Grundlagen der verhaltenstherapeutischen Tabakentwöhnung Anil Batra 4. Deutsche Konferenz für Tabakkontrolle Heidelberg, 06.12.2006 UKT Eberhard - Karls - Universität Universitätsklinikum Tübingen Publizierte Leitlinien A. Batra Agency for Health Care Policy and Research. Smoking Cessation: Clinical Practice Guideline. 1996 American Psychiatric Association. Practice guidelines for the treatment of patients with nicotine dependence. 1996 Swedish Guidelines 1998 UK Guidelines 2000 US Guidelines 2000 European Recommendations 2001 WHO Expert Consensus on Nicotine Replacement 2001 Deutsche Leitlinien: – Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: Therapieempfehlungen Tabakabhängigkeit, 2001; www.akdae.de – DGPPN / DG-Sucht: Leitlinien zur Behandlung des Rauchens, Batra 2006; www.leitlinien.net 2 Smoking Cessation Guidelines A. Batra Selbst 3-minütige Kurzinterventionen sind wirksam Je intensiver die Unterstützung, desto höher die langfristige Abstinenzaussicht medikamentöse Therapien in Verbindung mit Selbstkontrollmethoden unter therapeutischer Anleitung erzielen die höchste Effektivität 3 Modelle der Abhängigkeit A. Batra lerntheoretischer Sicht Abhängigkeit ist ein erlerntes pathologisches Annäherungsverhalten. Es dient u.a. der Spannungsreduktion. Eine Vielzahl konditionierter auslösender Bedingungen sowie motivationale und kognitive Faktoren spielen eine Rolle. 4 Lerntheoretische Sichtweise der Sucht A. Batra kognitive Prozesse (intrinsische Attributionen, Effekterwartungen) Modelle (soziales Lernen) Positive (Belohnung oder Wegfall aversiver Stimuli) und negative Konsequenzen (Entzug der Verstärker und Bestrafung) wirken verhaltenssteuernd, wenn sie kontingent erfolgen Klassische Konditionierungsprozesse verankern das Verhalten an vormals neutralen Stimuli, Verhalten wird automatisiert. 5 Kanfer-Gleichung vorausgehend S Stimulus SD Rα O R Rβ Rγ Organismus Reaktion R‘ SΔ A. Batra S+ SS nachfolgend R K Kontingenz C Consequenz C+ C+ C- C- Ci Ce Cl Ck 6 Modell der Entstehung / Aufrechterhaltung Neugierde, Sozialer Druck, Modelle Soziale Akzeptanz C+ Unangenehme Situationen SD Rausch, Euphorie C + Є- Stoffw. St. UCS Entzug UCR SD Beendigung des Entzugs Є- Auslöser CS Entzug CR SD Negative Langzeiteffekte C- Craving CR SD A. Batra KONSUM Allgemeines Verhaltensrep. Fehlende positive Effekte der Abstinenz 7 Rückfall Modell der klassischen Konditionierung A. Batra Häufiges Ereignis, Teil der Erkrankung UCS UCR Unkonditionierte Reize Stimmung, Umgebung, Personen Unkonditionierte Reaktion Wirkung von Alkohol CS CR Konditionierte Reize Reize führen zu Entzugssymptomen / Craving Konditionierte Reaktion Konsum 8 Organismusvariable Genetik: Zwillingsstudien: Monozygote Zwillingen weisen größere Übereinstimmung auf Adoptionsstudien Risiko ist gebunden an Erkrankung biologischer Eltern A. Batra Vegetative Labilität Sensation seeking Nikotinkinetik 9 Übergeordnete Funktionen Intraindividuelle Funktion A. Batra Ausdruck einer primär psychiatrischen Störung? Signal für Konflikte? Interne Entlastung (Abschwächung eines anderen Konfliktes) Kompensationsversuch einer höherwertigen Störung? 10 Übergeordnete Funktionen Interaktionelle Funktion A. Batra Ausdruck der Autonomie Rollenübernahme Soziale Integration Abwehr von Überlastung / Dekompensation 11 Theorie der kognitiven Dissonanz Nach Festinger Theorie der kognitiven Dissonanz = sich widersprechende Grundannahmen A. Batra de n eile t r ise nken n ub eda a l G Er Abstin enzwu nsch 13 Die Kognitive Dissonanztheorie nach Festinger (1957) A. Batra Wenn in einer Person ein Konflikt zwischen zwei Kognitionen vorherrscht, entsteht eine innere Anspannung: kognitive Dissonanz. Das Individuum verspürt das Bedürfnis, diese Anspannung zu reduzieren. 14 Techniken des Süchtigen zur Überwindung der kognitiven Dissonanz A. Batra Selektive Wahrnehmung Positive Aspekte des Konsums werden überbewertet Negative Aspekte des Konsums werden nicht wahrgenommen Negative Sicht gegenüber dem Aufhören Unrealistische Selbstkontrollüberzeugung 15 Das kognitive Modell des Rückfalls Nach Beck / Marlatt Grundüberzeugung Ich bin alleine / gefangen Automatischer Gedanke Ich bin ausgeliefert Emotionale Konsequenz (traurig, hilflos) A. Batra Suchtspezifische Grundannahmen „Drogen sind eine Fluchtmöglichkeit“ Suchtverhalten Erwerb / Konsum 17 Suchtspezifische Grundannahmen A. Batra Suchtmittel sind für manche Menschen ein Problem, für mich nicht. Das Rauchen verschönert mein Leben, bringt mir Spaß Rauchen schadet mir nicht, ich habe eine robuste Gesundheit Ohne Rauchen wäre das Leben langweilig Tabak macht das Leben erträglicher 18 Risikosituation (internale oder externale Auslöser) Konzentration auf instrumentelle Strategien Aktivierung suchtspezifischer Grundannahmen Erlaubniserteilende Gedanken Automatische Gedanken Verlangen / Drang A. Batra (zur Suchtmittelbeschaffung) Vorfall / Rückfall 19 Aversiv erlebte emotionale Situation (Einsamkeit, Frustration, Ärger, Trauer) Aufbruch zur Tankstelle „Wenn ich rauche, werde ich mich besser fühlen“ „Diesmal wird mir nichts passieren“ „Was soll‘s“ Verlangen A. Batra Tabakkonsum 20 Schlussfolgerungen für die Therapie A. Batra Aufgabe des Therapeuten ist es, die kognitive Dissonanz zugunsten des Aufhörens zu beeinflussen und rückfallgefährliche Kognitionen zu neutralisieren. 21 Inhalte der Verhaltenstherapie Abstinenzvorbereitung Konsumbeendigung A. Batra Stabilisierung Motivationsförderung (Informationen, Vorteilsbegründung) Verhaltensbeobachtung, Identifikation von Risikosituationen Stimulus-/Selbstkontrolle Vertragsmanagement, soziale Unterstützung Operante Verstärkung, Feedback Aufbau von Alternativverhalten Entspannungstraining Vermittlung gesundheitsförderlichen Verhaltens Rückfallverhütung (Rollenspiele, kognitive Vorbereitung) 22