-Mechanismen”).
GERMANWATCH fordert daher,
 Ländern eine Unterstützung zu gewähren, sobald sich abzeichnet, daß sie Probleme beim
Erreichen ihrer Verpflichtungen haben werden,
 zu gewährleisten, daß in jedem Jahr der Verpflichtungsperiode diejenigen Staaten mit
einer gelben Flagge geahndet werden, die ihre Verpflichtungen vermutlich nicht erreichen.
Die betreffenden Staaten verlieren damit auch das Recht, AAUs im Rahmen des Emissions
Trading zu verkaufen.
 das Nichterreichen der Verpflichtungen nach einem noch festzulegenden Verfahren mit
spürbaren Sanktionen zu ahnden, die deutlich über den Kosten der
CO2-Minderungsmaßnahmen liegen.
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
17
 einen Compliance Fund einzurichten. Das Konzept eines Compliance Funds
komplementiert die existierenden Kyoto-Mechanismen, indem Vertragsstaaten und
privaten Handelsteilnehmern erlaubt wird, im vorhinein bestätigte Reduktionen von diesem
Fonds zu kaufen. Auf diese Weise kann innerhalb eines angemessenen
Nachbesserungszeitraums (True-up Period) im Anschluß an die Verpflichtungsperiode die
Erfüllung der Reduktionsverpflichtung gemäß Kyoto-Protokoll nachträglich erreicht
werden. In dem Fall, daß ein gut funktionierender Markt für Joint Implementation, CDM
und Emissionshandel entsteht, wird dieser Fonds kaum genutzt werden. Falls dies aber
nicht geschieht, kommt ihm außerordentliche Bedeutung zu. Größere Nachteile sind mit
ihm nicht verbunden.
COP4 setzte zur weiteren Behandlung der Compliance-Frage eine gemeinsame Arbeitsgruppe
unter SBI und SBSTA ein, um Prozeduren und Mechanismen auszuhandeln. Diese
Arbeitsgruppe muß der COP5 ihre Fortschritte berichten, welche dann bei Bedarf eine
Ad-hoc-Arbeitsgruppe, also ein temporäres Nebenorgan, dazu einsetzen kann.
Einbeziehung der
Entwicklungsländer
Inwieweit und wann wird es zusätzliche
Verpflichtungen für Entwicklungsländer geben?
 Entwicklungsländer - Hauptbetroffene einer
Klimaänderung
 Freiwillige Selbstverpflichtungen von
Entwicklungsländern
 No-regret-Maßnahmen als Win-Win-Win-Option
 Position der USA in der Entwicklungsländerfrage
Entwicklungsländer - Hauptbetroffene einer Klimaänderung
Als Entwicklungsländer gelten im Klimaverhandlungsjargon diejenigen Länder, die nicht im
Anhang I der Klimarahmenkonvention enthalten sind. Im fast deckungsgleichen Anhang B
des Kyoto-Protokolls sind die Türkei und Weißrußland nicht enthalten.
Wenn man über eine Einbeziehung von Entwicklungsländern in das Klimaregime diskutiert,
sollte man dies vor dem Hintergrund tun, daß Entwicklungsländer die Hauptbetroffenen einer
globalen Klimaänderung sind, die Industrieländer dagegen die Hauptverursacher derselben:
Da Entwicklungsländer stärker landwirtschaftlich strukturiert sind, sind sie von
Wetterextremen sehr stark betroffen. Auch sind ihre Böden extrem anfällig für wetterbedingte
Erosion. Darüber hinaus verfügen die meisten Entwicklungsländer nicht über genügend
finanzielle Mittel, um Gegenmaßnahmen (Deichbau u. ä.) zu treffen. Studien des IPCC
weisen darauf hin, daß die absolute Betroffenheit der Entwicklungsländer durch den
Treibhauseffekt in Zukunft übermäßig groß sein wird. Die Vorfälle in den Jahren 1997, 1998
und 1999 in Afrika, Asien und Lateinamerika zeigen, welche Auswirkungen
Wetterkatastrophen auf stark landwirtschaftlich strukturierte Länder haben können. In
Ländern Lateinamerikas und Afrikas gab es extreme Trockenperioden (z. B. Chile, Brasilien,
Sudan, weite Teile Ost-Afrikas). Der Hurrikan Mitch zog eine Spur der Zerstörung durch
Mittelamerika. Große Flutkatastrophen fanden sowohl in Lateinamerika als auch in Asien statt
(z. B. Mexiko, China, Indonesien, Indien, Bangladesch). In Bangladesch standen dabei 80 %
18
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
des Landes unter Wasser. Auch China hat hohe Schäden aufgrund von Überschwemmungen
hinnehmen müssen - wahrscheinlich der Hauptgrund dafür, daß sich die chinesische
Delegation schon bei der IPCC-Vollversammlung in Wien im Oktober 1998 deutlich stärker
engagiert und für eine intensive wissenschaftliche Untersuchung der durch Klimaänderung
gehäuft auftretenden Klimaextreme ausgesprochen hat.
Freiwillige Selbstverpflichtungen von Entwicklungsländern
Die Klimarahmenkonvention richtet sich prinzipiell sowohl an Industrieländer als auch an
Entwicklungsländer in ihrer Forderung, bezüglich des Klimaschutzes aktiv zu werden. So ist
z. B. das Erstellen von Nationalberichten über menschgemachte Treibhausgas-Emissionen
sowie die wahrgenommenen Möglichkeiten, Treibhausgase zu binden für alle Staaten
gleichermaßen vorgesehen. Rechtlich verbindliche Emissions-Reduktionsmaßnahmen sind im
Kyoto-Protokoll jedoch, entsprechend der Forderung des Berliner Mandats von 1995 und des
in der Konvention festgelegten Prinzips der “gemeinsamen, aber differenzierten
Verantwortung”, nur für die Industrieländer verankert.
Zwar hatten einige Entwicklungsländer aus Lateinamerika in Kyoto (auf Drängen der USA)
grundsätzlich signalisiert, eine freiwillige Selbstverpflichtung eingehen zu wollen und sich für
einen entsprechenden Artikel ausgesprochen. Die Aufnahme eines solchen Artikels über die
Möglichkeit freiwilliger, aber dann rechtlich verbindlicher Selbstverpflichtung für
Entwicklungsländer in das Kyoto-Protokoll scheiterte jedoch am Einspruch der meisten
anderen Länder des Südens. Das Protokoll behandelt konkrete klimaschützende Maßnahmen
in Entwicklungsländern nur im Rahmen des Clean Development Mechanism, also in Form
von Einzelprojekten, die Akteure aus Industrieländern tätigen (siehe Abschnitt
“Kyoto-Mechanismen”).
Als der Gastgeber Argentinien das Thema der freiwilligen Verpflichtung von
Entwicklungsländern in Buenos Aires 1998 wieder auf die Tagesordnung brachte, wurde es
erneut durch heftigen Einspruch vieler Entwicklungsländer (vor allem Indien und China)
abgeschmettert und von der Tagesordnung gestrichen.
Erwägt man Verpflichtungen für Entwicklungsländer, ist es wichtig, entsprechend den
Unterschieden in den ökonomischen und sozialen Bedingungen zwischen den einzelnen
Entwicklungsländer-Gruppen zu differenzieren. Schwellenländer lassen sich nicht in einen
Topf werfen mit den am wenigsten entwickelten Ländern (“Least Developed Countries”).
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es mindestens eine weitere große Kategorie. Auch die
USA schlagen inzwischen eine Differenzierung innerhalb der Entwicklungsländer vor. So
sprach sich Stuart Eizenstat (Delegationsleiter der USA in Kyoto) in einer Rede während des
informellen Ministertreffens in Tokyo im September 1998 für eine Einteilung der
Entwicklungsländer in 4 Kategorien aus, die jeweils unterschiedliche Verpflichtungen
eingehen sollten.
Ein Anreiz zu freiwilligen Selbstverpflichtungen von Schwellenländern wäre z. B. durch eine
Verknüpfung mit verstärkten Bemühungen seitens der Industrieländer um Technologietransfer
gegeben (EU-Position). Um glaubwürdig zu sein, müßte dies heißen, konkrete Schritte, etwa
den Aufkauf wichtiger relevanter Patente für Entwicklungsländer, zügig umzusetzen. 1998 hat
Süd-Korea als erstes Schwellenland eine freiwillige Selbstverpflichtung für die Verringerung
des CO2-Anstiegs in Aussicht gestellt. Die Verpflichtung soll ab dem Jahr 2018 in Kraft
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
19
treten. Süd-Korea beugt sich damit dem Druck der OECD. Die OECD befürwortet, alle
Schwellenländer, welche bereits OECD-Mitglieder sind, in das Klimaregime einzubeziehen.
Während COP4 hat Argentinien angekündigt, auf COP5 eine Selbstverpflichtung im Rahmen
der Konvention eingehen zu wollen, um damit bei allen Kyoto-Mechanismen mitmachen zu
können.
Auch von Transformationsländern, die bisher nicht im Annex I der Konvention stehen, gibt es
Bestrebungen, dort aufgeführt zu werden. So hat Kasachstan auf COP4 den Wunsch
ausgedrückt, Verpflichtungen zu übernehmen und dafür in Annex I aufgenommen zu werden.
Freiwillige Selbstverpflichtungen sind natürlich von Befürwortern des Klimaschutzes
erwünscht. Auch freiwillige Maßnahmen vieler Entwicklungsländer, die schon vor offiziellen
Verpflichtungen ergriffen werden, sind unter Klimaschutz-Aspekten äußerst positiv zu
bewerten. Tatsächlich werden schon jetzt in vielen Entwicklungländern bedeutende Schritte
im Klimaschutz unternommen, wie z. B. der Trend zu Energieeffizienz und erneuerbaren
Energieträgern durch Subventionsabbau für fossile Energieträger zeigt. So wurde in Kyoto
dargelegt, daß China durch Subventionsabbau weltweit gesehen vermutlich die
wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme überhaupt getroffen hat. Ein Problem bezüglich der
Verpflichtung für Entwicklungsländer besteht jedoch darin, daß eine Aufnahme von
Entwicklungsländern in den Annex B zu Emissionshandel führen würde, der eine große
Menge “Tropical Air” beinhaltet, da die Emissionsziele in einem ersten Verpflichtungsschritt
sehr moderat ausfallen würden (genauere Erklärung siehe Abschnitt “Kyoto-Mechanismen”).
Eine solche freiwillige Selbstverpflichtung eines Entwicklungslands könnte somit
paradoxerweise dazu führen, daß weltweit mehr Treibhausgase ausgestoßen werden. Der
Vorteil des Einbezugs von Entwicklungsländern ins Klimaregime würde somit teuer erkauft.
No-regret-Maßnahmen als Win-Win-Win-Option
Vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet ist es nötig, daß Entwicklungsländer sich zu
einem angemessenen Zeitpunkt am Klimaregime beteiligen, um das in Artikel 2 festgelegte
Ziel der Konvention zu erfüllen. Da jedoch aufgrund der Wirtschaftskrise in Ost-Asien und
der sehr angespannten wirtschaftlichen Lage in weiten Teilen Lateinamerikas die Emissionen
dieser Länder sanken und zukünftig geringer ansteigen werden als bisher angenommen, stellt
sich die Frage, ob eine Einbeziehung der Entwicklungsländer zur Zeit immer noch so
drängend ist wie es noch vor einem Jahr erschien. In China z. B. sanken 1998 die
energiebedingten CO2-Emissionen um 4 % - hier sogar trotz eines (angegebenen)
Wirtschaftswachstums von mehr als 7 %. Außerdem kann es bei einer zukünftigen
Verpflichtung für Entwicklungsländer nicht um absolute Emissionsreduktionen gehen,
sondern nur um eine Begrenzung des Emissionsanstiegs.
Die Mehrzahl der Entwicklungsländer selbst spricht sich gegen eine weitergehende
Beteiligung aus, da sie ihr Recht auf Entwicklung durch den Klimaschutz gefährdet sehen
oder Angst vor einem “neuen imperialistischen Trick” der Industrieländer zeigen. Für alle
Beteiligten am Klimaregime sollte selbstverständlich sein, daß für Entwicklungsländer die
Priorität auf ihrer sozio-ökonomischen Entwicklung liegt. Deshalb sind alle Forderungen nach
Klimaschutz, die diese Entwicklung nicht unterstützen, oder ihr gar im Wege stehen, weder
sinnvoll noch erfolgversprechend. Es gilt, in einer großangelegten Strategie sogenannte
Win-Win-Win-Optionen zu identifizieren und umzusetzen: die drei “Wins” stehen dafür, daß
hierbei 1. die sozio-ökonomische Entwicklung, 2. die Umwelt und 3. der Klimaschutz
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GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
profitiert. Viele Investitionen in Energieeffizienz fördern die ökonomische Effizienz,
reduzieren die Rohstoffabhängigkeit, verringern den Ausstoß klassischer Umweltschadstoffe
und nutzen dem Klima. Nach einer Studie der Cornell-Universität (USA) zählen inzwischen
durch Umweltprobleme verursachte Krankheiten zu den häufigsten Todesursachen in
Entwicklungsländern.
Zahlreiche
Klimaschutzmaßnahmen
würden
zugleich
Luftverschmutzung sowie andere Krankheits- bzw. Todesursachen vermindern. Gleichzeitig
verbessern derartige Maßnahmen oft die sozio-ökonomische Entwicklung. Solche
Win-Win-Win-Optionen können häufig als No-Regret-Maßnahmen durchgeführt werden, d. h.
ohne zusätzliche ökonomische Belastung.
Aufgrund dieses Sachverhalts ist es wichtig, daß auch die Finanzinstitutionen, welche die
Entwicklungsländer maßgeblich beeinflussen, diese Aspekte in ihren Förder- bzw.
Kreditvergaberichtlinien stärker berücksichtigen.
Die Welt ist sich einig, daß Reduktionen im globalen Treibhausgasausstoß nach einem
Equity-Prinzip (Gleichheits-/Fairneßprinzip) erfolgen sollen. Keine Einigkeit herrscht
allerdings darüber, was man dabei unter fair versteht. Es können z. B. gleiche
Pro-Kopf-Emissionen (Ausgangspunkt der GERMANWATCH-Position) gemeint sein, oder
auch gleiche Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmer (USA-Position), oder aber das gleiche
Recht auf Dienstleistungen und Produkte. Ferner kann man sich auf die historischen, also
akkumulierten, Emissionen eines Landes beziehen oder andererseits auf die aktuellen. Die
gegenwärtige Situation ist von der Zielsetzung einer Gleichverteilung von
Pro-Kopf-Emissionen noch meilenweit entfernt, was die jährlichen Pro-Kopf-Emissionswerte
z. B. von 1990 zeigen: für die USA 20 t CO2 im Vergleich zu 0,7 t für Indien. Sinnvoll könnte
deshalb auch eine Unterscheidung zwischen Luxusemissionen und Überlebensemissionen
sein. Gleiche Pro-Kopf-Emissionen müssen nicht zwangsläufig einen Anreiz für
Bevölkerungswachstum darstellen, wie oft eingewandt wird. Ganz im Gegenteil können
gleiche Pro-Kopf-Emissionen zu einem Anreiz gegen Bevölkerungswachstum werden, wenn
ein bestimmtes, relativ frühes, Basisjahr für die Referenzbevölkerungszahl zugrundegelegt
wird, z. B. 2005 oder 2015.
GERMANWATCH fordert:
 Es kann nur um eine Begrenzung des Emissionsanstiegs für die Schwellenländer gehen,
und nicht um absolute Emissionsreduktionen. Die Least Developed Countries sollten ganz
ohne quantitative Begrenzungen bleiben.
 In Entwicklungsländern sollten im Rahmen einer ersten formalen Verpflichtung
ausschließlich No-Regret-Potentiale, also Win-Win-Win-Möglichkeiten, ausgeschöpft
werden.
So
können
Klimaschutzmaßnahmen
verbunden
werden
mit
Entwicklungsinteressen, wie z. B. durch Elektrifizierung ländlicher Gegenden auf Basis
erneuerbarer Energien oder durch den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs in
Ballungsräumen, oder mit anderen heute drängenden Umweltproblemen.
 Die Weltbank, der IWF und die regionalen Entwicklungsbanken sollten die
Klimaverträglichkeit der Maßnahmen überprüfen, an die sie ihre Kredite knüpfen bzw. die
sie unterstützen.
 Eine Einbeziehung von Entwicklungsländern sollte unter dem Equity-Prinzip als
langfristigem Ziel erfolgen, das bedeutet für uns: gleiche Pro-Kopf-Emissionen für
Industrie- und Entwicklungsländer, ggf. mit einzubauenden Abwandlungen z. B. nach
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
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geographischer Lage (Kühl- und Heizbedarf). Dieses Equity-Prinzip sollte jedoch sowohl
mit dem Effizienz-Kriterium (“wie lassen sich CO2-Reduzierungen am kostengünstigsten
erreichen?”) als auch mit dem Möglichkeits-Kriterium (“welches Land hat die meisten
Möglichkeiten, Geld oder Technologie, um Reduktionen durchzuführen”?) verknüpft
werden.
Position der USA in der Entwicklungsländerfrage
Die USA gehen (gedrängt durch die fossile Lobby) so weit, daß sie den Einbezug von
Entwicklungsländern forcieren wollen, indem sie ihre Ratifizierung des Kyoto-Protokolls
abhängig machen von aussagekräftigen Verpflichtungen (“Meaningful Commitments”)
zentraler Entwicklungsländer wie China, Indien, Mexiko und Brasilien.
Würden die USA nicht ratifizieren, würde dies vermutlich Beispiel für andere Länder sein,
was ein Kippen des gesamten Protokolls bewirken würde (siehe Abschnitt “Zwischenstand”).
GERMANWATCH fordert daher
 Zusätzliche Verpflichtungen für Schwellenländer sollte es erst für die 2.
Verpflichtungsperiode (2013) geben. Als Bedingung für das Inkrafttreten muß jedoch
gelten, daß die Industrieländer bis zum Jahr 2005 tatsächlich Fortschritte nachweisen
können (siehe Abschnitt “Demonstrable Progress”).
Eine solche Strategie würde die fossile Lobby doppelt treffen, da zum einen die
Schwellenländer nicht im gleichen Maße wie die Industriestaaten von Öl und Kohle abhängig
würden und zum anderen die USA ihren wichtigsten Grund verlören, nicht zu ratifizieren,
womit das Inkrafttreten des Protokolls wahrscheinlicher würde. Das Knüpfen der zusätzlichen
Verpflichtung für die Schwellenländer an das Erfüllen der Verpflichtungen der Industrieländer
wäre außerdem ein guter indirekter Non-Compliance-Mechanismus für die Industrieländer.
22
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
Flugverkehr
Wie beurteilt die Wissenschaft den Einfluß des
Flugverkehrs auf das Klima? Was bedeutet dies für die
Verhandlungen?
Der Flugverkehr hat durch seine Abgase sowohl Auswirkungen auf das globale als auch auf
das regionale Klima. Zudem ist er die am schnellsten wachsende Quelle von
Treibhausgasemissionen und stellt damit ein großes Schlupfloch im Kyoto-Prozeß dar: Die
insgesamt durch das Protokoll zu erwartenden Treibhausgasreduktionen werden durch die
Zunahme der Emissionen des Luftverkehrs zur Hälfte aufgefressen. Aus diesen Gründen
wurde der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) angefragt, einen
Sonderbericht “Aviation and the Global Atmosphere” zu erstellen, der Mitte April 1999 nach
zweijähriger Vorbereitungszeit verabschiedet wurde. Dieser stellt den ersten Bericht des IPCC
dar, der einen einzigen Industriezweig und deren globale Auswirkungen untersucht. Die
berücksichtigte Literatur und die hinzugezogene Expertise sind derart umfangreich, daß dieser
Bericht wahrscheinlich auf Jahre hinaus die Referenz darstellt, wenn über das Thema
Luftverkehr und Klima diskutiert und entschieden wird (siehe Kasten “Einige Aussagen des
IPCC-Sonderberichts zu Luftverkehr und Klima”).
Einige Aussagen des IPCC-Sonderberichts zu Luftverkehr und Klima
Die einzigartige Eigenschaft von Flugzeugen besteht darin, daß sie sich einige Kilometer über der Erdoberfläche bewegen.
Dies hat zur Folge, daß die Emissionen des Flugverkehrs eine deutlich andere Wirkung aufweisen, als wären die gleichen
Stoffe auf dem Niveau der Erdoberfläche freigesetzt worden. So haben an sich harmlose Emissionen, wie etwa die durch
gefrierende Wassertröpfchen entstehenden Kondensstreifen, hier unerwünschte Auswirkungen. Auch die
Stickoxid-Emissionen der Flugzeuge sind stärker zu gewichten, als würden sie in Bodennähe ausgestoßen.
Die Menge der Emissionen des Flugverkehrs ist so hoch, daß sie die dominierenden menschgemachten Einflüsse in der
oberen Troposphäre und der unteren Stratosphäre (d. h. in Höhen von acht bis zwanzig Kilometer über der Erdoberfläche)
darstellen.
1992 stammten bereits 13 % der Kohlendioxidemissionen des gesamten Verkehrs von Flugzeugen. Derzeit ist der
Luftverkehr für etwa 2 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Sein Anteil an der menschenverursachten
Klimaerwärmung ist jedoch mit 3,5 % fast doppelt so groß, da beim Flugverkehr außer dem CO 2 auch die anderen
Emissionen stark klimawirksam sind. Wegen dieser zusätzlich zum CO2 auftretenden Verbrennungsprodukte der
Flugzeugtriebwerke ist der gesamte durch den Flugverkehr verursachte Strahlungsantrieb (das ist die Größe, die das Ausmaß
der zusätzlichen Erwärmung durch die Flugverkehrsemissionen angibt) zwei- bis viermal so hoch wie derjenige, der alleine
durch die Kohlendioxidemissionen des Luftverkehrs verursacht wird. Diese hohe Klimawirksamkeit des Flugverkehrs zeigt,
daß insbesondere in diesem Sektor Handlungsbedarf besteht.
Eine besonders hohe spezifische Klimabelastung geht von Überschallflugzeugen aus. Pro Reisenden-Kilometer wäre eine
hypothetische Flotte dieser Flugzeuge noch fünfmal klimaschädlicher als vergleichbare Unterschallflugzeuge. Weiterhin
trüge sie zum Abbau der stratosphärischen Ozonschicht bei.
Die Klimaauswirkungen des Flugverkehrs werden sich trotz der Ausschöpfung der (hohen) Energieeffizienzpotentiale und
Verbesserung beim Flugverkehrsmanagement selbst nach moderaten Szenarien bis zum Jahr 2015 gegenüber 1995
verdoppeln und sich Mitte des nächsten Jahrhunderts mindestens vervierfacht haben. Der IPCC untersuchte auch Szenarien,
bei denen sie sich bis zum Jahr 2050 verzehnfachen. In diesem Szenario wäre der Flugverkehr Ursache von 16 % der
weltweiten Kohlendioxidemissionen. Bei einer Trendfortschreibung werden alleine die Klimaemissionen des Flugverkehrs in
der Mitte des nächsten Jahrhunderts beinahe die Größenordnung dessen erreichen, was die Menschen langfristig insgesamt in
die Atmosphäre ausstoßen können, um das Klimasystem nicht zu verändern.
Fazit: Trotz großer technischer Fortschritte bei der Steigerung der Energieeffizienz und beim Flugverkehrsmanagement
werden die Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs weiter zunehmen. Um dies zu verhindern, müssen zusätzliche
politische Maßnahmen ergriffen werden. Dazu zählt der IPCC
- schärfere Emissionsstandards
- der Abbau umweltschädlicher Subventionen
GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
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- marktwirtschaftliche Instrumente wie Umweltabgaben1 oder Emissionshandel2 und
- Verkehrsverlagerung auf klimafreundlichere Verkehrsträger3.
Das Thema Flugverkehr wird in Artikel 2.2 des Kyoto-Protokolls behandelt. Demnach soll die
UN-Sonderorganisation für den internationalen Flugverkehr, die International Civil Aviation
Organisation (ICAO), die z. B. für das Erstellen von Emissionsstandards für Flugzeuge
zuständig ist, Maßnahmen zu Begrenzung und Verminderung der Flugverkehrs-Emissionen
verfolgen. Auf der 32. ICAO-Vollversammlung im Oktober 1998 in Montreal waren
allerdings - vollkommen unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit - teilweise sogar
Rückschritte in Punkto Klimaschutz zu verzeichnen. So appelliert die ICAO an die Staaten,
Klimaschutz-Vorreitermaßnahmen im Flugverkehr möglichst zu unterlassen. Konkrete
Maßnahmen wurden zu diesem Punkt nicht beschlossen. Die nächste ICAO-Vollversammlung
findet zudem erst 2001 statt.
Ein offener Aspekt ist die Frage der Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr (wie die
des internationalen Seeverkehrs). Diese tragen das Problem in sich, daß sie sich nicht in
natürlicher Weise einem Staat zuordnen lassen. Über diese Zuordnung (Allokation) der
Flugverkehrsemissionen verhandelte zuletzt das wichtige Nebenorgan SBSTA während der
Klimaverhandlungen 1996 in Genf - ergebnislos. Solange jedoch die Allokations-Frage nicht
geklärt ist, trägt formal niemand die Verantwortung für die Emissionen aus dem
internationalen Flugverkehr. Dies bedeutet, daß kaum Anstrengungen stattfinden, diese
Emissionen zu verringern.
Es gibt verschiedene Vorschläge zur Allokation. So könnten die Emissionen z. B. wahlweise
dem Staat zugeordnet werden,
 in dem der Flugtreibstoff verkauft wird,
 in dem sich der Sitz der Fluggesellschaft befindet, wobei der Sitz als das Land zu
definieren wäre, in dem die meisten Starts bzw. Landungen der Fluggesellschaft
stattfinden,
 in dem sich der Start- oder Ziel-Flughafen des Flugzeugs befindet oder
 in dem sich der Start- oder Ziel-Flughafen der Passagiere bzw. der Fracht befindet.
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Eine Erhöhung des Kerosinpreises durch eine Abgabe hat Studien zufolge keinen
nennenswerten langfristigen Einfluß auf das Nachfragewachstum. Ihre größte Wirkung hat sie,
vor allem falls weltweit eingeführt, auf die Energieeffizienz der Flugzeuge (die Treibstoffkosten
liegen bei 20 Prozent der Betriebskosten): So würde eine jährliche Steigerung des
Treibstoffpreises um fünf Prozent zu einer Abnahme des Treibstoffverbrauchs des Flugverkehrs
um mindestens 30 Prozent bis 2020 gegenüber dem Referenz-Szenario führen.
Gegen die Einführung der Flugverkehrsemissionen in ein Emissionshandelsregime spricht, daß
dabei der Wert des Gutes, das gehandelt werden soll, gar nicht bekannt ist: Man weiß gar nicht,
was man handeln soll.
Damit ist gemeint, daß zwar die von Flugzeugen ausgestoßene Kohlendioxidmenge
quantifizierbar ist - jedoch ist dies lediglich ein Teil der von Flugzeugen ausgehenden
klimaerwärmenden Substanzen. Führte man Handel ein (a priori nur von CO2, denn Stickoxide
und Kondensstreifen sind nicht einmal Kyoto-Gase), könnte man sich für Aufwendungen, die nur
das CO2 (als ein Gas in einem “Sack” mit anderen Gasen) entgelten, buchhalterisch der Last
des gesamten Müllsacks (mit einem unbestimmten Inhalt an Sondermüll) entledigen. Man
kaufte sich mit nur einem kleinen Teil der an sich notwendigen Kompensation frei, wobei das
Klima wegen der nicht kompensierten übriggebliebenen Teile entgegen der Idee dieses
Ausgleichs durch den Emissionshandel wärmer würde.
In Europa könnten höchstens 10 Prozent der Flugpassagiere auf Hochgeschwindigkeitszüge
verlagert werden.
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GERMANWATCH Briefing Paper “Das Kyoto-Protokoll: Ohne Alternative und voller Risiken”
 Die Allokation könnte auch nach der Nationalität der Passagiere erfolgen.
Dabei können v.a. das Verursacherprinzip (Gerechtigkeit) und die Operationalisierbarkeit als
Kriterien der Entscheidungsfindung dienen.
Die Diskussion zur Allokation auf den Klimaverhandlungen schreitet nur langsam voran, da
einflußreiche Kräfte (wie die USA) behaupten, der Auftrag des Klimagipfels in Kyoto zur
Allokation beträfe lediglich die Zuordnung der Emissionen in den Nationalberichten und nicht
die Übernahme der Verantwortung für die Emissionen durch die Vertragsstaaten.
GERMANWATCH begrüßt und unterstützt in der Frage der Allokation die Forderungen der
EU und der Schweiz.
GERMANWATCH fordert:
 Die klimapolitischen Vorgaben sollen von der Klimakonvention kommen. Darauf
aufbauend soll die ICAO die Rahmenbedingungen für das Ergreifen der notwendigen
Maßnahmen zur Zielerfüllung schaffen.
 Vorrangiges Ziel der nächsten Runde der Klimaverhandlungen im Juni 1999 den
Flugverkehr betreffend sollten Fortschritte bei der Allokation der Emissionen des
internationalen Flugverkehrs (“emissions from international bunker fuels”) sein. Da
hierfür bereits Vorschläge ausgearbeitet wurden und den Vertragsstaaten vorliegen, geht
es darum, einen Zeitplan zu verabschieden, wann die Entscheidung zur Allokation gefaßt
werden soll. Anzustreben wäre eine Beschlußfassung auf COP5.
 Für die erste Verpflichtungsperiode schlagen wir vor, die Emissionen demjenigen Staat
zuzuordnen, in dem der Flugtreibstoff verkauft wird. Dies stellt zwar keine nach allen
Kriterien zufriedenstellende Lösung dar, ist aber der im Moment beste Kompromiß
zwischen den Aspekten des Verursacherprinzips und der Operationalisierbarkeit und
gewährleistet eine schnelle Umsetzung. Als Ziel sollte gelten, mit zunehmendem
wissenschaftlichen Kenntnisstand baldmöglichst ein Allokationsverfahren zu erreichen,
das noch stärker am Verursacherprinzip orientiert ist.
 Nachdem jetzt der IPCC-Sonderbericht zu Flugverkehr und Klima vorliegt und die
Klimawirksamkeit der Stickoxidemissionen und der Kondensstreifen deutlich aufzeigt,
drängt es sich förmlich auf, diese Stoffe auch in das Klimaregime einzubeziehen. Konkret
heißt das, daß der bisher sechs Gase umfassende Kyoto-Korb (vgl. Abschnitt
“Zwischenstand”, Kasten “Die Beschlüsse von Kyoto”) für die 2. Verpflichtungsperiode
um diese Stoffe zu erweitern ist.
 Die internationalen Flugverkehrsemssionen sollten jetzt noch nicht in ein
Emissionshandelsregime einbezogen werden, da die Klimawirksamkeit der Emissionen des
Flugverkehrs abseits des CO2 noch nicht exakt genug quantifizierbar ist, so daß ihr
Handels-“Wert” nicht festgelegt werden kann.
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