BRIEFE in eine Gebärmutter ein Mensch entwickeln kann. Von einem Menschen zu sprechen, ist erst sinnvoll, wenn sich sein wichtigstes Organ, nämlich das Gehirn als Sitz von Wesen, Charakter, Geist oder Intellekt zu entwickeln beginnt, also frühestens nach der zweiten Schwangerschaftswoche. 4. Die PID ist keineswegs mit einer Verunglimpfung von Behinderten verbunden. Wenn ein behindertes Kind geboren wird, werden sich die Eltern mit aller Liebe um dieses Kind kümmern. Wenn man aber die Eltern zu Beginn der Schwangerschaft vor die Wahl zwischen PID und dem Risiko eines behinderten Kindes stellen würde, würden sie sicherlich die PID wählen. 5. Wenn man aus Angst vor Missbrauch auf neue Methoden verzichten will, müsste man auf jede Novität verzichten. Missbrauch kann man durch Vorschriften oder Gesetze entgegenwirken. 6. Es ist Eltern, die oft schon ein behindertes Kind haben und durch die Erwartung eines weiteren psychisch sehr belastet sind, nicht zuzumuten, auch noch die physische Belastung einer PID im Ausland auf sich zu nehmen. Somit ist es dringend geboten, dass laut dem Urteil des Bundesgerichtshofs eine politische Entscheidung zur Legalisierung der PID – auch in Deutschland – getroffen wird. Prof. Dr. med. Claus Werning, 50226 Frechen Es geht nicht um Eugenik Es ist traurig und zugleich beunruhigend, wenn ein Mitglied des Deutschen Ethikrates, Herr Dr. phil. Michael Wunder, im DÄ den Eindruck hinterlässt, nicht über die basalen Grundkenntnisse zum Thema Präimplantationsdiagnostik zu verfügen. Seine Auffassung, dass „Jeder Embryo trägt von Anfang an das ganze Potenzial eines individuellen Menschen in sich, womit ihm Menschenwürde zukommt“ ist grundsätzlich falsch. Das ist eben nicht der Fall, nicht alle Embryonen sind gleicher Qualität. Jeder Zellhaufen, der aus Ei- und Samenzelle entstanden ist, ist nach Replikation des embryonalen Ge- A 42 noms und Aktivierung der Zellmaschinerie nicht mit dem gleichen Entwicklungspotenzial behaftet. Die Fehlerquote, besonders die der Eizelle und des Embryos, ist bekanntlich sehr hoch. Dies ist weder zu dementieren noch zu ignorieren. Bei welcher Aneuploidie beginnt oder hört die „Menschenwürde“ auf? Weshalb wird beim Zellhaufen mehr auf Menschenwürde geachtet als nachher? Wird dann wegen fehlender Antworten, möglicherweise aber auch durch den Religionshintergrund, ein Zellhaufen zum potenziellen Menschen erklärt? Der Schwangerschaftsabbruch, das heißt nach der Implantation, ist aufgrund von lockeren Kriterien erlaubt. Ist es damit kein Verbrechen, von einer Frau zu verlangen, auf Probe schwanger zu werden und dann den emotional sehr belastenden Abbruch durchführen zu müssen? Im Gegensatz zur Aussage von Herrn Prof. Dr. Diedrich gibt es neuerdings durch den Einsatz von der CGH-Technik in Kombination mit der Chiptechnik die Möglichkeit, sehr effektiv euploide Embryonen auszuwählen. Dies gilt auch für Frauen über 40 Jahre. Über diese Technik wird man in Zukunft auch in Deutschland verfügen können. Euploidie darf nicht mit Eugenik verwechselt werden. Darf man sich nicht wenigstens ein euploides Kind wünschen, was dadurch nicht automatisch gesund, hübsch und schlau ist! Der Staat sollte die Entscheidung, wie in anderen Ländern der EU üblich, seinen mündigen Bürgern nicht verbieten dürfen. Dr. (NL) Michael C. W. Scholtes, Ph.D., Leiter der IVF Gruppe des Kinderwunschzentrums Düsseldorf, Zentrum für Reproduktionsmedizin, 40219 Düsseldorf Unbegreiflich Ich halte die Entscheidung der CDU bezüglich PID für eine Katastrophe. Die Delegierten ahnen offenbar nicht, was sie den betroffenen Eltern antun. Die Politik eines Landes, in dem man gesunde Embryonen „abtreiben“ (= vernichten) darf, kranke Embryonen aber schützen muss, ist mir unbegreiflich. Als Gynäkologe schlage ich meinen Fachkollegen vor, sich verantwortungsbewusst zu zeigen und – ihrem Gewissen folgend – die CDUEntscheidung zu ignorieren. Dr. med. Rolf Heister, 49377 Vechta-Langförden Ethische Grundsätze missachtet Beim Lesen Ihres Artikels läuft es einem eiskalt den Rücken herunter. Hier wird ein Vokabular verwandt, das eine political Correctness suggeriert, hinter der sich aber ein Abgrund kalter menschenverachtender Ausdrucks- und Denkweise verbirgt. Wie soll man etwa die Formulierung „Erzeugung von Rettungsgeschwistern“ verstehen. Das ist eine harmlose Umschreibung von Menschen zweiter Klasse, die nur als lebendes Ersatzteillager gezüchtet werden sollen, die im eigentlichen Sinne keine Individuen mit Lebensrecht und Menschenwürde sind und nur dazu dienen sollen, Menschen erster Klasse einen Anspruch auf ein gesundes Leben auf deren Kosten zu ermöglichen. Die Grenze zwischen „wertem“ und „unwertem Leben“ ist bei solchen Formulierungen bereits überschritten . . . Offensichtlich ist bei der Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik (PID) einigen sogenannten Fachleuten/Meinungsführern der ethische Blick über den Tellerrand bei ihrer reproduktionsmedizinischen (was produziert hier eigentlich ein Mediziner?) Arbeit verloren gegangen. Die Profite, die heute schon mit den durchgeführten Schwangerschaftsinduktionsverfahren erzielt werden, stehen im krassen Widerspruch zu einer Erfolgsquote von lediglich 17,5 Prozent! Prüft man dann noch nach, wie gesund die so gezeugten Kinder im Verhältnis zum Bevölkerungsdurchschnitt sind, relativiert sich der „Erfolg“ noch deutlicher. Aber mengenmäßig wurde hier ein bisher noch relativ kleines Klientel bedient. Mit Zulassung und Einführung der PID wird ein viel größerer Interessenkreis anvisiert mit noch höheren Gewinnaussichten. Ethische Grundsätze scheinen in den Köpfen der Kollegen, die schon in Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 1–2 | 10. Januar 2011 BRIEFE den Startlöchern sitzen, nicht in dem erforderlichen Maß vorzukommen. Den absoluten Vogel schießt der PID-Pro-Anwalt Prof. Dr. med. Klaus Diedrich in seinem Kommentar ab: „Die Schwangerschaft auf Probe kann abgelöst werden durch Zeugung auf Probe.“ Schwangerschaft ist Schwangerschaft, und Zeugung eines Menschen ist Zeugung eines Menschen. Jeder noch so dumme Teenager weiß schon, ein bisschen schwanger auf Probe gibt es nicht. Hier wird vorgegaukelt, mit der PID würde Gutes für die Menschheit getan und Schlechteres verhindert. Auch kranke Menschen haben ein Recht auf Leben. Was bitte sollen dann „qualitativ hochwertige Embryonen“ sein, wer maßt sich an zu bestimmen, was „Qualität eines Embryos = Menschen“ ist? Das entmenschlichte Vokabular entlarvt die wahre Absicht, die Verwirklichung des perfekten Designermenschen. Da möchte man erst gar nicht auf ihre Taten warten. MAMMASONOGRAPHIE SO D MammasonoDie ggraphie mit hochaauflösender Technik kkann die Detektion vvon Brustkrebs um ccirca 30 Prozent verbbessern (DÄ 46/ 2010: „Mammakarzinomscreening: Mammakarzi Zusätzlicher Ultraschall bei dichter Brust gefordert“ von Renate Leinmüller). Anachronistisch Die im Artikel wiedergegebenen Statements treffen den Kern des Problems. Das Mammakarzinomscreening in vorgegebenen Zentren wurde hierzulande flächendeckend installiert, weil man in einer zentralistisch gesteuerten Karzinom-Früherkennung nach amerikanischem Vorbild einer Heilserwartung Ausdruck geben wollte, die allein mit Hilfe der Mammographie nicht erfüllbar ist. Brustkrebs-Detektionsraten von circa plus 25 Prozent mit Da kann man sich nur ethisch reife und verantwortungsvolle Politiker wünschen, die sich nicht von irregeleiteten medizinischen Lobbyisten die Gesetzesfeder führen lassen und diesem Begehren ein entschiedenes Veto entgegensetzen . . . Bruno v. Bornhaupt, Akademische Lehrpraxis der Universität zu Köln für den Lehrstuhl Allgemeinmedizin, 50931 Köln Unrecht und Alter Im hilfreichen Artikel von Norbert Jachertz wird dem Pro und Contra zur PID Raum gegeben. Die beiden dortigen Befürworter gebrauchen beide das immer wieder vorgebrachte Argument „Besser Zeugung auf Probe statt Schwangerschaft auf Probe“, was folgerichtig übersetzt werden kann mit: „Besser PID als Abtreibung“. So heißt es bei Prof. Diedrich: „Die Schwangerschaft auf Probe kann abgelöst werden durch die Zeugung auf Probe.“ und bei Prof. Taupitz: „Lehnt man die PID in dieser Situation ab, lässt man die Abtreibung dagegen zu, Hilfe einer zusätzlich zur Mammographie eingesetzten Mammasonographie sprechen eine deutliche Sprache. Bei Dichtegraden ACR 3 und 4 ist die Mammasonographie der Mammographie eindeutig überlegen. Von daher mutet es anachronistisch an, wenn den die Sonographie durchführenden Ärzten der Vorwurf gemacht wird, sie wollten sich mit der als IGeL-Leistung angebotenen Sonographie bereichern. Immer wieder werden Mammakarzinome im Zeitraum zwischen zwei Mammographien des Mammascreenings durch die Sonographie entdeckt. Auch ist es anachronistisch, den Dichtegrad der Mammae beim Mammascreening nicht automatisch mit anzugeben, dadurch geht ein erhebliches Informationsdefizit mit der Befundung einher. Korrespondenzen mit den Ärzten des Mammascreenings haben diesbezüglich eine Hoffnung auf eine Änderung der Befundung zunichtegemacht, da „die in Anwendung be- Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 1–2 | 10. Januar 2011 mutet man der Frau eine ,Schwangerschaft auf Probe‘ mit all den psychischen und physischen Belastungen einer späteren Abtreibung zu.“ Das zunächst plausible Argument, das dem menschlichen Empfinden einschließlich der sinnlichen Wahrnehmung sicherlich entgegenkommt, ist aber kein ethisches Argument. Denn das Alter eines Menschen, dem man Unrecht antut, ist für die ethische Bewertung unerheblich. Ob winziger Embryo, geburtsnaher Fötus oder greiser Mensch, es mag Einfluss nehmen auf unser (mehr oder weniger gestörtes) Wohlbefinden bei der Planung und Ausführung einer in sich schlechten und (was zum Beispiel die Abtreibung in Deutschland betrifft) gesetzwidrigen Handlung, aber es darf nicht ausschlaggebend sein. Entscheidend ist das, was unser Grundgesetz in den ersten drei Artikeln jedem Menschen zuerkennt, egal in welchem Stadium und in welcher Situation seines Lebens. Dr. med. Andreas Kuhlmann, 50933 Köln findliche Software eine ACR-Dichte-Angabe nicht vorgesehen“ hat. Kaum glaublich, dass man die Software nicht unverzüglich abändern könnte, in einzelnen Bundesländern, Baden-Württemberg zum Beispiel, wird der Dichtegrad übermittelt. Zudem werden die Frauenärzte nicht mehr vom durchgeführten Screening der einzelnen Patientinnen informiert, in Zeiten der E-Mail dürfte die Begründung, man wolle auf diese Weise Porto sparen, wohl auch fehlgehen. Dr. med. Stefan Wenzel, 65343 Eltville ANONYM Die Redaktion veröffentlicht keine ihr anonym zugehenden Zuschriften, auch keine Briefe mit fingierten Adressen. Alle Leserbriefe werden vielmehr mit vollem Namen und Ortsangabe gebracht. Nur in besonderen Fällen können Briefe ohne Namensnennung publiziert werden – aber nur dann, wenn der Redaktion bekannt ist, wer geschrieben hat. DÄ A 43