Eugenik in der Schweiz? Die Präimplantationsdiagnostik (PID) « Die PID ist eine Kränkung meiner Würde! Ich bin 38 Jahre alt, leide an einer seltenen Form von Muskelschwund, bin Tetraplegiker, 100% unbeweglich und lebe mit einer offenen Luftröhre. Liebe Schweizer Freunde, ich schreibe Euch dank eines Fingers, der auf einer virtuellen Tastatur tippt, um Euch folgendes zu sagen: Auch wenn meine Krankheit genetisch diagnostiziert werden kann, ist die PID eine Kränkung meiner Würde. Die Vernichtung behinderter Embryonen bedeutet, mir zu sagen, dass ich eine Abnormität der Natur bin, ein genetisches Monster, das der Gesellschaft nichts bringt und das nie hätte geboren werden dürfen. Jedes Leben verdient gelebt zu werden und keine Autorität hat das Recht, einen Embryo aufgrund physischer Pseudo-Kriterien zu vernichten. Die PID ist eine Ohrfeige für meine vier Kinder, meine Frau, meine Freunde und Kollegen. Dies ist eine zu simple Sicht des Lebens, da sie unser Menschsein auf das Kriterium der Gesundheit reduziert. Kann man glücklich sein mit einem verwundeten Körper? Ja, sicher! Glauben Sie mir, dass meine Antwort nicht die Nöte und Hilflosigkeit ignoriert, die mit einer Behinderung verbunden sind. Es sind aber doch die Fantasie, der Erfindungsgeist und die Solidarität, die Linderung bringen, und nicht die PID. Unerwünschte zu beseitigen, selbst mit guten Absichten, heisst, das Grundrecht, anders zu sein, anzutasten. » Jean-Christophe Parisot, Präsident des «Collectif des Démocrates Handicapés» (Frankreich) und Doktor der Politwissenschaften Die PID verkennt die Natur des menschlichen Embryos • • • • • • Die Embryologie zeigt, dass der Embryo und der daraus entstehende erwachsene Mensch ein und dasselbe menschliche Lebewesen sind, das von den Gameten verschieden ist! Kein Embryo wird Mensch, wenn er es nicht seit Anfang war. Der Embryo besitzt mit seinem genetischen Code eine individuelle Identität. Er bildet eine charakteristische Einheit (organisiertes System). Sein Wachstumsprozess, auch wenn er in Etappen erfolgt, zeichnet sich aus durch eine ununterbrochene Kontinuität. Obwohl er von der Mutter abhängt, ist er von ihr verschieden. Da diese Eigenschaften das Individuum definieren, ist der Embryo ein Individuum, das zur Gattung Mensch gehört. Wie könnte ein zur Gattung Mensch gehörendes Individuum nicht eine Person sein? Der Embryo besitzt weiter ein aktives Potential, das er in den Eigenschaften der erwachsenen Person verwirklichen wird. Im Licht des christlichen Glaubens ist das menschliche Leben eine Gabe Gottes, die vom ersten Moment an geschützt werden muss. Jeder Mensch ist ab der Empfängnis ein von Gott nach dessen Bild und Gleichnis geschaffenes Wesen. Allein schon die Möglichkeit, dass wir es mit einer Person zu tun haben, bringt das ethische Verbot jeglichen Eingriffs mit sich, der zum Tode des Embryos führt. Denn der Mensch muss immer als Person geachtet und behandelt werden. Im Zweifelsfall drängt sich bedingungslos die grösste Vorsicht auf (so wie ein Jäger nicht schiessen darf, wenn er sich nicht sicher ist). Zahlreiche Schweizer Bürger haben Art. 119 der Bundesverfassung unterstützt, ebenso auch das FMedG, das es den Paaren erlaubt, auf IVF/ET (In-Vitro-Fertilisation und Embryotransfer) zurückzugreifen, unter der Bedingung, dass der menschliche Embryo unangetastet bleibt. Die PID erlauben heisst, den Geist des Gesetzes für den Schutz des menschlichen Embryos in Frage zu stellen. Die PID bedeutet ein Abdriften in die Eugenik • • • • • • Die PID ist eine Form von Eugenik: Sie besteht darin, jeden Embryo, der nicht die erforderlichen Eigenschaften besitzt, zu vernichten. Dies ist eine neue Art von Selektion von Kindern in ihrer Entwicklung. Die Unterscheidung in akzeptable und inakzeptable Embryonen ist willkürlich: der Grad einer Behinderung wird nicht für jedes Elternpaar den gleichen Stellenwert einnehmen. Es ist deswegen unmöglich, eine Grenze objektiv festzulegen. Eine solche Willkür ist für die Eugenik typisch. Die PID widerspricht der menschlichen Würde, die von der Bundesverfassung geschützt wird: „Der Mensch ist vor Missbräuchen der Fortpflanzungsmedizin und der Gentechnologie geschützt.“ (Art. 119 BV, al. 1). Die Pränataldiagnostik (PND) verfolgt kein eugenisches Ziel; jegliche Selektion ist eine Abweichung von der Technik. Demgegenüber zielt im Falle der PID die Technik auf die Selektion: Das Ziel ist die Eugenik. Die PID versucht, die Embryonen zu selektionieren. Sie ist direkt eugenisch, im Gegensatz zum Schwangerschaftsabbruch. Das Gesetz über die embryonalen Stammzellen erlaubt den Gebrauch von schon vorhandenen, „überzähligen“ Embryonen; aber es verbietet das Erzeugen von Embryonen zu diesem Zweck. Bei der PID ist das Erzeugen von Embryonen gewollt, und zwar in der Absicht, mangelhafte Embryonen zu vernichten. Dies ist vom ethischen Standpunkt her unannehmbar. Die PID ist abzulehnen, denn sie begründet zum ersten Mal eine ausdrückliche Politik der Eugenik. Die PID annehmen heisst, die Prinzipien von Gleichheit und Gerechtigkeit zu verletzen. Es ist hingegen Aufgabe der Demokratie, der wissenschaftlichen Forschung ein echt menschliches Gesicht zu verleihen: Eine Forschung, die das Leben und die Unantastbarkeit des Embryos achtet. Für weitere Auskünfte: Prof. Dr. Günter Rager, Embryologe, Medizinische Fakultät, Universität Freiburg i.Ue., Telefon +41 (0)26 300 85 40 Dr. Urs Kayser, Arzt, Küssnacht, Telefon +41 (0)41 854 30 60 © November 2005 Bioethikkommission Sekretariat der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) Av. du Moléson 21, Postfach 122 CH-1706 Freiburg Telefon +41 (0)26 322 47 94 Fax +41 (0)26 322 49 93 E-Mail: [email protected] screenbox.net Prof. Dr. François-Xavier Putallaz, Philosoph, Universität Freiburg i.Ue., Telefon +41 (0)27 322 72 01