Technik & Ethik Einführung und Grundlagen 1 Technik & Ethik Vorlesung von Prof. Dr. Michael Bongards [email protected] 2 1 Technik & Ethik Basierend auf: Fridolin Stähli: „Ingenieurethik an Fachhochschulen“; 1998 3 Warum Ethik für Ingenieure? • Jeder kann in berufliche Gewissenskonflikte geraten! • Ist die Situation da, muss man häufig relativ schnell entscheiden. Es ist keine Zeit für tiefschürfende Analysen. • Oft sind Sie allein mit Ihrem Problem, moralische Autoritäten gibt es nicht. 4 2 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 5 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 6 3 Warum Ethik? • Religion ist Privatsache. • Moralische Urteile sind nicht mehr religiös begründbar. • In der Schule wird deshalb oft schon Ethik an Stelle von Religion gelehrt. • Repräsentanten religiöser Gemeinschaften sind keine moralischen Autoritäten. 7 Warum Ethik? • Die Gesellschaft individualisiert sich. • Das Verhalten des Anderen ist nicht automatisch für mich eine Verhaltensnorm. • Es gibt kein allgemein anerkanntes Wertesystem mehr, wie z.B. noch in der Nachkriegszeit das Streben nach Wohlstand und (nicht zuletzt auch intellektueller) Bequemlichkeit. 8 4 These: Erfolg von Reality TV? • Big Brother vermittelt orientierungslosen Menschen ein Werte- und Regelsystem zum Umgang miteinander. • Oder ist es doch nur Voyeurismus, Machtgenuss und etwas Schadenfreude hin zum Sadismus? 9 Warum Ethik? • Die Gesellschaft verändert sich durch die Technik immer schneller. • Dadurch entstehen immer wieder neue Technologien und Entwicklungen, die moralisch bewertet werden müssen. (Beispiel: Gentechnik) • Hierzu ist ethisches Werkzeug erforderlich. 10 5 Technik und Ethik? • Da Wissenschaft und Technik immer stärker in unser Leben eingreifen, können die Entwickler auch immer mehr moralische Fehler machen. • Beispiel: Atomtechnologie ab 1945, Gentechnik ab ca. 1990 (Die Wissenschaft verlor ihre Unschuld !) 11 Technik und Ethik? • Ein neues Umweltbewusstsein bringt völlig neue ethische Denkansätze: (Aus der Begrenztheit der Ressourcen folgen: Sustainability, Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit) 12 6 Technik und Ethik? • Der Preis der Moderne: Wir selbst haben in einem sehr hohen Maße die Verantwortung für das Überleben zukünftiger Generationen aufgebürdet bekommen. 13 Was leistet die Ethik ? • Werte und Normen werden bereitgestellt, die unser Handeln leiten können. • Sie kann eine Orientierungshilfe bei Handlungsalternativen sein. • Die eigene Argumentation wird klarer und fundierter. 14 7 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 15 Was heißt Ethik und Moral ? • Ethik ist die Wissenschaft von Normen und Werten. • Sie liefert ein Orientierungssystem, um herauszufinden, was man tun soll. • Sie hilft, moralische Entscheidungen zu fällen. 16 8 Ethik • beschäftigt sich mit der Frage nach einem guten, glücklichen Leben. • ... mit der Frage nach Gerechtigkeit. • ... mit der Frage nach dem richtigen Handeln 17 Ethik • Theorie der Moral, Begründung der Regeln, Untersuchung der Allgemeinverbindlichkeit der Regeln. Moral • Gesamtheit der Regeln, nach denen wir Gut & Böse, Richtig & Falsch bewerten 18 9 Ethik ... • befasst sich kritisch mit Werten und Normen. • erforscht mit kritischer Vernunft das moralische Bewusstsein. • hat als Ziel ein glückliches Leben für den Einzelnen und für die Gemeinschaft (welche?) 19 Ethik ... • erkennt Normenkonflikte und begründet Entscheidungen. • muss Wertediskussionen mit rationalen Argumenten zulassen und damit auch eigene Wertsysteme in Frage stellen (Ausländerintegration). • Handeln muss verantwortet werden gegenüber Mitmenschen, Institutionen, Gesellschaft und Natur. 20 10 Ethik • Ethik macht uns nicht automatisch zu guten Menschen. • Ethik verhindert keine unmoralischen oder falschen Entscheidungen. • Ethik kann nicht endgültig festlegen, wie der Einzelne zu handeln hat. 21 Ethik • arbeitet oft mit Fallbeispielen • wägt Argumente ab und testet Handlungsalternativen. • Ethikkommissionen geben nützliche Hinweise und Entscheidungshilfen, sind aber nicht unfehlbar. • Der Einzelne kann Ethik lernen und - wenn er will - auch anwenden. 22 11 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 23 Ist Moral begründbar? • Je primitiver die Gesellschaft, desto brutaler ist der Umgang miteinander. – Beispiel: Urwaldindianer in Neuguinea, immer Krieg, Blutrache, Folterungen. – Noch im Barock: Brutaler Strafvollzug und Hexenverbrennungen. – Adoleszenzritual bei amerikanischen Indianern: Meuchelmord beim feindlichen Stamm. (Ähnlich im antiken Sparta) 24 12 Quellen der Moral • Biologisch, evolutionär, genetisch • theologisch, religiös • aus Vernunftüberlegungen Aber nie vergessen: Erst kommt das Fressen, dann die Moral B. Brecht 25 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 26 13 Ethikkonzepte • Teleologische • Deontologische Argumentation: Argumentation: Das Ergebnis, bzw. Das Handeln selbst Ziel des Handelns wird bewertet. wird bewertet 27 Beispiel: Dürfte ich 1943 Hitler ermorden? (17.6.43 Graf Stauffenberg et al.) – Teleologisch eher ja – Deontologisch eher nein 28 14 Teleologische Ansätze • Entscheidendes Kriterium für mein Handeln ist der außermoralische Wert, der geschaffen wird. • Es wird die Alternative gewählt, bei der die guten Folgen am meisten gegenüber den schlechten Folgen dominieren. 29 Teleologische Ansätze • Utilitarismus: Die Handlung ist optimal, die das größte Glück der größten Zahl bewirkt, also die meisten Interessen befriedigt. • Umgangssprache: Der Zweck heiligt die Mittel. 30 15 Deontologische Ansätze Immanuel Kant - Kategorischer Imperativ: • Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du auch zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. • Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden sollte. • Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst. 31 Deontologische Ansätze • Pflichten, die wir einzuhalten haben: – Wahrheitspflicht – Dankbarkeitspflicht – Gerechtigkeitspflicht • Umgangssprache: Üb immer Treu und Redlichkeit! Tue deine Pflicht (Preußentugend)! 32 16 Ethikkonzepte • Teleologischer Ansatz: • Deontologischer Ansatz: – Folgeethik – Prinzipienethik – Verantwortungs- – Gesinnungsethik ethik 33 Ethikkonzepte • In der Ethik der Technik wird meistens teleologisch argumentiert, deontische Argumente sind meist nur von untergeordneter Bedeutung. • Sicher hängt dies auch mit der Individualisierung der Gesellschaft und der Erosion verbindlicher Normen zusammen. 34 17 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 35 Moralische Prinzipien Goldene Regel (Gleichheitsprinzip) • Behandle deinen Mitmenschen so, wie du von ihm behandelt werden willst. – Flugzeugtoilette: Verlassen Sie diesen Raum so, wie Sie ihn bei Ihrem Eintritt vorfinden wollen. – Achtung: Regel funktioniert nicht bei menschenverachtenden Fanatikern oder in primitiven Gesellschaften! 36 18 Moralische Prinzipien Utilitarismus (Nützlichkeit & Maximierung) • Handle so, dass unter möglichen Alternativen die gewählt wird, die die meisten Interessen befriedigt. – Problem: Minderheitenschutz! – Frage: Heiligt der Zweck wirklich immer die Mittel? 37 Moralische Prinzipien Vernunftethik (Kategorisches Prinzip) • Handle nur nach solchen Normen, von denen du wollen kannst, dass sie allgemein gelten. – Die Regel ist nur in der Vernunft gegründet und berücksichtigt keine moralischen Gefühle. – Die Folgen der Handlung werden nicht berücksichtigt. 38 19 Moralische Prinzipien Diskursethik (Konsensprinzip) • Handle nur nach solchen Normen, mit denen alle von deiner Handlung Betroffenen einverstanden sind. – Konflikte sind am runden Tisch in der Diskussion frei von Gewalt nur mittels rationalen Argumenten zu lösen. – Funktioniert nur bei nicht zu großen Interessengegensätzen, relativ hohem Einigungswillen und Abwesenheit von fundamentalistischen Positionen. 39 Moralische Prinzipien • Diskursethik (Konsensprinzip) – In der Erziehung von Jugendlichen werden kaum Leitbilder vermittelt. – In der Umweltdiskussion war sie nicht sehr erfolgreich. – Probleme werden nicht gelöst sondern zu Tode diskutiert. – Ein ähnliches Konsensprinzip ist in Asien zu Hause: So lange diskutieren, bis alle einverstanden sind. 40 20 Moralische Prinzipien Gerechtigkeitsethik (Gerechtigkeitsprinzip) • Handle aus einer Position der Stärke nur nach solchen Normen, die auch den Interessen der Schwächeren gerecht werden. – Korrektive Gerechtigkeit: Strafrecht zur Wiederherstellung eines moralischen Gleichgewichts. – Distributive Gerechtigkeit: Verteilung von Rechten, Pflichten, Gütern, Lasten. 41 Moralische Prinzipien Probleme der distributiven Gerechtigkeit: – Primäre Diskriminierung bei der Güterverteilung (Frauen, Ausländer, ..) – Sekundäre Diskriminierung bei der Güterverteilung (Bedürfnis, Leistung, Begabung, Anrechte, ...) 42 21 Moralische Prinzipien Mitleidsethik (Toleranz, Schaden, Hilfe) • Handle so, dass du keinem andern Schaden zufügst, und hilf, so viel du kannst, allen! – Motivation für das Handeln ist das Mitleid - das ist möglicherweise nicht immer vorhanden. – Moralische Überlegungen können mit dieser Maxime gut auf leidensfähige Tiere übertragen werden. 43 Moralische Prinzipien Fernethik (Verantwortungsprinzip) • Handle so, dass menschliches Leben auch für die Zukunft nicht gefährdet wird. – Basis für Technikethik und ökologische Ethik – Prinzip der Sustainability 44 22 Moralische Prinzipien • Diese Prinzipien sind relativ allgemein formuliert. • Es lassen sich meist keine direkten Handlungsanweisungen ableiten. • Aber man kann damit Handlungen als sittlich oder unsittlich beurteilen. 45 Occident Ethik auf Basis von Regeln mit einer von Prinzipien geleiteten Vernunft Ziel: Korrekt handeln Orient • Gefühl und Intuition im Mittelpunkt • Appell an das gute Gewissen • Ziel: Gut sein Die Lehre vom Handeln kann nur in einer Lehre vom Sein (Metaphysik) gegründet sei. 46 23 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 47 Moralische Werte Moralische Werte oder Tugenden sind Charaktereigenschaften, die wir meist durch die Erziehung erwerben. 48 24 Moralische Werte Vier Kardinaltugenden nach Platon: – Klugheit – Tapferkeit – Mäßigung – Gerechtigkeit Dazu theologische christliche Tugenden: – Glaube – Liebe – Hoffnung 49 Nach Schopenhauer: Kardinaltugenden: • Wohlwollen • Gerechtigkeit Davon abgeleitet: • Liebe • Ehrlichkeit • Mäßigung • Dankbarkeit • Tapferkeit • Rücksichtnahme 50 25 Moralische Tugenden für Ingenieure Aus Ingenieurcodices: • Loyalität (fragt sich, wem gegenüber ?) • Fairness • Aufrichtigkeit • Unparteilichkeit (Gerade Fachleute sollten doch Partei beziehen, wer denn sonst ?) 51 Moralische Tugenden für Ingenieure Aus Gesprächen: • Korrektheit (Nähe zur Wissenschaftsethik, keine Messwerte verfälschen) • Genauigkeit (Bei wichtigen Berechnungen darf man sich einfach nicht verrechnen. Beispiel: Statiker) 52 26 Tugenden für die nachhaltige Gesellschaft: • Ehrfurcht vor der Würde des in langer Zeit Gewordenen • Verantwortlichkeit für sich und für andere • Risikoabwägungen immer mit Vorsicht, Rücksicht und Respekt • Anwalt für die Wehr- und Rechtlosen: Kleinkinder, Behinderte, zukünftige Generationen. • Wahrnehmung und Achtung vor der Schönheit der Natur: Tiere, Pflanzen, Landschaften 53 Prinzipien und Tugenden Moralische Prinzipien: • Handle so! Tugenden: • Sei so! Prinzipien ohne Eigenschaften sind unvermögend, Eigenschaften ohne Prinzipien blind. 54 27 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 55 Das gute Leben • Unser aller Lebensziel: Ein gutes glückliches Leben • In der Antike: Vita contemplativa als Gelehrter oder Philosoph verbunden mit Wohlwollen den Mitmenschen gegenüber. • Heute: Glück = Reichtum (Fehlschluss, total !!) Glück = Erfolg (???) Glück = Gesundheit (Ob das reicht?) 56 28 Das gute Leben • Glück ergibt sich heute nicht mehr automatisch aus bestimmten moralischen Tugenden. • Unterschiedliche Lebensformen in unserer individualisierten Gesellschaft bedingen unterschiedliche Glücksanschauungen. 57 Das gute Leben • Was ist gut für mich ? • Was ist gut für die anderen ? • In welcher Gesellschaft möchte ich leben und was kann ich dafür tun ? Ein gutes Leben ergibt sich für die Menschen nur in der Gemeinschaft. 58 29 Das gute Leben • Neue Technologien verändern gravierend unser Leben und die Lebensqualität. • Durch den Wertepluralismus gehen individuelle Wertvorstellungen weit auseinander. • Wir müssen beim Handeln immer Werte sehen, diskutieren und unser Handeln nach Werten ausrichten. 59 Das gute Leben Beispiele für werteorientierte technische Entwicklungen, z.B. um das Ausgrenzen einzelner Gruppen zu vermeiden: – Internet für erwachsene Analphabeten – Handy für Senioren – Sexroboter für Schwerbehinderte 60 30 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 61 Das Prinzip Verantwortung Früher: • Verantwortung vor Gott, König und Vaterland • ... vor dem jüngsten Gericht Heute: • Rücksicht auf die Welt und die Menschheit als Ganzes auch ein Globalisierungseffekt 62 31 Das Prinzip Verantwortung Antiken Gesellschaften waren ihre Naturzerstörungen noch nicht bewusst (Verkarstung des Mittelmeerraums), und diese hatten auch noch nicht unsere globale Auswirkung. Deshalb ist die traditionelle Ethik noch anthropozentrisch. 63 Das Prinzip Verantwortung Die moderne Technik hat Handlungen von neuer Größenordnung mit neuartigen Folgen eingeführt, dass eine erweiterte Verantwortungsethik erforderlich ist. Die individuelle Sozialethik wird zur globalen Naturethik. 64 32 Erweiterung des Kant´schen Imperativs nach Jonas (1979) • Kant: Handle so, dass du auch wollen kannst, dass deine Maxime allgemeines Gesetz werde. • Jonas: Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden. 65 Erweiterung des Kant´schen Imperativs nach Jonas • Jonas: Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen nicht zerstörerisch sind für die zukünftige Möglichkeit solchen Lebens. Gefährde nicht die Bedingungen für den indefiniten Fortbestand der Menschheit auf Erden. Schließe in deine gegenwärtige Wahl die zukünftige Integrität des Menschen als MitGegenstand deines Wollens ein. (Also kein zukünftiges Leben eingesperrt in Glaskuppeln) 66 33 Verantwortung nach Jonas • Prinzip Furcht - vor der Macht der Natur • Sorge um ein anderes Sein (?) • Erfurcht und Schaudern - vor den Wundern der Schöpfung • Demut Die wissenschaftliche Aufklärung hat diese Gefühlswelt weitestgehend zerstört! 67 Verantwortung nach Hubig • Ingenieure tragen die ethische Verantwortung für ihr Handeln und für das Einbringen ihres Teilwissens in Entscheidungen anderer Instanzen. Diese persönliche Verantwortung ist nicht delegierbar. 68 34 Verantwortung Gegenstände und • Sorge für Mitmensch und Gesellschaft • Schutz der Umwelt und Natur • Sicherstellung des wirtschaftlichen Erfolges Ziele • Beitrag zum Wohl der Menschheit • Erhaltung der Lebensbasis • Befriedigung legitimer Bedürfnisse von Unternehmenspartnern und Gesellschaft 69 Verantwortung im Detail Als • • • • • Mensch Rollenträger Experte Mitglied Institution Subjekt der Verantwortung • Moralische Verantw. • Berufsverantwortung • Sonderverantwortung • Mitverantwortung • institutionelle Verantwortung 70 35 Verantwortung im Detail Für • • • • • • mich selbst Personen Handeln Handlungsfolgen Zustände, Güter Anordnung Gegenstand der Verantwortung • Selbstverantwortung • Fürsorge • Deontologische V. • Teleologische V. • Seinsverantwortung • Rollenverantwortung 71 Verantwortung im Detail • Im Blick auf • Schäden und Nutzen • Rolle, Pflicht • Haftung • Teleologische V. • Deontologische V. • Juristische Verantwortung 72 36 Verantwortung im Detail • Unter Maßstäben • der Moral • der Sittlichkeit • des Rechts • Subjektive V. • Objektive V. • rechtliche Verantwortung 73 Verantwortung im Detail • Gegenüber • Sein, Menschheit • Gott, Natur • Institution, Organisation • Staat, Gesellschaft • Ethische V. • Religiöse V. • Loyalitätsverantwortung • Soziale Verantwortung 74 37 Praktische Verantwortungsethik • Interessen und Bedürfnisse aller Betroffenen berücksichtigen und niemandem schaden. • Werkzeug: Technikfolgenabschätzung • Problem: Prognosen in die Zukunft sind im Allgemeinen falsch. 75 Das Wissen • Unser Wissen ist nicht vollständig. • Wir wissen außerdem nicht, wie viel wir nicht wissen. • Viele Prozesse sind chaotisch strukturiert und deshalb nicht exakt vorhersagbar (Beispiel: Wetter). 76 38 Exkurs: Ingenieur und Wissenschaftler • Der Ingenieur lernt in seiner Ausbildung, auf der Basis unvollständiger und fehlerhafter Daten Entscheidungen zu fällen. • Der Wissenschaftler lernt, so lange zu untersuchen und zu messen, bis er vollständige und richtige Daten für seine Schlussfolgerungen gesammelt hat. 77 Entscheidungen Wir entscheiden • mit Teilkenntnissen, bzw. • im Zustand partieller Ignoranz. 78 39 Juristische Begrifflichkeiten • Sie treffen eine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen • Ihre Gewissenhaftigkeit bzw. Sorgfaltspflicht wird geprüft. • Man kann ja nicht alles wissen. aber • Man sollte das wissen, was man hätte wissen sollen. 79 Ihr Entscheidungsproblem ! • Zielkonflikte (Beispiel: Unternehmensgewinn - Gesundheit) • Moralische Dilemmata (Beispiel: Mein persönliches Glück gegen die Gefährdung der Kunden) • Sorgfältige Güterabwägung erforderlich 80 40 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 81 Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Argument der Ambivalenz • Moderne Technik ist doppelgesichtig und ihre Wirkungen sind ambivalent. Ethik ist erforderlich wegen der Mehrdeutigkeit des technischen Tuns. 82 41 Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Argument der Anwendung • Neue Techniken und neues Können führen zu neuen Anwendungen, was uns neue ethische Bürden aufträgt. 83 Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Argument der Größe • Moderne Technik wirken global in Raum und Zeit. Unsere Hypotheken gegenüber zukünftigen Generationen wachsen. Sorge und Fairness sind geboten und gefordert ist ein geweitertes Verantwortungsbewusstsein. 84 42 Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Argument der Solidarität • Unsere Verantwortung wird kosmisch (Verantwortung für den Fortbestand zahlreicher Tier- und Pflanzenarten), eine Folge davon ist die aufkommende Umweltethik und ökologische Ethik. 85 Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Argument der metaphysischen Frage • Technik kann den Fortbestand der Menschheit gefährden und die Bedingungen für höheres Leben auf Erden zerstören. – Soll es in Zukunft noch Menschen geben? – Kann Computational Intelligence unseren Job unter Umständen besser machen? 86 43 Ethische Technikbewertung Fünf normative Prinzipien: • Vereinbar mit Grundfreiheiten • Förderlich für Grundfreiheiten • Förderlich für soziale Gerechtigkeit • Gleiche Berücksichtigung zukünftiger Generationen • Gutes Leben 87 Ethische Technikbewertung Fünf Verträglichkeitsdimensionen: • Gesundheit • Gesellschaft • Kultur • Psyche • Umwelt 88 44 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung – Umweltethik 89 Technologiefolgen-Abschätzung In USA seit 1972 Office of Technological Assessment (OTA) In Deutschland TAB 90 45 TAB Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag Office of Technology Assessment at the German Parliament http://wwwtab.fzk.de/home_de.htm 91 TAB Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung ist eine selbständige wissenschaftliche Einrichtung, die den Deutschen Bundestag und seine Ausschüsse in wissenschaftlichen und technischen Fragen berät. Das TAB wird vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Forschungszentrums Karlsruhe (FZK) betrieben. Zum Arbeitsprogramm des TAB gehören die Durchführung von Projekten der Technikfolgen-Abschätzung und die Beobachtung wichtiger wissenschaftlich-technischer Trends und damit zusammenhängender gesellschaftlicher Entwicklungen (Monitoring). Das TAB ist Mitglied im Netzwerk europäischer parlamentarischer TAEinrichtungen (EPTA-network). 92 46 Technologiefolgen-Abschätzung Ziele: • Bessere Kenntnisse der Risiken und Möglichkeiten • Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung • Informationen für politische Behörden und für die Öffentlichkeit • Initiierung von Bewusstseinsbildung 93 Inhalt • Warum Ethik? • Philosophische Ansätze einer Ethik der Technik – – – – – Was heißt Ethik und Moral? Ist Moral begründbar? Ethikkonzepte Moralische Prinzipien Moralische Werte – – – – – Das gute Leben Das Prinzip Verantwortung Warum muss die Technik ein Gegenstand der Ethik sein? Technologiefolgen-Abschätzung Umweltethik 94 47 Umweltethik Wir sind Teil der Natur und müssen auch unseren Frieden mit der Natur schließen. Ethische Grundsätze sind nicht nur für die Beziehung zwischen Menschen sondern auch für die Beziehung zur Umwelt zu entwickeln. (Weg von dem historischen Ansatz: Macht euch die Erde untertan!) 95 Umweltethik Vielschichtige Lösungsansätze sind nötig. In den Umweltschutz gehen neben Technik auch soziales Verhalten, Gesellschafts- und Arbeitsformen ein. Beispiel: Wasserverbrauch in der DDR: ca. 400 l/E/d, in den neuen Bundesländern ca. 150 l/E/d. 96 48 Umweltethik Langfristige Lösungen sollte man anstreben. Internationaler Handel mit Verschmutzungseinheiten bietet langfristige Lösungsperspektiven. 97 Umweltethik Vom wissenschaftlichen Beweis zum Vorsorgeprinzip Beispiel: Elektrosmog ? Gentechnik mit Freisetzung von mutierten Pflanzen ? 98 49 Umweltethik Vom Verbrauch zum Kreisprozess Beispiel: Grüner Punkt Problem: Die Altauto-Richtlinie der EU verhindert das 2-l-Auto (VDI-Nachrichten vom 13.10.2000) 99 Umweltethik Programmierte Konflikte erkennen und handeln Umsetzen der internationalen KlimaRichtlinien Zu Hause neue Heizung (Brennwertkessel) einbauen. 100 50 Umweltethik Mit gutem Beispiel voran gehen. Ökologie kostet Geld. Wir können es uns am ehesten leisten. 101 51