Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 1 von 6 FRANZ SCHUBERT geb. 31. 1. 1797 Lichtenthal bei Wien gest. 19. 11. 1828 in Wien Franz Schubert war ein Vertreter der Romantik, wird aber auch zu den “Wiener Klassikern” gezählt - wobei er der einzige gebürtige Wiener wäre. Sein großes Vorbild war Ludwig van Beethoven, doch wie schon Händel und Bach, und Wagner und Verdi einander nie begegneten, so sollte auch ihm das Vergnügen verwehrt bleiben. Er war das vierte überlebende von elf Kindern des Volksschullehrers Franz Theodor und seiner Frau Elisabeth. Im Alter von sechs Jahren (1803) tritt er in die vom Vater geleitete Schule ein und lernt mit acht Jahren (1805) bereits Violine beim Vater und Klavier beim ältesten Bruder Ferdinand spielen, und erhält außerdem Gesangsunterricht beim Chorleiter der Lichtenthaler Pfarrkirche, Michael Holzer. Sehr bald singt er Sopransoli und übernimmt den Bratschenpart im Familienquartett. 1908 erhält er wegen seines auffallenden musischen Talents und seiner schönen Stimme einen Freiplatz im Stadtkonvikt der Hofsängerknaben wo einer seiner Lehrer Wenzel Ruzicka war. Im Alter von 14 bis 16 schreibt er immer besser werdende Werke. Er reift und bringt immer neuere Ideen hervor. Man sagt sogar, er habe seine Werke wie Mozart schon fertig im Kopf gehabt. In seinem sechzehnten Lebensjahr stirbt seine Mutter - sein Vater wird wieder heiraten - und er bekommt von A. Salieri Kompositionsunterricht. Salieri ist neben Beethoven der wohl namhafteste Musiker Wiens. Ein Jahr später schreibt er seine 1. Messe: “Gretchen am Spinnrade”. Er gestaltet Goethes Seelengemälde fast zu einem Psychodrama. Ein paar Monate später entsteht wieder zu einem Goethetext “Der Erlkönig”. Trotz seiner 17 Jahre ist Schubert körperlich und geistig fast noch ein Kind. Er schreibt sogar 15 ½jährig auf ein Chorblatt: “Zum letzten Mal gekräht”. Bei seinem Schulaustritt schenkt er seinem Konviktsdirektor seine erste Sinfonie. Sein Vater entfremdet sich von ihm und wirft ihm “Lebensuntüchtigkeit” vor, was in seinem Sinne sicher zutrifft. Er macht seinen Sohn zum Schulgehilfen - eine Art Lehrer - an der Schule seines Vaters, doch die Schüler zeigen keinen Respekt vor ihm. In dieser Zeit entstehen Quartette, Sätze für ein Bläseroktett, eine “Grande Sonate” für Klavier, 30 Menuette, viele “Deutsche Tänze”, geistliche Musik und viele Lieder. 1814 wird in der Lichtenthaler Kirche seine erste Messe gesungen. Er verliebt sich in das Mädchen, das den Sopran singt, doch es ist nur die erste von mehreren unglücklichen Lieben seines Lebens. Aber er gewinnt auch Freunde wie kein anderer großer Künstler der Musikgeschichte. Er schart eine Reihe von jungen Dichtern, Malern und anderen Künstlern um sich, mit denen er abends öfter musiziert und die sich die “Schubertianer” nennen. Diese Abende werden “Schubertiaden” genannt. Schubert gibt dort oft neue Werke zum Besten. Er schreibt eine 2. + 3. Sinfonie, 4 Opern, im Jahre 1817 die 4. + 5., außerdem schreibt er in diesem Jahr das 11. Quartett (von insgesamt 15), viel Kammermusik, zahlreiche Klavierstücke (darunter 110 Tänze), eine 4. Messe und Chormusik. Ein treuer Freund Schuberts schickt einmal eine Sammlung der schönsten vertonten Verse an deren Autor, Johann Wolfgang von Goethe, doch es kam zu Schuberts Lebzeiten nie eine Antwort. Erst nach dessen Tod erwähnt der altgewordene Dichter diese Lieder seinem Chronisten gegenüber. Andere Sendungen gehen an den Leipziger Musikverlag Breitkopf&Härtel, wo Schubert jedoch nicht bekannt ist, da er noch nie öffentlich aufgetreten Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 2 von 6 ist. Der Verlag schickt die Werke, darunter auch der “Erlkönig”, an einen Dresdner Kirchenkomponisten gleichen Namens, der die Werke aber empört über den “Mißbrauch” seines Namens wieder zurückschickt. Tief berührt war Schubert von dem Gedicht “Der Wanderer” von dem unbekannten Künstler Georg Philipp Schmidt von Lübeck. Ein paar Stellen daraus: “Die Sonne dünkt mich hier so kalt, die Blüte welk, das Leben alt; und was sie reden, leerer Schall - ich bin ein Fremdling überall...” und der Höhepunkt: “Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück.” Beschreibt es nicht Schuberts Leben ? Wie schon oben erwähnt ist das Jahr 1817 voll von gewaltigen Leistungen. Ihm gehen langsam die Texte aus vor lauter Ideen, und so müssen manchmal Freunde einspringen und rasch etwas dichten. Es ist auch das Jahr, in dem er sich endgültig aus der Schule des Vaters zurückzieht. Schubert war nun einmal nicht zu einem “festen” Beruf geeignet, denn die Inspiration überfiel ihn Tag und Nacht. Also zieht er zu seinem Freund Schober, wo zahlreiche Werke entstehen: Das ergreifende Lied “Der Tod und das Mädchen” (nach Matthias Claudius), “Die Forelle” (nach Christian Schubart) und die Hymne “An die Musik” nach den Worten seines Freundes und Gastgebers Schober - Schubert waren wieder einmal die Texte ausgegangen. Der erste vollgültige Sänger von Schuberts Liedern war der Hofopernsänger Johann Michael Vogl, der 1817 zu den “Schubertianern” stößt. Es war überdies sehr schwer einen Klavierspieler zu finden, der sich dazu bereit erklärt, “nur” die Begleitung zu spielen. Im Jahr 1818 ist er Klavierlehrer zweier Komtessen bei Graf Esterhazy. Natürlich verliebt er sich in beide, komponiert vierhändige Klavierstücke für sie, wird aber von ihnen enttäuscht. Sein erstes Orchesterstück (“Ouvertüre im italienischen Stil”) wird öffentlich aufgeführt. Eigentlich hatte er es nur geschrieben, um seinen Freunden zu zeigen, daß er des großen Rossinis Stil zu treffen im Stande ist. 1919 singt der Tenor Franz Jäger erstmals ein Schubertlied (“Schäfers Klagelied”) vor einem Konzertpublikum. Als Schober auf einen neuen Dienstplatz versetzt wird, verliert Schubert einen seiner besten Freunde und es heißt Abschied nehmen. Er zieht daraufhin zu einem anderen getreuen “Schubertianer”, Franz Meyerhofer. Im Sommer 1919 lädt ihn der Sänger Vogl auf eine Reis ein dessen oberösterreichische Heimat ein. Es ist Schuberts erste wirkliche Reise und sie ist voll mit menschlichen und musikalischen Eindrücken. Briefe nach Wien berichten von dieser Begeisterung, woraus auch das “Forellenquintett” entsteht, das die blauen Seen, die freundlichen Berge, und die lieblichen Dörfer widerspiegelt. Seine Werkliste hält mittlerweile bei Opus 120, wobei Lieder nur in großen Bündeln zusammengefaßt gezählt sind. Das Jahr 1820 hätte zu Schuberts Durchbruch führen können. Es werden seine Opern “Die Zwillingsbrüder” und “Die Zauberharfe” in Wien uraufgeführt, jedoch ohne großen Erfolg. Ähnlich ist es mit anderen Bühnenwerken. Manche der Texte stammen aus den Federn von Freunden, aber hätte nicht Schuberts Musik genügen müssen, um diese Dilettantenwerke zu retten ? Bei Liedern hätte es wahrscheinlich genügt, doch auf dem Theater nicht. Außerdem war mit Liedern, Sinfonien, oder Kammer- oder Instrumentalmusik kein Ruhm zu erlangen. Schubert, der es schaffte das Publikum in zwei- bis dreiminütigen Werken durch seine atemberaubende Dynamik zu erschauern, versagte bei längeren Bühnensteigerungen und brachte sie kaum zu einem echten Höhepunkt. So blieb Franz Schubert weiter ein Unbekannter in der Musikwelt Wiens und auch Europas. 1821 beginnt jedoch recht gut. Vogl singt den “Erlkönig” und das Werk erscheint als Opus 1 im Druck. Das Gesangsquartett “Das Dörfchen” entzückt das Publikum. Schubert ist noch immer zurückhaltend und schüchtern. Sein Freund Moritz von Schwind zeichnet ihn immer wieder und so kommt es, daß wir am meisten lebensprühende Dokumente gerade von jenem Meister besitzen, der als der seinerzeit Unbekannteste von allen gelten muß. Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 3 von 6 Schubert arbeitet dann an der Oper “Alfonso und Estrella”, zu der wieder der Freund Schober den Text schrieb. Sie wurde auch ein Mißerfolg. Jedoch ist das Werk historisch bedeutsam: Es ist die erste deutsche Oper ohne gesprochene Dialoge - also “durchkomponiert” - und nicht, fünf Jahre später, Webers “Euryanthe”. Obwohl Vogl in Dresden und Berlin um diese Oper kämpfte, sie aber niemand wollte, nannte sie Liszt später ein “Muster dramatischer Deklamation”. In den nächsten Jahren wird es ruhig um Schubert. Er komponiert viel, spielt es abends seinen Freunden vor und geht mit ihnen in kleine Schenken am Rande der Weinberge, oder in Konzerte berühmter durchreisender Künstler, wobei ihn Paganini tief beeindruckt. 1822 schreibt er an einer neuen Sinfonie, kommt aber nicht über den 2.Satz hinaus, denn er kann diesem einfach keinen beschwingten, tanzartigen und frohen 3. Satz folgen lassen, wie es die Regel erfordert. Er wollte er wäre Beethoven, der sich bei einer Inspiration keinen Deut um Regeln kümmert. Schubert schickt das Manuskript an den erfahrenen Kollegen Anselm Hüttenbrenner, der früher einer seiner Kameraden war und jetzt Leiter des Grazer Musikvereins ist, um ihn um Rat zu Fragen, doch dieser hat zu viel zu tun und verschiebt die Antwort. 43 Jahre später findet der Wiener Musikdirektor in Hüttenbrenners Nachlaß 2 Sinfoniesätze Schuberts, eine “unvollendete Sinfonie” des inzwischen 40 Jahre toten und berühmt gewordenen Komponisten, der zum “Klassiker” aufgestiegen war. Die Uraufführung wird zu einem Großereignis und niemand empfindet sie als “unvollendet”. Fast zugleich entstehen 1822 die großartige “Wandererfantasie”, die ihren Namen vom Lied “Der Wanderer” erhält und aus dem auch Themen zitiert werden, 16 lustige Ländler, 10 Ecosaissen, und 3 vierhändige Märsche. Man sieht, wie nah Schubert der Volksmusik stand und wie nah die Volksmusik der Kunstmusik am Beginn der Romantik stand. Auch die Männerquartette, die er schreibt stehen dieser Musikrichtung nahe. 20 Lieder gehörten ebenfalls zu der Ausbeute dieses Jahres, - keines seiner 16 oder 17 Schöpfungsjahre verging, ohne daß er kein Lied schrieb - wie auch die As-Dur Messe, in der er, wie in allen seinen Messen, das im Credo vorgeschriebene Glaubensbekenntnis in die “unam sanctam catholicam et apostolicam Ecclesiam” wegläßt. War der religiös erzogene und ansonsten ganz und gar nicht rebellische Schubert “böse” auf die Kirche, oder macht er es hier seinem Idol Beethoven nach ? 1823 zeigt er Symptome einer Krankheit - wahrscheinlich Syphilis - und wird ungeheilt aus dem Spital entlassen. In den Wochen seines Aufenthalts schreibt er den ersten seiner beiden Liederzyklen, “Die Schöne Müllerin”. Die Texte dazu findet er zufällig: Er wollte einen Freund besuchen, mußte aber warten, weil dieser ausgegangen war. Auf dem Tisch sah er einen Gedichtband des ihm unbekannten Autors Wilhelm Müller. Er überflog die Seiten, stopfte den herrlichen Fund in die Tasche, und stürzte davon. Wie in Trance warf er in einem wunderbaren Schaffensrausch 20 Lieder auf das Papier. Sie schwankten zwischen Lebenslust und Todesahnungen. War es Zufall, daß er diese ihm “auf den Leib geschriebenen” Texte fand ? Man kann von einem Wunder der Ergänzung sprechen. Der Gedichtband selbst war sehr neu, erst 1821 -.zwei Jahre zuvor - erschienen. Dichter und Komponist lernten einander nie kennen und wechselten auch keine Zeile miteinander, obwohl sie später noch einmal in der tragischen “Winterreise” miteinander verbunden werden sollten. Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 4 von 6 Im Winter 1823 erwacht Schuberts Begeisterung für das Musiktheater neu, als er der Uraufführung seiner Bühnenmusik zu dem Schauspiel “Rosamunde” beiwohnt, welches kein großer Erfolg wurde. Er schreibt “Die Verschworenen”, dessen Titel später in “Der häusliche Krieg” umgewandelt wird. Er begann auch wieder Verse seiner Freunde - dieses Mal die Josef Kupelwiesers - zu einer Oper “Fierabras” zu vertonen, welche die wohl am wenigsten mißlungene wurde. Doch wieder gelingt Schubert hier eine echte Pioniertat: Es entsteht die erste deutschsprachige Oper, die er als “Operette”, also “kleine Oper” oder “Singspiel”, bezeichnete, mit Leitmotiven. Diese Art von Oper wurde zuerst vom Franzosen Grétry in “Richard Löwenherz” angewendet und wurde später für Richard Wagner von höchster Bedeutung. Andere Lieder, die neben der “Schönen Müllerin” entstehen, sind: “Wanderers Nachtlied” nach Goethe, “Du bist die Ruh’ ” und “Lachen und Weinen” von Rückert, sowie “Auf den Wassern zu singen” von Friedrich von Stolberg. Außerdem entsteht die (8.)Klaviersonate in a-moll, die der Verleger später Felix Mendelssohn Bartholdy, den Schubert nicht mehr persönlich erlebt, widmen wird, und zahlreiche Tänze, darunter Walzer, deren große Zeit soeben anbricht. (Zu diesem Zeitpunkt ist Johann Strauß Vater - 19 Jahre alt.) 1824 kehrt er als Musiklehrer wieder ins Haus Esterhazy zurück, denn er brauchte Geld, und unterrichtet wieder die Komtessen im Klavierspiel. Wiederum komponiert er für sie vierhändige Stücke: die Sonate in C-Dur, die “Variationen in As-Dur”, die 24 “Valses sentimentales”, und ein “Divertissement” mit ungarischen Themen. Ein fast neues Genre, das in der Romantik in Mode kommt, erhält frühe Meisterwerke. Nach seiner Rückkehr zieht Schubert vorübergehend in das Haus seines Vaters, wo er das Oktett, mit 5 Streichern und 3 Bläsern, die Streichquartette 13 und 14 - das letztere führt den Namen “Der Tod und das Mädchen”, da es musikalisch mit diesem Lied verwandt ist - , ein größeres Flötenstück mit Klavier über sein Lied “Trockene Blume”, eine Sonate für Klavier und Arpeggione - das ist ein damals gerngespieltes, längst ausgestorbenes Streichinstrument, das heute durch Bratsche oder Cello ersetzt werden kann - ,Lieder, Gesangsquartette und Chöre. Im Sommer 1825 unternehmen Schubert und Vogl erneut eine Wander- und Kunstfahrt. Sie treffen sich in Steyr und die Reise geht über Gmunden nach Linz, wo sie Freund Spaun vergeblich suchen, der nach Lemberg versetzt worden war. Tief beeindruckt zeigt sich Schubert von Gastein und Salzburg. Auf dieser Reise komponiert Schubert die “Gasteiner Sinfonie”, die er der “Wiener Gesellschaft der Musikfreunde” widmet, die ihm auch Geld als Honorar dafür geben. Diese Sinfonie verschwand jedoch. Bei seiner Heimkehr wartet schon eine Überraschung auf ihn: Schober ist wieder in Wien ! Sofort zieht Schubert zu ihm und schon entsteht ein neuer Kompositionsfluß: ein (15.) Streichquartett, die 12. Klaviersonate, die “Deutsche Messe”, zwei Shakespeare Vertonungen, und neue Lieder, unter denen sich “Der Wanderer an den Mond” befindet, aus Goethes “Wilhelm Meister”. 1827 stirbt sein großes Vorbild Ludwig v. Beethoven, Schubert ist tief erschüttert. Er hatte immer davon geträumt, sein Idol persönlich zu treffen. Er läßt es sich nicht nehmen, mit einer Fackel neben Beethovens Sarg zu schreiten. Nach der Beerdigung soll e zu seinen Freunden im Stammlokal gesagt haben: “Auf den nächsten unter uns...” Er hatte sicher nicht an sich gedacht, wo er doch erst 30 Jahre alt war. Im Herbst macht er eine kleine Reise nach Graz, davon zurückgekommen vollendet er den Liederzyklus “Die Winterreise”, in dem er, wie oben erwähnt, wieder ergreifende Verse Wilhelm Müllers verwendet. Es fehlen fast alle hellen Töne und die Freunde sehen sich erschüttert an, als der Künstler seine Hände vom Klavier hebt, doch dieser ist trotzdem guten Mutes. Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 5 von 6 Am 26. März 1828, es ist zufällig Beethovens 1. Todestag, gibt Franz Schubert ein erstes Konzert mit eigenen Werken im Stadtzentrum. Ein riesiger Erfolg. Ein übervoller Saal, eine jubelnde Menge, viel Geld. Doch nach diesem Erfolg bekommt er im Sommer quälende Kopfschmerzen, die durch kein Mittel verschwinden, und kann nicht mehr gehen. Trotzdem fährt er im Hebst überraschend nach Eisenstadt, wo er lange an Haydns Grab verweilt. Er wohnt jetzt bei seinem Bruder Ferdinand in der Vorstadt “Neue Wieden” (das Haus trägt heute die Adresse Kettenbrückengasse 6), wo er zwei seiner genialsten Werke schreibt: die “Große” Sinfonie in C-Dur, und das Klavierquintett. Dazu noch die vierhändige f-moll Fantasie, die letzten drei Klaviersonaten, den 92. Psalm, den er hebräisch für den schönstimmigen jüdischen Kantor Salomon Sulzer aus Hohenems komponiert, die Grillparzer-Kantate “Mirjams Siegessang”, und viele Lieder, die sein Verleger nach seinem Tod als “Schwanengesang” herausgeben wird. Sein gesundheitlicher Zustand verschlimmert sich. Ende Oktober treten Anzeichen von Bauchtyphus auf. Trotzdem begibt sich Schubert zu Simon Sechter, dem bekanntesten Lehrer für Kontrapunkt, in die Lehre. Anzeichen tiefster Bescheidenheit oder beginnende Geistesverwirrung ? Ab 11. November muß er das Bett hüten. Schober bringt ihm auf seinen Wunsch ein paar Bücher, betritt das Zimmer aber nicht. Das tun erst am 16. Spaun, Bauernfeld und Lachner. 19. November 1828 stirbt Franz Schubert gegen drei Uhr nachmittags an der Syphilisinfektion. In den letzten Stunden seines Lebens hat er immer wieder phantasiert und dabei den Namen Beethoven gerufen. Deshalb beschließen Vater und Bruder, ihn ganz nahe an Beethovens Grab auf dem Währinger Friedhof zu begraben. 1888 werden beide Gräber in den Ehrenhain des Zentralfriedhofes verlegt. Wie bei Beethoven verfaßte Österreichs führender Dichter Franz Grillparzer die Trauerrede, in der es heißt: “Die Tonkunst begrub hier einen reichen Besitz, aber noch schönere Hoffnungen.” Was hätte Franz Schubert noch alles komponieren können, wäre er 50 oder 60 Jahre alt geworden ? In seinem kurzen Leben schuf er nicht weniger Werke, als einer, der länger lebte. In diesem Sinne nach Schuberts gutem alten Professor Ruzicka: “Der hat’s vom lieben Gott...” Werke: über 6oo Lieder nach Texten von Goethe (“Erlkönig”), Klopstock, Heine und Müller, Zyklen (“ Die schöne Müllerin”, “ Die Winterreise”), Streichquartette (“Forellenquintett”), Klaviersonaten (Moments musicaux, Impromptus, Fantasien), Klavierstücke, Kirchenmusik (Messen), Opern, Singspiele und 9 Sinfonien, darunter die “Große” Sinfonie in C-Dur und die “Unvollendete” in h-moll. Stilmerkmale seiner Lieder: Schuberts Formenwelt kann noch als klassisch angesprochen werden: Sinfonien, Sonaten, Streichquartette gehören zu seinem Werk, die weitgehend als absolute Musik anzusprechen sind. Programme, selbst wenn sie ihnen Zugrunde liegen sollten, werden nie erwähnt. Ein echter Romantiker wird er in seinen über 600 Liedern. Auf diesem Gebiet war er den Künstlern seiner Zeit weit voraus und läßt alle Zeitgenossen weit hinter sich. Die musikalischen Bestandteile waren längst vorhanden: die gesungene Melodie und die instrumentale Begleitung. Im Lied der Barockzeit begnügt die Begleitung sich damit, die Melodie zu stützen und sie mit Akkorden zu untermalen. Die Melodien waren zwar ausdrucksvoll, aber ihr Bau entsprach den Modellen instrumentaler Melodien. Schubert paßte die vokale Liedmelodie genau dem Text der Lieder an und verleiht der Begleitung fundamentale Bedeutung. Mehr als seine Vorgänger bisher. Gerade diese ist es, die dem Lied die charakteristische Stimmung und die individuelle Farbe gibt. Die Wirkung des “modernen” Liedes beruht auf dem Zusammenwirken der Singstimme und der Begleitung, die zu einem minuziös ausgeführten Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 6 von 6 Klavierstück wird. Gleichzeitig erprobte auch Beethoven im Liederzyklus “An die ferne Geliebte” ähnliche Prinzipien doch Schuberts Versuche waren ungleich vielseitiger. Die Aufwertung des instrumentalen Teils zum ebenbürtigen Partner im Liedgesang erfolgte aufgrund der neuen Erfindung, die das “ moderne” Klavier auszeichnet. Nun konnte es hundert tonmalerische Aufgaben erfüllen. Lange Zeit hielten die Pianisten es für unter ihrer Würde, nur als “Begleiter” zu fungieren, also gab es anfangs keinen wirklich geeigneten Interpreten für sie. Schubert selbst, ein hervorragender Klavierspieler, setzte sich selbst gerne hinter den Flügel. Erst viel später entdeckten die anderen Pianisten den Reiz und die Wichtigkeit der neuen Aufgabe. Die “Unvollendete”, Sinfonie in h-moll: Sie entstand im Herbst 1822, der 1.+ 2. Satz wurden abgeschlossen, vom Scherzo (3. Satz) hat Schubert 9 Takte ausgeführt, sonst sind nur Skizzen erhalten. Einige Musiker versuchten das Werk zu vollenden, jedoch ohne Erfolg. Über die Gründe, warum Schubert nicht mehr selbst die beiden letzten Sätze vollendet hat, kann man nur Vermutungen anstellen. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß er, der alles sehr rasch niederzuschreiben pflegte, die zwei fertiggestellten Sätze für zu unbedeutend hielt, daß er eine Fertigstellung für nicht lohnend hielt. Wahrscheinlich erschien Schubert eine 4-sätzige Fassung als überflüssig, da in den beiden Sätzen alles Wesentliche ausgesagt wurde, wie es auch Beethoven in seiner Klaviersonate op.90 getan hatte. Das Autograph der “Unvollendeten” schenkte Schubert dem Musikverein Graz zum Dank für die ihm verliehene Ehrenmitgliedschaft, was man auch als Beweis für die Abgeschlossenheit des Werkes betrachten kann. Schuberts Freund und Mitschüler bei Salieri, Anselm Hüttenbrenner, bewahrte die Partitur bei sich auf. Der Wiener Hofkapellmeister Johann Herbeck fand 1865 unter anderen Schubert-Manuskripten auch das Autograph der “Unvollendeten” in Hüttenbrenners Nachlaß. Uraufführung: 30.April 1865 in Wien in einem Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde Veröffentlichung: 1866 1. Satz: Allegro moderato, Sonatensatzform in h-moll Das Hauptthema ist ein Doppelthema mit zwei Gedanken. Der erste wird von Cello und Kontrabaß angestimmt. Der zweite Gedanke ist eine von Oboe und Klarinette geblasene Kantilene. Er setzt nach flimmernden Sehzehntelnoten, die von den Violinen gespielt werden, ein. Das Seitenthema wird vom Cello im terzverwandten D-Dur angestimmt. Durchführung: Von Takt 170 an wird der erste Hauptgedanke vom vollen Orchester gespielt. Die Reprise setzt gleich mit dem zweiten Hauptgedanken ein und bringt das Seitenthema in der Durparallele (D-Dur). Die Coda nimmt den ersten Hauptgedanken wieder auf. 2. Satz: Andante con moto, Sonatensatzform in E-Dur Das Hauptthema ist sehr ruhig, das Seitenthema wird von der Klarinette angestimmt. Stilistische Stellung: 1822 kann als der Zeitpunkt angesehen werden, zu dem Schubert in das Stadium der künstlerischen Vollreife gelangt war. Größte Werke dieses Jahres: Wander-Fantasie, As-Dur Messe, h-moll Sinfonie Mit der “Unvollendeten” macht sich auf sinfonischem Gebiet ein Stilwandel bemerkbar: Die Abhängigkeit von den Vorbildern schwand. Beide Sätze berühren trotz ihrer Abgeschlossenheit gegensätzliche Welten: Der 1. Satz ist im Irdischen verwurzelt mit einem von Sehnsucht und Melancholie erfüllten 1. Hauptgedanken, und seinem in der Wiener Volksmusik beheimateten 2. Thema. Der 2. Satz bildet dazu ein Gegenstück mit seiner überirdischen Sphäre von ewiger Schönheit und seliger Abgeklärtheit. Franz Schubert (1797 - 1828): Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 7 von 6 “Große” C-Dur Sinfonie Die “Große” C-Dur Sinfonie war Franz Schuberts letzte Sinfonie. Es ist jedoch nur bekannt, daß sie im März 1828 abgeschlossen wurde, aber nicht, wann sie begonnen wurde. Eigentlich wollte die Gesellschaft der Musikfreunde das Werk in Wien uraufführen, doch das aus großenteils Liebhabern bestehende Orchester lehnte es nach einer Probe als unspielbar ab. Also blieb die Partitur in Schuberts Nachlaß bei seinem Bruder Ferdinand liegen, bis sie dort am 1. Jänner 1839 von Robert Schumann gefunden wurde. Dieser schickte sie sofort an Felix Mendelssohn Bartholdy, der sie am 21. März 1839 im Gewandhaus zu Leipzig erfolgreich uraufführte. Die Kritik verhielt sich jedoch unfreundlich. Die Gesellschaft der Musikfreunde führte am 15. Dezember 1839 in Wien nur die zwei ersten Sätze auf, wobei zwischen dem 1. Und 2. Satz eine Arie aus Donizettis “Lucia di Lammermoor” eingeschoben wurde. Noch 1842 und 1844 lehnten die Orchester in Paris und London die Sinfonie als “zu lang und zu schwierig” ab. 1849 wurde die Partitur veröffentlicht. 1885 erschien die “Große” C-Dur Sinfonie im Gegensatz zur “Kleinen” C-Dur Sinfonie Nr.6 im Breitkopf&Härtel Verlag als Sinfonie Nr.7 im Rahmen einer Gesamtausgabe. Die Numerierung der beiden entspricht der Reihenfolge, in der sie aufgefunden und uraufgeführt worden waren. Seit neuestem wird die Zählung oft nach der Entstehung vorgenommen. Demnach würde die “Große” C-Dur Sinfonie bei der Einrechnung der 1825 entstandenen und angeblich verschollenen “Gmunden-Gasteiner-Sinfonie” unter Auslassung der E-Dur Sinfonie als Schuberts Neunte zu bezeichnen sein. Es wird aber auch behauptet, daß Schuberts “Große” C-Dur Sinfonie möglicherweise eine Neufassung der “Gmunden-Gasteiner-Sinfonie” sei. Bei den Schubertforschungen im Schubertjahr 1978 wurde mit kriminaltechnischen Mitteln erwiesen, daß die in Schuberts verschnörkelter Schrift geschriebene 5 (1825) im Autograph der “Großen” C-Dur Sinfonie mit späterer Tinte in eine 8 (1828) korrigiert wurde. Uraufführung: 21. März 1839 Veröffentlicht: 1849 Orchester: 2 Fl., 2 Ob., 2 Kl., 2 Fag., 2 Hr., 2 Trp., 3 Pos., P., Str. Aufführungsdauer: ca. 50 min. 1. Satz: Sonatensatzform in C-Dur, andante, dann allegro ma non troppo Exposition: Hauptthema, 2 Zwischensätze Durchführung Reprise Coda 2. Satz: Sonatensatzform in a-moll, ohne Durchführung, andante con moto Einleitung Exposition: 1. Thema 2. Thema Wiederholung des 1. Themas Wiederholung des veränderten 2. Themas Wiederholung des 1. Themas Überleitung 2. Thema Wiederholung des 1. Themas Epilog Reprise Coda 3. Satz: Scherzo in C-Dur, Trio: A-Dur, allegro vivace Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 8 von 6 Hauptsatz (A): 2 Themen Trio (B) Hauptsatz (A) 4. Satz: Sonatensatzform in C-Dur, allegro vivace Exposition Zwischensatz Durchführung Reprise Coda Stilistische Stellung: Robert Schumann schwärmte immer von der “himmlischen Länge” der “Großen” C-Dur Sinfonie. Er betont die landschaftliche Gebundenheit des Werkes und bezeichnet es als ein echtes Kind wienerischer Muse. Er schwärmt von der meisterlichen Technik, dem Erfindungsreichtum, der glänzenden Instrumentation, “das Kolorit bis in die feinste Abstimmung”, und vor allem vom poetischen Gehalt. Schubert habe es vermieden, an den späten Beethoven “im Bewußtsein seiner bescheidenen Kräfte” anzuknüpfen und durch die völlige Unabhängigkeit seiner Sinfonie denen Beethovens gegenüber sein Genie gezeigt. Tatsächlich tritt in der C-Dur Sinfonie der Sinfoniker dem Liederkomponisten ebenbürtig zur Seite. Ähnlich wie in der Messenkomposition bei seiner im gleichen Jahr entstandenen hochbedeutenden Es-Dur-Messe erweist sich Schubert hier als unmittelbarer Vorläufer Anton Bruckners. Beide ähneln einander in der großräumigen Gestaltung der formalen Anlage, der konsequenten Periodisierung der musikalischen Gedanken, der häufigen Verwendung der Terrassendynamik und der vielfältigen Handhabung der Instrumentation nach dem Prinzip der Klanggruppentektonik. Den romantischen Charakter erhält die “Große” C-Dur Sinfonie durch das von den Hörnern unisono vorgetragene Thema der Andante-Einleitung, die unmerklich in das Allegro überleitet. Der 1. Satz ist von pulsierendem Leben erfüllt und von dramatischen Entwicklungen durchzogen. Zum Abschluß der Coda erklingt das Einleitungsthema in strahlendem Glanz. Wegen seiner teils graziösen, teils liedhaften Melodik bewegt sich vor allem der 2. Satz in romantischer Sphäre. Das Thema des tänzerischen Scherzos, wie auch das 2. Thema des vital bewegten, festlich prunkhaften Finales sind in der Wiener Volksmusik verwurzelt. Hin und wieder sind elegische Wendungen transzendenten Charakters eingestreut. Felix Mendelssohn (1809 - 1847): 4. Symphonie A-Dur op.90, “Italienische” Die 4. Symphonie Mendelssohns entstand, wie der Name schon sagt, in Italien. Vom Sommer 1830 bis Herbst 1831 hielt er sich dort auf und war in Rom von den bildenden Künsten und in Neapel von der Schönheit der Natur begeistert. Er meinte selbst, daß er am meisten Inspiration von den Ruinen, Bildern und der Heiterkeit der Natur, was eigentlich nur wenig mit der Musik selbst zu tun hat, erhält. Auch die Bauten des klassischen Altertums erweckten bei ihm eine Einfühlung in die Antike, welche er später in die Komposition seiner Sophokles-Dramen “Antigone”, und “Oedipus auf Kolonnos” einbaute und welche ihm sehr zustatten kam. Dem Naturerlebnis Italiens verdankt er die Anregung zur A-Dur-Symphonie, die aus diesem Grund die “Italienische” genannt wird. Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 9 von 6 Sie wurde in Italien begonnen, jedoch erst 1832/33 in Berlin vollendet. Außerdem wurde sie im Auftrag der Philharmonischen Gesellschaft London geschrieben, daher war die Uraufführung unter seiner Leitung auch am 13. Mai 1833 in London. Sie wurde in Folge noch mehrere Male umgearbeitet. Die endgültige Fassung wurde von Julius Rietz im Leipziger Gewandhaus am 1. November 1849 erstaufgeführt. Ebenfalls nach Mendelssohns Tod wurde die “Italienische” 1851 bei Breitkopf&Härtel in Druck gegeben. Daher erhielt sie die Bezeichnung 4. Symphonie und die spätere Opuszahl 90, obwohl sie vor der “Schottischen” vollendet und aufgeführt worden war. 1. Uraufführung: 13. Mai 1833 2. Uraufführung: 1.November 1849 Orchester: 2 Fl., 2 Ob., 2 Kl., 2 Fag., 2 Hr., 2 Trp., P., Str. Aufführungsdauer: ca. 28 min. 1. Satz: Sonatensatzform in A-Dur, allegro vivace Exposition: Hauptthema Seitenthema: Variation, polyphon, fugenähnlich Durchführung: Es kommt ein fugatoartig behandelter selbständiges Thema dazu. Reprise Coda: Ist durchführungsartig breit angelegt. 2. Satz: Sonatensatzform ohne Durchführung in d-moll, andante con moto Exposition: Hauptthema und Seitenthema, gesangsartige Melodie, Achtelbegleitung der Bässe Reprise Coda: beginnt mit dem Seitenthema der Exposition 3. Satz: Menuett in A-Dur, con moto moderato Hauptsatz (A) Trio (B): in E-Dur Reprise des Hauptsatzes (A) 4. Satz: Rondoform in a-moll, presto Saltarello (=Springtanz), Rondo = 1 Thema bleibt unverändert, andere werden eingeschoben Hauptthema 1. Zwischenthema Reprise des Hauptthemas 2. Zwischenthema Reprise des Hauptthemas Coda Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 10 von 6 Stilistische Stellung: In der A-Dur-Symphonie fand das Erlebnis der italienischen Landschaft und der südländischen Menschen eigentlich nur bei den Ecksätzen einen entsprechenden künstlerischen Niederschlag. Im 1. Satz spiegeln die hellen A-Dur-Klänge und die pulsierende Bewegung die beschwingte Lebensfreude des sonnigen Südens wieder. Die Mittelsätze weisen eher in die Ausdruckswelt nördlicher Regionen. Mendelssohn hatte während seines Italienaufenthalts manchmal Sehnsucht nach dem Norden, der seiner Individualität mehr lag. Er selbst sagt: “Das rauchige Nest (London) ist und bleibt mein Lieblingsaufenthalt. Das Herz geht mir auf, sobald ich daran denke.” So ist es zu erklären, daß er in Italien die Hebriden-Ouvertüre vollendet und zwischendurch auch an der “Schottischen” gearbeitet hat. Eine Prozession in Neapel soll Mendelssohn zum 2. Satz angeregt haben. Die Melodie soll dem Gesang und die Achtelbegleitung der Bässe den melancholischen Stimmen der Prozessionsteilnehmern nachempfunden sein. Dieser Satz bekommt durch diese melancholische Stimmung aber eher den Charakter einer nordischen Ballade, wobei das Hauptthema etwas an das Lied von Mendelssohns Lehrer Zelter “Der König in Thule” anklingt. Der menuettartige, gemächliche 3. Satz läßt ebenfalls südliche Impressionen vermissen. Die romantischen Hörnerklänge des Trios erinnern an die heimelige Sphäre des deutschen Waldes. Das Saltarello des Presto-Finales rechtfertigt wiederum den Beinamen “Italienische”. Bemerkenswert ist, daß mit diesem in moll stehenden Satz eine Dur-Symphonie abgeschlossen wird, was in der gesamten symphonischen Literatur einmalig sein dürfte. Robert Schumann (1810 - 1856): 3. Sinfonie in Es-Dur op. 97, “Rheinische” Im September 1850 war Schumann mit seiner Familie nach Düsseldorf übersiedelt, wo ihm der nach Köln berufene Ferdinand Hiller das Amt des Städtischen Musikdirektors verschafft hatte. Solch eine Position war seit langem Schumanns Wunsch gewesen und so löste sie bei ihm auch eine Schaffensaktivität auf kompositorischem Gebiet aus. So entstand im Oktober 1850 das Konzert für Violoncello und Orchester op. 129, und daraufhin die Sinfonie in Es-Dur op. 97. Das letztgenannte Werk wurde sehr schnell fertiggestellt, nämlich vom 2. November bis 9. Dezember 1850. Die Uraufführung fand am 6. Februar 1851 in einem Düsseldorfer Abonnementkonzert unter der Leitung Schumanns statt. Sie erschien zuerst als 3. Sinfonie im Verlag Simrock und später im Rahmen einer Gesamtausgabe (1887) bei Breitkopf&Härtel. Uraufführung: 6. Februar 1851 Veröffentlicht: 1887 Orchester: 2 Fl., 2 Ob., 2 Kl., 2 Fag., 4 Hr., 2 Trp., 3 Pos., P., Str. Aufführungsdauer: ca. 31 min. 1. Satz: Sonatensatzform in Es-Dur, lebhaft/vivace Exposition: Zwischensatz, Wiederholung des Hauptthemas und Überleitung Durchführung Reprise Coda 2. Satz: Scherzo in C-Dur, Trio in a-moll, sehr mäßig Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 11 von 6 Hauptsatz (A): Wiederholungen des Themas variiert Mittelsatz (B): Trio über dem Orgelpunkt C, durchführungsartiger Einschub Hauptsatz (A) Coda 3. Satz: Dreiteilige Liedform in As-Dur, nicht schnell Hauptsatz Mittelsatz (Reprise des) Hauptsatz(es) Coda 4. Satz: Freie Form mit zwei kontrapunktisch verarbeiteten Themen in es-moll, feierlich Hauptthema Nebenthema 5. Satz: Sonatensatzform in Es-Dur, lebhaft Exposition: Zwischensatz Durchführung: mit Verarbeitung des Nebenthemas des 4. Satzes Reprise Coda: mit Verarbeitung des Hauptthemas des 4. Satzes in Dur Stilistische Stellung: Die Es-Dur Sinfonie trägt die Bezeichnung “Rheinische” nicht nur, weil sie im Rheinland entstanden ist, sondern auch wegen ihres offenbar von rheinischer Lebensart inspirierten vitalen musikalischen Ausdrucksgehalts. Der als Scherzo bezeichneter 2. Satz hat seiner schlichten Thematik und dem gemäßigten Zeitmaß zufolge mehr den Charakter eines Menuetts. Der in seinem Stimmungsgehalt versonnene 3. Satz und vor allem die feierliche Klangwelt des 4. Satzes bilden einen Gegensatz. Den 4. Satz schrieb Schumann unter dem Eindruck der prunkvollen Kardinalserhebung des Kölner Erzbischofes komponiert und überschrieb ihn ursprünglich “Im Charakter der Begleitung einer feierlichen Zeremonie”. Die lineare Stimmführung, der volle Klang des um drei Posaunen bereicherten instrumentalen Apparates sowie die freie, gleichsam improvisatorische formale Anlage verleihen dem Satz das Gepräge eines Orgel-Präludiums. Tschaikovsky verfaßte 1872 eine Abhandlung über Schumanns 3. Sinfonie und fand nur anerkennende Worte für die klangliche Gestaltung des 4. Satzes. Jedoch übte der Russe Kritik an der Instrumentierungsweise. Er kritisiert die “farblose Massigkeit der Orchestrierung”, die den nicht durch vorhergehendes Studium vorbereiteten Zuschauern jede Möglichkeit raube, die Schönheit in Schumanns sinfonischen Werken zu würdigen. Es ist jedoch abwegig, eine grundlegende Uminstrumentierung bei den Sinfonien Schumanns durchzuführen. Es gab zwar einige Versuche, aber sie führten zu keinem befriedigenden Ergebnis. Diese Versuche mußten fehlschlagen, weil durch das Einbringen wesens- und stilfremder Züge die Einheitlichkeit des Kunstwerkes zerstört wurde. Die “Unvollendete”, Sinfonie in h-moll: Sie entstand im Herbst 1822, der 1.+ 2. Satz wurden abgeschlossen, vom Scherzo (3. Satz) hat Schubert 9 Takte ausgeführt, sonst sind nur Skizzen erhalten. Einige Musiker versuchten das Werk zu vollenden, jedoch ohne Erfolg. Über die Gründe, warum Schubert nicht mehr selbst die beiden letzten Sätze vollendet hat, kann man nur Vermutungen anstellen. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß er, der alles sehr rasch niederzuschreiben pflegte, die zwei fertiggestellten Sätze für zu unbedeutend hielt, daß er eine Fertigstellung für nicht lohnend hielt. Wahrscheinlich erschien Schubert eine 4-sätzige Fassung als überflüssig, da in den beiden Sätzen alles Wesentliche ausgesagt wurde, wie es auch Beethoven in seiner Matthias Hofer Musik Spezialgebiet Seite 12 von 6 Klaviersonate op.90 getan hatte. Das Autograph der “Unvollendeten” schenkte Schubert dem Musikverein Graz zum Dank für die ihm verliehene Ehrenmitgliedschaft, was man auch als Beweis für die Abgeschlossenheit des Werkes betrachten kann. Schuberts Freund und Mitschüler bei Salieri, Anselm Hüttenbrenner, bewahrte die Partitur bei sich auf. Der Wiener Hofkapellmeister Johann Herbeck fand 1865 unter anderen Schubert-Manuskripten auch das Autograph der “Unvollendeten” in Hüttenbrenners Nachlaß. Uraufführung: 30.April 1865 in Wien in einem Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde Veröffentlichung: 1866 1. Satz: Allegro moderato, Sonatensatzform in h-moll Exposition: Das Hauptthema ist ein Doppelthema mit zwei Gedanken. Der erste wird von Cello und Kontrabaß angestimmt. Der zweite Gedanke ist eine von Oboe und Klarinette geblasene Kantilene. Er setzt nach flimmernden Sehzehntelnoten, die von den Violinen gespielt werden, ein. Das Seitenthema wird vom Cello im terzverwandten D[G ?]-Dur [(große Terz tiefer)] angestimmt. Durchführung: Von Takt 170 an wird der erste Hauptgedanke vom vollen Orchester gespielt. Die Reprise setzt gleich mit dem zweiten Hauptgedanken ein und bringt das Seitenthema in der Durparallele (D-Dur). Die Coda nimmt den ersten Hauptgedanken wieder auf. 2. Satz: Andante con moto, Sonatensatzform in E-Dur Das Hauptthema ist sehr ruhig, das Seitenthema wird von der Klarinette angestimmt. Stilistische Stellung: 1822 kann als der Zeitpunkt angesehen werden, zu dem Schubert in das Stadium der künstlerischen Vollreife gelangt war. Größte Werke dieses Jahres: Wander-Fantasie, As-Dur Messe, h-moll Sinfonie Mit der “Unvollendeten” macht sich auf sinfonischem Gebiet ein Stilwandel bemerkbar: Die Abhängigkeit von den Vorbildern schwand. Beide Sätze berühren trotz ihrer Abgeschlossenheit gegensätzliche Welten: Der 1. Satz ist im Irdischen verwurzelt mit einem von Sehnsucht und Melancholie erfüllten 1. Hauptgedanken, und seinem in der Wiener Volksmusik beheimateten 2. Thema. Der 2. Satz bildet dazu ein Gegenstück mit seiner überirdischen Sphäre von ewiger Schönheit und seliger Abgeklärtheit.