Tabakentwöhnung bei Patienten mit psychiatrischen Störungen Ein aussichtloses Unterfangen? Anil Batra UKT Eberhard - Karls - Universität Universitätsklinikum Tübingen Komorbidität mit Rauchen Depressionen: Panikstörung: Schizophrene Psychosen: ambulant (N=571): stationär (N=573): 62,7% 75,0% Alkoholismus: Drogenabhängigkeit: Suchtpatienten: >80% >95% 40-50% 20-30% 68-94% ambulant (N=1484): stationär (N=767): 64,8% 82,3% Anil Batra Abhängigkeit bei anderen Grunderkrankungen Störungen Alkoholismus Tabakkonsum 1-14,8% 68-94% Schizophrenie Panikstörung M: 2-4% W: 7-8% 20-30% (OR: 2) M: 5%, W: 19 % 20-49% Depression (OR 3) Persönlichkeits M: 15%, W: 10 % 50% störung M: 1%, W: 4% 70 % Manie Andere Sucht M: 19%, W: 31% 65-99% ECA, n=2653 Anil Batra OR 1,7 / 2,7 Funktion des Rauchens Selbstmedikation Stimmung Angst Konzentration „Lebensqualität“ Coping-Strategie gegen Langeweile Andererseits: Erhöhte Mortalität Psychiatrische Symptomatik wird durch Rauchen begünstigt Anil Batra Tabakabhängigkeit und affektive Störungen Depressionen und Rauchen sind eng miteinander verbunden (Epidemiologic Catchment Area Survey, 90; N=3200) Jugendliche mit depressiven Erkrankungen oder Angsterkrankungen rauchen doppelt so häufig (Romans 93) Depression verstärkt starkes / abhängiges Rauchen (Breslau Rauchen begünstigt Depressionen und Angst (Dalack 95) genetische Belastung (Kendler 93) „Selbstmedikation“ (MAO-Inhibition) (Berlin 95), Nikotin als Antidepressivum (Semba 98) Anil Batra 93) Erklärungsmodelle Rauchen und Depression Rauchen ist antidepressiv wirksam (Berlin 96) Rauchen bedingt depressive Symptome Nikotin => Serotonin (Benowitz 88, Semba 98) Hemmung der Monoaminoxidase A und B „psychotoxische“ Substanzen (Dalack 95) Depressionen bedingen eine geringere Abstinenzerwartung (Stage 96, Anda 90, Glassman 93) Mehr Entzugssymptome niedrigere self-efficacy mangelhafte Coping-Strategien Rückfall bei negativem Affekt Anil Batra NA n.s. L-DOPA p<0,01 p<0,0001 DOPAC DHPG p<0,0001 p<0,0001 MAO-B 0 nmol/h/109Thrombos 5 10 Raucher Berlin et al 1995 15 20 Nichtraucher 25 30 35 Anil Batra pmol/ml MAO-Aktivität und Rauchen Rauchen und Depressivität Abstinenzaussichten 91,7 81,5 80 79,2 74,1 60 p<0,05 68,8 48,1 40 45,8 22,2 20 0 Therapieende 1-Monat Depressive R. N=27 Batra et al 2004 6-Monate 12-Monate unauffällige R. N=48 Anil Batra % Abstinenz 100 Erfolge der Raucherentwöhnung bei psychiatrischen Patienten Metaanalyse verfügbarer Tabakentwöhnungsstudien bei Patienten mit psychischen Störungen 1991-2001 Schizophrenie: N=5 Depression: N=8 Sucht: N=8 In den meisten Fällen: „verhaltenstherapeutische Techniken“ (Psychoedukation, kognitive Ansätze) mit medikamentöser Unterstützung El-Guebaly et al., Psychiatric Services 2002, modifiziert Anil Batra Erfolge der Therapie Schizophrenie (N=5): Depression (N=8): Probandenumfang: 9 – 50 Therapieende: 35-56%, 6-Monate: 12-21% Probandenumfang: 29 – 179 Therapieende: 31-72%, 6-Monate: 12-46% Sucht (N=8): Probandenumfang: 6 – 205 Therapieende: 7-60%, 6-Monate: 13-27% El-Guebaly et al., Psychiatric Services 2002 Anil Batra NRT: wirksam, NW ? Bupropion: wirksam, NW: Depressionen, Suizide ? Varenicline: wirksam, NW: Suizidalität? Rimonabant: frgl. wirksam, NW: Depressivität? Anil Batra Wirksamkeit und Gefahren von Medikamenten Bupropion for Remitted Depressed Patients on SSRI Patients with depressive disorders smoke tobacco more % often and find quitting more difficult than the population at large N=25, receiving SSRI maintenance treatment, Bupropion SR 300mg/day data show a modest effectiveness of bupropion minimal weight gain, no new depressive episodes and improvement of SSRI associated sexual dysfunction 60 50 40 30 20 10 0 9 weeks 5 months abstinent nonresponder/relapse drop-out Chengappa et al. J Clin Psychiatry 2001; 62: 503-508 Anil Batra Anil Batra Fluoxetin in der Tabakentwöhnung Blondal et al.1999 Anil Batra Depressivität und Tabakentwöhnung Blondal et al.1999 Alternativen Nortriptylin (Hughes et al. 2005, Batra et al. 2006). Unklar: Moclobemid, Fluoxetin u.ä.: Datenlage widersprüchlich, so dass keine Empfehlung für den Einsatz in der Behandlung der (depressiven) Raucher gegeben werden kann (Hughes et al. 2005, 2007). Aufdosierung einer antidepressiven Medikation einige Wochen vor dem Aufhörtermin und Fortsetzung für etwa sechs Monate (Kinnunen et al. 1999) Psychotherapeutische Tabakentwöhnungsbehandlung: Elemente einer kognitiven Verhaltenstherapie Anil Batra Psychotherapie kognitive Verfahren Affektregulation Umgang mit dysfunktionalen Gedanken Verstärkeraufbau affektstabilisierender Tätigkeiten Anil Batra Risiko der Entwöhnung Risiko einer Exazerbation der depressiven Symptomatik Symptome im Rahmen eines Nikotinentzugs treten auch in ähnlicher Form während depressiver Phasen auftreten: subdepressive Herabstimmung Schlafstörungen Ängstlichkeit, leichte Irritabilität, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Unruhe Appetitstörungen (Kinnunen et al. 1999) Anil Batra Raucherentwöhnung Depressionen: frühestens 6 Monate nach der Episode Beibehaltung der antidepressiven Medikation unter Beachtung der Serumspiegel Bupropion? prophylaktische Pharmakotherapie Verhaltenstherapie, wenn möglich Einzeltherapie Anil Batra Depressive Raucher sind durch die spezielle Funktionalität des Rauchens und eine gegenüber einer unauffälligen Stichprobe geringere Abstinenzerwartung bei Aufhörversuchen charakterisiert. Es liegt nahe, Rauchern mit einer depressiven Symptomatik eine medikamentöse Unterstützung in Form von Nikotinersatz, Bupropion oder einem anderen Antidepressivum in Verbindung mit einer auf die depressive Symptomatik abgestimmten kognitiven Verhaltenstherapie anzubieten. Aktuell existieren noch keine Studien zur differentiellen Wirksamkeit von Antidepressiva versus Psychotherapie in der Tabakentwöhnung der Subgruppen. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf. Anil Batra Zusammenfassung