Montag, 6. September 2010 Stellungnahme des Juristenrates im Bistum Essen zur Präimplantationsdiagnostik Der BGH hat in seinem Urteil vom 06.07.2010, Az. BGH 5 StR 386/09, entschieden, dass die Präimplantationsdiagnostik (PID) zulässig und nicht strafbar ist, wenn dadurch schwere genetische Schäden oder Krankheitsanlagen des extrakorporal erzeugten Embryos ausgeschlossen werden. PID wurde erst möglich durch die sog. In-Vitro-Fertilisation, die künstliche Erzeugung von Embryonen im Reagenzglas. Damit wird unfruchtbaren Paaren ein eigenes Kind ermöglicht. Der angeklagte Frauenarzt hatte künstlich erzeugte Embryonen bis zum Achtzellenstadium wachsen lassen, ihnen dann eine Zelle entnommen und diese auf das Vorhandensein bestimmter Erbkrankheiten/Chromosomenanomalien hin untersucht. Die Embryonen mit genetischen Defekten hat er nicht eingepflanzt, sondern absterben lassen. Der Embryo ist menschliches Leben. Bereits mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle sind alle individuellen Merkmale eines einzigartigen Menschen festgelegt, zu dem sich der Embryo entwickeln wird. Der Embryo steht deshalb unter dem Schutz des Art. 1 GG. Dieser Schutz ist unbedingt und widerspricht einer Abstufung der Menschenwürde je nach Lebenszeitpunkt. Aus christlicher Sicht kommt bereits dem Embryo die Menschenwürde zu, die in der Gottebenbildlichkeit des Menschen grundgelegt ist. Die PID eröffnet die Selektion gleich zu Beginn von menschlichem Leben außerhalb des Mutterleibes. Ziel der PID ist es, die befruchtete Eizelle zu analysieren und dann über ihren Wert zu befinden. Dies ist eine Zeugung auf Probe und als verwerflich anzusehen. Bei der Pränataldiagnostik (PND) (Fruchtwasseruntersuchung, Ultraschall u.ä.- auch mit dem Ziel der Therapie) geht es oftmals auch um Zeugung auf Probe, weil auch hier bei Befund eines schwerwiegenden gesundheitlichen Defekts abgetrieben werden kann und dies auch zu einem späten Zeitpunkt der Schwangerschaft. Diese Abtreibung ist straffrei, der Mutter sollen keine Belastungen seelischer und körperlicher Gesundheit auferlegt werden, die sie gefährden könnten. Die rechtfertigende Überlegung des BGH, dasselbe Ergebnis würde auch bei der Anwendung von PND erzielt, greift hier zu kurz. Denn bei der künstlichen Befruchtung ist der Embryo von Beginn an weit weniger vor Zugriffen Dritter geschützt als der Embryo im Mutterleib. Die Schwangerschaft ist für die Mutter und ihre Umgebung spürbar, die Entscheidungssituation eine andere (emotionale) als bei der Existenz des Kindes im „Reagenzglas“. Im Unterschied zur individuellen Abwägung bei der PND ist die PID ein mechanischer Laborvorgang. Durch die Zulässigkeit der PID wird menschliches Leben instrumentalisiert und enthumanisiert. Der BGH hält die Anwendung der PID nur bei „schweren Behinderungen“ für zulässig. Zu Recht wehren sich die Behindertenverbände dagegen, einen Katalog solcher Behinderungen aufzustellen. Diese Begrenzung auf schwere Behinderungen ist nicht umsetzbar. Auch dabei wird lebenswertes von lebensunwertem Leben selektiert. Bischöfliche Pressestelle Redaktion: Ulrich Lota (verantwortl.) Dorothee Renzel-Walter Philippe Patra Winfried Dollhausen Marlis Middelhoff Nicole Cronauge (Foto) Anschrift: Zwölfling 16 | 45127 Essen Postfach 10 04 64 45004 Essen Telefon Telefax 0201.2204-266/267 0201.2204-507 [email protected] www.bistum-essen.de Montag, 6. September 2010 / 2 Das Argument, die PID erspare bei Vorliegen eines genetischen Defekts eine späte Abtreibung, verkennt, dass es kein Recht zur Abtreibung gibt und diese nur in bestimmten Ausnahmefällen straflos ist. Außerdem ist immer die Möglichkeit gegeben, dass sich Eltern in diesem Konflikt für das Kind entscheiden. Hierzu bieten die Kirchen vielfältige Unterstützungen an. Wir halten die Entscheidung des BGH für unvereinbar mit Art. 1 GG, der den Schutz der Menschenwürde garantiert. Der Juristenrat im Bistum Essen Dr. Franz-Josef Overbeck Bischof von Essen Clara Hannich Sprecherin des Juristenrates Bischöfliche Pressestelle Redaktion: Ulrich Lota (verantwortl.) Dorothee Renzel-Walter Philippe Patra Winfried Dollhausen Marlis Middelhoff Nicole Cronauge (Foto) Anschrift: Zwölfling 16 | 45127 Essen Postfach 10 04 64 45004 Essen Telefon Telefax 0201.2204-266/267 0201.2204-507 [email protected] www.bistum-essen.de