Damen und Herren Bundestagsabgeordnete 0152 29 29 00 82 Sehr geehrte Damen und Herren, 25.11.2010 wir hatten uns bereits mit Schreiben vom 06.11.10 zum Thema PID an Sie gewandt. Inzwischen haben wir viele Rückmeldungen von Ihnen erhalten. Zum Teil waren sie sehr differenziert und klar und noch offen für einen Dialog. Dafür vielen Dank! Nun ist mir eine sehr aufschlussreiche Untersuchung der Max-PlanckGesellschaft bekannt geworden. Bevor wir uns dazu äußern, möchte ich noch einmal darauf verweisen, dass es im Bereich Pränataldiagnostik auch heute noch viele Fehldiagnosen gibt und so nicht wenige ungeborene Kinder selbst im lebensfähigen Alter abgetrieben werden. Ähnlich dürfte es sich auch bei PID verhalten. Auch hier würde es viele Fehldiagnosen geben. Zudem hören wir immer wieder das Argument, bei PID wolle man ein Verbot erreichen, später dürfte das Kind aber im Rahmen einer Spätabtreibung getötet werden. Das passe nicht zueinander. Das ist sicher richtig. Deshalb ist auch die neue Gesetzesregelung kein Schutz (siehe auch oben). Kein Mensch hat ein Anspruch auf gesunde Kinder. Aber: Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Kein Mensch hat das Recht, darüber zu entscheiden, welches Kind leben darf und welches nicht. Immer wieder wird davon gesprochen, im Rahmen von PID sollen „schwere“ bzw. „schwerwiegende Erkrankungen“ festgestellt werden und dann soll eine Selektion erlaubt sein. Wer kann sich anmaßen festzulegen, was schwer bzw. schwerwiegend ist? Es lässt keine echte Abgrenzung zwischen schwerwiegender und nicht schwerwiegender Erkrankung zu. Mehrfach kam der Hinweis, dass bereits heute im Rahmen der Pränataldiagnostik „schwere“ Fehlbildungen feststellbar sind. Dies stimmt so nicht (siehe oben). Immer wieder hören wir von Falschdiagnosen. Selbst wenn tatsächliche Fehlbildungen festgestellt werden würden, müssen sich die Verantwortlichen fragen lassen, wie Mütter und Väter gewissenhaft begleitet werden. Als weiteres Argument wird angeführt, vorbelasteten Eltern zu verhindern. erhebliche Leiden von genetisch Wer spricht über die fatalen Folgen einer Abtreibung – auch nach der vorhergehenden Diagnose einer Behinderung? Wir wissen, viele Mütter leiden unter dem Trauma der Abtreibung – eines gesunden oder eines behinderten Kindes. Wie viel Leid und Not wird den Frauen beschert durch eine leichtfertig vorgenommen Aufforderung zur Abtreibung oder ihre Durchführung. Wir sind die Beratungsstelle in Deutschland, die wohl die meisten Frauen nach Abtreibung berät. Was wir erleben an Leidenden ist unvorstellbar. Aber darüber macht sich kaum jemand Gedanken. Dies sollte bei der Diskussion über PID mit berücksichtigt werden. Im Bereich der Pränataldiagnostik erleben wir bereits einen „Dammbruch“. Jeder kleinster Verdacht löst sofort weitergehende – für eine werdende Mutter sehr belastende – Untersuchungen aus. Erst jetzt habe ich von dem Chefarzt einer Frauenklinik gehört, dass in seiner Region alle Gynäkologen grundsätzlich alle Patientinnen zu einer Pränataldiagnostik auffordern. Nicht anders wird es sich bei der PID verhalten. Auch wird auf bereits vorhandene gesetzliche Regelungen in anderen Ländern verwiesen. Dass ist sicher kein gutes Argument, denn dort ist es z.T. längst zu einem „Dammbruch“ gekommen. Aus unserer Sicht gibt es keine Kontrolle solcher Untersuchungen. Wie soll so etwas möglich sein? Wer schaut dem Arzt, der sie durchführt, über die Schulter? Es gibt keinen ausreichenden Schutz. Jetzt möchte ich auf die PM der Max-Planck-Gesellschaft zum „internationalen 1000 Genome-Projekt“ aufmerksam machen, weil die Ergebnisse auf dem Hintergrund der Diskussion zu PID eine Rolle spielen sollte: „Unter genetischen Variationen zwischen Menschen versteht man die Unterschiede in der Anordnung der chemischen Bausteine (Basen), aus denen dass menschliche Erbgut (Genom) zusammengesetzt ist. Diese Unterschiede können sehr klein …, sie können aber auch durch große Veränderungen wie Verdoppelungen oder Umlagerungen ganzer Chromosomenregionen verursacht sein.“ … „Die jetzt vorgelegte Karte enthält bereits einige Überraschungen. So konnten die Wissenschaftler zeigen, dass jeder Mensch zwischen 250 und 300 genetische Abweichungen trägt, die die normale Funktion der betroffenen Gene verhindert. Weiterhin besitzt jeder von uns zwischen 50 und 100 genetische Variationen, die mit verschiedenen Erbkrankheiten assoziiert sind.“ … Untersuchungen bei Kernfamilien ergaben, „dass bei jedem Menschen ungefähr 60 neue Mutationen auftreten, die bei den Eltern nicht vorhanden waren.“ Das bedeutet doch wohl, dass es keinen Menschen gibt, der nicht irgendwelche genetische Verwerfungen in sich trägt. Damit sind wir alle potentielle Träger von Erbkrankheiten. Wer will auf diesem Hintergrund sich das Recht nehmen, zu entscheiden, welche so schwerwiegend sind, dass sie es rechtfertigen, einen entstandenen Menschen im Reagenzglas zu selektieren? Hätte es zu Zeiten Ludwig van Beethovens bereits PID oder eine Pränataldiagnostik gegeben, würden wir uns heute nicht an seiner schönen Musik freuen können, der er wäre entweder im Reagenzglas oder im Mutterleib getötet worden: Der Vater hatte Syphilis, die Mutter TB. Sie hatten bereits vier Kinder. Davon war das erste blind, das zweite gestorben, das dritte taubstumm und das vierte wie die Mutter tuberkulös. Ludwig war das fünfte Kind dieser Eltern. Sehr geehrte Damen und Herren, ich weiß, dass Sie sich die Entscheidung nicht leicht machen werden und um die richtige Lösung ringen. Auch wenn ich solche Abgeordnete wie Frau Reiche (Zitat: „Für mich ist PID ein Weg, Ja zum Leben zu sagen.“), Frau von der Leyen (Zitat: „Wenn ein sehnlicher Kinderwunsch von einer erblichen Krankheit überschattet wird, dann kann PID das Ja zum Leben stärken.“), Herrn Lindner (Wenn Kinderwünsche erfüllbar und Gendefekte verhindert werden können, sei das ethisch sinnvoll.) oder Herr Hintze (PID sei die „menschenfreundliche Alternative zur Pänataldiagnostik im Mutterleib“.) nicht verstehe kann. Sie sind leichtfertig und zynisch dahin gesagt, völlig unüberlegt und zeugen von keinem großen Wissensstand über das tatsächliche Geschehen, geschweige denn von dem Leid der Mütter, die ihre Kinder durch Selektion oder Abtreibung verloren haben. Wir wissen aus der Praxis, was Frauen durchleiden in einem schwierigen Prozess einer ungeplanten Schwangerschaft, einer möglich Behinderung des Kindes und auch wie das Trauma der Abtreibung mit all seinen Auswirkungen, die sie bis hin zum Suizid belasten. Deshalb kann man nicht sensibel und vorsichtig genug mit solchen Fragen umgehen und leichtfertig irgendwelche plakativen Äußerungen von sich geben. Wir möchten Ihnen bei Ihrer Entscheidungsfindung helfen, damit Sie zu einem klaren Nein zur PID finden können. Zu Gesprächen sind wir jederzeit bereit. Bitte lassen Sie uns Ihre Entscheidung wissen. Herzliche Grüße und Gottes Segen Reinhard Klein Vorsitzender www.ausweg-pforzheim.de