DIE D EUTSCHE K AMMER PHILHARMONIE B REMEN 6 . M A I 2 0 17 ELBPHILHARMONIE GROSSER SA AL DIRIGENT. DER NEUE BMW 7er MIT GESTIKSTEUERUNG. DER ANSPRUCH VON MORGEN. Samstag, 6. Mai 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal 19 Uhr | Einführungsgespräch mit Peter Ruzicka und Habakuk Traber DIE DEUTSCHE KAMMERPHILHARMONIE BREMEN SARAH MARIA SUN SOPRAN DIRIGENT PETER RUZICKA Franz Schubert (1797–1828) Fantasie f-Moll für Klavier zu vier Händen D 940 (1828) Bearbeitung für Orchester: Rolf Liebermann (1996) Allegro molto moderato – Largo – Allegro vivace – Tempo I ca. 15 Min. Peter Ruzicka (*1948) Mnemosyne / Erinnerung und Vergessen für Sopran, 18 Streicher und Schlagzeug (2016 / Uraufführung) (ohne Bezeichnung) Tumultuoso (ohne Bezeichnung) (ohne Bezeichnung) (ohne Bezeichnung) Echo (ohne Bezeichnung) (ohne Bezeichnung) ca. 35 Min. Pause Gustav Mahler (1860–1911) Sinfonie Nr. 4 G-Dur (1899–1901) Bearbeitung für Kammerensemble: Erwin Stein (1921) Bedächtig. Nicht eilen In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast Ruhevoll (Poco adagio) - Allegretto subito Sehr behaglich Principal Sponsor der Elbphilharmonie BMW Hamburg www.bmw-hamburg.de Abbildung zeigt Sonderausstattungen. BMW Niederlassung Hamburg www.bmwhamburg.de ca. 60 Min. Freude am Fahren WILLKOMMEN Wir gratulieren der Stadt Hamburg, ihren Bürgern und allen Beteiligten zur gelungenen großartigen Komposition der Elbphilharmonie, dem Konzerthaus von weltweiter Bedeutung. Alles, was zählt. Auch in der Elbphilharmonie. Unser Beitrag zur Energieeinsparung über 10 Millionen Messgeräte in der Betreuung. Minol Messtechnik W. Lehmann GmbH & Co. KG | 70771 L.-Echterdingen | minol.de Niederlassung Hamburg | Spaldingstraße 64 | 20097 Hamburg | Tel.: +49 40 25 40 33-0 | [email protected] Wenige Kulturschaffende sind so vielseitig erfolgreich wie Peter Ruzicka – als Dirigent, als Komponist und als Intendant (er leitete knapp zehn Jahre die Hamburgische Staatsoper und aktuell die Salzburger Osterfestspiele). Und so lässt er sich auch am heutigen Abend nicht auf eine Rolle festlegen. Gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen stellt er sein neues Werk »Mnemosyne« vor, komponiert auf Verse seines Lieblingsdichters Friedrich Hölderlin. Den Vokalpart darin übernimmt – in Vertretung der leider kurzfristig erkrankten Anna Prohaska – die »Hochleistungssopranistin« (Hamburger Abendblatt) Sarah Maria Sun, deren Stimme nach der Pause auch Mahlers Vierte Sinfonie bereichert. DIE MUSIK KOMPONIERTER LIEBESBRIEF Franz Schubert: Fantasie f-Moll D 940 Franz Schuberts f-Moll-Fantasie zählt zu einer ganzen Reihe von Werken für Klavier zu vier Händen, die Schubert – meist nur verschlüsselt – einer besonderen Frau widmete: der Comtesse Caroline Esterházy von Galantha, Tochter eines ungarischen Magnaten, der Schubert als Musiklehrer seiner beiden Töchter auf sein Schloss in Zseliz verpflichtet hatte. Laut Schuberts Freund Eduard Bauernfeld hatte sich der Komponist »zum Sterben« in Caroline verliebt, die zwar seine Kunst schätzte, seine – so Joseph von Spaun – »durch die Verhältnisse hoffnungslose Neigung« jedoch nicht erwiderte. Bis heute ist über diese Beziehung aus erster Hand nichts bekannt, sodass sie immer wieder zu ähnlichen Spekulationen herausforderte wie Beethovens »ferne Geliebte«. Es darf jedoch als gesichert gelten, dass Schuberts Umgang mit den Esterházys nicht unproblematisch war. Bei seinem zweiten Aufenthalt in Zseliz 1824 etwa flüchtete er vorzeitig nach Wien, befallen von der plötzlichen Angst, Opfer eines Giftanschlags zu sein – eine Zwangsvorstellung, die ihn kurz vor dem Ausbruch seiner tödlichen Krankheit 1828 erneut heimsuchte, in jenem Jahr also, in dem er auch die Fantasie f-Moll komponierte. Über die etwas sperrige, Franz Schubert erstmals offiziell formulierte Widmung »Der Comtesse Caroline Esterházy dezidiert« hinaus dürfte Schubert mit der Wahl der Tonart eine geheime Botschaft in das Werk hineinkomponiert haben, steht f-Moll laut Christian Schubarts Tonartencharakteristik doch für »allgemeine Schwermut, Leichenklage, Jammergeächz und grabverlangende Sehnsucht«. Schon dem Beginn wohnt eine Melange aus Schönheit und Traurigkeit inne, wie sie so wohl nur Schubert in Töne fassen konnte. Dabei ist es eigentlich nur ein schlichtes Thema, das eine derartige Wirkung entfaltet und Schubert Ausgangspunkt für eine Komposition wird, unter deren Titel Fantasie sich vier frei gehandhabte Sonatensätze verbergen. Im Eröffnungsteil kreist das Hauptthema ständig um sich selbst, ohne eine wirkliche Verarbeitung zu erfahren. Ein kühner harmonischer Umschwung leitet über in ein Largo, das mit seinen harten doppelten Punktierungen den pathetischen Tonfall alter französischer Ouvertüren zu beschwören scheint. Originelle Weiterentwicklungen des Themas kennzeichnet das Scherzo, das in seinem »con delicatezza« überschriebenen Mittelteil eine Gegenwelt von eigentümlicher Heiterkeit findet. Das Finale ist eine ausgedehnte Fuge über das Hauptthema, die sich aber immer mehr verrennt – auf verschlungenen Pfaden hinein in ein Gestrüpp, aus dem es keinen anderen Ausweg mehr gibt als ein abruptes Verstummen. Wenn danach das Thema »dolcissimo« und immer mehr verlöschend wieder erklingt, ist dies nicht einfach eine Reprise, sondern eine melancholische Erinnerung an etwas längst Vergangenes, ein musikalischer Gedanke, der von einer tiefen Heimatlosigkeit erzählt. Stand die Literatur für Klavier zu vier Händen – mit Ausnahme einiger Werke Mozarts – zuvor in der Tradition der unterhaltenden Musik, so weitet sich bei Schubert die Gattung ins Klaviersinfonische, was eine Orchestrierung, wie sie sich der Schweizer Komponist Rolf Liebermann 1996 im Auftrag von Radio France und der Opéra National de Paris vornahm, geradezu nahelegt. Dabei hielt er sich an die übliche Sinfonieorchesterbesetzung der Schubert-Zeit und schuf eine intelligente Transkription, die Schuberts Fantasie in die Klangwelt eines Orchesters versetzt, ohne ihr etwas wegzunehmen oder Fremdes von außen aufzudrücken. Rolf Liebermann in der Hamburger Laeiszhalle DIE MUSIK FRAGMENTE DER ERINNERUNG Peter Ruzicka: Mnemosyne Friedrich Hölderlin Gustav Mahler verglich das Komponieren einmal mit dem »Spielen mit Bausteinen, wobei aus denselben Steinen immer ein neues Gebäude entsteht«. Damit fand er ein sprechendes Bild für eine Kompositionsweise, bei der bestimmte Gedanken, Motive und musikalische Konstellationen von einem Werk zum anderen führen und auf diese Weise ein enges Netz von Bezügen kreieren. Solche Verknüpfungen finden sich nicht nur in Mahlers Schaffen. Auch Peter Ruzickas Œuvre entfaltet sich als vielschichtiger musikalisch-gedanklicher Kosmos, in dem oft eine Komposition in der Nächsten weiterlebt. Verbindendes Element ist die Frage nach einer Sprachkraft der Musik; ein Thema, das Ruzicka in immer neuen Metamorphosen umkreist. Dem hochreflektierten und zutiefst skeptischen Kunstsinn des Komponisten waren dabei in den vergangenen Jahren zwei Dichter besonders nahe: Paul Celan und Friedrich Hölderlin. Beiden widmete er große Musiktheaterwerke, beide spielen immer wieder aber auch in seine Konzertwerke hinein – in diesem Fall in Form von Textfragmenten aus Hölderlins letzter großer, in keiner letztgültigen Fassung vorliegenden Hymne Mnemosyne. Darin ruft der Dichter die gleichnamige Göttin der Erinnerung und Mutter der neun Musen aus der griechischen Mythologie an. Bis heute fordert dieser Text die Forscher und Interpreten heraus; sein Versuch eines Entwurfs einer neuen Kultur ist nur schwer zu entschlüsseln. Für Ruzicka stellt er »eine dunkle Beschwörung von Vergänglichkeit und Ewigkeit dar – die Erinnerung ist hier nicht die Überwindung, sondern das Bewusstsein der Endlichkeit«. Im direkten Umfeld seiner Hölderlin-Oper hatte Ruzicka 2008 sein Sechstes Streichquartett mit dem Titel Erinnerung und Vergessen komponiert, das neben den Streichern auch eine Sopranstimme beinhaltet. Mnemosyne für Sopran, 18 Streicher und Schlagzeug ist einerseits eine Einrichtung dieses Quartetts für einen größeren Klangkörper, was eine Erweiterung des Klangspektrums bewirkt. Andererseits hat Ruzicka die Rolle der Sängerin ausgeweitet (etwa im ersten Satz) und einen weiteren Satz (Nr. 3) hinzukomponiert. So konnte er weitere Fragmente aus Hölderlins Hymne einfließen lassen; durch die Vergrößerung von sieben auf acht Teile verschiebt sich zugleich die Gewichtung der einzelnen Sätze innerhalb des Ganzen. Harte Klangballungen, schroffe Punktierungen und dreinfahrende Sforzati prägen den ersten Satz der Komposition, werden aber immer wieder durchbrochen von flirrenden, der Zeit enthobenen Klangflächen an der Grenze des Hörbaren. Sie setzen sich im weiteren Verlauf als Grundatmosphäre durch, quasi verschiedene Aggregatzustände ausleuchtend, in denen Ruzicka Hölderlins Text musikalisch auf die Spur kommt, ohne eine eindeutige Antwort zu suchen. Das Melos der Gesangsstimme, die in Vokalisen immer wieder die konkrete Sprache verliert, erscheint dagegen wie als zielloser Gesang, der sich am Ende »schwebend« auflöst, ohne zu enden. »Vergangenes in der Zone zwischen Vergessen und Erinnerung wird durch Umkreisen, Durchdringung und Aneignung vergegenwärtigt«, erläuterte Peter Ruzicka zu seinem Sechsten Streichquartett. »Gefundene und erfundene musikalische Gestalten, darunter Spuren eines vor über 40 Jahren begonnenen Streichquartetts, spiegeln die Entwicklung meines ästhetischen Bewusstseins. Ferne und Nähe berühren sich im Jetzt.« Peter Ruzicka DER TEXT PETER RUZICKA Mnemosyne Text: Friedrich Hölderlin I. Ein Zeichen sind wir, deutungslos. Schmerzlos sind wir und haben fast Die Sprache in der Fremde verloren. Wenn nämlich ein Streit ist über Menschen am Himmel … und gewaltigen Schritt Gestirne gehen, blind ist die Treue dann. Zweifellos ist aber einer. R E P O R TAG E N K Ü N S T L E R P O R T R ÄT S FOTOSTRECKEN INTERVIEWS – EXKLUSIVE BLICKE HINTER DIE KULISSEN Ab sofort für € 6,50 im Elbphilharmonie Shop und am Kiosk erhältlich Abo €15 unter Tel: 040 386 666 343 E-Mail: [email protected] WWW.ELBPHILHARMONIE.DE III. Zweifellos Ist aber Einer. Der Kann täglich das ändern. Kaum bedarf es Gesetz, Wie nemlich es bei Menschen bleiben soll Und die Schrift tönt Und es tönet das Blatt. Viel Männer möchten da sein wahrer Sache. Eichbäume wehn dann neben den Birnen. Denn nicht vermögen die Himmlischen alles Nämlich es reichen die Sterblichen eh’ an den Abgrund. V. Reif sind … in Feuer getaucht … gekochet … Prophetisch, träumend auf Den Hügeln des Himmels … VII. Wie Rosse, gehn die gefangenen Element’ und alten Gesetze der Erd. Und immer Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Vieles ist aber Zu behalten. Und Not die Treue. Vorwärts aber und rückwärts wollen wir Nicht sehn. Uns wiegen lassen, wie Auf schwankendem Kahne der See … … in der Fremd’, ist groß Ajax gestorben Patroklos aber in des Königs Harnisch. Und es starben Noch andere viel. Am Kithäron aber lag Elevtherä, der Mnemosyne Stadt. Der auch als Ablegte den Mantel Gott, das abendliche nachher löste Die Locken. Himmlische nämlich sind Unwillig, wenn einer nicht die Seele schonend sich Zusammengenommen, aber er muss doch; dem Gleich fehlt die Trauer. DIE MUSIK HIMMLISCHE TRAVESTIE Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 4 G-Dur Titelblatt der Sammlung »Des Knaben Wunderhorn« Gustav Mahlers Vierte Sinfonie zählt trotz der Einbeziehung einer Sopransolistin zu seinen weniger monumentalen Sinfonien. Einzig um die so charakteristischen Schellen hat er das ansonsten klassische Instrumentarium erweitert. Die Sinfonie ist von einer Intimität und Zartheit, die der Komponist, Dirigent und Verleger Erwin Stein in seiner Bearbeitung für Kammerorchester noch weiterdachte. Entstanden war diese Fassung 1921 für Schönbergs »Verein musikalischer Privataufführung«, der sich zum Ziel gesetzt hatte, die Musik der Moderne zu präsentieren, hierfür allerdings nur ein begrenztes Budget zur Verfügung hatte. Es ging Stein aber nicht nur um die Vermeidung von Kosten, sondern auch darum, durch die reduzierte Version eine Art »Röntgenblick« auf die Strukturen des Werkes zu ermöglichen. (Nach dieser Logik adaptierte er später noch weitere Mahler-Sinfonien.) Gustav Mahler hatte die Sinfonie zwanzig Jahre zuvor fertiggestellt, nach einer über zweijährigen Entstehungsphase, die immer wieder durch seine Verpflichtungen als Direktor der Wiener Hofoper unterbrochen wurde. Zum dritten und letzten Mal verwendete er in einer Sinfonie einen Text aus der von Clemens Brentano und Achim von Arnim herausgegebenen Volksliedsammlung Des Knaben Wunderhorn, deren Mischung aus Poesie und Parodie, Groteske und tieferer Wahrheit er sehr schätzte. Entsprechend ist diese Vierte von ganz anderem Charakter, als man es von einer Mahler-Sinfonie vielleicht erwarten würde. Er versenkt uns in eine Kinder- und Märchenwelt, die immer wieder als Ausdruck einer heiteren Gelassenheit des Komponisten gedeutet wurde – eine Einschätzung, die aber mit Vorsicht zu genießen ist. Dies zeigt sich schon in den ersten Takten mit den Schellen, die meist als kindliche Erinnerung an eine Pferdeschlitten- oder Kutschfahrt gedeutet wurden. Doch die Idylle ist gestört, die Gustav Mahler Fahrt läuft direkt aus dem Ruder – »Als ob er nicht bis drei zählen könnte«, wie Mahler selbst laut den Erinnerungen von Nathalie Bauer-Lechner feststellte. In ihren biografischen Aufzeichnungen findet sich aber auch noch eine andere Notiz. Im Rahmen der Münchner Uraufführung soll Mahler geäußert haben: »Der Satz fängt doch gleich charakteristisch genug mit der Schellenkappe an.« Gemeint waren also wohl gar nicht die Glöckchen am Zaumzeug eines Pferdegespanns, sondern die an der Kappe eines Narren. Und überblickt man die gesamte Komposition, erhalten die Schellen noch eine andere Konnotation: Im Verbund mit dem die Sinfonie durchziehenden Volkston werden sie zu einer Art Arm-SünderLäuten, das im Finale geradezu dämonische Züge annimmt. Der zweite Satz trug ursprünglich den Titel Freund Hein spielt auf. Der Gevatter Tod persönlich also ist es, der hier auf seiner absichtlich um einen Ton höher gestimmten Fiedel mit schneidenden Klängen zum Tanz aufspielt. Doch geradezu naturselige Ländler in den beiden Trios greifen ihm quasi in die Saiten und wenden den Totentanz um zu einem Gleichnis für die Wiederkehr des Immergleichen – ohne sich allerdings schlussendlich durchsetzen zu können. DER TEXT Erst im Ruhevoll überschriebenen Adagio findet die Musik zu sich selbst. Dieser weitgespannte Variationssatz ist von einem tiefem Ernst und zugleich einer Verträumtheit, aus der alles Maskenhafte verschwunden ist. Der breit dahinströmende Gesang der Streicher und die strahlenden Bläserfanfaren können durchaus als Ausblick auf ein »himmlisches Leben« verstanden werden, wie man es sich instinktiv erträumt. Das »himmlische Leben«, das im letzten Satz vorgestellt wird, schlägt freilich einen ganz anderen Ton an. Der Text stammt wie erwähnt aus der Sammlung Des Knaben Wunderhorn. Mahler hatte ihn schon in den 1890er Jahren als eigenständiges Lied vertont, das nun den Abschluss der Vierten Sinfonie bildet. »Mit kindlich heiterem Ausdruck, durchaus ohne Parodie!« schreibt Mahler für die Singstimme vor. Kein gekünstelter »Kinderton«, keine scheinbar »naive Unschuld« schwebte ihm vor: »Im letzten Satz erklärt das Kind, welches im Puppenstand doch dieser höheren Welt angehört, wie alles gemeint sei.« Doch, um es mit Mahler zu sagen, »es ist die Heiterkeit einer höheren, uns fremden Welt, die für uns etwas SchauerlichGrauenvolles hat«. Die »himmlischen Freuden« erweisen sich als sehr irdisch-handfeste Gewohnheiten rund ums Essen und seine Beschaffung – gezeichnet mit einer teils lautmalerischen Deutlichkeit, die an die Naivität alter Heiligenbilder erinnert. Der Himmel ist ein Schlachthaus, in dem der Kindermörder Herodes die Stelle des Metzgers eingenommen hat. Keine transzendierende Vision eines himmlischen Paradieses ist dieses Finale, sondern vielmehr ein böser Scherz, eine Travestie mit NarrenSchellen und kreischenden Orchestereinwürfen. Damit erweist sich die Vierte Sinfonie aber als Mahlers radikalster Kommentar zum Lauf der Welt. ANNE DO PAÇO Der Dirigent Gustav Mahler als Schattenriss GUSTAV MAHLER Sinfonie Nr. 4 G-Dur, 4. Satz Text: aus »Des Knaben Wunderhorn«, herausgegeben von Clemens Brentano und Achim von Arnim Wir genießen die himmlischen Freuden, D’rum tun wir das Irdische meiden. Kein weltlich’ Getümmel Hört man nicht im Himmel! Lebt alles in sanftester Ruh’. Wir führen ein eng’lisches Leben, Sind dennoch ganz lustig daneben; Wir tanzen und springen, Wir hüpfen und singen, Sankt Peter im Himmel sieht zu. Johannes das Lämmlein auslasset, Der Metzger Herodes d’rauf passet. Wir führen ein geduldig’s, Unschuldig’s, geduldig’s, Ein liebliches Lämmlein zu Tod. Sankt Lucas den Ochsen tät schlachten Ohn’ einig’s Bedenken und Achten. Der Wein kost’ kein Heller Im himmlischen Keller; Die Englein, die backen das Brot. Gut’ Kräuter von allerhand Arten, Die wachsen im himmlischen Garten, Gut’ Spargel, Fisolen Und was wir nur wollen. Ganze Schüsseln voll sind uns bereit! Gut’ Äpfel, gut’ Birn’ und gut’ Trauben; Die Gärtner, die alles erlauben. Willst Rehbock, willst Hasen, Auf offener Straßen Sie laufen herbei! Sollt’ ein Fasttag etwa kommen, Alle Fische gleich mit Freuden angeschwommen! Dort läuft schon Sankt Peter Mit Netz und mit Köder Zum himmlischen Weiher hinein. Sankt Martha die Köchin muss sein. Kein’ Musik ist ja nicht auf Erden, Die unsrer verglichen kann werden. Elftausend Jungfrauen Zu tanzen sich trauen. Sankt Ursula selbst dazu lacht. Cäcilia mit ihren Verwandten Sind treffliche Hofmusikanten! Die eng’lischen Stimmen Ermuntern die Sinnen, Dass alles für Freuden erwacht. DIE KÜNSTLER SARAH MARIA SUN SOPRAN Sarah Maria Sun wurde 1978 in Deutschland geboren und begann ihre Gesangsausbildung im Alter von zehn Jahren. Später studierte sie Lied- und Operngesang in Köln und Stuttgart. Heute konzertiert sie mit Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Kent Nagano, Peter Rundel und Thomas Hengelbrock, Orchestern wie dem Leipziger Gewandhausorchester oder den Berliner Philharmonikern sowie zahlreichen Rundfunkorchestern und Neue-MusikEnsembles wie dem Ensemble Modern, Ensemble intercontemporain und Ensemble Musikfabrik. Sie war zu Gast an der Staatsoper Berlin und den Opernhäusern in Düsseldorf, Dresden, Basel, Frankfurt und Stuttgart sowie der Bastille-Oper Paris. Ihr Repertoire beinhaltet neben Liedern und Oratorien etwa 680 Kompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts. Der NDR widmete ihr 2012 und 2016 Porträt-Konzerte; das Hamburger Abendblatt feierte sie als »Hochleistungssopranistin«. Von 2007 bis 2014 war Sarah Maria Sun die Erste Sopranistin der Neuen Vocalsolisten Stuttgart, die weltweit zu den wichtigsten Vorreitern für Zeitgenössische Musik zählen. Ihre Einspielung der Wölfli-Kantate von Georges Aperghis mit den Vocalsolisten erhielt 2014 den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Sarah Maria Sun gibt regelmäßig Meisterkurse für Vokalmusik des 20. und 21. Jahrhunderts, unter anderem an den Universitäten und Hochschulen von Oslo, Harvard, Chicago, Stockholm, Zürich, Rostock, Moskau, Dresden, Hannover und Berlin. DIE KÜNSTLER Peter Ruzicka wurde 1948 in Düsseldorf geboren. An eine instrumentale und theoretische Ausbildung am Hamburger Konservatorium schlossen sich Kompositionsstudien bei Hans Werner Henze und Hans Otte an. Er studierte Rechtsund Musikwissenschaften in München, Hamburg und Berlin und promovierte mit einer interdisziplinären Dissertation über das »ewige Urheberpersönlichkeitsrecht«. Für seine Kompositionen erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, so etwa den Unesco-Preis »International Rostrum of Composers« und den Louis Spohr Musikpreis. Seine Werke wurden von führenden Orchestern wie den Berliner und Wiener Philharmonikern, allen deutschen Rundfunk-Sinfonieorchestern, dem Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam und dem New York Philharmonic Orchestra aufgeführt. Seine Oper Celan erlebte 2001 ihre Uraufführung an der Staatsoper Dresden. Ruzickas Musiktheater Hölderlin wurde 2008 an der Staatsoper Unter den Linden Berlin uraufgeführt. Von 1979 bis 1987 wirkte Peter Ruzicka als Intendant des Radio-SymphonieOrchesters Berlin, von 1988 bis 1997 als Intendant der Staatsoper Hamburg und der Hamburger Philharmoniker. 1996 übernahm er als Nachfolger von Hans Werner Henze die künstlerische Leitung der Münchener Biennale, die er bis 2014 innehatte, und wurde daneben im Jahre 1997 künstlerischer Berater des Royal Concertgebouw Orchesters Amsterdam. Von 2001 bis 2006 hatte Ruzicka als Intendant die künstlerische Leitung der Salzburger Festspiele inne. Seit 2015 leitet er als geschäftsführender Intendant die Osterfestspiele Salzburg. Seit 1990 ist Peter Ruzicka Professor an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Der Komponist ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und der Freien Akademie der Künste Hamburg. Als Dirigent leitete Peter Ruzicka unter anderem das Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, die Wiener Symphoniker, die Sächsische Staatskapelle Dresden, das Gewandhausorchester Leipzig, die Münchner Philharmoniker, die Bamberger Symphoniker, die Staatskapelle und das Deutsche SymphonieOrchester Berlin, das Philharmonische Staatsorchester Hamburg und die Rundfunkorchester von NDR, BR, hr, WDR, SWR, MDR und ORF. Mit der Deutschen Kammerphilharmonie verbindet ihn eine langjährige künstlerische Zusammenarbeit. DIRIGENT PETER RUZICKA DIE KÜNSTLER DIE DEUTSCHE KAMMERPHILHARMONIE BREMEN Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen zählt zu den weltweit führenden Orchestern und begeistert mit ihrem einzigartigen Musizierstil überall ihr Publikum. Auch der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck, der die Musiker 2014 ins Schloss Bellevue einlud, schwärmte: »Ein Orchester, wie es in Deutschland kein Zweites gibt.« Künstlerischer Leiter ist seit 2004 der estnische Dirigent Paavo Järvi. Gemeinsam tourte man durch Europa, Japan und Nordamerika mit Auftritten beim Schleswig-Holstein Musik Festival, den BBC Proms, beim Mostly Mozart Festival in New York sowie in Tokio. Bisheriger Höhepunkt war das BeethovenProjekt, auf das man sich sechs Jahre lang konzentrierte. Die Aufführungen und CD-Aufnahmen sämtlicher Beethoven-Sinfonien wurden weltweit von Publikum und Presse als maßstabsetzend gefeiert. Ein ebenso positives Echo fand die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete TV- und DVD-Dokumentation des Beethoven-Projekts. Im Anschluss setzte sich Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ebenso erfolgreich mit dem sinfonischen Schaffen von Robert Schumann auseinander. Mittlerweile sind alle Schumann-Sinfonien auf CD beziehungsweise DVD erschienen. NDR Kultur lobte: »Sorgfalt, Spielfreude und Fantasie sind die Zutaten zum Erfolgsrezept der Aufnahme. Auch bei Schumann führt kein Weg an der Kammerphilharmonie vorbei.« Der jüngste Schwerpunkt der Bremer ist Johannes Brahms gewidmet. Seit vielen Jahren pflegt das Orchester enge musikalische Freundschaften zu renommierten Solisten und Dirigenten wie Christian Tetzlaff, Viktoria Mullova, Hélène Grimaud, Janine Jansen, Hilary Hahn, David Fray, Igor Levit, Martin Grubinger und Sir Roger Norrington. Als erstes Orchester überhaupt wurde Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen 2010 mit der Ehrenurkunde des Preises der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr wurde sie von Deutschlandradio Kultur zum »Orchester des Jahres« gewählt. Mit großem persönlichem Engagement widmen sich die Orchestermitglieder den gemeinsamen Projekten mit der Gesamtschule Bremen-Ost, in deren Gebäude sich seit einigen Jahren die Probenräume des Orchesters befinden. Die Musiker verfolgen hier das Ziel, individuelles Wachstum – gerade auch, aber nicht nur in bildungsferner Umgebung – durch Musik zu fördern. Die daraus erwachsene Zusammenarbeit wurde mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, darunter 2007 mit dem »Zukunftsaward« als »beste soziale Innovation« und 2012 mit einem Echo Klassik. Inzwischen wurde dieses »Zukunftslabor« vom Staatsministerium für Kultur zum Modellprojekt ernannt. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen gastierte in den vergangenen Jahren regelmäßig in der Laeiszhalle; ihren Einstand in der Elbphilharmonie feierte sie am 3. März gemeinsam mit dem Pianisten Pierre-Laurent Aimard und dem Elbphilharmonie-Residenzkünstler Matthias Pintscher. Auch in der nächsten Spielzeit wird die Kammerphilharmonie wieder in Hamburg zu hören sein. BESETZUNG JULIA LEZHNEVA SINGT ARIEN VON GRAUN Zu Unrecht vergessen. Nun in höchster Vollendung wiederentdeckt. Violine I Florian Donderer* Stefan Latzko Konstanze Lerbs Katherine Routley Timofei Bekassov Hanna Nebelung Stephanie Appelhans Konstanze Glander Violine II Jörg Assmann Beate Weis Gunther Schwiddessen Astrid Kumkar Zuzana Schmitz-Kulanova Claudia Schmid-Heise © Decca/Simon Fowler Viola Xandi van Dijk Anja Manthey Jürgen Winkler Klaus Heidemann Tomohiro Arita Violoncello Marc Froncoux Ulrike Rüben Thorsten Encke Lynda Cortis Mit 11 Weltersteinspielungen! Als CD, Download & Stream www.julialezhneva.net Kontrabass Matthias Beltinger Juliane Bruckmann Peter Pudil Flöte Bettina Wild Ulrike Höfs Oboe Ulrich König / Rodrigo Blumenstock Klarinette Matthew Hunt Marco Thomas Fagott Higinio Arrué Fortea Nicole King Horn Elke Schulze Höckelmann Markus Künzig Trompete Christopher Dicken Bernhard Ostertag Schlagwerk Stefan Rapp Raúl Camarasa Klavier Julia Bartha Harmonium Klaus Heidemann * Konzertmeister PRESENTS VORSCHAU PETER RUZICKA ZUM ZWEITEN Die heutige Uraufführung von Peter Ruzickas »Mnemosyne« war nur der erste Streich – und der zweite folgt sogleich. Morgen Nachmittag nämlich, wenn das Minguet Quartett Ruzickas Siebtes Streichquartett im Kleinen Saal der Elbphilharmonie aus der Taufe hebt. Darin bezieht sich der Komponist direkt auf Beethovens grandioses cis-Moll-Quartett op. 131, das konsequenterweise im ersten Teil des Konzerts erklingt. Das Minguet Quartett ist für diesen Anlass genau das richtige Ensemble, hat es doch Ruzickas bisherige Streichquartette bereits auf CD eingespielt. BELCEA QUARTET / CUARTETO CASALS STREICHSEXTETTE VON BRAHMS 28. 5. 2017 | 20 UHR LAEISZHALLE KLEINER SAAL TICKETS 040 357 666 66 WWW.ELBPHILHARMONIE.DE So, 7. Mai 2017 | 15:30 Uhr | Elbphilharmonie Kleiner Saal Die Aufzeichnung des Konzerts in Ton, Bild oder Film ist nicht gestattet. IMPRESSUM Herausgeber: HamburgMusik gGmbH – Elbphilharmonie und Laeiszhalle Betriebsgesellschaft Generalintendanz: Christoph Lieben-Seutter Geschäftsführung: Jack F. Kurfess Redaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta / [email protected] Die Einführungstexte sind Originalbeiträge für Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Gestaltung und Satz: breeder typo – alatur, musialczyk, reitemeyer Druck: Flyer-Druck.de Anzeigenvertretung: Antje Sievert, +49 (0)40 450 698 03 [email protected] BILDNACHWEIS Franz Schubert: Porträt von Wilhelm August Rieder (1825); Rolf Liebermann in der Hamburger Laeiszhalle, 1994 (Ullstein Bild / Peyer); Friedrich Hölderlin: Porträt von Franz Karl Hiemer (1792); Peter Ruzicka (Anne Kirchbach); »Des Knaben Wunderhorn«: Titelblatt der Erstausgabe (1806); Gustav Mahler, 1909 (A. Dupont); Mahler als Dirigent: Scherenschnitt von Otto Boehler; Sarah Maria Sun (Rüdiger Schestag); Peter Ruzicka (Anne Kirchbach); Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen (Oliver Reetz); Minguet Quartett (Frank Rossbach) BEI UNS SIND SIE IMMER AN DER WIR DANKEN UNSEREN PARTNERN ALLER- PRINCIPAL SPONSORS PRODUCT SPONSORS FÖRDERSTIFTUNGEN BMW Montblanc SAP Coca-Cola Hawesko Lavazza Meßmer Ruinart Störtebeker Stiftung Elbphilharmonie Klaus-Michael Kühne Stiftung Körber-Stiftung Hans-Otto und Engelke Schümann Stiftung K. S. Fischer-Stiftung Haspa Musik Stiftung Hubertus Wald Stiftung Ernst von Siemens Musikstiftung Cyril & Jutta A. Palmer Stiftung Mara & Holger Cassens Stiftung Rudolf Augstein Stiftung CLASSIC SPONSORS Aurubis Bankhaus Berenberg Blohm+Voss Commerzbank AG DG HYP Reederei F. Laeisz Gossler, Gobert & Wolters Gruppe Hamburger Feuerkasse Hamburger Sparkasse Hamburger Volksbank HanseMerkur Versicherungsgruppe HSH Nordbank Jyske Bank A /S KPMG AG KRAVAG-Versicherungen M.M.Warburg & CO sowie die Mitglieder des Elbphilharmonie Circle Freundeskreis Elbphilharmonie + Laeiszhalle e.V. ERSTEN ADRESSE FÜR GUTEN WEIN AUS DER GANZEN WELT! MEDIENPARTNER NDR Der Spiegel Byte FM VAN Magazin NDR Kultur FORDERN SIE JETZT GRATIS UNSEREN NEUEN WEIN-KATALOG AN UNTER TEL. 04122 50 44 33 W W W. E L B P H I L H A R M O N I E . D E