12 Konsistenztheorien

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Konsistenztheorien
Vorlesung Winter, 2011/12
Thomas Kessler
Überblick
• Balance-Theorie
• Theorie der Kognitiven Dissonanz
– Klassische Untersuchungen
– Bedingungen der Dissonanz
– Anwendungen der Dissonanztheorie
• Psychologische Reaktanz
• Widerstand gegen Einstellungsänderung
Leitfragen
• Unter welchen Bedingungen entsteht kognitive
Dissonanz?
• Wie kann kognitive Dissonanz reduziert
werden?
Kognitive Konsistenztheorien
• Grundannahme:
„If a person held two cognitions that are
psychologically inconsistent, he or she would
experience dissonance and would attempt to
reduce dissonance much as one would attempt
to reduce hunger, thirst, or any drive“
– (Aronson, 1992)
Kognitive Konsistenztheorien
• Sehr frühe kognitive Theorien, die auf die
Gestaltpsychologie zurück gehen.
• Zwei Gedanken werden als inkonsistent
bezeichnet, wenn bei einer Person der Eindruck
entsteht, dass sie sich widersprechen. Dieser
Zustand wird als Dissonanz bezeichnet.
• Dissonante Einstellungen oder Kognitionen
lösen die Motivation aus, eine oder mehrere
Einstellungen zu ändern, um Konsistenz
herzustellen.
Kognitive Konsistenztheorien
Wiederholung:
• In welchen Bereichen – die wir schon kennen spielt Konsistenz eine Rolle?
• 3 Komponenten von Einstellungen (Wissen,
Bewertung, Verhalten)
• Soziale Vergleiche
• Einstellung – Verhalten
Balancetheorie
Heider,1946
• Menschen, Objekte und Ereignisse bilden das
psychologische Feld einer Person.
• Die Balancetheorie betrachtet P-O-X Einheiten:
(Zielperson – andere Person – Objekt oder
Thema).
• Inkonsistente Triaden erzeugen einen aversiven
Zustand, den man versucht zu reduzieren.
Balancetheorie
• Balance-Theorie nach Heider (1954)
O andere Person
+
P
+
Target Person
+
+ = Positive Beziehung
- = Negative Beziehung
X Gegenstand, Thema
Balancetheorie
Balancierte Zustände
O
O
+
+
P
+
X
+
O
-
P
X
-
O
-
P
+
X
+
P
X
-
Unbalancierte Zustände
O
P
O
-
-
-
X
P
O
+
+
X
+
P
O
-
+
+
X
P
+
-
X
Balancetheorie
•
•
•
Wie wird die Balance wieder hergestellt?
Es wird die Einstellung geändert, bei der
dies am wenigsten Aufwand erfordert.
Bedeutende Einflussfaktoren:
1. So lange keine andere Information vorliegt,
nehmen Menschen an, dass andere so denken
wie sie selbst.
2. Die meisten Menschen bevorzugen es, mit
anderen übereinzustimmen.
3. Inkonsistenz wird manchmal dadurch aufgelöst,
dass Elemente isoliert werden (z. B.
unterschiedliche Interessen in einer Beziehung).
Balancetheorie
Anwendung:
•
Interpersonale Beziehungen
•
Erweiterter Kontakt
Dissonanztheorie
• Festinger (1957)
• Beschäftigt sich mit Diskrepanzen zwischen
Einstellungen und Verhalten.
• Dissonanz ist ein unangenehmer Zustand
psychologischer Spannung (Erregung,
hautgalvanische Reaktionen), der entsteht,
wenn eine Person zwei oder mehr Kognitionen
hat, die nicht zusammen passen.
Dissonanztheorie
• Dissonanz kann reduziert werden, indem …
… eine der beiden Kognitionen geändert wird.
… durch die Suche nach Information, die eine der
Kognitionen unterstützt.
… durch die Suche nach Information, die eine der
beiden Kognitionen abwertet.
• Je größer die Dissonanz, desto stärker die
Versuche sie zu reduzieren.
Dissonanztheorie (Beispiel)
First attitude:
“Affirmative action
programs are good”
Pressure for
attitude change
Event: Member of a minority group
is promoted over someone who is
better qualified.
Second attitude:
“Promotion should
be based on merit”
Pressure for
attitude change
The two attitudes
are inconsistent
Dissonance
occurs
Dissonanztheorie
•
Es ist plausibel anzunehmen, dass eine
Aufgabe, für die man mehr bezahlt bekommt
attraktiver ist, als wenn man weniger dafür
bekommt. Oder?
•
Frage: Unter welchen Bedingungen könnte
es andersherum sein?
Dissonanztheorie
•
•
•
•
Festinger & Carlsmith, 1959
Untersuchungsteilnehmer wurden zur freiwilligen
Teilnahme an einer Studie zu Leistungsmessung
rekrutiert, in der sie eine Stunde langweilige
Aufgaben bearbeiten mussten. Danach werden sie
informiert, dass sie jetzt von „wirklichem“ Nutzen sein
können, wenn sie dem nächsten Teilnehmer
erzählen, dass die Aufgabe wirklich interessant ist.
Es wird eine Belohnung dafür ausgelobt.
UV: $1 oder $20 Belohnung, KG ohne Aufforderung
und Belohnung.
AV: Bewertung der Aufgabe
Dissonanztheorie
Bewertung.
2
$1
$20
1
0
-1
angenehme
Aufgabe
nochmal
helfen
Kleine Belohnungen führen
zu großen Einstellungsänderungen, weil der
Nachentscheidungskonflikt
größer ist.
Dissonanztheorie
•
•
•
•
Initiationsriten (Aronson & Mills, 1959)
Untersuchungsteilnehmer wurden zur freiwilligen
Teilnahme an einer Diskussion über Sexualität
rekrutiert.
UV: Initiation: laut vorlesen von expliziten sexuellen
Beschreibungen vs. einem Text über Petting etc.
AV: Bewertung einer kaum verständlichen
Diskussion über langweilige Inhalte, an der die
Teilnehmer in der nächsten Woche beteiligt werden
sollten.
Dissonanztheorie
schwer
leicht
Bewertung.
100
90
80
70
Diskussion
Teilnehmer
Vier Vorraussetzungen für die
Entstehung von Dissonanz
1. Verhalten muss relevant für das Selbst sein.
Der Inhaltsbereich ist bedeutsam für das
Individuum.
2. Wahlfreiheit
3. Negative Konsequenzen
4. Das Individuum muss Arousal erleben und es
auf die Handlung attribuieren.
Kognitive Dissonanz
• Bedingungen:
– Wahlfreiheit: Nur wenn die Vpn den Eindruck haben,
sie hätten sich freiwillig bereiterklärt die Aufgabe als
positiv zu beschreiben, entsteht Dissonanz.
– Ergebnisse von Linder et al (1967)
3,5
3
2,5
hohe
Wahlfreiheit
geringe
Wahlfreiheit
2
1,5
1
0,5
0
0.50$
2,50$
Kognitive Dissonanz
• Negative Konsequenzen: Nur wenn das
Verhalten negative Konsequenzen hat, entsteht
Dissonanz.
• Untersuchung von Cooper und Worchel (1970)
– In einer Bedingung hatten die Vpn den Eindruck,
dass sie mit ihrer Geschichte über die „interessante“
Aufgabe die andere Person überzeugt hatten, in der
anderen Bedingung blieb diese Person
unbeeindruckt.
– Ergebnisse: Nur wenn man glaubt, das eigene
Verhalten hat negative Konsequenzen, entsteht
Dissonanz.
Kognitive Dissonanz
• Kritik: Selbstwahrnehmung („Woher soll ich
wissen, was ich glaube, bevor ich höre, was ich
sage“)
– Innere Zustände, Selbstbeobachtung sind unreliable
Indikatoren
– Vpn wissen, das sie die Aufgabe als interessant
dargestellt haben. Dies informiert sie über ihre
Einstellung zu der Aufgabe, sofern keine anderen
Gründe für das Verhalten vorliegen (wie etwa eine
hohe Bezahlung)
– Dissonanz und andere innere Zustände sind nicht
notwendig, um das Verhalten zu erklären.
Kognitive Dissonanz
• Frage: Sind innere unangenehme Gefühle der
Dissonanz notwendig für die Veränderung von
Einstellungen durch einstellungskonträres
Verhalten?
– Untersuchung von Cooper (1974):
– UV1: Placebo mit / ohne unangenehmem Gefühl
– UV2: un- / freiwilliges Schreiben eines
einstellungskonträren Aufsatzes
– AV: Einstellung
Kognitive Dissonanz
• Ergebnisse:
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Hohe Wahlfreiheit
Geringe Wahlfreiheit
mit
ohne
Unangenehmer Nebenwirkung
Stufen
Bewertung
der
1.
Handlungskonsequenzen
Entscheidungen und kognitive Zustände
einstellungsdiskrepantes
Verhalten?
wichtige negative
Konsequenzen?
Nein
JA
Bewertung der
Verantwortlichkeit
2.
für die
Konsequenzen
Attribution auf das Selbst
keine Dissonanz
Nein
JA
kognitive Dissonanz
Attribution der
3.
Erregung
Attribution der Erregung
auf das eigene Verhalten?
JA
Einstellungsänderung:
Selbstrechtfertigung
Nein
keine Einstellungsänderung
Kognitive Konsistenz
Einstellungs- oder
Verhaltensänderung
Hinzufügen neuer und
Konsistenter Information
Trivialisierung: Herunterspielen
der Wichtigkeit von
inkonsistenten Informationen
oder Verhaltensweisen
Dissonanz
Reduktion
Dissonanztheorie
• Selective exposure hypothesis (Frey, 1986):
Menschen sind bemüht, dissonante Information zu
vermeiden, außer wenn …
… sie sehr starke Einstellungen haben und auf
diese Weise gegen dissonante Information
argumentieren können.
… die Einstellungen „auf schwachen Füßen
stehen“ und es deshalb langfristig besser ist,
die Wahrheit herauszufinden (d.h. bestehende
Einstellungen zu ändern).
Nachentscheidungsdissonanz
Zahl der zusätzlichen Items.
5
konsonant
dissonant
4
3
2
1
0
veränderbar
nicht
veränderbar
Profile eines Managers
vorgegeben (Frey & Rosch,
1984).
UV: Urteil später
veränderbar oder nicht
veränderbar.
AV: Anzahl der
konsonanten und
dissonanten Informationen,
die die
Untersuchungsteilnehmer
sich ansahen.
Erinnerung konsistenter Info
Mittelwert der erinnerten Einheitenn
40
30
pro
neutral
kontra
20
10
glaubwürdig
pro
unglaubwürdig
pro
glaubwürdig
kontra
unglaubwürdig
kontra
Erinnerung in Abhängigkeit der eigenen Position (Jones & Köhler, 1959)
Wen mag man?
Wir lieben Menschen nicht
so sehr für das Gute, was
sie uns getan haben,
sondern für das Gute, was
wir ihnen getan haben
(Leo Tolstoi)
Bewertung des Versuchsleiters
8
7
6
5
4
3
2
1
0
kein Gefallen
Gefallen
Fachbereich
Gefallen
Versuchsleiter
Wenn wir jemandem einen Gefallen getan haben, denken wir positiver
über diese Person (Jecker & Landy, 1969)
Anwendungsgebiete der
Dissonanztheorie
• Das Bedauern von Menschen und die
Einstellungsänderung nach Entscheidungen.
• Die Suche und Auswahl von Informationen.
• Gründe, warum Menschen nach Unterstützung für
ihre Einstellungen suchen.
• Situationen, in denen mangelnde Unterstützung
durch eine Gruppe Dissonanz auslöste.
Reaktanztheorie
• Brehm (1966)
• Wenn Menschen das Gefühl haben ihre Freiheit
würde bedroht, wird ein unangenehmer Zustand
der Reaktanz erzeugt.
• Reaktanz kann abgebaut werden, in dem die
„verbotene“ Handlung ausgeführt wird.
Reaktanztheorie
• Berlin (1995)
• „Einem Menschen mit Verfolgung drohen, wenn
er sich nicht seinem Dasein unterwirft, in dem ihm
jede Wahl verwehrt ist; ihm alle Türen bis auf eine
versperren, mag die Aussicht, die sich hinter
dieser Tür bietet, auch noch so herrlich sein,
mögen die Motive derer, die dies arrangieren,
noch so wohltätig sein – heißt gegen die Wahrheit
sündigen, dass er ein Mensch ist, ein Wesen, das
sein eigenes Leben zu leben hat.“
Reaktanztheorie
• Grafitti-Untersuchung (Pennebaker & Sanders,
1976) in öffentlichen Toiletten:
• UV: „Schreiben Sie unter gar keinen Umständen
an diese Wände“ vs. Schreiben Sie bitte nicht an
diese Wände“
• AV: Menge der Grafittis
• (siehe auch „forbidden toys“)
Impfung gegen Überredung
McGuire (1964)
• Es gibt zwei Möglichkeiten, sich vor Überredung
zu schützen:
– Unterstützende Verteidigung: Neue Argumente für die
Einstellung der Person.
– Impfung: Schwache Argumente gegen die Position
der Person.
• Erklärung: Der schwache Angriff auf die eigene
Person führt zur Suche nach Gegenargumenten.
Zusammenfassung
• Balance-Theorie: Tendenz zu balancierten
Triaden
• Widersprüche zwischen Kognitionen (&
Verhalten) führen zu Dissonanz, die man
versucht zu reduzieren.
• Bedingungen für kognitive Dissonanz sind
Selbstbezug, Wahlfreiheit, Schaden, und
gefühltes Arousal (sub. Dissonanz)
• Phänomene: Nachentscheidungsdissonanz,
Erinnerung von Info, Attraktion, usw.
Zentrale Literatur
Aronson, E., Wilson, T. D., & Akert, R. M. (2004).
Sozialpsychologie. Pearson Studium. (Kapitel 6)
Hogg, M.A. & Vaughan, G.M. (2005). Social
Psychology (4th Edition). Essex: Pearson. S.
153ff, 223 ff
Smith & Mackie, (2000). S. 298 ff, S. 406 ff
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