In diesem Heft: Bonang....................................................................1 Harry Harun Behr: Beten Christen und Muslime zu demselben Gott?....2 Georg Brubacher: Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit im Umgang mit alltäglichen Problemen.....................11 Harry Harun Behr: „Wir wollen kein türkisches Schulbuch.“................13 Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs Mein Islambuch......................................................17 Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam......................31 Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung.....................................44 Harry Harun Behr: Tolerance as a Theological and Pedagogic Challenge – an Islamic Perspective.......................54 Zu den Autoren | Impressum..................................62 Heft 13 | 7. Jg. | Sept. 2013 Bonang In der letzten Ausgabe unserer Zeitschrift (ZRLI Heft 12) sind wir etwas ausführlicher auf Indonesien und auf die Lerninitiative Rumah Belajar („Haus des Lernens“) eingegangen. Uns haben bisher Spenden in Höhe von 3.244,- Euro erreicht, umgerechnet über 40 Millionen Rupien. Einen großen Teil haben wir auf das Konto von Rumah Belajar transferiert. Der Rest wurde Anfang April vor Ort übergeben, im Rahmen einer Reise, die aus anderen Gründen und somit kostenneutral stattfand (siehe den Beitrag von H. Behr am Schluss dieser Ausgabe). Für den großen Arzt und Philosophen Ibn Sina (Avicenna, 980-1037 AD) gehören gute Ernährung, körperliche Gesundheit, geregelter Schlaf, angenehme Kleidung, die Umgebung von Menschen, die man liebt, und das angstfreie Aufstehen am Morgen zu den materialen Voraussetzungen für das Lernen. Die Spenden haben dazu viel beigetragen. Die jungen Leute, die in den Beiträgen zu Heft 12 zur Sprache kommen, sind inzwischen ein gutes Stück weitergekommen. Kiki, Dewi, Vitri, Putri, Icha, Reylita und Natalia haben im April ihre Schulabschlüsse gemacht und arbeiten, um im Herbst mit einem Studium oder einer Ausbildung zu beginnen. Auch die drei Koordinatoren der Initiative haben Erleichterung erfahren: Destya kann ihre pharmazeutische Ausbildung abschließen, Ahmad Zaki kann mit seinem Master in Management and Economics und Mute mit ihrem Master in Management of Education beginnen. Alle drei halten ihr Engagement für Bonang aufrecht. Wir bitten Allah, das Gute anzunehmen und zu mehren. Vor allem aber danken wir all denen, die das ermöglicht haben. Mit Salam. Die Herausgeber. Seite 2 Harry Harun Behr „Beten Christen und Muslime zu demselben Gott?“ Anfragen in Sachen Islam In regelmäßigen Abständen erreicht uns im IZIR Nachricht von Menschen, die Genaueres über den Islam wissen möchten. Wir machen dabei die Erfahrung, dass sich die Anfragen von Muslimen und NichtMuslimen im Wesentlichen nicht unterscheiden – einmal ausgenommen die spezifischen Probleme von Muslimen, die sich auf die islamische Lebensweise beziehen. Hier möchten wir eine der Anfragen und ihre Beantwortung exemplarisch publizieren, bei der es deutlicher um die theologische Dimension geht. Es zeigt sich, dass es unerheblich ist, ob hier die islamische Theologie oder die islamische Religionspädagogik angefragt wird, denn die Fragen fallen in gewisser Weise in die Lücke zwischen beiden Disziplinen. Diese Lücke entsteht dadurch, dass es sich um Wissenschaften in ihrer universitären Rahmung handelt. Sie müssen sich stets aufs Neue ins Bewusstsein rufen, dass auch die theologischen Neugierfragen jenseits des akademischen Diskurses oft aus dem Zusammenhang konkreter Lebensfragen heraus entstehen und sich auf das Leben, vor allem auf das Zusammenleben in der religiös pluralen Gesellschaft beziehen. Auf einer Tagung des Graduiertenkollegs Islamische Theologie der Stiftung Mercator an der Universität Frankfurt wurde unlängst auch über die Aufgaben einer islamischen Theologie in Deutschland diskutiert. Sie steht schließlich im Kontext der akademischen Selbsthermeneutik von Musliminnen und Muslimen. In ihrer Signatur als muslimische Rede von Gott aus der Situation der Betroffenheit heraus liegt womöglich ein zentrales Differenzkriterium zu den Islamwissenschaften. Auf der Tagung wurden, ausgehend von den Befunden dessen, was an islamischer Theologie derzeit betrieben wird, drei zentrale Aufgabenfelder erörtert: Harry Harun Behr: Beten Christen und Muslime zu demselben Gott? • Islamische Theologie hilft, Musliminnen und Muslime als Minderheit im Land zu stärken (muslim empowerment). • Islamische Theologie hilft, den Islam als kollektive muslimische Rekonstruktion gemeinsamer Erinnerung nach plausiblen Kriterien zu strukturieren und zu reformulieren (shared collective memory). • Islamische Theologie hilft, Regeln für die Kunst der absichtsvollen Lesart des Korans zu formulieren (hermeneutics of intentional reading). Diese Koordinaten wurden aus der kritischen Anfrage heraus angezeichnet, ob so etwas wie eine einwandfrei objektivierbare Materialität des Korantextes überhaupt angenommen werden soll. Dahinter stand auch die Frage, ob und wenn ja die Ergebnisse von Forschungsansätzen, die sich des Korans vor allem aus sprachwissenschaftlicher und kritisch-historischer Perspektive annehmen, für die theologische Expertise nutzbar gemacht werden können. Der Verdacht liegt nahe, dass in der Konsequenz eine essenzialistische Lesung des Korans nicht sinnvoll ist. Sie birgt die Gefahr, dass sich beide Zugriffe auf den Koran – die säkular-kritische und die religiösaffirmative – gegenseitig in ihren litteralen Voreingenommenheiten gegenüber dem Koran bestärken und somit das theologische Denken einzäunen. Ob sich die Interpretation des Korans nämlich letztlich zur Sklavin seiner symbolischen Textur macht, bleibt erst einmal eine offene Frage. Die Theologie des Islams in Deutschland befindet sich in statu nascendi. Sie gründet zum einen im Wunsch der Muslime, auf der Grundlage der eigenen Traditionen den Islam als substanzielles System weiterzuführen und weiterzuentwickeln. Diese Art von Theologie hat indes ein romantisches Moment; sie ist in gewisser Weise anfällig für die Verklärung im Sinne der ideologischen Rekonstruktion des Islams. Er wird dann leicht mit den Seite 3 tradierten Formen des muslimischen Wissensmanagements verwechselt – gleichsam als meinte man durch das Lesen von Kochbüchern satt werden zu können. Ein alternatives bevorzugtes Verständnis von Theologie könnte demgegenüber eher von funktionalen Aspekten ausgehen – also gleichsam davon, mit frischen Zutaten zu kochen. Dieser Ansatz gründet weniger in der Tradition als vielmehr im Menschen als vorfindlicher Wirklichkeit und in der objektiven Wahrheit des Göttlichen – mithin in der unmittelbaren Wirksamkeit Gottes. Grundlage ist hier die Idee, dass Theologie sich der kontinuierlichen Kommunikation zwischen Gott und dem einzelnen Menschen als Subjekt annimmt. Theologie hätte dann die Aufgabe, die Strukturmerkmale dieser Kommunikation zu erfassen und mögliche Regelhaftigkeiten zu beschreiben. Das kann verstanden werden als die Fortschreibung der Mitteilung Gottes in die Schöpfung hinein und nicht nur als die Fortschreibung der Tradition. Also [waÎy] im Sinne einer offenen Rede Gottes in die Welt. Diese Welt, die Schöpfung, sie wäre diesem Verständnis nach der größere Koran, dessen Buchdeckel sich nicht zuklappen lassen. Ihre Sprache wäre eine andere als das arabische Alphabet, welches die Sprache der Heiligen Schrift des Islams ist, des kleineren Korans. Dieser kleinere Koran wäre dann vor allem dazu da, den eigentlichen, den größeren Koran zu lesen und zu verstehen. Der Blick müsste von den Seiten gehoben werden und in die Welt schweifen. Schließlich gibt es kaum eine Sure des Korans, die diesen Leseauftrag nicht explizit oder implizit erteilt. Das bedeutet: Die theologische Expertise benötigt eine empirische Basis, sie muss die Muslime als die eigentlichen Träger ihrer Rede von Gott genauer in den Blick nehmen und versuchen zu ergründen, was die Mitte ihrer spirituellen Personalität ausmacht. Eine solche empirische oder kritische Theologie würde es auch ermöglichen, Zugänge zum Wissen zu erschließen, die erfahrungsorientierter, die intuitiver, die ganzheitlicher sind, und die auf Wegen der Kommunikation beruhen, welche sich der sprachlichen Erfassung womöglich zunächst entziehen. Das würde auch eine Entlastung vom penetrant iterativen Anspruch auf kritisch-historische Rationalität mit sich bringen und die Exegese des Korans von Ballast befreien. Nach dieser programmatischen Vorrede nun aber die angekündigte Anfrage und ihre Beantwortung. Harry Harun Behr: Beten Christen und Muslime zu demselben Gott? Sehr geehrter Herr Professor Behr, ich habe im Internet ihre E-Mail-Adresse gefunden und denke, dass Sie für meine Fragen über den Islam wohl am kompetentesten antworten können. Ich hätte nämlich folgende Fragen über das Gottesbild des Islam: 1. Wie und wann betet ein Muslim die Gebetskette? 2. „Allah“ ist das arabische Wort für Gott. Nennen arabische Christen den christlichen Gott auch „Allah“? 3. Darf man von Gott überhaupt sprechen, wenn er doch der „Verborgene“ bzw. ein Geheimnis ist? 4. Im Koran steht: „Gott weiß, was zwischen ihren Händen ist und was hinter ihnen liegt.“ Was bedeutet das? Heißt es dass er der Allwissende ist? 5. Und was heißt „Er ist der Erste und der Letzte, der Sichtbare und der Verborgene.“? Heißt das, dass er zwiespältig ist oder einfach unvorstellbar? 6. Was ist das Entscheidende an Allah? Dass er der Einzige ist und der Unvorstellbare? 7. Was heißt das, dass Gott allmächtig ist? 8. Kann man sagen, dass Muslime und Christen an den einen Gott (vielleicht sogar an denselben?) glauben, weil Gott für alle ja ein Geheimnis ist? Ich freue mich jetzt schon, wenn Sie mir einige meiner Fragen beantworten können. Wenn Sie mir noch am Wochenende antworten können, wäre das sehr gut. Für mich sind die Fragen wirklich von großer Bedeutung. Aber sehr, sehr vielen Dank Ihnen schon einmal, wenn Sie sich hierfür Zeit nehmen! Freundliche Grüße (Name) Seite 4 Liebe (Name), ich habe einmal versucht, Ihre Fragen zu beantworten. Die Begriffe in eckigen Klammern sind arabische Fachbegriffe aus der islamischen Theologie. Zahlenangaben in Klammern sind keine Rechenaufgaben, sondern verweisen auf Textstellen im Koran. Die Angabe (2:225) bedeutet also „Koran Sure 2, Vers 255.“ Falls Sie keine Koranausgabe besitzen, werden Sie im Internet fündig, zum Beispiel auf der englisch-sprachigen Seite http://www.islamicity.com, bei der Sie unter „Qur’an Search“ dann verschiedene Sprachen für die Übersetzung anklicken können, unter anderem auch Deutsch. Es ist durchaus üblich, dass Muslime bei ihrer Argumentation auf Texte in ihrer Heiligen Schrift hinweisen. Das wird Ihnen in der christlichen Theologie so vielleicht nicht begegnen, es sei denn Sie bewegen sich in einem religiösen Umfeld, in dem ganz bewusst in dieser Art auf die Bibel verwiesen wird. Hier gibt es wie bei uns Muslimen auch unter Christen Unterschiede. Ich hoffe, dass Ihnen meine Antworten weiterhelfen. Sie dürfen jederzeit wieder schreiben und nachfragen. Es grüßt Sie von Herzen Harry Harun Behr 1. Wie und wann betet ein Muslim die Gebetskette? Die von Ihnen angesprochene Gebetskette nennt man auf Arabisch [tasbÐÎ] oder auch [sibÎa]. Sie erleichtert das Abzählen einer bestimmten Anzahl von Anrufungen Gottes, und zwar jeweils 33 Mal „Gott sei gepriesen“ ([subÎÁnallÁh]), „Gott sei gedankt“ ([alÎamdulillÁh]) und „Gott ist größer“ oder „am größten“ ([allÁhu akbar]). Es gibt daneben noch andere Sprüche. Sie stammen aus den unterschiedlichen (auch mystischen) Traditionen des Islams. Die Handhabung der Kette geht vermutlich auf Fatimas Vorliebe zurück, dafür kleine Steinchen von ihrer rechten in die linke Hand abzuzählen. Fatima war eine der Töchter Muhammads. Viele Muslime wiederholen diese beinahe meditativen Vergegenwärtigungen Gottes auch ohne Zuhilfenahme einer Kette, indem sie die Anzahl an den Gliedern ihrer Finger abzählen. Man mag nun die Auffassung vertreten, dass bei solchen spirituellen Übungen die Anzahl doch unerheblich sei. Aber in den tradierten Weisheiten Muhammads (man nennt diese Literatur [ÎadÐth]; sie gilt neben dem Koran als eine wichtige Harry Harun Behr: Beten Christen und Muslime zu demselben Gott? religiöse Schriftquelle des Islams) findet sich der Hinweis, dass die Sache mit der bestimmten Anzahl tatsächlich auf ihn selbst zurückgeht: Einige seiner Zeitgenossen fühlten sich nämlich benachteiligt, weil der Koran das wohltätige Spenden hervorhebe, sie dafür aber zu arm seien. Ihnen riet Muhammad, als „Ausgleich“ diese Anrufungen aufzusagen. Das Vervollständigen einer gegebenen Anzahl [kÁmila] ist ein im Islam wiederkehrendes Motiv, zum Beispiel in der Anzahl der Gebete und der Gebetsbeugungen, in der Summe der Fastentage oder in den sieben Umrundungen der Kacba in Mekka. Solche Festlegungen haben dazu beigetragen, dass sich die islamischen Riten als allgemeine Gepflogenheit etabliert und über die Zeiten erhalten haben. In Artefakten wie solchen oft hübsch gestalteten Kettchen kommt daneben auch ein ästhetisches Moment der Lebensweise als Muslim zum Ausdruck. Es ist aber wichtig zu wissen, dass sich der Islam nicht in solchen formalen Regeln erfüllt. Vielmehr geht es darum, dass sich innerer spiritueller Reichtum und ethische Haltungen über solche Formen Ausdruck verschaffen können. Das klärt der Koranvers 2:177. Seite 5 Es gibt also gewisse Unterschiede zwischen der Lehre einer Religion einer- Schließlich verweist das semantische Feld dieser Vokabel mit der „Anzahl“ auf die Grundthese der islamischen Religionspädagogik, dass jedem Menschen von Gott ein spirituelles und charakterliches Potenzial mitgegeben ist, das er schöpfen und vervollständigen kann [takmÐl]. Von Bedeutung beispielsweise für die religiöse Erziehung ist, dass diese Potenziale unterschiedlich verteilt sind. Auf Muhammad wird der Spruch zurückgeführt: „Ich wurde gesandt, die besten Anlagen der Menschen zu vervollkommnen.“ seits und sprachräumlichen und kulturellen Identitäten andererseits. Und das kann sich sogar in der jeweils bevorzugten Vokabel für „Gott“ Bahn brechen. Harry Harun Behr: Beten Christen und Muslime zu demselben Gott? 2. „Allah“ ist das arabische Wort für Gott. Nennen arabische Christen den christlichen Gott auch „Allah“? Sie werfen da eine wichtige Frage auf, die auch mit Ihrer letzten Frage weiter unten zu tun hat. Genau genommen ist die arabische Vokabel [al-lÁh] eine Kurzform von [al-ilÁh]. Das bedeutet „der Gott“ im Sinne von „der eine und einzige Gott“ (3:18). Damit ist noch keine besondere Religion oder Konfession beschrieben, denn bereits in vor-islamischer Zeit war das Wort „Allah“ der Zentralbegriff für Gott (39:3). Er bringt keine besondere Eigenschaft Gottes zum Ausdruck, sondern ist eher so etwas wie eine Bezeichnung; die arabische Kalligrafie dieses Wortes hat deshalb auch den Charakter eines Symbols. Auch arabisch-sprachige Christen sagen zu Gott „Allah“. Sie verwenden daneben wie wir Muslime auch [rabb] für „Herr“, obwohl dieses Wort genau genommen soviel wie „Versorger“ („der für einen da ist“) bedeutet. Lediglich der arabische Ausdruck [abÁnÁ] für „unser Vater“ ist spezifisch christlich. Mit diesen Worten beginnt auch das arabische Vaterunser ([abÁnÁ fis-samÁwÁt ...]). Dieses findet sich in den Weisheiten Muhammads interessanterwei- se auch als ein islamisches Gebet. Es beginnt dort mit „Du Gott in den Himmeln, Der für uns da ist ...“ ([allÁhumma rabbanÁ fis-samÁwÁt]). Vermutlich geht es auf eine gemeinsame ältere jüdische Wurzel zurück. Unter türkischen Muttersprachlern verbindet sich das Wort „Allah“ übrigens besonders mit muslimischer Identität, anders als das türkische Wort Tanrı, was allgemein „Gottheit“ bedeutet (ähnlich wie in der indonesischen Sprache Tuhan). Das liegt daran, dass „Allah“ in der türkischen Sprache eigentlich ein arabisches Fremdwort ist. Viele Muslime empfinden das Wort „Allah“ demnach wie einen Eigennamen Gottes. In Malaysia haben vor kurzem einige christliche Aktivisten angefangen, entgegen ihrer bisherigen Gepflogenheit auch von „Allah“ anstatt wie bisher von „Tuhan“ zu sprechen. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden, auch wenn man nachfragen darf warum sie das getan haben. Allerdings wurde das von muslimischen Aktivisten als ein Übergriff gewertet, der den sozialen Frieden gefährdet. Sie erhoben deshalb dagegen Klage bei Gericht. Es kann auch vorkommen, dass unsere muslimischen Schüler im islamischen Religionsunterricht sagen: Muslime glauben an „Allah“ und Christen glauben Seite 6 an „Gott“. Aber dieselben Schüler fragen mich auch, ob ich denn nun „Muslim“ oder „Deutscher“ sei. Es gibt also gewisse Unterschiede zwischen der Lehre einer Religion einerseits und sprachräumlichen und kulturellen Identitäten andererseits. Und das kann sich sogar in der jeweils bevorzugten Vokabel für „Gott“ Bahn brechen. Sehr beeindruckend, und zwar wegen des Respekts gegenüber dem Gottesnamen, ist das im Judentum gelöst. Dort gibt es so etwas wie einen eigentlichen Namen Gottes, der als das Tetragramm („Vierfachzeichen“) JHWH geschrieben wird. Aber die Kenntnis über dessen eindeutige Aussprache ist verloren gegangen – das bekannte „Jehova“ ist nur eine mögliche und nicht in jeder Hinsicht die überzeugendste Variante; sie spiegelt lediglich die Vokalisation von „Eloha“ (das alternative „Jahwe“ ist die griechische Vokalisation). Wenn Sie sich für Reggae interessieren, dann sollten Sie einmal dem Ausruf „Jah!“ für „Gott!“ in der Musik von Bunny Wailer oder Peter Tosh nachspüren. Könnte sein, dass das eine Kurzform des hebräischen „Ja Hu!“ für „O, Er!“ ist – und das gibt es im Arabischen als [yÁ hÙ] auch, dort vor allem in den sufischen (mystischen) Traditionen. Das darf Sie im Übrigen nicht verwundern – der heutige Islam und das heutige Judentum haben offenbar gemeinsame sprachliche, kulturelle, rituelle und geistige Vorfahren. Wie eine Art Alias zum Gottesnamen verwenden Juden in Texten und in der Rede das Wort adonai für „mein Herr“ oder elohim für „mein Gott“. Die Verbindung adonai elohim bedeutet dann (ähnlich wie oben [allÁhumma rabbanÁ]) soviel wie „der Herr, mein Gott“ oder einfach nur „Gott, der Herr“ oder auch „Herrgott“. Daneben gibt es noch ha-schem; das bedeutet einfach nur „der Name“. Gemeint ist Gott, ohne dass man Seinen Namen nennen oder gar Ihn anreden muss. Deshalb verwenden manche Juden diese Begriffe jeweils abhängig davon, ob sie über Gott sprechen oder mit Ihm. Harry Harun Behr: Beten Christen und Muslime zu demselben Gott? 3. Darf man von Gott überhaupt sprechen, wenn er doch der „Verborgene“ bzw. ein Geheimnis ist? In den Weisheiten Muhammads wird überliefert, dass er gefragt wurde, warum Gott die Menschen eigentlich erschaffen habe. Er soll geantwortet haben, dass Gott ein verborgener Schatz war, der gefunden werden wollte. Der berühmte Philosoph Ibn Arabi hat das aufgegriffen und darauf seine Theorie der Liebe gegründet: Für ihn haben beide Seiten das Bedürfnis, sich näher zu kommen – Gott und Mensch. Das heißt, die Grundlage für das religiöse Leben ist die Beziehung des Menschen zu Gott. Das bedeutet: Die Erfüllung des religiösen Gebots muss in diesem höheren Zusammenhang gesehen werden. Man kann diesen Faden weiterspinnen: Sich ineinander zu verlieben bedeutet auch, den anderen schrittweise enträtseln zu wollen – aber niemals ganz, sondern nur annähernd. Was an reizvollem Geheimnis bleibt, hält die Spannung aufrecht. Den Glauben an das „Verborgene“, „Geheimnisvolle“ und „Unverfügbare“ bringt der Koran gleich am Anfang zur Sprache (2:3). Gemäß einer tradierten Auffassung im Islam gehört Gott streng genommen nicht zu den verborgenen Dingen, denn die hat Gott erschaffen, und Er kann nicht Element dessen sein was Er erschaffen hat – zumindest wenn man dabei der aristotelischen Logik folgen möchte. Man kann das aber auch lassen und sich der paradoxen Logik anvertrauen. Dann stellt die Aussage, dass zum Beispiel Gott gleichzeitig sichtbar und verborgen ist, gar kein Problem das (Sie fragen das weiter unten, und ich gehe noch darauf ein). Im Islam spricht man indessen nicht so gerne von der „Offenbarung“, wenn etwa vom Koran die Rede ist, sondern von „Mitteilung“ – Gott teilt nicht sich selbst mit, sondern er teilt etwas über Sich und von Sich mit. Zudem gibt es im Islam die Tradition der so genannten 99 Namen Gottes, etwa „der das Maß bestimmt“ [alqÁdir] oder „der Frieden“ [as-salÁm] oder „der Gnadenvolle“ [ar-raÎmÁn]. Das sind positive Aussagen über Wesenseigenschaften Gottes, gleichsam göttliche Attribute. Es gibt aber theologische Strömungen, die versuchen die begriffliche Bindung Gottes aufzulösen, das heißt Gott und Mensch gegenseitig voneinander zu befreien: Gott tritt erst dort in Erscheinung, wo die Rede von Ihm endet. Der große deutsche Philosoph Erich Fromm hat das in seinen Büchern immer wieder thematisiert. Es Seite 7 ist nicht verboten, von Gott zu sprechen, aber es ist geboten, mit ihm zu sprechen. Wichtig ist, die „Rede von Gott“ (das ist übrigens die Bedeutung des Wortes „Theologie“) nicht zu missbrauchen. Die Sprache ist sicher nur ein Hilfsmittel und es gibt andere Zugänge, die helfen, die eigene Beziehung zu Gott zu gestalten, zum Beispiel das Erleben. Geheimnisvoll bleibt es allemal, und das ist besonders dann zu spüren, wenn einem die Worte ausgehen. 4. Im Koran steht: „Gott weiß, was zwischen ihren Händen ist und was hinter ihnen liegt.“ Was bedeutet das? Heißt es dass er der Allwissende ist? Vielleicht kann man sagen: Er ereignet sich in der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft sind eine Illusion, und Er ist nicht den Strukturen von Raum und Zeit unterworfen, so wie wir sie gewohnt sind. Harry Harun Behr: Beten Christen und Muslime zu demselben Gott? Ihr Zitat bezieht sich auf die Koranstelle 2:255, den so genannten „Thronvers“. Das ist ein längerer Vers und ein ganz besonderer Text, der oft als Kalligrafie in Moscheen oder auch bei Muslimen zu Hause an der Wand hängt. Zudem findet er manchmal Anwendung dort, wo Muslime mit Hilfe des Korans spirituell heilen. Das Zitat hat verschiedene Bedeutungsebenen und -tiefen, und Ihr Ansatz mit dem „Allwissen“ passt zum Einstieg schon mal ganz gut. Wir Menschen können uns an unsere Vergangenheit erinnern und auf der Grundlage von Erfahrung in die Zukunft hinein planen. Das ist aber mit Unwägbarkeiten verbunden, die manche mit dem Wort „Schicksal“ oder „Bestimmung“ ausdrücken würden. Gott hingegen ist all-gegenwärtig. Vielleicht kann man sagen: Er ereignet sich in der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft sind eine Illusion, und Er ist nicht den Strukturen von Raum und Zeit unterworfen, so wie wir sie gewohnt sind. Folglich umfasst Er mit Seinem Wissen, was wir nicht wissen können, zum Beispiel was das Ergebnis unserer Handlungen sein wird. Deshalb rät der Islam, einerseits Entscheidungen auf der Grundlage der bestmöglichen Expertise zu fällen (Sachverstand, Beratung), dann aber die Dinge auch vertrauensvoll in die Hände Gottes zu legen. Unter Muslimen berühmt ist der Ratschlag Muhammads: „Binde erst dein Kamel an, und dann vertraue auf Gott.“ Ganz allgemein gesprochen geht es, wenn der Koran von den „Händen“ spricht, um den Zusammenhang zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Vermögen und Verantwortung, zwischen Mensch und Welt, zwischen Subjekt und Gemeinschaft und vor allem darum, dass die Menschen das, was ihnen widerfährt in der Regel auch selbst verursachen. Muhammad riet einmal: „Wenn Du Unrecht siehst, dann wehre es mit der Hand ab, und wenn das nicht geht, dann mit der Zunge, und wenn das auch nicht geht, dann wenigstens mit dem Herzen.“ Seite 8 5. Und was heißt „Er ist der Erste und der Letzte, der Sichtbare und der Verborgene.“? Heißt das, dass er zwiespältig ist oder einfach unvorstellbar? Gott ist nicht zwiegespalten, auch wenn wir uns fragen dürfen, warum sich das Prinzip der Polarität in Seiner Schöpfung wiederfindet, zum Beispiel das Weibliche und das Männliche, das Frische und das Dürre, das Salzige und das Süße, der Osten und der Westen, das Licht und die Dunkelheit (6:1, 6:59, 55:17-20, 78:8). Woher verfügt Gott der Eine über das Konzept des Dualen oder der Vielfalt? Und warum macht Er es so konstitutiv zur Grundlage der Welt? Dass Gott zugleich der Anfang und das Ende ist, klingt ja ziemlich seltsam. Es gibt in der hebräischen Tradition (Jesaia Kapitel 44,6) die Formulierung von Gott als „Alpha und Omega“ (der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets), das heißt als den Umfassenden. Ähnliches gibt es zu Jesus Christus als „Erster und Letzter“. Auch in der Philosophie seit der Antike bis in die Moderne ist diese Art von innerer Widersprüchlichkeit bekannt, zum Beispiel die an sich unmögliche Gleich- zeitigkeit des Potenzials von Glück und Leid, so wie in der Liebe. Aus islamischer Sicht bedeutet das: Wir müssen die Spannung aushalten, dass wir nur das von Gott wissen können, was Er uns wissen lässt. Und das scheint unter dem Strich eher wenig zu sein. Man könnte dahinter so etwas wie einen göttlichen Spieltrieb vermuten, oder aber eine bestimmte Rücksichtnahme Gottes, Der uns nicht überfordern und auch nicht übervorteilen will. Der Koran entgegnet denen, die Muhammad zurufen, sie wollten endlich „Gott von Angesicht zu Angesicht sehen“ oder einen „Engel“ oder wenigstens „einen Koran aus Papier“ (anfangs gab es den Koran nur mündlich), dass es um sie geschehen sei, sobald das passiere – sie sollten besser nicht danach rufen (6:7-9). Es gibt in der islamischen Tradition auch Überlieferungen, die schwierig zu deuten sind, zum Beispiel dass Gott „ungerade ist und das Ungerade liebt“ (vgl. auch 89:3). In der Praxis bedeutet das, dass Muslime bevorzugt eine oder drei Datteln nehmen, aber nicht zwei oder vier, wenn sie beim Essen zugreifen. Es gibt für die Theologie und die Philosophie des Islams also noch viel zu entdecken. Ich denke dass Ihre Vermutung mit der „Unvorstellbarkeit“ die Sache ganz gut trifft. Harry Harun Behr: Beten Christen und Muslime zu demselben Gott? 6. Was ist das Entscheidende an Allah? Dass er der Einzige ist und der Unvorstellbare? Wir müssen die Spannung aushalten, dass wir nur das von Gott wissen können, was Er uns wissen lässt. Weder das eine noch das andere. Entscheidend ist, dass Gott nahe und unmittelbar ansprechbar ist. Er ist der Eine (3:18), der Hohe (2:255) und der Nahe (2:186). 7.Was heißt das, dass Gott allmächtig ist? Darüber haben sich vor allem zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert nach Christus muslimische Denker den Kopf zerbrochen und auch gestritten. Die Antwort wirkt sich nämlich auf die Ethik aus, vor allem auf die Frage, wie frei der Wille des Menschen ist, wie viel Verantwortung er tragen kann, welche Rolle die menschliche Vernunft für die Erkenntnis spielt und wie sich die Erfahrung des Leids und des Bösen mit dem Bild vom „guten Gott“ vereinbaren lässt. Hierin liegt auch eine besondere Herausforderung für den Umgang mit der Heiligen Schrift. Das gilt übrigens nicht nur für den Islam, sondern für alle Reli- Seite 9 gionen und ihre Theologien, die sich um ein bestimmtes Schriftverständnis herum entwickelt haben. Es geht dabei um die Klärung der Herkunft und Entstehung der Schrift (Genese), die Auslegung ihrer Aussagen (Exegese) und um die begründbaren Regeln solcher Auslegung (Hermeneutik). Diese drei Bereiche sind untrennbar miteinander verbunden und tragen dazu bei, das Verhältnis zwischen Mensch und Text und zwischen Tradition und Situation zu verstehen und zu gestalten. Das ist nicht immer einfach, da es dabei auch um die Verhältnisbestimmung von Schrift und Geist geht, also von vorfindlichem Text und seinem Verständnis. In der Frage der Allmacht Gottes, die Sie aufgeworfen haben, wurde schon früh in der islamischen Theologie nachgefragt: Was kann Gott und was kann der Mensch [qudra]? Was will Gott und was will der Mensch [mašÐ’a]? Was tut Gott und was tut der Mensch [ficl]? Was weiß Gott und was weiß der Mensch [cilm]? Ein Satz wie „Ihr wollt nichts außer Gott will es.“ ([wa mÁ tašÁ’Ùna illÁ ay-yašÁ’al-lÁh]; 81:29) verlockt zu vielfältigen Interpretation, zum Beispiel: Der persönliche Wille des Menschen kann sich dem Wollen Gottes nicht entziehen, Gottes Allmacht wäre dann also uneingeschränkt. In diesem Fall wird so ein Satz wie eine Information gelesen, in der eine Wirklichkeitsaussage über Gott zum Ausdruck kommt. Übrigens haben sich die so genannten Kirchenväter und auch jüdische Theologen zur gleichen Zeit mit denselben Es ist aber auch denkbar, dass dieser Satz Fragen auseinandergesetzt. Es gibt nämlich einen ganz anderen Hintergrund hat, weil unterschiedliche Antworten, die alle ihren der Koran immer wieder in bestimmte Platz in der islamischen Theologie haben. soziale Situationen hinein antwortet. Hier ist der Islam erstaunlich vielfältig. Ich Es könnte sich auch um eine poetische denke auch, dass sich in der Geschichte Figur handeln – so wie an anderer Stelle der jüdischen und christlichen Theolodes Korans die rhetorische Frage oder gien mehr Islam wiederfindet als es die sogar Ironie. Denn die Sure, in die dieVertreter dieser beiden Religionen zugeser Vers eingebettet ist, hat insgesamt ben möchten. Und im Islam findet sich eine poetische Gestalt und eine mystisch mehr Judentum und Christentum als es anmutende und schwierig zu ergründende die meisten meiner Mit-Muslime zugeSprache. Hier geht es offenbar gar nicht ben möchten. Das Problem ist manchum die theologische Erklärung, sondern mal der Stolz auf das je Eigene und die um das Berühren des Herzens durch das Neigung vieler Menschen, ihrer Demut unmittelbare Erleben des Korantextes. vor dem Höheren durch den Hochmut gegenüber dem Anderen Ausdruck zu Damit wäre das, was hier zum Ausdruck verleihen. Dazu eignen sich Religionen kommt, weniger theologische Wahrheit, hervorragend. Schon der Koran warnt sondern eher historische Wirklichkeit, die in der „Sure mit dem Eisen“, den Koran uns etwas über die Funktion des Korans nicht zu missbrauchen so wie das Eisen, verrät. Denn hier tritt die Ästhetik des aus dem sich je nach Bedarf ja PflugschaTextes besonders hervor, die ja unabhängig ren oder Schwerter schmieden lassen. von der Frage wirkt, ob man den Text verstehen oder seine Aussagen erklären kann. Mit Blick auf die Lebenserfahrung zeigt Aber alle drei Zugänge sind für die Theo- sich zudem, dass die Antwort auf Ihre logie des Islams wichtig, denn sie ergänzen Frage je nach Situation und Betroffenheit sich: das erklärende Wissen, das versteunterschiedlich ausfallen kann. Für die hende Wissen und das erlebende Wissen. Pädagogik wollen wir eher erreichen, dass muslimische Jugendliche lernen, ihr Leben Harry Harun Behr: Beten Christen und Muslime zu demselben Gott? aktiv, verantwortlich und vertrauensvoll selbst in die Hand zu nehmen. Aber Menschen, die die Erfahrung machen, dass ihnen die Möglichkeiten des Handelns aus der Hand genommen sind (zum Beispiel in der Seelsorge, in der Sterbebegleitung), finden oft mehr Trost in der Vorstellung, dass die Allmacht Gottes nicht erst da beginnt, wo die Kunst des Menschen an ihre Grenzen gerät – sie fühlen sich dann nicht vom Leben zurückgelassen, sondern von Gott erwartet und abgeholt. Besonders wichtig scheint dabei aber die Ansprache an Gott, die Hinwendung zu Ihm und die Beziehung mit Ihm zu sein. Seite 10 8. Kann man sagen, dass Muslime und Christen an den einen Gott (vielleicht sogar an denselben?) glauben, weil Gott für alle ja ein Geheimnis ist? Ja, das würde ich so unterschreiben – auch das was Sie so behutsam in der Satzklammer anklingen lassen: Der eine Gott ist der Eine und bleibt es, auch wenn die menschlichen Gottesbilder vielfältig sind. Schon im jüdischen Tanach und im Alten Testament gibt es diese schöne Stelle mit dem so genannte Fremdvölkermotiv, im Buch Ruth, der Moabiterin (1,16), die mit ihrer Schwiegermutter Noomi nach Israel zieht, obwohl sie dort Zurückweisung zu erwarten hat: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.“ Der Koran bezeichnet nicht nur die geschöpfliche Vielfalt als gottgewollt (30:22, 49:13), sondern er beschreibt auch die spirituelle Einheit aller Menschen (4:1) in ihrer religiösen Vielfalt (5:48) – hier eine Zusammenfügung dieser vier Koranstellen: beiden viele Männer und Frauen hervorgehen ließ ... Ihr Menschen, Wir haben euch aus einem Männlichen und einem Weiblichen erschaffen, und Wir haben euch zu Stämmen und Völkern gemacht, damit ihr einander kennt. Der Beste unter euch ist, wer Gott am meisten achtet. Gott weiß und ist unterrichtet ... Zu Seinen Zeichen gehört die Erschaffung der Himmel und der Erde, und die Verschiedenheit eurer Sprachen und Arten. Darin sind Zeichen für die, die Bescheid wissen ... Jedem von euch haben Wir Regeln und Methoden gegeben. Gott hätte euch zu einer einigen Gemeinschaft gemacht, wenn Er gewollt hätte. Mit dem was Er euch gibt, prüft Er euch. Also wetteifert im Guten. Ihr alle kehrt zu Gott heim. Er wird euch über das in Kenntnis setzen, worüber ihr streitet.“ „Ihr die glaubt, achtet euren Herrn der euch aus einem einzigen Wesen erschaffen, und daraus das Gegenüber, und der aus Harry Harun Behr: Beten Christen und Muslime zu demselben Gott? Seite 11 Der folgende Beitrag erschien als Gastkommentar in der renommierten Schweizer Wochenzeitung TagesWoche (http://www.tageswoche.ch/de/2013_30/basel/ 562901/lasst-uns-locker-bleiben.htm, vom 25. Juli 2013). Die TagesWoche erscheint täglich online und jeweils am Freitag als Wochenzeitung. Wir sind der Ansicht, dass dieser Artikel genau das vorführt, wovon darin die Rede ist: Gelassenheit. Manch aufgeladene Debatte um den Islam erfährt hier eine sachliche und in ihrer Pointiertheit hurmorvolle Spiegelung. Wir als Herausgeber bedanken uns bei Herrn Brubacher für den weisen Rat, bei der TagesWoche für ihr herausragendes Niveau und bei beiden für die freundliche Genehmigung des Abdrucks. Georg Brubacher Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit im Umgang mit alltäglichen Problemen. Geboren wurde ich in einem südlichen Land. Dort trugen alle erwachsenen Frauen ein Kopftuch oder an Feiertagen eine kunstvolle Kopfbedeckung. Die Sitte leitete sich aus ihrem heiligen Buch ab. Das Buch war so heilig, dass nur der Priester darin lesen durfte. Er erklärte dem gemeinen Volk, was in dem Buch geschrieben stand – zum Beispiel die Sache mit dem Kopftuch. Da stand Folgendes: „Ein Mann, der mit bedecktem Haupt betet, der schändet sein Haupt. Eine Frau aber, die mit unbedecktem Haupt betet, die schändet ihr Haupt; denn es ist ebensoviel, als wäre sie geschoren. Will sie sich nicht bedecken, so schneide man ihr das Haar ab. Da dies aber übel ist, so lässt sie sich das Haupt bedecken. Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken; denn er ist Gottes Bild und Ehre. Die Frau aber ist des Mannes Ehre. Denn der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib ist vom Mann. Und der Mann wurde nicht wegen der Frau erschaffen, sondern diese wegen des Mannes.“ In meinem Geburtsland stand an jeder Wegkreuzung und an allen markanten Stellen des Weges, oft nur zwanzig Meter voneinander entfernt, ein religiöses Symbol und es war üblich, davor stehen zu bleiben und ein Gebet zu sprechen. Für die Männer war dies nicht schwierig. Entweder waren sie barhäuptig oder sie mussten nur ihre Kopfbedeckung Georg Brubacher: Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit im Umgang mit alltäglichen Problemen. abnehmen. Für die Frauen aber bedeutete es, ständig eine Kopfbedeckung dabeizuhaben. Ein Kopftuch war daher die einfachste Lösung des Problems. Knaben und Mädchen gingen getrennt zur Schule. Es galt als unzüchtig, freie Knie oder Ellenbogen zu zeigen. Wir trugen ein sogenanntes Gstältli, an dem mit einem Gummizug gestrickte Strümpfe befestigt waren, die die Knie bedeckten, und Ärmelschürzen, um die Ellenbogen zu verbergen. Kam ein Schüler trotz dieses Kleidergebots mit freien Knien oder Ellenbogen zur Schule, so wurden wir von unserer Lehrerin ans Ufer des nahe gelegenen Flusses geführt und aufgefordert, Brennnesseln, die dort üppig wucherten, auszureißen und damit dem Fehlbaren tüchtig auf die entblößten Stellen zu schlagen. Das gleiche Ritual galt auch in der Klasse meiner Schwester auf der Mädchenseite der Schule. Auch das Baden im Freien galt als unzüchtig und wurde nicht geduldet. Als ich neun Jahre alt war, zog meine Familie nach Basel. Hier herrschten ganz andere Sitten. Zwar gingen auch hier Knaben und Mädchen schon von der Primarschule an in getrennte Schulhäuser – die sogenannte Koedukation kam erst viel später –, aber man durfte freie Knie und Ellenbogen zeigen. Alle paar Wochen gab es Baden. Die Baderäume befanden sich im Keller. Wir mussten uns völlig ausziehen und bekamen einen kleinen Lendenschurz, dazu Seite 12 eine Handvoll Schmierseife. Nach dem Einseifen wurden wir abgeduscht. Der Schulabwart wachte aufmerksam darüber, dass sich jeder ordentlich wusch. Auch auf der Mädchenseite gab es Baden. Ich weiß aber nicht, wie die genaue Prozedur vor sich ging. Einer meiner Mitschüler stammte aus einem streng katholischen Haus. Der Anblick nackter Kinder, oder sich selber vor diesen zu entblößen, wäre ihm unzumutbar gewesen. Deshalb dispensierte ihn der Klassenlehrer in eigener Kompetenz vom gemeinsamen Baden, und niemand störte sich daran. Mein Mitschüler wurde übrigens später katholischer Priester. Damals hatten wir auch am Samstag Schule. Wir hatten in der Klasse einen Juden. Der kam an diesem Tag zwar zum Unterricht, aber ohne Schulranzen, und er selbst rührte während der Schulstunde weder Schreibwerkzeug noch Lesebuch an. Auch daran störte sich niemand. ihre Zehennägel waren rot lackiert. Es war Markttag. Die Besichtigungstour gestaltete sich zum reinsten Spießrutenlauf. Jedermann schaute auf ihre Füße und betrachtete sie wie eine Hure; wir suchten so schnell wie möglich das Weite. Der katholische Laie darf heute die Bibel lesen, ohne eine Kirchenstrafe zu riskieren. Knaben und Mädchen gehen gemeinsam zur Schule. Vor etwas mehr als fünfzig Jahren wollte ich meiner Frau meinen Geburtsort zeigen. Sie war züchtig angezogen – ob mit freien Ellenbogen oder nicht, weiß ich nicht mehr genau –, aber sie trug keine Strümpfe; sie trug Sandalen, und Georg Brubacher: Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit im Umgang mit alltäglichen Problemen. Wenige Jahre später machten wir einen zweiten Versuch. Der Ort hatte ein Schwimmbad bekommen, und die jungen Frauen liefen halbnackt auf der Strasse herum. Was war geschehen? Offenbar hatte eine neue Generation das Zepter übernommen. Fernsehen und Tourismus trugen das Ihre bei. Ich selber kam mir wie aus einer vergangenen Zeit vor. Der aufmerksame Leser hat sicher schon längst gemerkt, dass es sich bei meinem südlichen Heimatland um das Wallis handelt, dass das heilige Buch die Bibel ist und dass daraus eine Stelle aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther zitiert wurde (1. Korinther, 11, 4-9). Inzwischen bin ich über neunzig Jahre alt geworden. Ich habe erlebt, wie die Röcke der Frauen kürzer wurden und wieder länger, wie die Frauen sich der Männerkleidung bemächtigten. Der katholische Laie darf heute die Bibel lesen, ohne eine Kirchenstrafe zu riskieren. Knaben und Mädchen gehen gemeinsam zur Schule. In Basel wurde Kurt Fahrners Bild „Nackte Frau am Kreuz“ von Staates wegen eingezogen und versiegelt, weil es offenbar die religiösen Gefühle einiger Christen verletzte. Das Bild wurde erst nach Fahrners Tod, zwei Jahrzehnte später, in einer Retrospektive ausgestellt. Die Aufregung darüber blieb ganz einfach aus. Das Bundesgericht hatte darüber zu befinden, ob das Aufhängen christlicher Symbole im Schulzimmer ungesetzlich sei. Schwule und Lesben können sich öffentlich zu ihren Neigungen bekennen, ohne der allgemeinen Ächtung anheim zu fallen. Konkubinatspaare dürfen eine gemeinsame Wohnung beziehen, ohne dass die Polizei untersuchen muss, ob das Paar eine gemeinsame Zahnbürste benutzt. Rückblickend auf mein langes Leben möchte ich für mehr Gelassenheit beim Auftreten alltäglicher Probleme plädieren, vor allem bei Problemen des täglichen Zusammenlebens. Damit würden wir Zeit und Kraft gewinnen, um uns für die wichtigen Aufgaben unserer Zeit einzusetzen. Seite 13 Harry Harun Behr „Wir wollen kein türkisches Schulbuch.“ Islamische Schulbücher im Fokus Die drei folgenden Beiträge sind aus einer ursprünglich geplanten Publikation zur Hohenheimer Tagung „Auf dem Weg zum Islamischen Religionsunterricht IV“ heraus entstanden: Gül Solgun-Kaps stellt das Schulbuch Mein Islambuch1 vor, Fahimah Ulfat bespricht die Unterrichtsreihe Bismillah – Wir entdecken den Islam2 und Katharina Frank nimmt einen Vergleich vor, bei dem unter anderem auch die Reihe Saphir3 zur Sprache kommt. Inzwischen sind weitere Unterrichtswerke und -materialien auf den Markt gekommen. Die Breite des Angebots findet aber keine Berücksichtigung, denn es geht nicht um eine vergleichende Studie – das sei lieber der wissenschaftlich weiter führenden Expertise anvertraut. Hier sollen vielmehr zusammenfassend einige grundsätzliche Diskurslinien angezeichnet werden. Die Reihe „Saphir“ war schon einmal Gegenstand kontroverser Debatten (siehe ZRLI Heft 5, Download via www.izir.de). An dieser Stelle sei H. H. Behr: „Wir wollen kein türkisches Schulbuch.“ zur vertiefenden Lektüre auch auf den Beitrag von Michael Kiefer hingewiesen (Kiefer, Michael: Saphir 5/6 und EinBlick in den Islam 5/6 – kritische Anmerkungen aus islamwissenschaftlicher Perspektive. In: Klaus Spenlen und Susanne KröhnertOthman (Hg.): Integrationsmedium Schulbuch. Göttingen 2012. 99-112). Die Begutachtung islamischer Schulbücher findet immer wieder Eingang in Seminare an der Universität ErlangenNürnberg. Dort werden sie von einer Studentenschaft betrachtet und bewertet, die in vielerlei Hinsicht plural zusammengesetzt ist: Muslime und Nicht-Muslime, Lehramtsstudierende und Lehrkräfte im Dienst, die mit den Büchern im Unterricht arbeiten. Auch die Perspektive der Schüler und ihre Erfahrungen mit den Büchern finden Berücksichtigung. Hinzu kommt die interdisziplinäre und kooperative Struktur der Lehrveranstaltungen: Die Studierenden ebenso wie die Lehrenden stammen aus unter- schiedlichen Fächern, die sich mit dem Islam befassen, zum Beispiel katholische, evangelische und islamische Religionslehre, Soziologie, Psychologie, Kulturwissenschaft, Arabistik, Orientwissenschaft, Allgemeine Pädagogik, Schulpädagogik, Geschichte oder Religionswissenschaft. Die Debatte um islamische Schulbücher hat sich ursprünglich an Saphir 5/6 entzündet, aber inzwischen wieder beruhigt, weil sich das Buch in der Praxis bewährt und sich die ersten abschlägigen Impulse erschöpft haben, wie sie bei einen Pionierprojekt von diesem Format stets zur Begleitmusik gehören. Mittlerweile frischt die Brise aber wieder auf, und zwar mit Blick auf Bücher, die im Gefolge von Saphir erschienen sind. Das liegt ganz einfach daran, dass für einen Vergleich mindestens ein weiteres Konkurrenzprodukt auf Augenhöhe über die Theke gehen sollte. Ob das immer gegeben ist, kann man diskutieren, denn das Signum Augenhöhe bezieht sich ja nicht allein auf das Vorhandensein, sondern auf die fachwissenschaftlichen, schulbuchdidaktischen, literarischen und ästhetischen Standards, auf die Genehmigung als lehrmittelfreies Schulbuch, auf die Akzeptanz der Zielgruppen, auf die Tauglichkeit in der schulischen Praxis und – das wird oft unterschätzt – auf die Erfahrung des Verlags und die Integration in ein die Fächergruppe Religion betreffendes Sortiment. Die thematischen Diskurslinien kreuzen deshalb die folgenden semantischen Horizonte: Entspricht das Buch den religionspädagogischen Standards? Hier sind nationale und internationale Auszeichnungen oder Rezensionen mit der Qualität eines peer review von gewisser Bedeutung. Im Zuge dessen wird auch immer wieder der Verdacht zu Protokoll gegeben, dass sich Bücher, die nach Saphir entstanden sind, in ihrer schulbuchdidaktischen Anlage bis hin zu augenfälligen Seite 14 Layout-Merkmalen bei Saphir bedienen. Dagegen ist vom Prinzip her nur wenig einzuwenden, sofern nicht plagiiert wird. Schwerer wirkt der Vorwurf von Seiten der Didaktiker, in einigen islamischen Schulbüchern würden Themen zwar abgehandelt, aber nicht be-handelt. Gemeint ist damit die fehlende didaktische Reduktion auf exemplarische Lerninhalte, mithin eine mangelhafte Auswahl und erdrückende Fülle an Themen – die freilich weitgehend den Anforderungen der geltenden Lehrpläne und Richtlinien geschuldet ist, die in der Hinsicht dringend der Entrümpelung bedürften. Ein in besonderem Maße die muslimischen Gemüter erregendes Potenzial hält auch der schulbuchdidaktische Einsatz von Bildern bereit. Bilder, so die Kritik, dienten oft nur der Illustration im Sinne einer affirmativen Wirklichkeitsauffassung. Vergessen werde dabei, dass Bilder nicht Wirklichkeit abbilden, sondern Wirklichkeit herstellen – und zwar vor allem durch ihr Arrangement im Zusammenspiel mit Text, grafischer Gestaltung und didaktischem Impuls. Diese Spannungslinie kulturell determinierter Sehgewohnheiten ist eine der Fugen, an denen die Nutzer mit dem Vorwurf ansetzen, ein bestimmH. H. Behr: „Wir wollen kein türkisches Schulbuch.“ tes Buch sei ihnen zu „türkisch“ oder ein anderes zu „deutsch“. Auch das künstlerische Empfinden kommt zum Tragen, wenn moniert wird, Bilder seien oftmals wenig ästhetisch, lieblos, zu provokant, zu kindlich oder insgesamt zu sehr einem offenbar niedrigen Niveau der sensorischen Differenzierung geschuldet – mit dem Effekt, dass solche Bücher besonders dort implizit zur Stigmatisierung von Muslimen als intellektuell wenig ansprechbar, religiös eingeengt und kulturell borniert beitragen, wo sie meinen, der so genannten „Beheimatung im Eigenen“ zu dienen. Von besonderer Brisanz für islamische Religionsbücher sind zudem die darin transportierten Geschichtsbilder und die mit ihnen verbundene Verhältnisbestimmung von historischer, kultureller und theologischer Wirklichkeitskonstruktion. Hier wird zu oft dem personalisierten Geschichtsbild die Rede geführt, bis hin zu historischen Ereignissen als Erfüllungsgeschehen des göttlichen Geschichtswillens. Der von Historikern erhobene Vorwurf an islamische Unterrichtswerke, ihr Umgang mit der Geschichte im Allgemeinen und der des Islams im Besonderen sei schönfärberisch, muss ernster genommen werden. Für die Didaktik des islamischen Religionsunterrichts liegt hier ein nicht unproblematischer Übergang von der Geschichte zu ihren Geschichten. Das Unbehagen muslimischer Lehramtsstudierender des Islams, sich im Zuge der theologischen Reflexion des Eigenen auf das experimentelle Unterfangen der Narrativität als identitätsstiftendem Prozess einzulassen, spricht Bände. Hier wird lieber nacherzählt als erzählt. Das Potenzial der Kreativität und der anamnetischen Beweglichkeit des Geistes droht dem im Substanziellen erstarrten Bild von religiöser Erzählung als in Text geronnenes empirisches Wirklichkeitsgeschehen geopfert zu werden. Die theologische Signatur und die pädagogische Kraft von [qaÒaÒ] als der Kunst des Erzählens im Koran ist noch nicht bis zur religiösen Lehrererzählung durchgedrungen. Der von Historikern erhobene Vorwurf an islamische Unterrichtswerke, ihr Umgang mit der Geschichte im Allgemeinen und der des Islams im Besonderen sei schönfärberisch, muss ernster genommen werden. Seite 15 Zeigt das Buch ein klares und eigenständiges theologisches Profil? Dabei geht es um ein Profil, welches von den Herausgebern verantwortet wird und das sie als Vertreterinnen und Vertreter religiöser Lehre identifizierbar macht. Das ist eine Profilfrage und nicht eine vordergründige Frage von im positivistischen Sinne verstandener „theologischer Authentizität“. Diese ist ein weit verbreitetes Missverständnis: Der Vertretungsanspruch von wahrer Lehre des Eigentlichen ist primär ein institutioneller und kein wissenschaftlicher Anspruch; er bleibt angesichts der religiösen und kulturellen Pluralität des Islams und der Heterogenität muslimischer Gegenwartskulturen stets ein ideologisches Konstrukt. Theologische Authentizität definiert sich dann auch schon mal über den unterschlagenen Gegenwartsbezug oder über ein essenzialistisches und exklusivistisches Religionsverständnis. In diesem Zusammenhang rücken in einigen islamischen Schulbüchern negativ auffällige, weil von ihren Nutzern als tendenziös empfundene Signaturen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, so etwa die Gleichsetzung von Tradition und Echtheit, H. H. Behr: „Wir wollen kein türkisches Schulbuch.“ von Text und Geist, von Kulturalität und religiösem Deutungssystem, von gruppenbezogenen (gesinnungsorientierten) und ethischen (verantwortungsorientierten) Konsensprinzipien oder von kollektiver Religionsausübung und subjektiver Spiritualität. Bewährt sich das Buch in der Praxis? Hier sind die Voten von Schülerinnen und Schülern maßgeblich. Dass die erste Auflage eines islamischen Schulbuchs deshalb vergriffen ist, weil sich große Teile der Schülerschaft das Buch privat anschaffen, hat Signifikanz hinsichtlich seiner Qualia, durch die sich die Zielgruppen angesprochen fühlen. Bei denen kommt es schlecht an, wenn die Angst-Szenarien ihrer Elterngeneration durch die Schulbuchseiten hindurch nach ihren Köpfen und Herzen greifen. Mal ehrlich – wer geht heute noch in eine „Diskothek“ oder gibt sein Taschengeld für CDs aus, und wo genau liegt denn der vermeintliche ursächliche Zusammenhang von Musik und Drogenkonsum, und was hat das mit den Schülerinnen und Schülern zu tun? Derlei berührt die Frage der so genannten Passung, die sich an Hand zweier Faktorengruppen beschreiben lässt; die lassen sich freilich weiter unterteilen, worauf hier aber verzichtet werden soll: Das thematische Interesse der Schüler; es lässt sich dadurch in eine am Informationswert orientierte Verlaufsmotivation überführen, dass die Themen und ihre Aufmachung an die Lebenswirklichkeiten der Schülerinnen und Schüler Theologische Authentizität definiert sich dann auch schon mal über den unterschlagenen Gegenwartsbezug oder über ein essenzialistisches und exklusivistisches Religionsverständnis. Seite 16 Die theologische Signatur des Angebots muss also insbesondere auf religiöses Lernen hin ausgerichtet sein, welches gleichermaßen spirituelles Entdecken wie problemorientiertes Denken anspricht. H. H. Behr: „Wir wollen kein türkisches Schulbuch.“ anknüpfen, ohne sich in ihnen zu verlieren (gegenwartskultureller Bezug). Das existenzielle Interesse. Hier geht es um im eigentlichen Sinne religiöses Lernen auch in seiner schulischen Rahmung. Ein Gutteil der Lernwirksamkeit liegt im gemäßigten Überforderungsanreiz, der knapp über dem kognitiven und sprachlichen Profil der avisierten Zielgruppen liegen darf. Das betrifft Dinge wie etwa die Auswahl von Texten oder das Diskursniveau im Unterricht. Werden diese Dinge als zu einfach empfunden, dann sind sie auch für die Befriedigung der religiösen Neugier irrelevant. Diese aber ist grundlegendes agens und movens jedweder theologischer Expertise. Die theologische Signatur des Angebots muss also insbesondere auf religiöses Lernen hin ausgerichtet sein, welches gleichermaßen spirituelles Entdecken wie problemorientiertes Denken anspricht. Sie muss ferner dem spielerischen Aspekt der Selbst-Erfindung des Menschen als Motiv spiritueller Identität Raum geben – nötigenfalls auch gegen die Faktizität tradierter Dogmen (gegenwartstheologischer Bezug). (1) Mein Islambuch (für die Klassen 1 bis 4), herausgegeben von Bülent Ucar, und die Schülerbücher, herausgegeben von Serap Erkan, Evelin Lubig-Fohsel und Gül Solgun-Kaps, Oldenbourg Schulbuchverlag München. (2) Bismillah – wir entdecken den Islam, Arbeitshefte für die Jahrgangsstufen 1 bis 4, herausgegeben von Rauf Ceylan, Schroedel Verlag Braunschweig. (3) Saphir – Religionsbuch für muslimische Schülerinnen und Schüler (für die Klassen 5 bis 8), herausgegeben von Lamya Kaddor, Rabeya Müller und Harry Harun Behr, und die Lehrerbände, Kösel Verlag München. Seite 17 Gül Solgun-Kaps Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ „Misstraut gelegentlich euren Schulbüchern! Sie sind nicht auf dem Berg Sinai entstanden, meistens nicht einmal auf verständige Art und Weise, sondern aus alten Schulbüchern, die aus alten Schulbüchern entstanden sind, die aus alten Schulbüchern entstanden sind, die aus alten Schulbüchern entstanden sind. Man nennt das Tradition. Aber es ist etwas ganz anderes.“ (Erich Kästner, Ansprache zum Schulbeginn, Gesammelte Schriften für Erwachsene, Band 7, München/Zürich 1969, S. 180) Dieses Zitat von Erich Kästner ist ein fester Bestandteil von jeglichen Analysen über Schulbücher. Die Kritik, die Erich Kästner hier aufstellt, ist wohl gerechtfertigt! Da aber der Islamische Unterricht in Bayern noch in den Kinderschuhen steckt und den Status eines Exoten hat, trifft dieses Zitat für die Lehrwerke in diesem Fach doch nicht ganz zu. Sämtliche Evaluationen über dieses Fach haben immer wieder dasselbe festgestellt: Das Fehlen an geeigneten Schulbüchern und Arbeitsmaterialien. Nur mit guten Schulbüchern und Arbeitsmaterialien kann die Unterrichtsqualität gesteigert und gesichert werden. Der islamische Unterricht sorgt in allen Bundesländern für viel Gesprächsstoff. Durch das neue Staatsangehörigkeitsrecht sind die meisten Schülerinnen und Schüler, die zurzeit eingeschult werden, auch deutsche Staatsbürger. Die Eltern, gar die Großeltern, sind zunächst bedingt durch die Arbeitsmigration als „Gastarbeiter“ nach Deutschland gekommen und haben sich nun mittlerweile zu Bürgern dieses Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ Landes entwickelt. Diese neue rechtliche Situation dokumentiert die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Zur gesellschaftlichen und politischen Partizipation gehören neben der rechtlichen Gleichstellung auch die Integration der zugewanderten Musliminnen und Muslime: „Wir müssen die muslimischen Kinder dabei begleiten, eine Heimat in der Mitte der Gesellschaft zu finden und zu behalten.“, so der bayerische Minister für Unterricht und Kultus Herr Ludwig Spaenle. Die Schule ist eine zentrale Institution für die Integration der jungen Musliminnen und Muslime. In der Schule treffen die unterschiedlichen kulturellen Traditionen und religiösen Lebensentwürfe unvermittelt aufeinander. Erziehung zu den Grundwerten der Verfassung, zu Toleranz und friedlichem Miteinander, zu Respekt vor Andersgläubigen sind Aufgaben, denen sich die Schule zu stellen hat. Gleichzeitig ist aber die Erziehung im eigenen Glauben, die Entwicklung und Stärkung der eigenen religiösen Identität eine der Voraussetzungen für die Verständigung mit Menschen anderer religiöser Überzeugung. Eine erfolgreiche religiöse Erziehung in der Schule kann somit wesentlich zum Gelingen der Verständigung zwischen den Kulturen und Religionen beitragen. Ein attraktiv ausgestattetes und altersgemäß gestaltetes Schulbuch, das die Kinder in die Hand bekommen, ist dabei Ausdruck der Wertschätzung dieses Themenbereichs. Was für die nichtmuslimischen Kinder und Jugendlichen eine Selbstverständlichkeit ist, soll mit dem Islamischen Unterricht auch für muslimische Schülerinnen und Schüler aller Herkunftsländer verwirklicht werden. Mit dem deutschsprachigen Islamunterricht sind große Hoffnungen verbunden. Alles was neu ist, wird mit Misstrauen aber auch mit viel Spannung beobachtet. So auch ein neues Schulbuch. In dieser Phase der Entwicklung soll ein deutschsprachiger Islamunterricht auf organisatorischer, pädagogischer wie auch Seite 18 inhaltlicher Ebene erprobt und evaluiert werden. Bislang fehlten hierzu jedoch Unterrichtsmaterialien. Dieses Manko erschwert die Unterrichtsplanung sehr für die Lehrkräfte, die in der Regel noch dazu an mehreren Schulen arbeiten. Eine Schulbuchtradition für den Islamunterricht im deutschsprachigen Raum fehlte bislang. steckt. Die Gestaltung und Textauswahl, die Impuls- und Aufgabenansätze, der Aufbau und die Gesamtorientierung werden für die nächsten Jahre oder gar für das ganze Jahrzehnt den Islamunterricht in einer Schule prägen. Mein Islambuch ist sozusagen die Visitenkarte des Islamunterrichts in der Grundschule. Mit einem Schulbuch für den Islamunterricht werden methodische und didaktische, aber auch in vielen anderen Bereichen die Weichen für den Unterricht in der nahen Zukunft gestellt. Brauchen wir in Deutschland eine islamische Religionspädagogik und Fachdidaktik? Wie aber entsteht ein gutes islamisches Religionsbuch? Wer leistet dazu welchen Beitrag? Welche Regelungen sind vorgegeben? Was ist Islam in der Schule? Was soll unterrichtet werden? Wie können Themenfelder im Unterricht zu ihren Inhalten gelangen? Sollen Schüler zum Glauben erzogen werden? Fragen über Fragen ... Der Oldenbourg Verlag hat mit dem Schulbuch Mein Islambuch seine Chance genutzt und demonstriert gerade in diesem Fach Vielfalt und eine Variationsbreite für das Fach Islamischer Unterricht und für die neue Fachdidaktik. Laut Kästner kann für ein Schulbuch im Islamischen Unterricht kein „althergebrachtes islamisches Religionsbuch“ auch noch in deutscher Sprache als Vorgabe dienen. Ein Hinweis sei gestattet: Die evangelische und katholische Fachdidaktik kann auf eine langjährige und reichhalte Tradition verweisen und hat bereits seit Jahrzehnten ein eigenständiges Profil entwickelt. Mein Islambuch vom Oldenbourg Verlag startet bereits in der Grundschule mit der Vermittlung der Theorie in die Praxis Die islamische Theologie hält Einzug in der Schule, genauer in den Religionsunterricht, welches in der Bundesrepublik Deutschland in der Erprobungsphase Das theologische und religionspädagogische Profil dieses Buches musste erst einmal gefunden und definiert werden. Es gibt keinen Fundus, auf den man hätte zurückgreifen können, sowohl bei dem Aufbau wie bei den Inhalten oder – ganz profan – auch bei der Bebilderung. Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ Brauchen wir in Deutschland eine islamische Religionspädagogik und Fachdidaktik? Wie aber entsteht ein gutes islamisches Religionsbuch? Wer leistet dazu welchen Beitrag? Es mussten zunächst Kriterien für den Unterrichtsinhalt ausgewählt und definiert werden. Die traditionellen Quellen mussten mit in den Unterricht einbezogen werden. Die Autorinnen haben diese Bandbreite an Fragen und Aufgaben durch eine Auswahlentscheidung getroffen und der Zukunft des Islamischen Unterrichts mit einem Schulbuch einen Weg geebnet. Eine Pionierarbeit für ein islamisches Schulbuch in einer christlich-säkular geprägten Gesellschaft musste begonnen werden. Die Autorinnen und natürlich der Verlag selbst gaben diesem Unterrichtswerk ihr individuelles Profil. Mitverantwortlich für Inhalte und Bebilderung bzw. Illustrationen zeichnen sich darüber hinaus Prüfungskommissionen in den Ministerien und wissenschaftliche Berater. Der Islam ist in den besonderen Fokus der Öffentlichkeit gerückt, deshalb wird von einem deutschsprachigen Islamunterricht nicht nur erwartet, dass er die Muslime rechtlich anderen Religionsgemeinschaften gleichstellt, sondern auch eine Unterstützung für die Integration liefert. Der Islam ist in Deutschland eine weitgehend neue und „zugewanderte” Religion und die Musliminnen und Muslime befinden sich in der religiösen Diaspora. Diese Seite 19 Tatsache hat nicht nur Auswirkungen auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung, sondern auch auf schulbuchdidaktische Erwägungen. Darüber hinaus besteht der Islam nicht aus einem monolithischen Block. Vielmehr zeichnet sich die Religion der Muslime in Deutschland durch eine besondere Vielfalt in ethnischer, kultureller und religiöser Hinsicht aus. Die Vorgehensweise der jeweiligen Schulministerien ist sehr unterschiedlich. Mal mit Ansprechpartner nach dem Grundgesetz §7 Abs. 3, oder nur als ein befristetes Projekt ohne Ansprechpartner, aber mit der Beteiligung von muslimischen Vertretern, Elternvereinen oder Gemeinden. Jedes Bundesland hat sein eigenes Curriculum und Lehrerausbildung. Die Frage ist: Kann Mein Islambuch den verschiedenen Anforderungen gerecht werden? Eine durchaus schwierige Aufgabe. Es bedeutet, dass viele Bereiche verknüpft werden müssen: die Lerninhalte und -ziele der Lehrpläne, der Fachwissenschaft und der Fachdidaktik, die Erwartungen der Lehrerinnen und Lehrer, die Entwicklungspsychologie der Schülerinnen und Schüler, Überlegungen zur religiösen Sozialisation der Grundschüler und nicht zu vergessen: die Erwartungen und Vorgaben der Eltern und der islamischen Vereine und Verbände. Die meist in ihrer Muttersprache religiös sozialisierten Kinder lernen nun ihren Glauben in ihrer zweiten Sprache kennen. Viele Begriffe und Redewendungen, Fachbegriffe müssen übersetzt und angeeignet werden. Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ werden an mehreren Stellen aufgefordert zum Beispiel das arabische Schriftzeichen für Allah in einer Koranseite zu suchen. Somit hat Mein Islambuch nicht nur das Format eines Schulbuches mit Informationsgehalt und religionspädagogischen Prinzipien, sondern auch eine politische Dimension: Die Werte und Einstellungen in der muslimischen Gesellschaft in Deutschland kommen in Mein Islambuch zum Tragen. Auch wenn der Islam in der Mehrheitsgesellschaft oft als eine homogene Religion dargestellt wird, weiß man so wie es das Christentum und das Judentum als homogene Einheiten nicht gibt - dass es den Islam auch nicht geben kann. Mein Islambuch ist ein Schulbuch über den Islam, aber auch für den Islamunterricht. Das Religionsbuch ist nach wie vor ein grundlegendes Medium des Religionsunterrichts. Inhaltlich muss es aktuell sein, aber auch von seiner pädagogischen und didaktischen Konzeption her die längst veränderten Sozialisationen von Schülerinnen und Schüler und Lehrkräften gerecht werden. Was lernen und erfahren muslimische Kinder in der Grundschule über ihre Religion? Diese Komplexität wird durch die Unterrichtssprache Deutsch ergänzt. Die meist in ihrer Muttersprache religiös sozialisierten Kinder lernen nun ihren Glauben in ihrer zweiten Sprache kennen. Viele Begriffe und Redewendungen, Fachbegriffe müssen übersetzt und angeeignet werden. Durch die Verwendung der arabischen Schrift wird eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit Mehrsprachigkeit vermittelt. Auch die „heilige“ Sprache des Koran, Arabisch, hat im Schulbuch Mein Islambuch eine zentrale Rolle. Die arabische Gebetssprache wird gepflegt, aber kindgemäß umgesetzt. Die Schüler Das vorliegende Buch beachtet auf dieser Grundlage folgende Kriterien: • Orientierung am Konsensprinzip der Muslime • Beachtung der religiösen Tradition • Abbildung der Lebenswirklichkeit • Verschränkung der Erfahrungen der Kinder mit der religiösen Tradition • Hervorhebung der Interreligiosität und des Dialogs • Betonung von Gemeinsakeiten – Einheit in der Vielfalt • Binnendifferenzierung und Altersbezogenheit • Unterstützung der Identitätsbildung Seite 20 Das vorliegende Schulbuch ist in der gegenwärtigen Entwicklungsphase des deutsch-sprachigen Islamunterrichts für alle bisherigen Schulversuche konzipiert. Daher orientiert es sich zwar grundsätzlich an den oben dargestellten Prinzipien und hat einen stark informierenden Charakter, enthält jedoch auch bekenntnisorientierte Anteile, damit diese unterschiedlich akzentuiert im Unterricht behandelt werden können. Inhaltlich bezieht sich das Buch auf islamische Primärquellen und orientiert sich unabhängig von den unterschiedlichen Rechtsschulen weitgehend am Konsensprinzip der sunnitischen Muslime. Die konkreten Themeneinheiten wurden auf dieser Grundlage aus den unterschiedlichen Lehrplänen zu gemeinsamen Oberthemen zusammengefasst. Den Rahmen des Unterrichtswerks bilden das Grundgesetz und die weitgehend übereinstimmenden Erziehungsziele der Bundesländer. Das vorliegende Schulbuch stellt den Islam als Lerninhalt in einen sinnvollen Zusammenhang mit dem gesamten Fächerkanon der Schule, aber auch das gesamte Schulleben wird hier mit einbezogen. Querverbindungen zum evangelischen und katholischen Religionsunterricht oder zum Fach Ethik sind angelegt und werden immer wieder betont. Der Werteerziehung und Persönlichkeitsbildung wird besondere Beachtung geschenkt. Die Stärkung und Entwicklung sozialer und personaler Kompetenzen wie Achtsamkeit, Selbstverantwortung, Selbstvertrauen, Offenheit, Empathie und gewaltfreies Konflikt-lösungsverhalten stehen im Fokus von Mein Islambuch; nur so können muslimische Schüler mehr von ihrem Glauben erfahren und erleben. Mein Islambuch ist in verschiedene Lernprozesse der Kinder eingebettet. Es bietet eine Verstehens- und Konstruktionshilfe und mit dem Lehrerhandbuch weitere Hilfsmittel zur Inszenierung anregender Lernumgebungen von der 1. bis zur 4. Klasse. Eine ausgewogene Gewichtung zwischen Lehrer-, Schulbuch- und Schülerorientierung wird durch das Medium hergestellt. Ziel des Schulbuches ist ein erfahrungsorientierter Austausch mit der islamischen Theologie in der Grundschule. Hierbei wird eine Einheit von Emotion und Intuition eingegangen. Das Schulbuch beginnt mit den fünf Säulen des Islam und endet mit den sechs Glaubenssätzen. So wird die Tradition gepflegt und auch die Bedeutung der Tradition hervorgehoben. In unterschiedlichen thematischen Zusammenhängen werden auf die fünf Säulen und auf die sechs Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ Glaubenssätze immer wieder Bezug genommen oder auf Teile bzw. Aspekte dieser Grundlagen eingegangen. So kann den Kindern die Einordnung der behandelnden Teilthemen in den Gesamtzusammenhang der Grundlagen ermöglicht werden. Wie in jedem Religionsbuch wechseln sich auch in Mein Islambuch Einheiten mit Geschichten aus dem Koran, problemorientierte Einheiten mit theologischen Fragen, Gebete, interreligiöse Begegnungen und „Alltagsthemen“ ab. Grundlegendes Wissen über die Inhalte und Bedeutung der eigenen Religion und deren Rituale zu erhalten und sie in deutscher Sprache ausdrücken zu können - dies sind die Ziele des Schulbuches. Eigene religiöse Standpunkte zu entwickeln, zu kommunizieren und zu begründen, um letztendlich danach zu handeln sind weitere zentrale Ziele des Schulbuches. Ethische Handlungsmaßstäbe anhand von Koran und Sunna zu erkennen und danach zu handeln, wie zum Beispiel die Bewahrung und der Respekt vor der Schöpfung, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit im Sinne friedlicher Konfliktlösungsstrategien, Achtung und Toleranz gegenüber dem Anderen werden wie eine Spirale ausdrücklich Ziel des Schulbuches ist ein erfahrungsorientierter Austausch mit der islamischen Theologie in der Grundschule. Hierbei wird eine Einheit von Emotion und Intuition eingegangen. Seite 21 immer wieder durch das gesamte Lehrwerk in jeder Jahrgangsstufe gepflegt. Mit aufsteigender Jahrgangsstufe führt das Schulbuch Schritt für Schritt in die Textarbeit mit dem Koran ein. Eine hermeneutische Erschließung des Textsinns wird vorgenommen. Die in den Lehrplänen ausgewiesenen Themeneinheiten wurden unter Oberthemen zusammengefasst. Sie entsprechen weitgehend dem Aufbau und der Gliederung des Schulbuches Mein Islambuch für die 1./ 2.; 3. Jahrgangsstufe und dem Folgeband der 4. Jahrgangsstufe. Damit sollen spiralcurricular Themen unterschiedlich akzentuiert, wiederholt und vertieft werden. Diesen pädagogisch sinnvollen Ansatz verfolgen die meisten Lehrpläne für den Islamunterricht. Als Orientierungshilfe sind die einzelnen Themenkomplexe mit unterschiedlich gefärbten Ornamentbändern am Seitenrand und Schmuckrosetten auf den Seiten oben markiert. • Ich, Familie, Gemeinschaft: Ausgehend vom einzelnen Kind werden die Beziehungen innerhalb der Familie, dann in der Gruppe der muslimischen Kinder, weiter zu den Freunden und schließlich der Schulgemeinschaft thematisiert. Die Gemeinschaft der Muslime (Umma) ist eines der zentralen Themen dieses Leitthemas. Fragen der Zusammengehörigkeit, der Konfliktbewältigung, Hilfsbereitschaft anderen Menschen gegenüber werden in diesem Kapitel erörtert und beantwortet. Mit aufsteigender Jahrgangsstufe führt das Schulbuch Schritt für Schritt in die Textarbeit mit dem Koran ein. Eine hermeneutische Erschließung des Textsinns wird vorgenommen. Durch die deutsche Übersetzung der Gebete und Suren tritt die fundamentalistische Lesart zurück. • Die Schöpfung: Die „erste“ Begegnung mit Gott: Sein Name, seine Eigenschaften und sein Wirken werden in den Zusammenhang mit seiner Schöpfung gebracht und regen zum Nachdenken über die Welt an. Die Kinder begreifen sich als ein Teil dieser Schöpfung – mit ihren Pflichten gegenüber der Schöpfung. Die Verantwortung des Menschen im Umgang mit der gesamten Natur wird hervorgehoben. Die Schöpfung gilt als Werk und Geschenk Gottes an die Menschen. Es gibt jahrgangsübergreifende Kernfragen bzw. in sich geschlossene Leitthemen, die in der Theologie in Mein Islambuch im Mittelpunkt stehen: • Mit Gott sprechen und beten: Wie kann ich zu Gott sprechen? Wird mir Gott dann auch helfen? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ Islamunterrichts. Die Beziehung des Menschen zu Gott wird durch das Glaubensbekenntnis und das Gebet besonders hergestellt. Unterschiedlichste Gebetsformen werden im Schulbuch dargestellt, die Kinder finden hierzu individuell Zugang. Besondere Gebetsformen und -Orte, wie zum Beispiel die Moschee werden thematisiert. • Die Propheten und der Koran: Prophet Mohammeds Leben, die erste Offenbarung, der Koran gehören zu den religiösen Grundlagen. Das Wirken des Propheten Mohammeds wird auf verschiedenste Weise betrachtet. Die schwierigen Anfänge nach der ersten Offenbarung in Mekka und seine Auswanderung sind zentrale Themen des Schulbuches. Die „Migrationsgeschichte“ des Propheten Moses liefert einen Einblick in die frühe Lebensphase des Propheten und gibt ein Beispiel für sein Gottvertrauen. Nicht nur die Muslime zur Zeit des Propheten Mohammed mussten ihre Heimat verlassen. Mit Migrationsbeispielen aus der heutigen Zeit wird der Bezug zu den Migrationserfahrungen vieler Muslime und Musliminnen in Deutschland hergestellt. Die Entstehung der ersten muslimischen Seite 22 Gemeinde in Medina und die Prophetenmoschee in Medina sind zentrale Aspekte der Biografie des Propheten und seiner Wirkungsgeschichte. Aber auch andere Propheten wie Abraham, Noah, Jonas, David oder Josef sind Themen, die zu den koranischen Geschichten hinzugeordnet werden können. • Der Islam und andere Religionen: Für den religiösen Diskurs steht das Wissen und Verstehen der Gemeinsamkeiten und der Unterschiede der drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam im Vordergrund. • Der Koran als Wegweiser: Der Koran, die Sunna und die Hadithe werden als Richtschnur für das Handeln der Muslime und für ein gottgefälliges Leben vorgestellt. Diese Schulbuchseiten vermitteln erste altersgemäße Einblicke, wie sie als Richtschnur das Leben der Gläubigen leiten und beeinflussen. Anhand einer Koranseite wird in den Aufbau und die Struktur des Korans eingeführt und zentrale islamische Fachbegriffe werden erklärt. Der Koran und seine Verse werden im gesamten Schulbuch thematisiert. Sie nehmen Bezug zu alltäglichen Themen kindlicher Lebensrealität und Fragestellungen oder als Thema an sich. • Die fünf Säulen des Islams: Ziel des Schulbuches ist es, muslimische Kinder an die Pflichten der fünf Säulen heranzuführen. Die fünf Grundpflichten verbinden die Pflichten des Menschen Gott gegenüber mit den Pflichten gegenüber den Mitmenschen und der Gemeinschaft. Kenntnisse der Kinder werden wiederholt und vertieft. Kindgemäße Beispiele zu den Regeln und der Bedeutung der einzelnen Säulen stellen einen Bezug zur Realität der Kinder in Deutschland her, ermöglichen es, dass eigene Erfahrungen eingebracht werden und zeigen, wie auch in der Diaspora die religiösen Pflichten eingehalten und im sozialen Miteinander Hilfen angeboten werden können. Dazu werden „Geschichten“ aus der Realität (Fastenerlebnis eines Mädchens, Idee von Kindern, wie sie hilfsbedürftige Menschen unterstützen können) bewusst erzählt. Interreligiöse Bezüge werden durch die fünfte Säule (der Hadsch) hergestellt. Die Pilgerfahrt der Muslime, ein Zeitungsartikel über eine Pilgerfahrt der Christen nach Jerusalem und verschiedene Arbeitsaufträge fordern eine Auseinandersetzung Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ der Kinder mit beiden Religionen und stellen interreligiöse Bezüge her. • Feste feiern: Feste und Rituale der drei großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam werden in jeder Jahrgangsstufe vorgestellt. Das Schulbuch kann zu diesem Thema flexibel eingesetzt werden. Anlass- und situationsbezogen werden Feste im Jahreskreis gefeiert. Rituale spielen in allen drei Religionen eine zentrale Rolle. petenzen des Schulbuches. Die Kinder lernen, sich mit Hilfe eines Glossars möglichst selbständig Sinnzusammenhänge von Texten zu erschließen. Sie werden in die Arbeit mit einem wichtigen Hilfsmittel eingeführt. Die Kinder lernen die Technik des Nachschlagens für sich sinnvoll zu nutzen. • Infokästchen: Um das Kompetenzspektrum der Schülerinnen und Schüler zu stärken werden immer wieder Fachbegriffe und weitere wichtige geschichtliche Informationen definiert und erklärt. Diese Leitthemen sind für den deutschsprachigen, bekenntnisorientierten, islamischen (Religions)unterricht konzipiert und orientieren sich an den in allen Bundesländern bereits vorhandenen Lehrplänen und Curricula. Die Autorinnen des Buches legen bei der Umsetzung der Leitthemen besonderen Wert auf die Vermittlung islamischer Glaubensgrundlagen in Verbindung mit konkreten Handlungszusammenhängen. • Glossar: In das Glossar sind zentrale Begriffe aufgenommen, die erklärungsbedürftig sind und bei Bedarf schnell zu finden sein sollten. Die kurzen Erläuterungen geben unter anderem Aufschluss über zentrale Glaubensinhalte, Personen des Glaubens, Institutionen, Feste, Rituale und religionshistorische Ereignisse. Sich selbst Informationen beschaffen zu können, gehört zu den Basiskom- Ein Schulbuch für das Fach Islamischen Religionsunterricht muss die Erfahrungs- und Lebenswelt der Kinder im Grundschulalter in Deutschland mit einbeziehen und theologisch reflektieren. Der Religionsunterricht sollte mit dem Mein Islambuch sich nicht zu einem reinen sozialkundlichen Unterricht mit vielen „Alltags- und sozialen Themen“ entwickeln. „Alltagsthemen“ haben im Lehrwerk immer einen Bezug zum Glauben und zur Seite 23 Heiligen Schrift. Auch das „Vorleben“ des Propheten Mohammed ist von Bedeutung und wird in hohem Maße immer wieder in die Themeneinheiten eingebaut. So können die Schülerinnen und Schüler sich an dem vorbildlichen Verhalten des Propheten orientieren, Fragen beantworten und für sich einen Weg ebnen. Auf elementare und altersgemäße Weise werden die Kinder in die Glaubensinhalte, -praktiken und Traditionen des Islam eingeführt. Sie werden in ihrer Persönlichkeitsentwicklung als Muslime unterstützt und in ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Gläubigen gestärkt. Die Vermittlung von Werten, die auf ein friedvolles Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen in einer demokratisch verfassten Gesellschaft ausgerichtet sind und zur individuellen gottgefälligen Lebensgestaltung des einzelnen beitragen, steht bei konzeptioneller Umsetzung des Schulbuches Mein Islambuch im Vordergrund. Mit unterschiedlichsten Fragen werden Schülerinnen und Schüler angeregt, aber auch aufgefordert, islamische Einstellungen und Haltungen auszuprobieren und für ihr eigenes Leben anzunehmen. Der Islam-Unterricht bietet den Kindern Möglichkeiten, islamische Einstellungen und Haltungen zu erproben und einzuüben. Deshalb stellt das Schulbuch Mein Islambuch die Vermittlung islamischer Glaubensgrundlagen in konkrete HandGül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ lungszusammenhänge. Dem Prinzip des Lebens- und Realitätsnähe folgend, werden die Glaubensinhalte und -praktiken auf die Erfahrungsebene der Kinder bezogen. Die Kinder werden durch das Schulbuch ermutigt, sich mit den zentralen Sinnfragen, welche der Islam thematisiert, auseinanderzusetzen. Die Kinder werden als Muslime angesprochen, sie müssen sich nicht erst als Muslime definieren. Diese muslimische Identität der Kinder wird pädagogisch durch das Schulbuch weiter vermittelt und vor allem gestärkt. Das Philosophieren über Fragen wie zum Beispiel Gut und Böse, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit haben im Schulbuch Platz und bieten so den jungen muslimischen Schülerinnen und Schülern kindgemäße Zugänge zur Religion. Mit unterschiedlichsten Fragen werden Schülerinnen und Schüler angeregt, aber auch aufgefordert, islamische Einstellungen und Haltungen auszuprobieren und für ihr eigenes Leben anzunehmen. Dabei findet eine Verknüpfung statt zwischen religiösen Ritualen, wertorientiertem Handeln und der Anleitung zur Selbstreflexion. Ziel von Mein Islambuch ist es, muslimische Schülerinnen und Schüler zu religionsmündigen und urteilsfähigen Menschen zu erziehen, die Verantwortung übernehmen und über die Fähigkeit verfügen, eigene und andere Standpunkte und Entscheidungen kritisch und reflexiv zu betrachten. Gerade in Deutschland ist die religiöse Sozialisierung der muslimischen Schülerinnen und Schüler sehr facettenreich und der Wissenstand zu ihrem Glauben sehr unterschiedlich. Viele der Schüler wissen viel über den Islam, da er bereits in ihr Lebensumfeld eng eingebunden ist und andere nur sehr wenig. Aufgabe des Schulbuches ist es mit binnendifferenzierten Angeboten dieses Problem im Klassenverband soweit wie möglich mit vielen didaktischen Angeboten zu lösen. Leitendes didaktisches Prinzip ist dabei das Fragen-Stellen, Hinterfragen, Entdecken, Staunen, aber auch Raum für Philosophieren. Damit trägt das Schulbuch den unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedingungen der Kinder und einem modernen zeitgemäßen Religionsunterricht Rechnung. So wird Mein Islambuch als Schulbuch auch in voraussetzungsdifferenten jahrgangsgemischten Gruppen der Heterogenität durch viele differenzierende Angebote gerecht. Das Schulbuch trägt dazu bei, eine Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens zu schaffen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, damit die Kinder sich Seite 24 öffnen und Persönliches von sich mitteilen und sich auf anderes einlassen können. Das Erkunden der eigenen Religion steht im Mittelpunkt der Arbeit mit dem Mein Islambuch. Ausgangspunkt ist die Lebenswelt muslimischer Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und damit auch mit anderen Kulturen und Traditionen vertraut sind, vor allem aber ihren Glauben in einem christlichen Umfeld in der Diaspora kennenlernen. Das Materialangebot der Lehrwerke orientiert sich inhaltlich sowohl an religiösem Basiswissen als auch an gegenwärtigen sozialen und ethischen Sachfragen. Die Lehrinhalte konzentrieren sich dabei nicht auf die Vielfalt der religiösen Richtungen, sondern vermitteln religiöse Grundlagen, die sich auf die Mehrheit der Muslime beziehen. Hierbei wird theologisch von dem Konsensprinzip (Idschma) der Muslime ausgegangen. Dieser bezieht sich in dem Werk Mein Islambuch in erster Linie auf sunnitische Muslime in Deutschland und weltweit. Die Inhalte beziehen sich im Wesentlichen auf grundlegende Werke dieser Strömungen des Islam ohne andere islamische Gruppierungen auszugrenzen. Zugleich soll keine Gleichmacherei auf niedrigstem Niveau betrieben werden. Daher wird dieser Ansatz durch das Kontroversitätsprinzip (Ichtilaf-Lehre) ausgeglichen. Offen für Dialog und handlungsorientiert wird immer wieder an religiöses Vorwissen der Schülerinnen und Schüler und ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse angeknüpft. Religiöse Inhalte sollen sie verstehen, an ihnen weiterdenken und sie immer wieder überdenken können. Mein Islambuch unterstützt die Lernenden, grundlegendes Wissen über die Inhalte und Bedeutung der eigenen Religion und dem eigenen Glauben zu erhalten. Sie lernen die Rituale im Islam kennen und können diese in deutscher Sprache wiedergeben. Die Schülerinnen und Schüler handeln nach eigenen religiösen Standpunkten: Zuvor entwickeln sie diese mit Hilfe von Mein Islambuch. Sie lernen religiös zu kommunizieren, zu begründen. Diese Voraussetzungen sind für die religiöse Sozialisation von Bedeutung, wenn diese auch letztendlich umgesetzt werden soll, oder Schülerinnen und Schüler danach handeln sollen. Andere Religionen und Weltanschauungen werden erkundet, kennengelernt. So begegnen muslimische Schüler ihnen mit Respekt und Achtung. Es baut ein Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ Verständnis zu ihren Schulkameraden auf. Mein Islambuch ist für Kinder muslimischen Glaubens konzipiert, die in der Bundesrepublik Deutschland in einer Diaspora- und Minderheitensituation leben. Gerade deshalb ist es von Bedeutung, den eigenen Glauben nicht isoliert zu betrachten. Durch das Schulbuch werden die Kinder für interreligiöse Prozesse sensibilisiert und befähigt, sich in Situationen, die durch religiöse und kulturelle Vielfalt gekennzeichnet sind, offen und zugewandt zu verhalten. Das Schulbuch verstärkt, dass Vielfalt als Bereicherung wahrgenommen wird. Die muslimischen Kinder werden angeregt und auch ermutigt, sich mit Angehörigen anderer Religionen und Weltanschauungen über religiöse Fragen zu verständigen. Diese Tatsache bzw. Vorgehen kann aber nur dann gelingen, wenn Kinder über ihre eigene Religion Bescheid wissen und über die nötige Sprachkompetenz verfügen. Dies zu entwickeln und zu fördern ist eines der Aufgaben des Schulbuches Mein Islambuch. Dazu muss im Unterricht durch das Schulbuch eine Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens geschaffen werden können. Eine wesentliche Voraussetzungen - nur so können sich die Offen für Dialog und handlungsorientiert wird immer wieder an religiöses Vorwissen der Schülerinnen und Schüler und ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse angeknüpft. Religiöse Inhalte sollen sie verstehen, an ihnen weiterdenken und sie immer wieder überdenken können. Seite 25 Schülerinnen und Schüler öffnen und dann Persönliches von sich mitteilen. Die Schülerinnen und Schüler lernen auch, dass in manchen Situationen einige Fragen offen bleiben können oder nur teilweise beantwortet werden können. Das Schulbuch verfolgt altersbedingte Einsatzmöglichkeiten von Methoden, die sich auch mit anderen Unterrichtsfächern decken. So haben Texte und Suren aus dem Koran im Schulbuch unterschiedliche Funktionen. Der Text ist heute ein zentrales Medium im Religionsunterricht. Insbesondere die Mischung aus Erzählungen und den Texten aus dem Koran nimmt eine exponierte Stellung ein. Dadurch dringt das Schulbuch in das fächerübergreifende Lernen hinein und der Unterschied von verschiedenen Textsorten wird gelernt. Die Schülerinnen und Schüler erschließen die Texte durch die Inhaltserfassung. Sie formulieren Problemfragen, beantworten Fragen zum Text. Durch das Finden von Sinnabschnitten, haben sie die Möglichkeit den Textaufbau zu erkennen und zu beschreiben. Auch das Erzählen ist eine Grundform des Religionsunterrichts, aber auch des Islam. Mein Islambuch bietet immer wieder eine Begegnung mit dem Koran: Die Schülerinnen und Schüler „erleben“ den Koran durch Erzählungen, Spiele, Singen, Musizieren, Basteln. Das Schulbuch enthält ebenso genug Raum für die Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ Stille. Das Schulbuch bietet durch die Erzähltexte einen Ort der Kommunikation. In den fragenden und nachdenklichen Gesprächen nach einer Erzählung stellen Schülerinnen und Schüler menschliche Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Herkunft und Zukunft des Menschen und nach Gott. Diese zentralen Fragenstellungen werden durchgängig in Mein Islambuch angeregt und „wach“ gehalten. Antworten auf viele dieser Fragen werden im Schulbuch durch zahlreiche Koransuren oder Hadithen geboten. Die Schülerinnen und Schüler lernen auch, dass in manchen Situationen einige Fragen offen bleiben können oder nur teilweise beantwortet werden können. In Rollenspielen spielen die Schülerinnen und Schüler Geschichten aus dem Koran nach, nehmen aber auch Bezug auf heute. Der hermeneutische Zugang oder der Kontext von Arbeitsaufgaben und Bilder zum Beispiel entscheiden über den religionspädagogischen Einsatz dieser „Geschichten“. Viele dieser „Geschichten“ im Schulbuch tragen dazu bei, den Lebens- und Erfahrungsraum der Schule mitzugestalten, insbesondere bei Anlässen wie Festen und religiösen Feiern. Der Einsatz von Liedern und das Musizieren stehen im Islam zwischen Akzeptanz und Verbot. Die islamischen Gelehrten sind nach wie vor untereinander gespalten und vertreten unterschiedliche Meinungen. Einige halten Musik im Islam für verboten, andere dagegen für erlaubt, aber sie müssen islamischen Werten und Normen entsprechen. Der Inhalt sollte dabei religiös sein. Wenn man aber die islamische Welt durchleuchtet, stellt man schnell fest, welch ein reiches Musikleben sich dort entwickelt hat. Die Formen sind vielfältig und reichen, nach Land und Tradition, über Volksmusik bis hin zu reiner Unterhaltungsmusik. In der Frühzeit des Islam erfreute sich Musik großer Beliebtheit. Gerade während der Zeit der Abbasiden des 8. und 9. Jahrhunderts entstand die Musik als eine anerkannte Kunst. Besonders bei den Sufi-Orden ist Musik ein fester Bestandteil ihres Glaubens. Musik bei der Andachtsübungen oder als Vokalmusik sind eine feste Voraussetzung. Der Sama, also das Hören, von Musik und sich dazu zu bewegen ist ein fester Bestandteil bei den Meditationen der Mystiker. Mit Cat Stevens alsia Yusuf hat die Musik im Islam eine neue Dimension bekommen und ist auch moderner geworden. Sei Seite 26 es bei „Bismillah“ oder „Say he is Allah“ werden religiöse Inhalte mit Noten vermischt und an die Jugend weitergegeben. Religiöse Spiritualität drückt sich traditionell nach wie vor in Liedern aus. Die Auswahl von Musik im Religionsunterricht hängt davon ab, welche Ziele, Gehalte und Arbeitsmöglichkeiten im Mittelpunkt stehen. Auch hier hat das Schulbuch Mein Islambuch etwas „Neues“ definiert. Islamische Religionspädagogik muss den Weg des modernen Unterrichts gehen. So haben Lieder eine besondere Stellung im Buch. Hierbei wurde beachtet, dass die angebotenen Lieder den Werten und Normen des islamischen Glaubens nicht widersprechen. Die Auswahl der Lieder erfolgte nach dem Prinzip des kindgemäßen Zugangs. Zum Teil wurden Liedgut aus dem europäischen Raum, aber auch Lieder und Texte aus der islamischen Tradition verwendet. Eng an Liedern und Texten verknüpft steht Kinderlyrik im Schulbuch als zentrales Element. Form, Intention, Abstraktionsgrad und Stil berücksichtigen den kindlichen Leser mit seinen Interessen, Bedürfnissen und Kenntnissen. Einen hohen Stellenwert haben Kinderlyrik bzw. reflektierende Gedichte im modernen Religionsunterricht. Gedichte bieten eine Abwechslung zum gewohnten Sprachgebrauch und weiteren Diskussionsstoff, sind aber auch ein Teil der literarischen Bildung und Ästhetik. In Mein Islambuch wurde auf ein vielfältiges kreatives und produktionsorientiertes Verfahren im Umgang mit der Kinderlyrik Wert gelegt. So wird das Schwierige an lyrischen Texten nicht vereinfacht oder den Schülerinnen und Schülern vorenthalten. Die Schwierigkeit und die Herausforderung bestehen nämlich in der Verknüpfung von kreativen und kognitiven Prozessen. Auch die Produktion von eigener Lyrik steht hierbei im Vordergrund. Die ausgewählten Gedichte bieten der Lehrkraft viele Möglichkeiten. Frei nach Josef Guggenmos: „Mit Gedichten, diesen handlichen Gebilden aus Sprache, kann man viel anfangen. Manchen kann man weiterdichten, umdichten... Man darf es, wenn dadurch das Gedicht fesselnder, liebenswerter, besitzenswerter wird.“ Das Schulbuch verschafft durch die Auswahl der Texte, der Lieder und der Gedichte jede Menge Kooperationsmöglichkeiten mit den anderen Lehrkräften und Fächern. Insbesondere die Fächer Katholischer, Evangelischer Religionsunterricht Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ und Ethik sind zu nutzen, um fächerübergreifende Verknüpfungen herzustellen. „Mit Gedichten, diesen handlichen Gebilden aus Sprache, kann man viel anfangen. Manche kann man weiterdichten, umdichten... Man darf es, wenn dadurch das Gedicht fesselnder, liebenswerter, besitzenswerter wird.“ Das Schulbuch sensibilisiert die Kinder bereits im frühen Alter für den interreligiösen Dialog, andere Religionen und Weltanschauungen zu erkunden, kennenzulernen und ihnen mit Respekt zu begegnen. Entdeckte Gemeinsamkeiten sollen dabei helfen, Berührungsängste abzubauen und Nähe entstehen zu lassen. Die Unterschiede lassen das Besondere der eigenen Religion erkennen und ermöglichen Identifikation. Durch die religiösen Feiern, die in allen Religionsgruppen mit einem gemeinsamen Thema gestaltet werden, entsteht eine besondere Nähe zwischen den Schülerinnen und Schülern. Ein Dialog kann nun entstehen und ein zartes Pflänzchen fängt nun zum Wachsen an. In einem deutschsprachigen Religionsbuch würde man sicherlich erwarten, dass von „Gott“ gesprochen wird. Die synonyme Verwendung der Begriffe Gott und Allah zeigt insbesondere auf, dass Juden, Christen und Muslime an den einen Gott glauben. „Allah“ ist der arabische Ausdruck für „Gott“. Beide Begriffe werden immer wieder abwechselnd benutzt und damit wird ein Signal gesetzt: Beide Wörter, Allah und Gott, drücken dasselbe aus. Seite 27 Großer Wert wurde auch auf die didaktische Funktion von Abbildungen gelegt. Illustrationen und Fotos sind altersgemäß und kultursensibel ausgewählt, viele bieten Anlässe zum Gespräch und laden ein, sich eigene Bilder zu machen. Im Schulbuch Mein Islambuch werden mit Fotos und realitätsnahen Abbildungen Impulse für die Auseinandersetzung mit den Glaubensgrundlagen und zentralen Fragen des Zusammenlebens gegeben. Da im Islam das Bilderverbot herrscht, werden auch im Schulbuch die Propheten und Engel nicht bildlich dargestellt. In der arabischen Welt findet man keinerlei figürliche oder bildliche Darstellungen von Propheten oder Engeln, die als Vorgabe für das Schulbuch dienen könnten. Wenn man von einer islamischen Kunst sprechen möchte, denkt man an das Bilderverbot im Islam und konzentriert sich statt dessen auf Kalligraphie und Ornamentik. Das Bilderverbot, welches wohl aus dem Alten Testament übernommen wurde, soll den monotheistischen Gottesbegriff stärken und sich von der Abbildung von Göttern oder Götzen abwenden. Damit wird eine klare Abgrenzung zum vorislamischen Polytheismus gezogen. Weder im Koran noch im Alten Testament gibt es ein explizites Bilderverbot. Das Bilderverbot, welches wohl aus dem Alten Testament übernommen wurde, soll den monotheistischen Gottesbegriff stärken und sich von der Abbildung von Göttern oder Götzen abwenden. Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ Im Schulbuch Mein Islambuch wird der Prophet Mohammed nicht bildlich dargestellt. Andere hervorragende Propheten werden keinesfalls von vorn gezeigt. Da aber gerade Kinder im Grundschulalter besonders darauf angewiesen sind, bildlich zu denken und nur eingeschränkt in ihrer Altersgruppe abstrahieren können, wurde nicht immer ganz auf eine Darstellung verzichtet. Bilder spielen in der Primarstufe für die Lernvertiefung eine entscheidende Rolle. Mein Islambuch übernimmt aus der muslimischen Welt die reich verzierten Moscheen-Ornamentik und kalligraphischen Darstellungen. Die kalligraphischen Darstellungen werden im Schulbuch immer wieder wiederholt. Um den muslimischen Kindern die Bedeutung dieser Kunst zu vermitteln werden Lernumgebungen geschaffen, die Kalligraphiekunst selbst zu erproben und einzuüben. Die Autorinnen des Schulbuches haben auch hauptsächlich mit Miniaturen aus der islamischen Tradition gearbeitet. Die Auswahl bedient sich der reichen Bildkultur in Persien und im Osmanischen Reich, die vom ausgehenden Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert in Blüte stand und heute in vielen Museen ausgestellt ist. Auch dieses kleine Detail zeigt den muslimischen Schülerinnen und Schülern, dass auch in ihrer Kultur und Tradition wertvolle Kunststücke existieren. Abbildungen und Illustrationen werden im Schulbuch als eine Hilfe angeboten, um mit Grundschulkindern theologische Gespräche zu führen. Rollenspezifisches oder Klischees im Familienleben zum Beispiel wurden bewusst im Schulbuch durchbrochen und durch modernere Abbildungen und Fotos „ersetzt“. Die muslimischen Kinder bringen die Erwartungshaltungen seitens ihrer Eltern und ihrer Gemeinschaft mit in den Religionsunterricht. Die Eltern befürchten meist den Verlust der religiösen Werte bei ihren Kindern. Diese „religiösen Werte“ sind oft sehr eingeschränkt und nur auf bestimmte Kategorien bezogen. Eine Radikalisierung findet bei dem Geschlechterdiskurs statt. Jungen müssen stärker denn je auftreten, die Mädchen werden immer noch gerne als „eingesperrt“ in ihren Zimmern gesehen, die patriarchalische Familienstruktur wird aufrecht gehalten und weitergetragen. Um diesem Vorurteil neutral zu begegnen und keine Klischees zu stützen, wurden in Mein Islambuch die Illustrationen auch mal so gewählt, dass der Vater in der Küche steht und kocht oder seinem kranken Sohn Seite 28 eine Tasse Tee bringt. So können die Schülerinnen und Schüler sich mit der eigenen Lebenswirklichkeit auseinander setzen. Bilder, aber auch die Texte fordern die muslimischen Schülerinnen und Schüler zu einer Begegnung und Auseinandersetzung mit der eigenen religiösen Geschichte und dem eigenen Glauben auf. Das Religionsbuch regt die Kompetenz der Mitgestaltung von Religionsunterricht und der Kommunikation im Islamunterricht an. Die Lerngegenstände bieten Anstöße zur originären Begegnungen. Sie zeigen Anregungen, damit weit mehr als Schulbuchwissen gelingen kann, damit die Handlungsfähigkeit der Kinder gestärkt wird. Das Konzept des Schulbuches nimmt Rücksicht darauf, dass die Lehrkräfte dieses Unterrichtsfaches über sehr unterschiedliche Ausbildungen verfügen. Es stellt geeignetes Textmaterial zur Verfügung, das von leistungsstarken Schülern und Schülerinnen selbst gelesen, aber auch von den Lehrkräften oder von diesen Kindern vorgelesen werden kann. Mit diesen Texten soll der Lehrkraft sachlich richtiges und dem Altersniveau der Klasse angepasstes Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt werden, das sonst schwer zugänglich ist. Die Lehr- ermaterialien bieten Vorschläge für die Umsetzung in der Unterrichtspraxis. Das Schulbuch Mein Islambuch bietet zudem in den entwickelten Lehrmaterialien ein umfangsreiches Materialangebot. Islamlehrer finden hier zahlreiche Anregungen für einen lebendigen und zielgerichteten Religionsunterricht. Die Lehrer werden bei der Planung ihres Unterrichts entlastet, aber auch ihrer Kreativität und Eigeninitiative Raum gegeben. Zudem nehmen die Lehrermaterialien das im Buch manchmal nur kurz dargestellte Thema ausführlich und methodisch konkretisierend auf und vertiefen damit die Arbeit durch die zusätzlich bereitgestellten Materialien und die gut handhabbaren Kopiervorlagen. Dabei wird in den Lehrmaterialien auch Platz gelassen für Emotionalität und Spiritualität, da Religionsunterricht nicht nur das Erlernen von Fähigkeiten und Fertigkeiten umschließen kann, sondern sich auch auf die Glaubensdimension und die Sinnsuche beziehen muss. Dabei ist der Glaube an Gott letztendlich ein Angebot an die Schülerinnen und Schüler, das anzunehmen jedem frei steht. Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ In der Verwendung der Begrifflichkeiten wurde darauf geachtet, nicht nur das arabische Original hervorzuheben, sondern auch die Lebenswirklichkeit und unterschiedlichen sprachlichen Hintergründe der Kinder respektvoll darzustellen. Auf dieser Grundlage wurde im Buch beispielsweise der Eigenname Allah neben Gott eingeführt. Darüber hinaus steht es den Lehrkräften frei, jeweils auch Begriffe aus anderen Muttersprachen im Unterricht einzuführen. Mein Islambuch gibt den muslimischen Schülerinnen und Schülern Raum, die wichtigsten Gebete ihres Glaubens zu lernen und sich damit aktiv auseinanderzusetzen. Die Suren aus dem Koran wurden in der Schreibweise so vereinfacht, dass sie der arabischen Aussprache möglichst nahekommt und die Kinder nicht überfordert werden. Dies bedeutet, dass bei der Transkription darauf geachtet wurde, dass nicht die wissenschaftliche Version der morgenländischen Gesellschaft als Grundlage fungiert, sondern jene, die am nächsten der Aussprache kommt, also die phonetische Umschrift. Etablierte „eingedeutschte” Begriffe wie Koran statt Qur´an oder Mohammed statt Muhammad bilden eine Ausnahme von dieser Regel. Die Eltern befürchten meist den Verlust der religiösen Werte bei ihren Kindern. Diese „religiösen Werte“ sind oft sehr eingeschränkt und nur auf bestimmte Kategorien bezogen. Eine Radikalisierung findet bei dem Geschlechterdiskurs statt. Seite 29 Im interreligiösen Kontext werden auch die im christlichen Bereich verwendeten Schreibweisen aufgeführt (Isa = Jesus). Es wird der Fokus darauf gelegt, die Individualität der Kinder zu sehen, die selbst erfahren möchten, die angeleitet werden sollten, aber auch unbedingt selbst ausprobieren sollten, dabei Fehler machen können und aus diesen Fehlern lernen sollen. Die Suren wurden für die Kinder verständlich, altersgemäß übersetzt. Hierbei wurde aufgrund der theologischen Sensibilität, in welcher der Koran als Verbalinspiration Gottes wahrgenommen wird, darauf geachtet, dass die wesentlichen Inhalte der Suren gleichbleiben, die einzelnen Formulierungen jedoch dem Verständnishorizont der Kinder angepasst sind. Die vorgelegten Übersetzungen sind als Auslegungen für die Kinder zu verstehen. Die deutschen Koranzitate im Schülerbuch und in den Lehrermaterialien orientieren sich an der Übersetzung von Adel Khoury. Die deutsche Übersetzung bringt den Kindern ihr „heiliges“ Buch näher. Sie verstehen ihre Gebete und können diese so einordnen. Im Schulbuch wurde auf diese Präsentationsart der Koransuren sehr großen Wert gelegt und bewusst als Kapitelüberschritt „Im Namen Allahs“ gewählt. Die Koranzitate werden als Gebete auswendig gelernt und als ein Gebetsbüchlein sehr individuell von den Schülerinnen und Schülern angelegt. Diese Vorgehensweise ist sicherlich schon fast revolutionär: Den muslimischen Kindern wird zu ihrer Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ heiligen Schrift ein neuer, anderer Zugang eröffnet. Dies wird in Zukunft einer der zentralen Aufgaben sein, aber auch einer der zentralen Fragen in der neuen islamischen Religionspädagogik sein. Diese weiterführenden Ideen garantieren einen abwechslungsreichen und interessanten, spannenden Religionsunterricht. Falls die angebotenen Impulse umfassend genützt werden, bietet diese ein aktives entdeckendes Lernen, aktivieren den eigenen Denkprozess der Kinder und lassen ihnen genügend Raum für ihre Individualität. Durch das Einbeziehen der Lebenswirklichkeit der muslimischen Schülerinnen und Schüler wird die Identifizierung mit dem Thema höher. Es wird der Fokus darauf gelegt, die Individualität der Kinder zu sehen, die selbst erfahren möchten, die angeleitet werden sollten, aber auch unbedingt selbst ausprobieren sollten, dabei Fehler machen können und aus diesen Fehlern lernen sollen. So setzen gute Arbeitsaufträge im Schulbuch einen Lernprozess in Gang, dessen Verlauf nicht immer planbar ist und damit die Schülerinnen und Schüler zu einem eigenen Urteil gelangen können. Das Schulbuch Mein Islambuch verfolgt den religionspädagogischen Ansatz, die Kinder zu befähigen, die Welt und das Leben sensibel wahrzunehmen, zu bestaunen, zu befragen und zu deuten. Die Schülerinnen und Schüler werden als Individuen angenommen und das Konzept des Schulbuches geht auf die Grunderfahrungen der Kinder ein und berücksichtigt ihre Biographie, Lebenssituationen und ihre Interessen. Mein Islambuch ist von der Konzeption und Gestaltung her, sicherlich mit der Zeit und stellt damit ein modernes Lehrwerk dar. Das Schulbuch hält sein Versprechen und baut religionspädagogisch offenen Islamischen Unterricht auf. Die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler – die Lernenden – wird durch das gesamte Lehrwerk immer mit einbezogen und mit der islamischen Tradition verbunden. Die Inhalte des Schulbuches werden den muslimischen Schülerinnen und Schüler je nach Jahrgangsstufe in der Grundschule auf hohem Niveau und anspruchsvoll angeboten. Das Schulbuch zeigt eine moderne islamische Religionspädagogik, kombiniert mit Wissensund Kompetenzvermittlung, auf. Seite 30 Muslimische Schülerinnen und Schüler werden durch das Schulbuch zu einer erhöhten Methodenkompetenz durch die zahlreichen Methoden, die zum Einsatz kommen geführt. Eigenverantwortliches Lernen und Recherchieren ist für Mein Islambuch selbstverständlich. Die Kinder stellen eigene Fragen zum Islam auf und bekommen hinterfragende Diskussionsmöglichkeiten. Sie werden durch das Schulbuch animiert, sinnfindende und tiefgehende Fragen zu ihrem Glauben zu stellen und lernen kooperativ. Durch das gesamte Schulbuch ist zu spüren, dass die Intentionen kindgemäßen Verstehens der Texte aus dem Koran und der Hadithe und die sie begleitenden Bilder, auch die einzelnen arabisch dargestellten Worte bestimmen. Die neu zu definierende Islamische Religionspädagogik wird bereits in Mein Islambuch durchgängig eingehalten, aufgezeigt und verstärkt. Stille-Übungen, Phantasiereisen, kreatives Schreiben und Gestalten, Lernen an Stationen, Geschichten erzählen und Gespräche führen sind die zentralen Elemente des Schulbuches. Didaktische und methodische Prinzipien werden stärker berücksichtigt, das Lernen als Prozess der Begleitung und Förde- rung wird umgesetzt. Im Vordergrund stehen die muslimischen Schülerinnen und Schüler als Lernende, deren Kompetenzen weiter entwickelt werden. Die neue Lernkultur in der Schule wird auch im islamischen Religionsunterricht umgesetzt. Mein Islambuch kann die Erwartungen der Religionspädagogen - muslimisch wie auch christlich - sicherlich erfüllen. Das Schulbuch braucht den Vergleich mit ähnlichen Büchern des katholischen oder evangelischen Religionsunterrichts nicht scheuen. Die Elementarisierung und damit das Lernen über das Auffassen, Begreifen und Bedenken führen zur Vertiefung. Durch die interreligiöse Offenheit des Mein Islambuch wird das Tor zum Miteinander-Sprechen geöffnet. Die immer wieder kehrende Parallele zu Judentum und Christentum baut eine Nähe auf und wird didaktisch gezielt für das Entdecken von Gemeinsamkeiten und Unterschieden eingesetzt. Mein Islambuch setzt nicht nur Glaubenserziehung in der Bildung voraus: Selbstverantwortung, Selbstreflexion und kritische Auseinandersetzung soll der Hingabe im Glauben vorausgehen. Der Diskurs der Korrelationsdidaktik wird durch das Schulbuch weitergeführt und nicht nur für den Islamunterricht neu definiert. Jahrzehnte- Gül Solgun-Kaps: Eine Betrachtung des Schulbuchs „Mein Islambuch“ langer Diskurs innerhalb der christlichen Religionspädagogik, welche zum Teil sehr kontrovers geführt wurde, ist für die Autorinnen des Mein Islambuch eine Grundlage. Die muslimischen Schülerinnen und Schüler profitieren vom Spannungsbogen zwischen Lebenswelt und Theologie, Erfahrung und Offenbarung usw. aus dem Religionsunterricht. Durch die Elementarisierung ist es den Autorinnen gelungen, den Islamischen Unterricht mit dem Schulbuch als Erfahrungsraum zu erleben. Es ist ein geschützter Raum des Ausprobierens geboten. Dieses Ausprobieren schließt die Einübung religiöser Elemente mit ein. Mit dem Titel Mein Islambuch wird den zu unterrichtenden jungen Muslimen bewusst mitgeteilt, dass auch sie „ihr“ Buch in der Hand halten können und Teil dieser Schulfamilie und dieser Gesellschaft sind. Man begegnet sich nun auf gleicher Augenhöhe und bringt den jungen Musliminnen und Muslimen Wertschätzung entgegen. „Die Geschichte des Religionsunterrichts ist auch die Geschichte seiner Lehrbücher.“ (Arbeitsbuch zur Geschichte des evang. Religionsunterricht in Deutschland, 1985) Nach diesem Motto ist es den Autorinnen des Schulbuches ein großes Anliegen das neue und junge Schulfach Islamischer Unterricht in Deutschland mit auf den Weg zu bringen. Das Schulbuch Mein Islambuch positioniert sich selbst und füllt den Platz in der Grundschule, um Qualität im Islamischen Unterricht zu sichern. Die Erwartungen an den Islamischen Unterricht und an die neue Islamische Religionspädagogik kann das Schulbuch ohne Probleme erfüllen. Seite 31 Fahimah Ulfat Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam Die Eingangsfrage zu dieser Betrachtung lautet: Welches theologische Verständnis steckt im Grundschul-Arbeitsheft „Bismillah – Wir entdecken den Islam“? Vielleicht müsste die Frage eher so lauten: Welches theologische Verständnis liegt dem Grundschul-Arbeitsheft Bismillah – Wir entdecken den Islam zugrunde? Die Arbeitshefte 1/2 bis 4 der Reihe Bismillah – wir entdecken den Islam sind für den deutschsprachigen islamischen Religionsunterricht in der Grundschule konzipiert. Die Inhalte werden im Spannungsverhältnis zwischen zwei wichtigen Achsen erarbeitet: die Verortung in der kindlichen Lebenswelt einerseits und im normativen Deutungssystem des Islams andererseits. Vorab muss darauf hingewiesen werden, dass die didaktische Reduktion der Themen für die erste und zweite Klasse mit einem Informationsverlust verbunden ist. Daher können hier nur einige Facetten eines Themas berücksichtigt werden. Die Reihe ist so angelegt, dass die Schülerinnen und Schüler den Islam in seinen religiösen, sozialen, kulturellen, histo- rischen und ästhetischen Facetten kennen und verstehen lernen. Das Bildungsziel ist dabei einerseits die Religion denkend zu durchdringen mit einem kritischen Bewusstsein, das eine persönliche Positionierung zur Religion ermöglicht. Andererseits wird über die Arbeit mit der Heftreihe eine Grundlage religiöser Lebensgestaltung durch das Erleben von Religion geschaffen. Daraus resultieren religiöse Begriffsbildung und Sprachfähigkeit, die ebenfalls zu den Bildungszielen des Arbeitsheftes gehören. Das Arbeitsheft 1/2 enthält zehn Kapitel: • Wir lernen uns kennen • Gottes Schöpfung • Ibrahim und das Opferfest • Gemeinschaft • Muhammad • Unser Koran • Gott näherkommen • Yusuf und seine Brüder • Vorbilder • Wir folgen Ibrahim: Juden, Christen, Muslime Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam Das Religionsverständnis, das diesem Heft zugrunde liegt, hat mehrere Dimensionen, die aus Sure 2 Verse 2-4 ableitbar sind: Die spirituelle, die innere, die sozial-ethische und die geschichtlich-zeitliche Dimension: „Dieses Buch, an dem es keinen Zweifel gibt, ist eine Rechtleitung für die Gottesbewussten, die an das Verborgene glauben, das Gebet verrichten und von dem, womit Wir sie versorgt haben, ausgeben, und die an das glauben, was zu dir (an Offenbarung) herabgesandt worden ist, und was vor dir herabgesandt wurde, und die vom Jenseits überzeugt sind.“ (2:2-4) Die spirituelle Dimension beinhaltet den Glauben an die Welt des Nichtverfügbaren und an den, der die Verfügungsgewalt hat. Diese Dimension wird normativ festgelegt und bildet die Grundlage jedes Kapitels. Sie wird explizit im Kapitel „Ibrahim und das Opferfest“ (S. 1415) und „Yusuf und seine Brüder“ (S. 47, 49) durch die Suche nach Gott und das Vertrauen auf Gott aufgegriffen. Die innere Dimension wird in Sure 2 durch das Beten (zu dem, der die Verfügungsgewalt hat) ausgedrückt. Im Arbeitsheft wird diese Dimension anhand der Themen Schahada, Gebet und Fasten im Kapitel „Gott näherkommen“ (S. 38-42) thematisiert. Die sozial-ethische Dimension beinhaltet das Gute zu tun. Diese Dimension wird im Kapitel „Gottes Schöpfung“ (Helfen S. 10 / Ich kümmere mich um Gottes Schöpfung S. 11), „Gemeinschaft“ (S. 18-23), „Muhammad“ (Spatzenjungen S. 28), „Gott näherkommen“ (Ramadan S. 42) und „Vorbilder“ (S. 52-55) aufgegriffen. Die geschichtliche bzw. zeitliche Dimension wird in der Sure 2 durch den „Glauben an das, was vor dir herabgesandt wurde“ und die Erwartung an die Zukunft bestimmt, indem man fest auf das Jenseits vertraut. Im Arbeitsheft wird der Glaube an die vorherigen Herabsendungen nur implizit in dem Kapitel „Wir folgen Ibrahim: Juden, Christen und Muslime“ (S. 56- Seite 32 60) angesprochen. Dieser Aspekt muss jedoch im Unterricht vertieft werden. len Koran und Hadith (Worte und Taten des Propheten Muhammad) (Kapitel 5, 6). Der Jenseitsbezug wird im Arbeitsheft für Klasse 1 und 2 nicht thematisiert, das – gottesdienstliche oder sozial-ethische – Handeln des Menschen wird bewusst im Kontext des Themenkreises „Gottesnähe“ angesprochen. In Bezug auf das Jenseits kommt allerdings noch eine weitere Dimension hinzu, die zwar ebenfalls im Arbeitsheft nicht zum Tragen kommt, jedoch der Vollständigkeit halber erwähnt werden muss. Der Glaube an das Jenseits wird mit dem Begriff /yaqÐn/ gekennzeichnet, der eine Gewissheit über das Jenseits im Sinne einer sicheren Überzeugung (als hätte man das Jenseits mit eigenen Augen gesehen) ausdrückt (Vgl. dazu Salih Peter Spiewok: Zu einer klassischen Glaubenskonzeption im Islam auf der Grundlage des koran-arabischen Begriffs yaqÐn, in: Zeitschrift für die Religionslehre des Islam, Heft 7, 2010). Eine Erarbeitung dieser Dimension eignet sich in höheren Klassen. Die theologische Perspektive des Arbeitsheftes richtet sich auf die Beziehungsebenen Mensch – Gott (Kapitel 2, 3, 7, 8), Subjekt – Gemeinschaft (Kapitel 1, 4, 8, 9, 10) und auf die Ebene der religiösen Quel- Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam 1. Mensch und Gott 1.1 Das Menschenbild 1.1.1 Gottes Schöpfung Der Koran erwähnt in Sure 14:32 einige Wohltaten Gottes, die er für seine Geschöpfe bereitstellt, wie das Erschaffen des Himmels und der Erde. Er schickt Regen vom Himmel, und infolgedessen eine vegetative Vielfalt an Früchten und Pflanzen mit verschiedenen Farben, Formen, Geschmacksarten, Düften und Zwecken (vgl. Tafsir Ibn Kathir). Dieser Vers, der in Kapitel 2 die „Erschaffung der Welt“ darlegt, gestaltet einen Raum, in dem der Mensch seinen Platz hat, nämlich als Nutznießer. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich anhand der Sure 14:32 über die sichtbare Wirklichkeit mit der Schöpfung auseinandersetzen. Der Koran entwirft nicht nur die Welt in der Dimension der sichtbaren Wirklichkeit, sondern auch der unsichtbaren Wirklichkeit und in ihrer Bedeutung als psychologischer Raum (vgl. H. Behr: Erziehung und Bildung im Islam, in: M. Klöcker / U. Tworuschka (Hg.): Handbuch Ethik der Weltreligionen 2005). Jedoch haben die Autorinnen mit Blick auf das Alter der Schülerinnen und Schüler in Heft 1/2 bewusst auf die Dimension der unsichtbaren Wirklichkeit, also den Dingen, die sich der Wahrnehmung entziehen, verzichtet. Aus Sicht der philosophischen Anthropologie hat der Mensch die Fähigkeit, eine exzentrische Positionalität einzunehmen, das heißt, aus sich selbst herauszutreten und sich selbst und auch die Welt zum Gegenstand der Beobachtung zu machen (vgl. K. Weissmann: Arnold Gehlen – Vordenker eines neuen Realismus, 2004). Auch die islamische Anthropologie lässt eine solche Sichtweise zu. Eine Wegentscheidung (enthalten im Begriff /ÒirÁt/) impliziert eine Planung des eigenen Tuns, das wiederum eine exzentrische Positionalität voraussetzt, wodurch eine Antizipation der Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Umwelt und das eigene Handeln möglich wird (vgl. Basisskript von H. Behr). Dies ermöglicht auch eine Kausalitätserfahrung. Es geht also hier um die Frage nach der Ursache der Schöpfung, die im Arbeitsheft normativ beantwortet wird. Die Möglichkeit der Entscheidung setzt die Freiheit des Menschen voraus. Freiheit bedeutet auch Verantwortung für die Auswirkungen des eigenen Handelns. Seite 33 1.1.2 Freiheit und Verantwortung des Menschen „Gott ist der Schöpfer“, dieses Axiom wird als Indikativ festgesetzt und damit beginnt das zweite Kapitel des Arbeitsheftes. Der Schwerpunkt wird auf die bewusste Wahrnehmung von Gottes Schöpfung in der Natur, in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler gesetzt. Im darauf folgenden Lied „Allahu Subhanahu wa Tacala“ werden der Mensch, der ein Teil der Schöpfung ist, und seine Fähigkeiten thematisiert. Nach der theologischen Anthropologie, die diesem Arbeitsheft zugrunde liegt, ist der Mensch ein Subjekt, das sich mittels sprachlicher Ausdrucksfähigkeit selbst zum Gegenstand des Nachdenkens machen kann und im Kontext von Gemeinschaft und Natur lebt. In diesem Sinne soll den Schülerinnen und Schülern hier verdeutlicht werden, dass der Mensch kein Objekt oder Instrument ist, über das verfügt und bestimmt wird. Er ist frei. Diese Freiheit hat der Mensch schon durch das ursprüngliche Verbot, sich „dem Baum zu nähern“ (2:35) erhalten. Denn die Fähigkeit, unrecht zu handeln, macht es dem Menschen erst möglich, recht zu handeln, das heißt, recht zu handeln hätte ohne die Möglichkeit zu unrechtem Handeln keinen ethischen Wert. Mit dieser Entscheidungsfreiheit wurde dem Menschen der Zugang zu moralischen Überlegungen eröffnet (vgl. Muhammad Asad, „Die Botschaft des Koran. Übersetzung und Kommentar“, Düsseldorf 2009). Zu dieser Entscheidungsfreiheit gehört die Vernunft, die den Menschen dazu befähigt, zwischen rechtem und unrechtem Handeln zu unterscheiden und damit Verantwortung zu übernehmen. Diese Freiheit der Entscheidung wird im Arbeitsheft auf Seite 11 verdeutlicht. Die Schülerinnen und Schüler können hier entscheiden, welche Handlungsweise sie subjektiv vertreten würden im Bereich des verantwortlichen Umgangs mit der Schöpfung Gottes. Beispielsweise fehlt ein Kind aus der Klasse aufgrund einer Erkrankung. Die Schülerinnen und Schüler können selbst zeichnen, was sie in dieser Situation tun könnten oder aus den gegebenen Optionen eine Handlung auswählen (entweder per Anruf oder per Besuch sich nach dem kranken Kind erkundigen). Das Ziel ist hierbei ist, das verantwortungsbewusste Handeln im Lichte der Religion zu durchdenken. In Heft 3 wird zudem in einem Kapitel, in dem es um Gott und den Glauben im eigenen Leben geht, darauf Bezug ge- Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam nommen, dass der Mensch ebenfalls in der eigentlichen Frage, nämlich der Frage nach Gott, absolut frei ist und dass auch Fragen, Zweifeln und Hadern erlaubt und sogar erwünscht sind und ebenfalls einen Weg zu Gott aufweisen können. Dies wird im Arbeitsheft 1/2 auch durch die Geschichte Ibrahims veranschaulicht, der auf der Suche nach Gott ist. Die Verse 76-79 aus Sure 6 verdeutlichen das allmähliche Begreifen und Erfahren von Gott, symbolisiert durch ein intuitives Fortschreiten von der Verehrung von Himmelskörpern – Sterne, Mond und Sonne – zu einer vollen Erkenntnis von Gottes allumfassender Existenz (Vgl. Muhammad Asad: Die Botschaft des Koran 2009). Die Freiheit des Menschen gebietet ihm sowohl Verantwortung als auch Handlungsfreiheit. Der Mensch gilt als /ÌalÐfa/ auf der Erde (2:30), das heißt als Mensch, der im Sinne Gottes handelt, und ist das einzige Wesen, dass die Verantwortung für sich und die ganze Schöpfung Gott gegenüber auf sich genommen hat (vgl. A. Falaturi, S. 77): „Wir haben das anvertraute Gut den Himmeln und der Erde und den Bergen angeboten, aber sie weigerten sich, es zu tragen, sie scheuten sich davor. Der Mensch trug es – gewiss, er ist sehr oft ungerecht und sehr oft töricht“ (33:72). Denn die Fähigkeit, unrecht zu handeln, macht es dem Menschen erst möglich, recht zu handeln, das heißt, recht zu handeln hätte ohne die Möglichkeit zu unrechtem Handeln keinen ethischen Wert. Seite 34 Diese Verantwortung beinhaltet Vorschriften, die das Verhältnis der Menschen zur Natur regeln, was im Arbeitsheft Bismillah am sorgfältigen Umgang mit Tieren verdeutlicht wird. Alle Tiergattungen werden im Koran als /‘umma/ (Gemeinschaft) gewürdigt: „Es gibt kein Tier auf der Erde und keinen Vogel, der mit seinen Flügeln fliegt, die nicht Gemeinschaften wären gleich euch. Wir haben im Buch nichts vernachlässigt. Hierauf werden sie zu ihrem Herrn versammelt“ (6:38). Die Menschenwürde, die auch im Zusammenhang mit der Funktion des Menschen als Stellvertreter Gottes auf Erden steht, wurde in Heft 1/2 noch nicht thematisiert. Diese Thematik erfolgt in den höheren Klassenstufen. Auch in der Hadith-Literatur wird die Barmherzigkeit und Verantwortung des Menschen gegenüber Tieren anschaulich dargestellt. In Bismillah wird der Hadith illustriert, in dem ein Mann einem durstigen Hund Wasser aus einem Brunnen gibt (S. 10) und eine Geschichte über einige Männer, die einer Spatzenmutter ihre Jungen wegnehmen und Muhammad ihnen sagt, dass sie die Spatzenjungen wieder zu ihrer Mutter lassen sollen. (S. 28). Um diese Thematik zu bearbeiten, ist es wichtig zu wissen, welches Bild von Gott die Schülerinnen und Schüler haben bzw. mitbringen, um darauf aufbauend, ihr persönliches Gottesbild zu konturieren und ihrem Glauben eine Richtung zu geben. Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam 1.2 Das Gottesbild 1.2.1 Die Beziehung zu Gott Das Gottesbild ist im Rahmen eines bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts und der dafür konzipierten Unterrichtsmaterialien von elementarer Bedeutung, denn das Gottesbild spielt eine zentrale Rolle in der religiösen Entwicklung von Kindern. Um diese Thematik zu bearbeiten, ist es wichtig zu wissen, welches Bild von Gott die Schülerinnen und Schüler haben bzw. mitbringen, um darauf aufbauend, ihr persönliches Gottesbild zu konturieren und ihrem Glauben eine Richtung zu geben. Bisher fehlt jedoch dazu die Grundlagenforschung. Ilse Flöter hat in einer qualitativ-empirischen Studie untersucht, welche Rolle Gott im Alltagsleben 10-jähriger Kinder am Anfang des 21. Jahrhunderts spielt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass auch für die muslimischen Kinder Gott konnotiert war mit Gedanken von Liebe, Schutz und Hilfe. Allerdings spielt bei ihnen der Gedanke an das Gericht nach dem Tod auch eine Rolle (vgl. Ilse Flöter, Gott in Kinderköpfen und Kinderherzen, Welche Rolle spielt Gott im Alltagsleben 10-jähriger Kinder am Anfang des 21. Jahrhunderts? Eine qualitativ-empirische Untersuchung, Berlin 2006). Ihre Studie ist in Bezug auf die muslimischen Kinder nicht repräsentativ, da sie nur 5 Kinder befragte, jedoch ist es ein Anhaltspunkt, auf dem aufgebaut werden kann. Historisch betrachtet, hat sich das Gottesbild im Islam im Laufe der Geschichte verändert, da es zeitlichen und kulturräumlichen Determinationen unterlag. Van Ess erläutert die Entwicklung der klassischen Attributenlehre und legt ausführlich dar, dass im ersten Jahrhundert Gott keine Attribute zugeschrieben wurden, da er als Person in Menschengestalt gedacht wurde. Éahm bin ÑafwÁn leugnete dies und stellte die These auf, dass Gott unverkennbar sei. So war der Anstoß dazu gegeben, bestimmte Aspekte des göttlichen Wesens auszugrenzen. Dabei waren die Vorgehensweisen in den verschiedenen Regionen unterschiedlich (vgl. Josef van Ess, „Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra: eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam“, Bd. 4, Berlin; New York 1997, S. 439 f.). Seit den Muctaziliten und Aschcariten befasste man sich mit der Frage, was der Mensch über das Wesen Gottes wissen kann, ohne es von seiner menschlichen Wahrnehmung und Deutung der Welt her zu bestimmen und seiner numinosen Seite 35 Gewalt zu berauben (vgl. Tilman Nagel, „Geschichte der islamischen Theologie. Von Mohammed bis zur Gegenwart“, München 1994, S. 148). Aus der Darstellung von van Ess wird deutlich, dass die Überlegungen zum Wesen und Handeln Gottes auf den Bezug zum menschlichen Bewusstsein basieren. Die Folgerung daraus ist, dass die Konstruktion des Gottesbildes abhängig davon ist, wie sich der Mensch selbst auf Gott bezogen sieht in seiner eigenen spezifischen Situation. Diese These ist auch aus wissenssoziologischer Perspektive unter dem Aspekt der „gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit“ zu begründen. „Gesellschaft hat Geschichte, in deren Verlauf eine spezifische Identität entsteht. Diese Geschichte jedoch machen Menschen mit spezifischer Identität“ (Peter L. Berger / Thomas Luckmann, „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie“, Frankfurt a. M. 1980). Somit konstruiert die Gesellschaft in ihrer spezifischen Situation die Wirklichkeit. Eine zentrale Eigenschaft Gottes ist „Barmherzigkeit“, die mit der „Gerechtigkeit“ Gottes die zentrale Achse islamischer Theologie darstellt und die weiteren Eigenschaften umfasst. Vor diesem Hintergrund hat das Arbeitsheft das Ziel, den Schü- lerinnen und Schülern dabei zu helfen, einen Zugang zu Gott zu finden, der nach Maßgabe von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (/raÎma/) in das Leben eingreift. RaÎma ist Ausdruck der persönlichen, gefühlsbetonten gegenseitigen Beziehung zwischen Gott und Mensch (vgl. A. Falaturi: Der Islam und die Gemeinschaft der Muslime, in: Der Islamische Orient. Grundlagen zur Länderkunde eines Kulturraumes, Köln, 1990, S. 74). Der Koran, die Propheten, die Schöpfung sind Ausdruck der Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Ebenso ist auch das Verhältnis des einzelnen Menschen zu Gott eingebettet in die Geborgenheit dieser Gnade und Barmherzigkeit (vgl. A. Falaturi, S. 74). Dies wird im Ibrahim-Kapitel (S. 15, 16) und im Yusuf-Kapitel (S. 47, 49) besonders deutlich. Den Schülerinnen und Schülern soll durch die Prophetengeschichten ermöglicht werden, eben dieses Vertrauen in Gottes Gnade und Barmherzigkeit und seine ausgleichende Gerechtigkeit am Beispiel der Propheten Ibrahim und Yusuf zu erfassen und mit ihren eigenen Erfahrungen in Beziehung zu setzen. Die Frage, „Wem vertraust du?“ (S. 15) versetzt die Schülerinnen und Schüler einerseits in die Lage, Ibrahims Situation nachzuvollziehen, sich in Ibrahim Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam hineinzuversetzen, aber auch ihr eigenes Gefühl des Vertrauens zu erforschen und zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang spielt das Urvertrauen eine Rolle. Urvertrauen ist nach Erikson ein „Sich-verlassenDürfen in Bezug auf die Glaubwürdigkeit anderer und die Zuverlässigkeit seiner selbst“ (vgl. E. H. Erikson, „Kindheit und Gesellschaft“, Stuttgart 1965, S. 266 ff. in: Hans-Jürgen Fraas, „Religiöse Erziehung und Sozialisation im Kindesalter“, Göttingen 1973, S. 100.) Religion hat für Erikson somit eine unmittelbare Funktion beim Aufbau des Urvertrauens als „Glaube der Eltern, der das im Neugeborenen keimende Vertrauen unterstützt“ (E. H. Erikson, „Kindheit und Gesellschaft“, Stuttgart 1965, S. 244 in: a.a.O., S. 100). Der Religionspädagoge Hans-Jürgen Fraas bezieht sich auf die Arbeiten von E. H. Erikson über Entwicklung des Urvertrauens und postuliert eine psychologisch begründbare Disposition des Menschen zum Gottvertrauen. Das magische Denken ist für Fraas ein numinoses Denken, im Sinne der Beseelung unbelebter Dinge mit Wirkmacht. Er bezieht sich auf die biologische Anthropologie und stützt sich auf A. Portmanns Erkenntnis, dass der Mensch als eine „physiologische Frühgeburt“ zu bezeichnen ist. Das heißt, dass der Religion hat für Erikson somit eine unmittelbare Funktion beim Aufbau des Urvertrauens als „Glaube der Eltern, der das im Neugeborenen keimende Vertrauen unterstützt.“ Seite 36 Mensch zu früh geboren ist, um selbständig lebensfähig zu sein, er ist im Vergleich zu anderen Lebewesen ein „Mängelwesen“. Aber gerade dieser Mangel befähigt den Menschen, sich weiterzuentwickeln. Er ist gezwungen und auch dazu fähig, die Natur zu transzendieren. Die Unfertigkeit des Säuglings setzt einen fundamentalen Lernprozess in Gang, er muss seiner Umwelt vertrauen. Die Mutter ist die erste Bezugsperson, der das Neugeborene begegnet und zu dem es Urvertrauen aufbaut. Im Zuge des frühkindlichen Lebens treten dann Ereignisse ein, die das Vertrauen erschüttern. Der erste Konflikt tritt bei der Entwöhnung auf, darin sieht Erikson eine erste Erfahrung des Verlassenseins. Das Verhalten der Mutter ist hier entscheidend. Durch ihre Pflegehaltung entsteht eine Vertrauenshaltung, die die negativen Erfahrungen überstahlt und die unabdingbare Frustrationstoleranz aufbaut. Jedoch treten auch Ereignisse auf, wie z. B. Schmerzen, die trotz der Fürsorge der Mutter nicht nachlassen, die zunächst auf einer körperlichen Ebene, und im Weiteren bei der Erschließung des psychologischen Raumes auch auf psychischer Ebene, das Vertrauen erschüttern. Die Frustration, die dabei entsteht, nötigt dazu, diese Ereignisse ebenfalls zu transzendieren. Es führt dazu, dass das Urvertrauen die Fundierung in einem weiteren Bezugsrahmen suchen muss. So verschiebt sich der Adressat des Urvertrauens auf numinose Kräfte. Kinder entwickeln numinose Denkkosmen, die sie dazu befähigen, unbelebte Dinge zu beseelen, wie zum Beispiel Stofftiere. Fraas beschreibt also ein magisches kindliches Weltbild, in dem der Mensch mit den Dingen und die Dinge mit dem Menschen identisch werden. So versetzen sich Kinder oft in die Rolle eines anderen und identifizieren sich mit dieser. Auch G. H. Mead geht auf die spielerische Rollenübernahme des Kindes ein, wodurch das Kind lernt, durch Übernahme von Rollen eine eigene Identität aufzubauen. Sobald Kinder die Fähigkeit erlangt haben zu erkennen, dass jeder Adressat des Urvertrauens in der sichtbaren Welt fehlbar und zerstörbar ist, fangen sie an, danach in der unsichtbaren Welt zu suchen. Durch diese Erfahrung wird gewissermaßen Gott entdeckt bzw. gefunden. Dies führt zu einem Vertrauen, das ein transzendentales geworden ist, unabhängig von innerweltlichen Bezugspersonen (vgl. Hans-Jürgen Fraas, „Religiöse Erziehung und Sozialisation im Kindesalter“, Göttingen 1973). Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam Im Anschluss an die Vertrauensfrage auf Seite 15 kann dann das Gottesbild der Schülerinnen und Schüler konturiert werden hin zu einem Vertrauen auf Gott. Wenn Schülerinnen und Schüler eine persönliche Beziehung zu Gott aufbauen können, die auf der Grundlage der rahma beruht, dann bestimmt dies auch ihre Jenseitserwartung und Vorstellung, denn wie im folgenden Hadith beschrieben, ist das Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes im Jenseits die größte Hoffnung: „Er (Muhammad) sagte: ‚Niemanden bringen seine Handlungen ins Paradies.‘ Daraufhin wird er gefragt: ‚Auch dich nicht, o Gesandter Gottes?‘ Er antwortet: ‚Auch mich nicht, es sei denn, dass Gott mich mit seiner Güte und Gnade umhüllt‘“ (Ibn Taimiya). Diese und weitere Quellen aus dem Koran (40:7, 6:54) dokumentieren, dass aus islamischer Sicht /raÎma/ als das „oberste göttliche Handlungsprinzip“ und die „göttliche Verpflichtung“ gegenüber der Schöpfung, die ohne Einschränkung alles umfasst, verstanden wird (vgl. A. Falaturi, S. 75). Daher ist dieses Gottesbild Grundlage im Arbeitsheft, wodurch die Schülerinnen und Schüler erfahren, dass Gott den Menschen im Leben zur Seite steht, indem er sie bewahrt, aber auch vor Bewährungen stellt (vgl. Fachlehr- plan für den Schulversuch Islamunterricht an der bayerischen Grundschule). 1.2.2 Gott näherkommen Um eine Beziehung zu Gott aufbauen zu können, ist es wichtig zu wissen, wie man Gott näher kommen kann. Das Kapitel „Gott näher kommen“ (S. 38-43) widmet sich dieser Thematik und veranschaulicht den Schülerinnen und Schülern Wege, um mit Gott in Kontakt zu treten. Es sind gottesdienstliche Handlungen, die die innere Dimension der Religion betreffen. a) Die Schahada Das Glaubensbekenntnis ist nicht nur eines der fünf Säulen des Islam, sondern vielmehr der Anker und Angelpunkt aller Säulen, denn im Geist des Glaubensbekenntnisses müssen Gebet, Fasten, Pflichtabgabe und Wallfahrt vollzogen werden. Somit bedingen sich Glaube und Handeln gegenseitig. Die erste Begegnung eines muslimischen Kindes mit der Schahada ist kurz nach der Geburt, wenn ein Erwachsener ihm dies in Form des Gebetsrufes in das Ohr flüstert (S. 38). Dieses Bild wurde in Bismillah 1/2 als Einstieg in die erste Kontaktaufnahme zu Gott gewählt. Ein kleines Baby wird als Muslim im Leben begrüßt und nimmt das erste Mal Kontakt zu Gott auf. In Bismillah 1/2 werden farblich Seite 37 In der Niederwerfung erfährt der Betende nicht nur die größte Nähe zu Gott, sondern auch die größte Demut Gott gegenüber. die einzelnen Sinnabschnitte und Bedeutung der Schahada verdeutlicht. So haben die Schülerinnen und Schüler zunächst die Möglichkeit, sich auf semantischer und syntaktischer Ebene mit der Schahada auseinanderzusetzen. Grundlegend ist in diesem Zusammenhang, dass diese Formel nicht nur den Glauben an einen einzigen Gott ausdrückt, sondern an erster Stelle alles verneint, was diese Einheit in Frage stellen könnte (vgl. A. Falaturi, S. 78). Hier besteht die Möglichkeit, dass sich die Themen „Glaube an andere Götter“ und „Personenkult“ anschließen. Die Schahada begleitet den Menschen ein Leben lang und ist unverzichtbarer Bestandteil des Gebets und aller wichtigen Riten. b) Das Gebet Eine weitere Möglichkeit, Gott näher zu kommen und mit ihm in Kontakt zu treten, ist das fünfmalige Pflichtgebet. Mit Bezug auf die kindliche Lebenswelt in der ersten und zweiten Klasse, aber auch in Anlehnung an das normative Deutungssystem des Islams wird das Gebet als ein Gedenken an Gott den Schülerinnen und Schülern nahegebracht, um seine Nähe zu erfahren und um die Wechselbeziehung zwischen Gott und dem Menschen deutlich zu machen. Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam Zugleich wird der Struktur und Ordnung gebende Charakter des Gebets verdeutlicht (S. 40). Das Gebet teilt den Tag in fünf Abschnitte ein und der Tagesablauf wird durch die Einkehr zu Gott und das Gedenken an ihn bestimmt. Somit ist der Tag eines Muslims durch eine in bestimmten Abständen wiederkehrende Verbindung zu Gott gekennzeichnet. Die vorgeschriebenen Positionen des Pflichtgebetes erfüllen mehrere Aufgaben, die man im Unterricht thematisieren kann (S. 41), um in einem weiteren Schritt dann die Inhalte zu thematisieren. Nach Falaturi bringt das Gebet eine innere Einstellung zum Ausdruck, die „Anwesenheit des Herzens“ und eine demütige Ergebenheit (vgl. A. Falaturi, S. 78). Somit hat das Gebet zunächst allein durch die Gebetspositionen eine erzieherische Kraft, nämlich zu Ehrfurcht, Bescheidenheit und Respekt. Hamideh Mohagheghi erläutert dazu, dass die Körperhaltung in den obligatorischen Gebeten ein Ausdruck der Hingabe an Gott ist: „Das aufrechte Stehen in allen Gebetseinheiten drückt die Bereitschaft zum Hören und Handeln aus, die Verbeugung zeigt Demut und Unterwürfigkeit vor Gott. Mit der Niederwerfung, in der die Stirn die Erde berührt, wird dem Menschen bewusst, dass er ein kleiner Teil der Schöpfung ist […]. Die wechselnde Körperhaltung macht das Gebet zu einem Mittel der Selbsterkenntnis und zu einer erfahrbaren Kraft für das Leben in Vertrauen und Annäherung zu Gott“ (vgl. Hamideh Mohagheghi: Theologie des Herzens. Im Gebet Liebe und Nähe Gottes erfahren, in: H. Schmid, A. Renz, J. Sperber (Hg.): „Im Namen Gottes…“ Theologie und Praxis des Gebets in Christentum und Islam, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2006, S. 61). Die Niederwerfung hat dabei besondere Bedeutung und signalisiert die größte Nähe zu Gott. Im Koran heißt es dazu: „…wirf dich nieder und sei (Allah) nah!“ (96:19). In der Niederwerfung erfährt der Betende nicht nur die größte Nähe zu Gott, sondern auch die größte Demut Gott gegenüber. Weiterhin kann im Unterricht auf den arabischen Begriff der Niederwerfung eingegangen werden, der /saÊda/. Hier kann ein Zusammenhang hergestellt werden zum Gebetshaus, der Moschee (/masÊid/), also dem "Ort der Niederwerfung". Auch kann auf das Gemeinschaftsgebet eingegangen werden, indem alle Menschen gleichzeitig die gleichen Körperpositionen einnehmen und somit die Gleichheit aller Menschen vor Gott verdeutlicht wird. Seite 38 In diesem Kapitel „Gott näherkommen“ kann also die Bedeutung der Gebetspositionen behandelt werden, aber auch weitere Koranverse (kindgerecht), die verdeutlichen, dass Gott selbst dem Menschen Wege der Kommunikation mit ihm aufzeigt, wie zum Beispiel: „Und wenn dich Meine Diener nach Mir fragen, so bin Ich nahe; Ich erhöre den Ruf des Bittenden, wenn er Mich anruft. So sollen sie nun auf Mich hören und an Mich glauben, auf dass sie einen rechten Wandel zeigen“ (2:286). Diese Einladung Gottes kann auch durch Hadithe thematisiert werden, wie zum Beispiel: „Himmel und Erde umfassen Mich nicht, aber das Herz Meines Dieners umfasst mich“ (vgl. Annemarie Schimmel: Dein Wille geschehe. Die schönsten Islamischen Gebete, Kandern 2000, S. 82-83). Eine kindgerechte Erläuterung dieses „Hadith qudsi“ verdeutlicht den Schülerinnen und Schülern die Liebe Gottes zu den Menschen. Die Erfahrung, die Schülerinnen und Schüler durch die Gottesnähe machen, hat auch Konsequenzen für ihre Persönlichkeitsentwicklung. Ein durch Barmherzigkeit geprägter Zugang zu Gott und die Möglichkeit, mit Gott verbunden zu sein, führt zur Stärkung ihrer Persönlichkeit und zur Ausbildung einer stabilen religiösen Identität. c) Das Fasten Das Fasten gehört zu den gottesdienstlichen Handlungen im Islam und zu den fünf Säulen. Es gehört aber auch zu den schwierigsten Pflichten. Was ist der Grund für das Fasten? Welchen Sinn hat es, ohne Nahrung und Wasser den ganzen Tag auskommen? Die Beantwortung dieser Fragen ist auf zwei Ebenen möglich. Einerseits diesseitsbezogen mit Blick auf die kindliche Lebenswelt, andererseits jenseitsbezogen mit Blick auf das normative Deutungssystem des Islam. Das Fasten umfasst sowohl eine innere als auch eine sozial-ethische Dimension. In Sure 2, Vers 183 wird das Fasten als eine Pflicht vorgeschrieben, um /taqwÁ/ zu erlangen. In den meisten Übersetzungen wird das Wort mit Gottesfurcht übersetzt. Jedoch ist diese Übersetzung irreführend. Taqwā beinhaltet eine positive Aussage im Sinne des Gottesbewusstseins, das heißt, sich der Allgegenwart Gottes bewusst sein und den Wunsch, das eigene Dasein im Lichte dieses Bewusstseins zu gestalten (vgl. Muhammad Asad: Die Botschaft des Koran, 2009). Um für die Schülerinnen und Schüler der ersten und zweiten Klasse Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam Allah sagte: „Jede (gute) Tat, die der Sohn Adams begeht, ist für ihn selbst (vorteilhaft). Nur das Fasten begeht er Meinetwegen, und die Belohnung dafür ist nach Meinem Ermessen." dieses Bewusstsein zu beschreiben, haben sich die Autorinnen entschieden, dies mit der Aussage „Das Fasten kann euch Gott nahebringen“ (S. 42) zu formulieren. Die Zieldimension des Fastens, wie auch des Gebets ist in diesem Arbeitsheft die Gottesnähe. Diese gottesdienstliche Handlung vollzieht der Muslim nur für Gott, wie auch im folgenden Hadith deutlich wird: Abu Huraira, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete, dass der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte: Allah sagte: ‚Jede (gute) Tat, die der Sohn Adams begeht, ist für ihn selbst (vorteilhaft). Nur das Fasten begeht er Meinetwegen und die Belohnung dafür wird nach Meinem Ermessen gemacht‘ (Hadith Buchari, 1904). Die sozial-ethische Zieldimension mit Blick auf die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler wird eingeleitet auf der Ebene der Empathie mit Menschen, die Hunger und Durst leiden, und führt weiter zum Selbstbezug, indem die Schülerinnen und Schüler sich dazu positionieren sollen, wie sie sich im Monat Ramadan verhalten wollen begleitet durch die Aussage „Auch die Zunge und die Hand fasten“ (S. 42). Zusätzlich können natürlich weitere sozial-ethische Ziele des Fastens erarbeitet werden, wie das Schätzen-Lernen von Seite 39 2. Subjekt und Gemeinschaft Lebensmitteln, der maßvolle Umgang, teilen und spenden, Selbstdisziplin usw. Wesentlich für die Thematik "Gott näher kommen" ist die Überzeugung der Autorinnen, dass gottesdienstliche Handlungen, die eine rhythmische Häufigkeit aufweisen, dazu dienen, die Orientierung und Ausrichtung auf Gott als eine dauerhafte Gewohnheit im Menschen zu festigen (vgl. A. Falaturi, S. 78). So kann eine tiefe Verbundenheit mit Gott aufgebaut werden, die den Schülerinnen und Schülern verdeutlicht, dass Religion für die Menschen da ist und nicht die Menschen für die Religion. So kann eine tiefe Verbundenheit mit Gott aufgebaut werden, die den Schülerinnen und Schülern verdeutlicht, dass Religion für die Menschen da ist und nicht die Menschen für die Religion. Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam 2.1 Gleichheit trotz Unterschiedlichkeit Bezugnehmend auf Sure 5, Vers 48 geht Bismillah im Kapitel „Wir lernen uns kennen“ darauf ein, dass die Menschen unterschiedlich erschaffen werden und doch vor Gott gleich sind (S. 3). Dieser Vers gibt Anlass zur Diskussion über den Plan Gottes, Menschen unterschiedlich zu erschaffen. Welche Vorteile hat es, dass Menschen unterschiedlich sind? Sich ergänzen, miteinander wetteifern, voneinander lernen …? Das darunter illustrierte Lied geht auf die Unterschiede ein und betont die Gleichheit aller Menschen vor Gott. Hautfarbe (Abstammung), Gewicht und Größe (Aussehen), sozialer Status und Geschlecht sind zwar Unterscheidungsmerkmale, die jedem seine Individualität verleihen, jedoch sind alle Menschen bei aller Unterschiedlichkeit vor Gott gleich, jeder hat einen unmittelbaren Zugang zu Gott. Hier kann sich die Thematik der Toleranz gegenüber Andersgläubigen anschließen, indem das Prinzip der Zwangslosigkeit behandelt wird. Der Mensch hat die Freiheit, sich für den Glauben an eine Existenz Gottes oder auch dagegen zu entscheiden. Der Koran fordert die Muslime auf, die Zwangslosigkeit an- zuerkennen (2:256), jedem seinen Glauben zu lassen (Sure 109) und die anderen Glaubensgemeinschaften anzuerkennen. Toleranz wird auf der Grundlage des Kennenlernens aufgebaut, das im Arbeitsheft im Kapitel „Wir lernen uns kennen“ und „Wir folgen Ibrahim: Juden, Christen, Muslime“ eingeleitet wird und im Unterricht tiefgehender bearbeitet werden muss. 2.2 Gemeinschaft Gemeinschaft wird im islamischen Kontext meist mit /umma/ wiedergegeben. Umma heißt im Koran allgemein „Gemeinschaft“ oder „Gemeinde“. In Sure 43:22 wird der Begriff /umma/ für die „Religion der Väter“ genutzt. Später wurde dieser Begriff mehr und mehr auf die umma der Muslime eingegrenzt. Die Gemeinschaft beschränkt sich ursprünglich also nicht auf Menschen gleicher Glaubensrichtung, dafür hat sich innerhalb des Islam der Begriff /ÊamÁca/ etabliert (vgl. Josef van Esse, „Der Eine und das Andere. Beobachtungen an islamischen häresiographischen Texten“, Band 1, Berlin / New York 2011). Gemeinschaft wird auch im Arbeitsheft nicht auf Muslime bezogen (S. 18-23). Sie beginnt in der Familie und wird im Freundeskreis fortgeführt und endet in diesem Arbeitsheft mit der Gemeinschaft Seite 40 der Juden, Christen und Muslime. Die Autorinnen haben bewusst eine Einteilung von Gemeinschaft in Muslime und Nicht-Muslime vermieden. Juden, Christen und Muslime werden als Nachfolger Abrahams bezeichnet, der Schwerpunkt liegt in Heft 1/2 auf den Gemeinsamkeiten der drei monotheistischen Religionen. In der Familie spielt die Beziehung zu den Eltern eine wichtige Rolle, die direkt anschließt an den Glauben an Gott. Nicht nur in Sure 4, Vers 36 wird das gute Verhalten den Eltern gegenüber thematisiert (vgl. auch 2:83, 6:151, 17:23, 29:8, 46:15). Das gütige Verhalten zu den Eltern ist ein Verhaltensmodus, auf das andere Modi aufbauen, die zu einem vorbildlichen Verhalten innerhalb der Gemeinschaft führen. Die Koransuren 25, 31 und 46 behandeln diese Thematik (vgl. Behr, H. H.: Islamische Bildungslehre. Garching 1998). 2.3 Sozial-ethisches Verhalten Sozial-ethisches Verhalten, im islamischen Kontext mit /aÌlÁq/ und /adÁb/ wiedergegeben, wird zunächst innerhalb der Familie erprobt und erlernt. Behr definiert in seiner Bildungslehre /aÌlÁq/ als „Lehre von den Eigenschaften der Geschöpfe“ und /adÁb/ ist die operationalisierte Ebene, indem die Charaktereigenschaften als ein situativ wünschenswertes Verhalten formuliert werden. Folgende Aspekte des sog. /aÌlÁq/ aus der oben genannten Bildungslehre werden im Arbeitsheft thematisiert und situationsbezogen dargestellt: Friedfertigkeit im Umgang mit Anderen („Vor Allah sind alle Menschen gleich“, S. 3; „Helfen“ S. 10; „Ich kümmere mich um Gottes Schöpfung“, S. 11; „Wer ist ein guter Freund?“, S. 20; „Was mich fröhlich oder traurig macht“, S. 22; „Wenn einer sagt …“, S. 23; „Muhammad und die Spatzenjungen“, S. 28; „Ramadan“ („Auch Zunge und Hand fasten“), S. 42; „Das Fest des Fastenbrechens“, S. 43; „Geschwister – Liebe und Streit“, S. 44; „Das Wiedersehen“, S. 51; „Vorbilder“, S. 53; „Wir folgen Ibrahim: Juden, Christen und Muslime“, S. 56) Achtung vor dem Leben („Vor Allah sind alle Menschen gleich“, S. 3; „Danke, lieber Gott“, S. 9; „Helfen“, S. 10; „Ich kümmere mich um Gottes Schöpfung“, S. 11; „Muhammad und die Spatzenjungen“, S. 28) Gerechtigkeitsliebe („Wer ist ein guter Freund?“, S. 20; „Yusuf und seine Brüder“, S. 44-51) Achtsamkeit auf das eigene Verhalten („Helfen“ S. 10; „Ich kümmere mich um Gottes Schöpfung“, S. 11; „Aufgaben in der Familie“, S. 19; „Was mich fröhlich oder traurig macht“, S. 22; „Wenn einer Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam sagt …“, S. 23; „Ramadan“ („Auch die Zunge und die Hand fasten“), S. 42; „Geschwister – Liebe und Streit“, S. 44) Geduld („Gott prüft Ibrahim“, S. 16; „Yusuf im Brunnen – ‚Hilf mir, lieber Gott!‘“, S. 47; „Yusuf im Gefängnis – Gott ist immer bei ihm“, S. 49) Wichtig ist dabei, wie Behr betont, dass die situativ eingebundenen sozialethischen Verhaltensweisen einer inneren Anbindung an Gott entspringen. 3. Die religiösen Quellen als Gebot und Vorbild 3.1 Person, Worte und Taten des Propheten Muhammad Der Prophet Muhammad wurde von Gott gesandt. Im Koran wird seine Sendung als Beweis der Barmherzigkeit Gottes gegen alle Welten (21:107) bezeichnet. Seine Sendung beinhaltet einerseits, die Botschaft Gottes zu überbringen (5:67), andererseits, den Charakter und das Verhalten der Menschen vollkommen zu machen (Hadith), er ist ein gutes und schönes Beispiel (33:21). Diese beiden Pole werden im Arbeitsheft durch die historische Verortung in seiner Zeit („Muhammad wurde in Mekka geboren“, S. 24), seine Lebenssituation („Muhammads Kindheit“, S. 26), seinen Charakter („Muhammad heiratet“ S. 27; „Muhammad und die Spatzenjungen“, S. 28; „Helfen“, S. 10; „Ein Freund ist ein Geschenk“, S. 21), seine Aufgabe („Gott schickt Muhammad“, S. 25) und den Empfang der ersten Mitteilung Gottes („Muhammad begegnet einem Engel“, S. 29) bearbeitet. Wesentlich ist hierbei einerseits die Verortung Muhammads in seinem zeitlichen, kulturellen, geographischen und sozialen Kontext, andererseits die richtungwei- Seite 41 sende und Orientierung gebende Wirkung seiner Aussagen und Taten. Natürlich muss man zwischen Aussagen Muhammads unterscheiden, die zeitlos oder zeit- und situationsgebunden sind. Im Arbeitsheft sind Aussagen verwendet worden, die die Schülerinnen und Schüler in ihrer Lebenswelt ansprechen, wie beispielsweise eine Aussage von Muhammad über Freunde: „Ein Freund ist ein Geschenk von Allah. Dein Freund erinnert dich daran, wenn du etwas vergessen hast. Dein Freund hilft dir, wenn du ihn darum bittest“ (Hadith Muslim, S. 21 im AH). Es geht jedoch nicht darum, unreflektiert die Aussagen des Propheten anzunehmen oder seine Taten nachzuahmen, sondern um ein weiteres Angebot, um einen Zugang zum Islam zu finden. Seine Aussagen, die in Verbindung mit einer spezifischen Situation im Arbeitsheft dargestellt werden, verdeutlichen meist sozial-ethische Grundhaltungen. Insbesondere die Barmherzigkeit Muhammads gegenüber den Geschöpfen Gottes kommt hier zum Tragen. Die Barmherzigkeit wird (Seite 10 und 28) als Gutherzigkeit, Anteilnahme, Milde, Mitgefühl und Liebe dargestellt. Muhammad ist ein schönes Vorbild, ob die Schülerinnen und Schüler sich an ihm orientieren, ist letztendlich ihre eigene Entscheidung. 3.2 Der Koran Der Koran enthält religiöse Erkenntnisse und spirituelle Erfahrungen, die narrativ wiedergegeben werden. Er ist eine erzählte Wahrheit, die nicht beschränkt ist auf die menschliche Wahrnehmung. Der Koran ist, um es mit den Worten Platons auszudrücken, anamnesis, im Sinne eines Erkennens als Wiedererinnerung. Er besteht aus Erzählungen, die ein Vorwissen voraussetzen, also eine Wiedererinnerung erwarten. Er greift den Deutungskosmos seiner Zeit auf und sortiert ihn neu ein. Die Geschichten sind also ein Echo auf Vorhandenes. Das Verhältnis von Mensch zu Gott, von Mensch zu Mensch und von Mensch zur Umwelt steht im Mittelpunkt des Koran. Koranverse begleiten die Schülerinnen und Schüler durch fast alle Kapitel des Arbeitsheftes. Die Suren werden vereinfacht ausgedrückt, um den Schülerinnen und Schülern den Zugang zu erleichtern. Die Erarbeitung des Koran basiert auf drei Ebenen. Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam Inhaltliche Ebene Der Koran ist die Selbstmitteilung Gottes an die Welt, eine direkte sprachliche Kommunikation (vgl. Kermani, Navid: Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Korans. München 1999, S. 213). Der Koran trifft in den ersten Versen der zweiten Sure eine Aussage über sich selbst. Er erhebt den Anspruch einer norma normans non normata – eines maßgeblichen Maßstabs, der selbst an keinem Maßstab mehr gemessen werden kann. Zudem wird seine Funktion festgelegt: Er ist von Allah, kein Zweifel, er ist ein Wegweiser für die Frommen (2:2). Auf dieser Ebene ist der Koran eine „Schrift“. Daher wird auf Seite 32 darauf eingegangen, was man wo und wie mit dem Koran tun kann. Andererseits ist der Koran auch ein „Text“. Bei der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Koran als ein „Text“ wird den Schülerinnen und Schülern ein Zugang zum Aufbau und zur Struktur der Suren ermöglicht. Die Suren al-Ihlas (Sure 112) und al-Fatiha (Sure 1) sollen inhaltlich besprochen werden (S. 34 – 36). Diese beiden Suren wurden ausgewählt, weil sie ebenfalls einen Zugang zum rituellen Gebet bieten. Ästhetische Ebene Bei der ästhetischen Dimension des Koran wird im Arbeitsheft der Schwerpunkt auf das Hören gelegt, da gerade das Hören die Basis der menschlichen Kommunikation ist und die Aufnahme eines Textes zu einem sinnlichen Erlebnis macht. Zudem sind die Schülerinnen und Schüler auf das Hören im ersten und zweiten Schuljahr besonders angewiesen, da sie sich im Schreib- und Leselernprozess befinden. Auch beim Koran ist die geläufigste Form der Ausführung das stimmliche Vortragen und die Rezeption, das Hören, nicht etwa das Lesen (vgl. Kermani 1999, S. 173). Das liegt unter anderem daran, dass der Koran zuerst den Menschen nur durch das Hören zugänglich war, erst später wurde er verschriftlicht. Dazu steht im Koran: „Und wenn der Koran vorgetragen wird, dann hört ihm zu und schweigt in Aufmerksamkeit, auf dass ihr Erbarmen finden möget!“ (7:204). Navid Kermani legt das, dass der Koran die Rezeption seiner Hörer sowohl durch seine sprachlichen Eigenschaften als auch durch seine rein akustischen Eigenschaften steuert. Der Klang jedes Lautes wird mit bestimmten emotiven Wirkungen verbunden, die dann unterschiedliche Atmosphä- Seite 42 ren erzeugen, also verschiedene Stimmungen hervorrufen (vgl. ebd., S. 183). Dem Koran nach ist Wirklichkeit das, was seine Wirkung entfaltet, auch wenn es hinter der Kulisse des ‚Sehbaren‘ verborgen liegt. […] Das Sehen des Wirklichen jenseits des vorfindlichen und materialen Daseins bezeichnet der Koran als ‚Auge der Gewissheit‘. Exkurs über den Koran als narrative Wahrheit Der Koran entfaltet eine narrative Kraft (vgl. dazu Harry Harun Behr / Werner Haußmann / Frank van der Velden. Yusuf oder Josef? – Eine Probe dialogischer Didaktik in der Lehrerbildung, in: Frank van der Velden (Hg.): Die Heiligen Schriften des anderen im Unterricht. Bibel und Koran im christlichen und islamischen Religionsunterricht einsetzen, 2011). Der narrative Charakter wird aus dem Prolog der Sure 12 deutlich. In Vers 2 wird der Koran, als „arabische Rede" bezeichnet. In Vers 3 wird der Begriff /qaÒaÒ/ eingeführt, die „Erzählung“, welche die mündliche Überlieferung verdeutlicht. Im Koran werden Geschichten erzählt, die den Anspruch erheben, sowohl historische Wirklichkeit als auch theologische Wahrheit zu sein, in der Erzählung ereignet sich gewissermaßen wirkliche Gegenwart und gegenwärtige Wirklichkeit. Wirklichkeit ereignet sich dadurch, dass der Erzähler, hier Muhammad, dem dieser Koran eingegeben wurde, (an)-zu-fassen ist. Dieser Sachverhalt wird überdies noch betont durch den Hinweis an Muhammad in Vers 3 „… obgleich du zuvor wahrlich zu Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam den Unachtsamen gehörtest“. Somit wird Muhammad speziell darauf hingewiesen, dass das, was erzählt wird, Wirklichkeit und Wahrheit ist, was er ab jetzt – im Gegensatz zu „zuvor“ – ernst nehmen soll. „Dem Koran nach ist Wirklichkeit das, was seine Wirkung entfaltet, auch wenn es hinter der Kulisse des ‚Sehbaren‘ verborgen liegt. […] Das Sehen des Wirklichen jenseits des vorfindlichen und materialen Daseins bezeichnet der Koran als ‚Auge der Gewissheit‘, (/cayn al-yaqÐn/)“ (vgl. Harry Harun Bahr / Werner Haußmann / Frank van der Velden. Yusuf oder Josef? S. 233). Damit ist nicht das sehende Auge gemeint, sondern vielmehr das begreifende Herz, wie in Sure 22, Vers 46 erläutert wird: „Sind sie denn nicht im Lande umhergereist, und haben sie nicht Herzen, um zu begreifen, oder Ohren, um zu hören? Denn wahrlich, es sind ja nicht die Augen, die blind sind, sondern blind sind die Herzen in der Brust“ (22:46). Siehe dazu auch Sure 7, Vers 179. Vers 6 enthält wiederum ein weiteres narratives Element: „Und so wird dein Herr dich erwählen und dich etwas von der Deutung der Geschichten lehren …“ Hier wird der Begriff /al-aÎÁdÐth/ für „Geschichten“ genutzt. Zwischen /qaÒaÒ/ und /hadÐth/ besteht keine Divergenz, denn beide benötigen als Schlüssel zum Verständnis /ta‘wÐl/. Der Begriff /ta‘wÐl/ wird im Koran mehrmals gebraucht (z. B. 3:7, 10:39, 18:78) im Sinne von „letzte Bedeutung“, „innere Bedeutung“ oder „wahre Bedeutung“ eines Geschehnisses oder einer Aussage oder einer Sache im Unterschied zu ihrer äußerlichen, PrimaFacie-Erscheinung (vgl. Muhammad Asad: Die Botschaft des Koran. Übersetzung und Kommentar). Das heißt, dass die Geschichten und Erzählungen gedeutet werden müssen, um sie zu verstehen. Zurück zur ästhetischen Ebene Die Schülerinnen und Schüler können durch das Hören des Korans, den Klang, den Rhythmus und die Sprachmelodie aufnehmen. Sie erkennen möglicherweise, dass die Suren etwas mitteilen wollen. Dies ist ein erster, sinnlicher und emotionaler Zugang zum Koran in seiner ästhetischen Dimension. Eine Anregung für eine weiterführende und vertiefende Beschäftigung mit dem Koran gerade auch im ersten und zweiten Schuljahr wäre die rhythmische Darbietung von Koranversen in Verbindung mit der entsprechenden Bildmatrix. Dazu würde sich beispielsweise die Sure 100 /al-cÁdiyÁt/ anbieten. Seite 43 Es geht also auf dieser Ebene nicht um das sinnentnehmende Verstehen und Deuten der Sure, sondern darum, den Schülerinnen und Schülern auf einer emotionalen und eindrucksvollen Weise zu vermitteln, dass das Hören der Sure bei dem Rezipienten Gefühle auslösen. Eine weitere Methode ist der musikalische Zugang zum Koran. Viele Musiker nutzen die poetische Wirkung und Ästhetik des Koran, um ihn erlebbar zu machen. Rituelle Ebene Die rituelle Ebene betrifft den Koran in Bezug auf die Anwendung für das Gebet. Daher werden die Suren /al-iÌlÁÒ/ und /al-fÁtiÎa/ inhaltlich besprochen. die heutige Zeit zu thematisieren und dabei den Entstehungskontext zu erarbeiten. Die Arbeitsheftreihe ist mit dem Ziel, dem Wunsch und der Hoffnung begleitet worden, dass die bekenntnisgebundene Auseinandersetzung mit der eigenen Religion zur Ausbildung einer sicheren religiösen Identität bei den Schülerinnen und Schülern führt, die sie dazu befähigt, offen zu sein für eine konstruktive Begegnung und Auseinandersetzung mit Menschen anderen Glaubens oder ohne Glauben. Dies soll sie dazu befähigen, Religionen wertzuschätzen, ihnen aufgeschlossen zu begegnen und gleichzeitig für die eigene Überzeugung einzutreten. Historische Ebene Der entstehungsgeschichtliche Kontext ist im Arbeitsheft etwas zu kurz gekommen und implizit durch die Verortung des Propheten Muhammad in seinem historischen und kulturellen Kontext und die Offenbarung der ersten Mitteilung Gottes dargelegt, die eingangs der Sure 96 lautet: "Lies!" – /iqra'/! Insbesondere die erste Aufforderung Gottes an den Propheten ist ein wesentlicher Anhaltspunkt, um mit den Schülerinnen und Schülern die Wichtigkeit dieses bedeutungsträchtigen Wortes für die damalige Zeit, als auch für Fahimah Ulfat: Eine Betrachtung der Arbeitshefte Bismillah – Wir entdecken den Islam Seite 44 Katharina Frank Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung. Eine religionswissenschaftliche Analyse von Schulbüchern für den Islamischen Religionsunterricht In einem Religionsunterricht – ob für alle Schülerinnen und Schüler oder nur für Kinder einer bestimmten Religionszugehörigkeit – kann es um verschiedene Ziele und Kompetenzen gehen. Solche Unterrichtsziele und Grundkompetenzen werden in der Regel im Lehrplan festgehalten. Im Unterricht selbst und in den Gesprächen mit Lehrkräften zeigt sich jedoch, dass häufig die verfügbaren Schulbücher die „heimlichen Lehrpläne“ sind. Daher ist es sinnvoll, Schulbücher unter dem Aspekt zu analysieren, welche Ziele mit welchen Unterrichtsinhalten verfolgt werden: Wo geht es um eine Identifikation mit bestimmten traditionell-religiösen Vorgaben, wo um eine adressatenbezogen-individuelle Gestaltung von Religiosität und wo gegebenenfalls auch um eine distanzierte Haltung zu den präsentierten Inhalten. Der Beitrag wendet diese Fragestellung auf das Schulbuch „Saphir 5/6“ und auf das Schulbuch „Mein Islambuch, Grundschule 1/2“ an und arbeitet die darin enthaltenen Ziele heraus. Auch wenn sich die beiden Bücher an Kinder unterschiedlichen Alters richten, lassen sie sich in Bezug auf diese Fragestellung durchaus vergleichen. Das Schulbuch Saphir 5/6 wurde von Lamya Kaddor, Rabeya Müller und Harry Harun Behr herausgegeben und von einem großen Autorenteam erstellt. Es erschien im Jahr 2008 beim Kösel-Verlag. Mein Islambuch, Grundschule 1/2 wurde vom Autorenteam Serap Erkan, Evelin LubigFohsel, Gül Solgun-Kaps und Bülent Ucar verfasst und erschien im Jahr 2009 im Oldenbourg Schulbuchverlag. Sowohl das Schulbuch Saphir als auch Mein Islambuch sind heute in verschiedenen Bundesländern als offizielle Lernmittel zugelassen. Als Religionswissenschaftlerin geht es mir bei der vorliegenden Untersuchung nicht darum, ein religionspädagogischnormatives Fazit zu ziehen. Mit meiner Analyse möchte ich vielmehr eine Grundlage bereitstellen für eben diesen Diskurs innerhalb der islamischen Gemeinschaft Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung in Deutschland. Im Folgenden werde ich zunächst mein Analyseinstrument vorstellen, das aus eigenen empirischen Unterrichtsbeobachtungen hervorgegangen ist. Danach möchte ich einige Beispiele aus den beiden Schulbüchern präsentieren sowie in einem Überblick über die beiden Bücher die Themen und deren Ziele zu quantifizieren versuchen. Die Ergebnisse meiner Analyse werde ich diskutieren, um am Ende die Frage beantworten zu können, an welche Adressaten sich die Bücher richten, an welche nicht und inwiefern beide auf ihre Weise die Tradition zu bewahren versuchen. 1. Das Analyseinstrument Als Analyseinstrument dienen mir die Kategorien, die ich in meiner Forschung zum schulischen Religionsunterricht erarbeitet habe (s. Frank 2010). Zwar habe ich diese Kategorien aus dem empirischen Material von Unterrichtsbeobachtungen entwickelt, aber sie lassen sich – zumindest weitgehend – auch auf Lehrmaterial anwenden und versprechen, in Bezug auf die obige Fragestellung neue Erkenntnisse zu liefern. 1.1. Gegenstand und Rahmung Beim Instrument geht es zunächst um die Unterscheidung zwischen Unterrichtsgegenstand und dem im Schulbuch erkennbaren Umgang mit diesem Gegenstand, was ich im Sinne des Soziologen Erving Goffman als Rahmung bezeichnet habe. Diesen Rahmungen ist zu entnehmen, welches Ziel die Lehrkraft mit dem Gegenstand verfolgt. Geht es ihr um eine Identifikation mit dem Gegenstand, eine aktive, aber subjektive Partizipation Seite 45 am Gegenstand oder geht es ihr eher um eine distanzierte Haltung dazu? In einem ersten Schritt ist zu klären, ob es sich beim vermittelten Gegenstand überhaupt um „Religion“ handelt. Diese Frage ist besonders wichtig für einen Unterricht, der nicht freiwillig ist und an dem sich Schülerinnen und Schüler einer Klasse beteiligen müssen, denn hier greift das Grundrecht der Religionsfreiheit. Sie ist aber ebenso relevant für einen Islamischen Religionsunterricht, denn er muss sich ebenfalls Rechenschaft darüber geben, ob Unterrichtseinheiten, die etwas anderes als „Religion“ thematisieren, in einem Islamischen Religionsunterricht Platz haben sollen. „Religion“ – so ist der derzeitigen empirischen Faktenlage (bestehende Schulbücher, Religionsverständnis in der Bevölkerung) zu entnehmen – liegt dann vor, wenn der Gegenstand in Beziehung steht zu einem religiösen Symbolsystem, das über Träger (Individuen und Gemeinschaften) verfügt. Das religiöse Symbolsystem lässt sich definieren als mehr oder weniger kohärentes reflektiertes System von Symbolen, die sowohl einen Transzendenzbezug (Luckmann 1967) als auch einen kollektiven Geltungsgrund für die Geber und Empfänger (Gladigow 2005) aufweisen. M.a.W.: Die Kommunikation einer Naturerfahrung in poetischen Begriffen ist keine Religion; hier liegt zwar ein Transzendenzbezug vor, jedoch kein kollektiver Geltungsanspruch. Bei der Ideologie einer politischen Partei verhält es sich genau umgekehrt: Hier liegt ein kollektiver Geltungsanspruch vor, jedoch kein Transzendenzbezug. In Grenzfällen, bei denen unklar ist, ob es sich um Religion handelt oder nicht, können diese beiden Dimensionen des Transzendenzbezugs und des kollektiven Geltungsanspruchs einem Forscherteam oder einem didaktischen Team helfen zu eruieren, ob man im gegebenen Fall von Religion sprechen kann oder nicht. Darüber hinaus stellt sich im vorliegenden Zusammenhang auch die Frage, welchen religiösen Symbolsystemen bzw. welcher Richtung des Islam der als religiös identifizierte Gegenstand entnommen ist. Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung Im zweiten Schritt geht es darum, die Rahmung zu identifizieren: Hier finden sich vier Möglichkeiten: Die Kommunikation einer Naturerfahrung in poetischen Begriffen ist keine Religion. 1. Keine Rahmung: Hier wird nur der Gegenstand dargestellt, z.B. eine koranische Geschichte, der Ablauf eines Gebets, das Glaubensbekenntnis usw., gerahmt wird der Gegenstand hingegen nicht. 2. Dogmatische Rahmung: Hier wird der Gegenstand in einem religiöstheologischen Sinne dogmatisch gerahmt. Mit „dogmatisch“ ist nicht der negativ konnotierte Dogmatismus gemeint, sondern eine Rahmung, bei der die eigene Religion (oder auch „fremde Religionen“) in einem theologischen Sinne reflektiert ist und immer weiterentwickelt wird. 3. Lebensweltliche Rahmung: Hier wird der Gegenstand auf die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler oder generell auf die Lebenswelt aller Menschen bezogen. Lebenswelt meint nicht einfach Alltagswelt. Unter lebensweltlich wird hier eine Rahmung verstanden, die im Sinne der phänomenologischen Soziologie (Schütz/Luckmann 2003) als Ergebnis bestimmter Seite 46 Zuwendungen zum eigenen Erleben verstanden wird. Es geht also um das, was für den betreffenden Menschen von existentieller Bedeutung ist. 4. Kulturkundliche Rahmung: Hier wird der Gegenstand geschichtsund sozialkundlich kontextualisiert und gegebenenfalls systematischreligionswissenschaftlich verglichen. Religion wird nicht als „unsere“ oder „meine“ Religion beschrieben, sondern als ein Kulturfaktor, der bestimmte Gruppen oder Individuen in der Gesellschaft nachhaltig prägt. 1.2. Typen der Religionsvermittlung Diese Gegenstand-Rahmungs-Konstellationen ergeben unterschiedliche Vermittlungstypen: Narrativer Typus (keine Rahmung) Partizipation an Religion offen Dogmatischer Typus Lebensweltlicher Typus Kulturkundlicher Typus Vorgegebene Partizipation an Religion aktiv Perspektivenübernahme Subjektive Partizipation an Religion aktiv Perspektiveninduktion Partizipation als Beobachter von Religion passiv Perspektivenwechsel Beim narrativen Typus wird – wie oben beschrieben – nur der Unterrichtsgegenstand präsentiert; es wird eine religiöse Geschichte erzählt oder der Ablauf eines Rituals aufgezeigt. Hier bleibt es dem Schüler überlassen, wie er den Gegenstand rahmt; die Partizipation an Religion bleibt offen. Beim dogmatischen Typus wird ein religiöser oder nichtreligiöser Gegenstand religiös-dogmatisch gerahmt. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler zu einer bestimmten Perspektivenübernahme angeleitet. Die Schüler sollen die durch die Lehrkraft vorgegebene Sicht auf den Gegenstand übernehmen und aktiv an der präsentierten Religion teilnehmen. Beim lebensweltlichen Typus wird vom Schüler ebenfalls eine aktive Partizipation verlangt, diese ist aber subjektiv; d.h. der Schüler kann selbst entscheiden, wie er den von der Lehrkraft präsentierten Gegenstand, z.B. einen Koranvers oder ein Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung Gebet, für sich bedeutsam machen und in seine Lebenswelt integrieren will. Dass er das tun soll, steht hier jedoch außer Frage; der Schüler soll seine je eigene lebensweltlich relevante Perspektive in den präsentierten religiösen Gegenstand induzieren. Beim kulturkundlichen Typus geht es um eine passive Partizipation oder um eine Partizipation an Religion durch reine Beobachtung; der Schüler ist „Zaungast“ (Goffman). Gleichwohl ist der Schüler aufgefordert, die Perspektive zu wechseln, sich in den präsentierten religiösen Gegenstand hineinzuversetzen, jedoch rein mental und zeitlich befristet. Er soll das Beobachtete beschreiben, systematisieren und metasprachlich einordnen. Die ersten drei Unterrichtstypen kommen in einem Unterricht vor, den ich religiösen Unterricht genannt habe; in Deutschland spricht man hier von einem „Religionsunterricht“ nach Art. 7 Abs. 3 GG: Lehrer wie Schüler sprechen in religiösen Codes; es geht um die Inklusion in das Religionssystem; im vorliegenden Fall um die Inklusion in das islamische Religionssystem, oder – sozial betrachtet – um die Integration in die Umma. Der vierte Unterrichtstypus beabsichtigt dies nicht. Hier wird in wissenschaftlich und sozial validierten Codes gesprochen. Dieser Typus intendiert eine Inklusion ins (säkulare) Erziehungssystem, an dem alle Schülerinnen und Schüler teilhaben. Es handelt sich um einen religionskundlichen Unterricht. Idealtypisch betrachtet sind Theologie und Religionspädagogik die Bezugswissenschaften des religiösen Unterrichts – hier die Islamische Theologie und Religionspädagogik. Die Religionswissenschaft Seite 47 mit den ihr assoziierten Geschichts- und Sozialwissenschaften (z.B. die Islamwissenschaft) sowie die Allgemeine Pädagogik sind die Bezugswissenschaften für den religionskundlichen Unterricht. In dieser Sicht gehören der Islamische Religionsunterricht und der christliche (bzw. der evangelische oder katholische) Religionsunterricht auf die Seite des religiösen Unterrichts. Idealerweise trägt die jeweilige Religionsgemeinschaft hier die Verantwortung. Beim religionskundlichen Unterricht trägt der Staat die Verantwortung. In konkreten Fällen kann es jedoch Überschneidungen und Verschiebungen geben. 2. Analyse der Gegenstände und Rahmungen in den Schulbüchern Saphir 5/6 und Mein Islambuch 1/2 Beide Schulbücher sind von einem Team von Autorinnen und Autoren verfasst worden. Beide Schulbücher wurden nicht für den Lehrplan eines bestimmten Bundeslandes verfasst, sondern verstehen sich als Lernmedien, die in ganz Deutschland oder auch der Schweiz und Österreich Verwendung finden können. Mein Islambuch ist für die Grundschuljahre 1 und 2 konzipiert und hat einen Umfang von rund 100 Seiten. Saphir umfasst beinahe doppelt so viele Seiten inkl. eines Lexikonteils und ist für die Schuljahre 5 und 6 vorgesehen. Beide Bücher enthalten viele Bilder und Zeichnungen und spielen mit Elementen arabischer Kalligraphie und Ornamentik. 2.1. Gegenstand-Rahmungs- Konstellationen In den Büchern lassen sich folgende Gegenstand–RahmungsKonstellationen finden: a) Ein religiöser Gegenstand wird nicht gerahmt (narrativ); b) ein religiöser Gegenstand wird dogmatisch gerahmt; Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung c) ein nichtreligiöser Gegenstand wird dogmatisch gerahmt; d) ein religiöser Gegenstand wird lebensweltlich gerahmt; e) ein religiöser Gegenstand wird kulturkundlich gerahmt. In all diesen Fällen kann von einer Religions-Vermittlung gesprochen werden, da auf der Gegenstands- oder/und auf der Rahmungsseite Religion vorkommt. In beiden Schulbüchern lassen sich aber auch Sequenzen ohne Religion finden: f ) Ein nichtreligiöser Gegenstand wird ethisch oder lebensweltlich gerahmt. Die Konstellationen a) bis d) finden sich in beiden Schulbüchern am häufigsten. Das erstaunt nicht, denn es sind Kombinationen, die für einen religiösen Unterricht stehen, also eine Inklusion ins Religionssystem des Islam beabsichtigen. Die Kombination e), die einen religionskundlichen Unterricht kennzeichnet, kommt kaum vor. Konstellationen hingegen, die weder auf der Gegenstands- noch auf der Rahmungsseite religiöse Elemente aufweisen (f ), finden sich ebenfalls; man könnte hier von einem Lebensgestaltungs- und Ethik-Unterricht sprechen. Diese Kombi- nationen werde ich an ein paar Beispielen aus den beiden Schulbüchern erläutern. 2.2. Beispiele Dass islamische Elemente dogmatisch, d.h. im Sinn islamischer Lehre gerahmt werden, findet sich in beiden Schulbüchern. Hier sind beispielsweise Sequenzen zum Beten zu nennen. In Mein Islambuch 1/2 (S.35) wird dem Kind beigebracht, zu welchen Zeiten Muslime beten und dass sie das allerorten – in Deutschland, Marokko, in der Türkei und in Albanien – zur selben Zeit und mit derselben Ausrichtung auf die Kaaba in Mekka tun. Auf den nachfolgenden Seiten finden sich Anweisungen und Erläuterungen, wie die Gebetswaschung zu erfolgen hat und weshalb. Obschon hier von „Muslimen“ die Rede ist und nicht von „wir“, ist die dogmatische Ausrichtung erkennbar: Es geht darum, wie „man“ betet, wie das Ritual zu vollziehen ist und welche Bedeutung „man“ ihm zuschreiben soll. Auch beim thematisch gleichen Ausschnitt aus dem Saphir 5/6 (S.51) – er ist als Infoblatt aus der Moschee gekennzeichnet – geht es darum, warum man sich zum Gebet waschen soll, weshalb die Gebetszeiten einzuhalten sind, warum man sich beim Gebet körperlich bewegen soll und Seite 48 welche Bedeutungen diese Körperhaltungen und das Gebet haben. Hier wird ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass alle AdressatInnen dieser Sequenz MuslimInnen sind und das präsentierte Gebet so durchführen und auffassen sollen, wie das alle machen. Dass „die Gedanken“ auf einem „Infoblatt aus der Moschee“ stehen, weist auf den theologischen Charakter hin. Auch diese Sequenz würde ich daher als dogmatische Rahmung des Gegenstandes „Gebet“ bezeichnen. In diesen Sequenzen beider Schulbücher wird dem Schüler gesagt, wie das Beten im Islam ausgeführt und wie es gedeutet, interpretiert werden soll. Diese Sichtweise – so wird dem Kind nahegelegt – soll von ihm übernommen werden. Bei diesen dogmatischen Rahmungen besteht die Absicht, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, wie bestimmte Elemente des Islam verstanden werden sollen und in einem vorgegebenen Sinn für das Leben eines Muslim und einer Muslimin fruchtbar gemacht werden. Das Kind soll sich eine bestimmte religiöse Sprache aneignen, um religiöse Erfahrungen, Praktiken, Geschichten usw. interpretieren und innerhalb der eigenen religiösen Gruppe kommunizieren zu können. Häufiger als die Kombination „religiöser Gegenstand – dogmatische Rahmung“ sind im Schulbuch Saphir 5/6 jedoch andere Gegenstand–Rahmungs-Konstellationen: Hier wird oft von der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler ausgegangen, die an sich nichts Religiöses im Sinne obiger Definition aufweist, um diesen „säkularen“ Gegenstand religiösdogmatisch zu rahmen. Auf Seite 90 beispielsweise geht es um ein Mädchen, das vor dem Spiegel steht und sich fragt, ob es nicht zu dick ist, ob sein Gang demjenigen eines Models entspricht, ob die Nase nicht zu groß ist usw. Damit sich auch Jungen angesprochen fühlen, werden einige Fragen, die männliche Jugendliche beschäftigen, gestellt: „Mehr Muskeln – und ich würde besser aussehen!“, „Habe ich das Zeug zum Fußballer?“. Eine solche Situation entstammt ganz offensichtlich der Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern und wird wohl für viele Jugendliche im 6. Schuljahr auf die eine oder andere Art bedeutsam werden. Bestimmt fühlen sich damit viele in der Klasse angesprochen, auch wenn ihre Kleider, in denen sie sich vor den Spiegel stellen, vielleicht anders aussehen. Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung Interessant ist nun aber die Rahmung, die den Fragen dieser Jugendlichen gegeben wird: Unter dem Bild und den vielen Fragen von Jugendlichen steht: „Gott hat mich so geschaffen, wie ich bin“. Damit wird gezeigt, dass die Religion eine Antwort, eine Deutung für die Probleme hat, die in der Lebenswelt der Jugendlichen auftauchen. Unterhalb dieser religiösen Aussage findet sich ein Gedicht ohne Religionsbezug. Die Sequenz kippt hier also hin und her zwischen lebensweltlich-säkularen und religiösen Bezügen. Das Schulbuch lehrt die Schülerinnen und Schüler, in Situationen, die lebensweltlich bedeutsame Fragen aufwerfen, aber nicht von Vorneherein mit Religion zu tun haben, auf die islamische Lehre zurückzugreifen und sie zur Problembewältigung heranzuziehen. Eine umgekehrte Gegenstand–RahmungsKonstellation findet sich bei einem anderen Buchausschnitt aus dem Saphir, Seite 23: Hier wird von einem religiösen Gegenstand, einem Koranvers, ausgegangen, der unter Anleitung des Buches von den Schülerinnen und Schülern lebensweltlich gerahmt wird. Über dem Foto eines Frühlingswaldes steht der Koranvers (7:56) „Gott hat die Erde in einer Ordnung erschaffen. So lasst uns alle diese Das Kind soll sich eine bestimmte religiöse Sprache aneignen, um religiöse Erfahrungen, Praktiken, Geschichten usw. interpretieren und innerhalb der eigenen religiösen Gruppe kommunizieren zu können. Seite 49 Ordnung bewahren.“ Die Schülerinnen und Schüler werden gefragt, was sie mit dieser religiösen Aussage anfangen, was sie in ihrer näheren und ferneren Umgebung zu tun gedenken, um die Umwelt zu schützen. Die Kinder oder Jugendlichen sollen die Aussage aus dem Koran also selber interpretieren, an ihre Lebenswelt anschließen und entsprechend handeln. Im ersten Beispiel ist die Lebenswelt der Schülerinnen Ausgangspunkt und wird dann mittels eines islamischen Lehrsatzes gerahmt. Im zweiten Beispiel ist ein Koranvers der Ausgangspunkt, und die Schülerinnen und Schüler sollen sagen, was dieser in Bezug auf ihre Lebenswelt bedeutet; sie sollen den religiösen Gegenstand lebensweltlich rahmen. Mal ist in diesen beiden Beispielen die islamische Lehre Gegenstand, mal ist sie Rahmung. In Unterrichtsstunden, in denen Lehrer und Schüler interagieren, ist es leichter als in Schulbüchern, Gegenstand und Rahmung zu identifizieren, aber es ist bei diesen beiden Beispielen sowie bei vielen anderen Beispielen im Buch Saphir ganz offensichtlich, dass es um Verbindungen zwischen der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und den Elementen des Islam geht. Das Kind oder der Jugendliche soll lernen, säkulare, lebensweltlich bedeutsame Ereignisse und Themen auf eine bestimmte religiöse Weise zu interpretieren und zu kommunizieren; und umgekehrt, religiöse Elemente des Islam (Geschichten, Lehren, Rituale usw.) für die persönliche Lebenswelt bedeutsam zu machen und zu nutzen. Auch in Mein Islambuch 1/2 gibt es etliche Elemente aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler. Hier werden diese Elemente aber in der Regel nicht religiös, sondern auf eine ethische Weise oder lebensweltlich, ohne Bezug auf den Islam gerahmt. So ist im Lied „Ich bin ich und Du bist Du. Wenn ich rede, hörst Du zu. Wenn Du sprichst, dann bin ich still, weil ich Dich verstehen will“ (S.59) in keiner Strophe eine religiöse Konnotation erkennbar. Das Lied ließe sich auch in einem Ethik- oder Lebenskunde-Unterricht mit allen Schülerinnen und Schülern singen. Auch bei der Sequenz „ein Glück ist Oma da“ (S.60) geht es nicht um etwas Religiöses; die Geschichte, die Oma erzählt, bzw. das, was die Oma mit dem Enkel macht, hat nichts Religiöses an sich. Die Fragen, die dem Schüler gestellt werden, „Was machst Du, wenn Du nicht ein- Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung schlafen kann?“, „Wer bringt Dich zu Bett?“, können von den Kindern ohne Bezug auf Religion beantwortet werden. Das Kind oder der Jugendliche soll lernen, säkulare, lebensweltlich bedeutsame Ereignisse und Themen auf eine bestimmte religiöse Weise zu interpretieren und zu kommunizieren; und umgekehrt, religiöse Elemente des Islam (…) für die persönliche Lebenswelt bedeutsam zu machen und zu nutzen. In einem Fach „soziales Lernen“ oder Lebensgestaltung ließe sich problemlos ebenfalls mit diesen Buchausschnitten arbeiten. Der Schüler / die Schülerin lernt in solchen Unterrichtssequenzen, dass es allgemeine Werte und Normen gibt, die von den Kindern übernommen werden sollen oder dass es Lebenssituationen gibt, die von jedem Menschen etwas anders und in für ihn bedeutsamer Weise gehandhabt werden. In beiden Schulbüchern, Saphir und Mein Islambuch, gibt es auch Sequenzen zum Verhältnis zwischen Islam und anderen Religionen. Dabei lassen sich zwei Tendenzen feststellen: Zum einen wird ausführlich auf Gemeinsamkeiten hingewiesen: Auch Christen und Juden haben „Bücher“, d.h. heilige Schriften (vgl. Saphir, S.111–122) . Alle Religionen kennen Feiern (z.B. Mein Islambuch, S.86–93; Saphir, S.170). Hier besteht implizit das Ziel, den Kindern und Jugendlichen zu sagen, dass alle (Buch-)Religionen gut sind und dass alle Menschen eine Religion haben oder religiös sind (homo religiosus). Seite 50 In anderen Abschnitten wiederum wird der Vergleich mit anderen Religionen kulturkundlich gestaltet: In Mein Islambuch erzählen Kinder aus verschiedenen Religionen, wie sie feiern – eine idealtypische Erzählung, wie Christen, Juden und Muslime in der Kirche, der Synagoge und in der Moschee ihre Rituale begehen (vgl. Mein Islambuch, S.52–53: „Kinder erzählen“). In Saphir wird durch eine Statistik über die Religionszugehörigkeit der in Deutschland lebenden Menschen ein Stück Faktenwissen zu den Religionsangehörigen in Deutschland vermittelt. Hier geht es um Informationen, die – nach meiner Einordnung – ansatzweise kulturkundlich gerahmt sind ( vgl. Saphir, S.168). 3. Zielbestimmungen in den Schulbüchern Saphir und Mein Islambuch: sowohl Traditionsbewahrung als auch Adressatenorientierung Werden die beiden Bücher mit den hier herausgearbeiteten Zielen einander gegenübergestellt, ergeben sich folgende Befunde und religionswissenschaftliche Einschätzungen: In beiden Schulbüchern ist kaum eine Sequenz zu finden, die einen islamischen oder religiösen Unterrichtsgegenstand kulturkundlich rahmen. Das muss aus einer religionswissenschaftlichen Sicht auch nicht sein; ein solcher Zugang zum Islam eignet sich für einen Religionskunde-Unterricht, an dem sämtliche Schülerinnen und Schüler einer Klasse teilnehmen, besser als für den mit beiden Büchern intendierten religiösen Unterricht, der nur für die muslimischen Schülerinnen und Schüler gedacht ist. Vorgegebene dogmatische Rahmungen – immer im Sinn der islamischen Lehre und deren pädagogischer Umsetzung – gibt es in beiden Büchern. Besonders ausgeprägt erscheint diese Rahmung in Mein Islambuch. In Saphir wird hingegen besonders die Verbindung zwischen der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung und Elementen des Islam – Koranverse, Hadithe, Rituale etc. – betont. Beides sind – aus einer religionswissenschaftlichen Sicht beurteilt – idealtypische Gegenstand–Rahmungs-Konstellationen eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts, der von den jeweiligen Religionsangehörigen besucht wird. Dass die zugelassenen Lernmedien kaum religionskundlich sind, sondern einen dogmatisch und lebensweltlich gerahmten Islam präsentieren, kann als wichtiger Schritt in Richtung eines Islamischen Religionsunterrichts nach Art. 7 Abs. 3 GG gewertet werden (vgl. dazu verschiedene Beiträge in Behr/Rohe/Schmid 2008). In beiden Schulbüchern lassen sich Lehreinheiten erkennen, die „Religion“ als etwas Gutes, Erstrebenswertes darstellen und in denen implizit von Religion als einer anthropologischen Konstante ausgegangen wird. Dieses Lernziel ist aus einer religionswissenschaftlichen Sicht auch in einem bekenntnisgebundenen Religionsunterricht nicht unproblematisch, da hier eine Aussage über alle Menschen und nicht nur über Muslime und andere Religionsangehörige gemacht wird. Eine Ergänzung in dem Sinne, dass neben den sogenannten Buchreligionen auch noch andere Religionen existieren und dass es Menschen ohne Religion gibt, wäre aus einer gesellschaftlichen Perspektive und in der Sicht eines religiös neutralen Staates wünschenswert. Ein solcher Hinweis fehlt in beiden Büchern. Schließlich finden sich vor allem in Mein Islambuch etliche Ausschnitte, die die Lebenswelt der Kinder in Deutschland oder anderswo betreffen und ganz ohne islamische oder anderweitig religiöse Rahmung auskommen. Es handelt sich hierbei nicht eigentlich um eine Form des Religionsunterrichts, sondern um Ethik oder Lebenskunde, wie man sie auch außerhalb des Religionsunterrichts finden kann. Aus einer allgemein-didaktischen Sicht ist zu überlegen, ob gemeinsame gesellschaftliche Werte und Normen, die keine religiöse Rahmung erfahren, nicht besser im Klassenverband gelehrt werden. Bei der Analyse der beiden Schulbücher habe ich noch weitere Beobachtungen gemacht, die nicht systematisch erhoben wurden, jedoch die obigen Resultate stützen: In Mein Islambuch wird mehrheitlich von „Allah“ gesprochen, in Saphir mehrheitlich von „Gott“. In Mein Islambuch gibt es viele Zeichnungen, die fast zeitlos erscheinen. In Saphir sind vorwiegend Fotos aus dem gegenwärtigen Deutschland abgedruckt. Generell finden sich in Saphir viele deutsch-kulturelle Elemente: ein Gedicht von Bertolt Brecht, Bilder des Malers Seite 51 Jedenfalls steht fest, dass die beiden Schulbücher bezüglich ihrer didaktischen Ansätze so unterschiedlich sind, dass eine Kombination – als Schulbücher für dieselben Schuljahre oder auf verschiedenen Jahrgangsstufen – nur schwer vorstellbar ist, auch wenn dies in etlichen deutschen Bundesländern so vorgesehen ist. Paul Klee, ein Zitat von Heinrich Heine, deutsche Musiker usw. Insgesamt gewinnt der Leser den Eindruck, dass Mein Islambuch in verschiedene Sprachen übersetzt und in verschiedenen Ländern eingesetzt werden könnte, ohne viel daran zu ändern. Bei Saphir wäre eine solche Verwendung schwierig, da auch die Inhalte und Abbildungen angepasst werden müssten. Trotz dieser Unterschiede ist bei beiden Schulbüchern sowohl die Traditionsbewahrung als auch die Adressatenorientierung als Ziel erkennbar: In Mein Islambuch wird der Islam als zeit- und ortsunabhängige Grösse dargestellt. Das Schulbuch verfolgt das Ziel der Traditionsbewahrung, indem der Islam als etwas Kulturunabhängiges vermittelt wird, was sich damit leicht von einer Gesellschaft oder Nation in die andere transferieren lässt. In Saphir dagegen wird der Islam als zeit- und ortsabhängige Größe dargestellt. Die Bewahrung des Islam wird mit der Strategie angegangen, ihn in Deutschland zu inkulturieren. Er schließt sich an Unterrichtskonzeptionen an, die in der christlichen Religionspädagogik seit längerem angewendet werden (z.B. Korrelationsdidaktik der katholischen Religionspädagogik, vgl. Baudler 1984). Eine Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung ähnliche Konzeption entwickelte einer der Autoren von Saphir für die islamische Religionsdidaktik (vgl. Harry Harun Behr, Dissertation Universität Bayreuth 2005) und die seit einigen Jahren auch in der Islamdidaktik in der Türkei diskutiert werden (sog. Ankara-Modell von Mualla Selçuk, vgl. Ucar / Sarıkaya 2009). Bei beiden Schulbüchern lässt sich zugleich auch eine Adressatenorientierung festmachen, jedoch wiederum auf unterschiedliche Weise: Der „Islam“, wie er in Mein Islambuch erscheint, könnte für Migrantinnen und Migranten ideal sein, die entweder in ihr Herkunftsland, z.B. in die Türkei zurückkehren wollen, oder sowohl in Deutschland als auch im Herkunftsland ihrer Familie leben, sogenannte Transmigranten (Pries 2010). Dagegen ist der Islam im Schulbuch Saphir eher für einheimische deutsche Musliminnen und Muslime sowie für muslimische Migranten konzipiert, die sich fest in Deutschland niederlassen und ihren Kindern eine dem hiesigen Christentum strukturell ähnliche pädagogische Erziehung angedeihen lassen wollen. Ob man sich diesen Interpretationen zur Traditionsbewahrung und Adressatenorientiertheit anschließen kann oder nicht: Jedenfalls steht fest, dass die beiden Schulbücher bezüglich ihrer didaktischen Ansätze so unterschiedlich sind, dass eine Kombination – als Schulbücher für dieselben Schuljahre oder auf verschiedenen Jahrgangsstufen – nur schwer vorstellbar ist, auch wenn dies in etlichen deutschen Bundesländern so vorgesehen ist. Es gibt zwar einige gemeinsame Elemente – nämlich da, wo es um „Religion im engeren Sinn“ geht, d.h. wo religiöse Gegenstände des Islam dogmatisch gerahmt werden: Gebet, Gott, muslimische Feste. Hier divergieren die beiden Schulbücher kaum. Geht es jedoch um die Bearbeitung säkularer Lebensbereiche, sind die Unterschiede der beiden Bücher unverkennbar: In Saphir werden viele gemeinhin säkulare Lebensbereiche mit dem Islam in Verbindung gebracht. In Mein Islambuch sind hingegen in weit höherem Mass als im Buch Saphir Sequenzen zu finden, die einem Ethik- oder Lebenskunde-Unterricht zuzuordnen sind und – abgesehen von der Fachbezeichnung und der muslimischen Schülerschaft – nicht mit dem Islam in Verbindung gebracht werden. Dennoch kann gesagt werden, dass sich beide Schulbücher den deutschen Rahmenbedingungen oder – wie Yasemine Soysal treffend sagt (1994) – dem deut- Seite 52 schen Inkorporationsregime anpassen: Bekenntnisgebundener Religionsunterricht muss in den meisten Bundsländer auch Ethik und Lebensgestaltung abdecken und konsensfähige Werte vermitteln. Beide Schulbücher werden diesem Auftrag gerecht. Zudem vermitteln beide Schulbücher eine mit der deutschen Gesellschaft kompatible Religiosität: In Mein Islambuch geschieht dies, indem sich Religion – wie in funktional hochdifferenzierten Gesellschaften (Luhmann 1998) üblich – auf einen Kernbereich beschränkt (persönliche und gemeinschaftliche religiöse Rituale, religiöses Wissen, religiöse Bekenntnisse usw.). Beim Saphir werden Koranverse oder die Lebensweise Muhammads an die Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler angebunden oder für diese fruchtbar gemacht. Mit all diesen Befunden ist jedoch noch nicht gesagt, wie die Schülerinnen und Schüler auf die beiden Schulbücher reagieren, welche der oben beschriebenen Gegenstand–Rahmungs-Konstellationen sie selbst vorziehen, welche Inhalte sie sich aneignen, welche sie ignorieren und welche davon ihre Religiosität im Moment und in ihrem zukünftigen Leben als Erwachsene mitbestimmen. 4. Fazit und Ausblick: Religionswissenschaft und Islamische Religionspädagogik In einem Sammelband zum Thema „Islam und Bildung“ schreibt die Soziologin Nikola Tietze: „Fragt man junge Männer nach ihren Selbstbeschreibungen als Muslime, so erfährt man ganz unterschiedliche Dinge. Der eine ist Muslim, weil es seine Eltern schon gewesen sind. Der nächste hat sich dem Islam zugewandt, weil seine Eltern keine oder nur in unzureichender Weise Muslime sind. Ein Fußballer erklärt mir, der Islam gehöre einfach dazu, wenn man ein Ausländer in Wilhelmsburg (Hamburg) ist, während sein Nachbar behauptet, man müsse die jungen Leute vom Islam erst überzeugen, damit sie ihre Würde wiederfinden. [...] Ein Lehrling, der gern deutscher Beamter des Bundesgrenzschutz’ wäre, ist Muslim, weil er nach eigener Aussage ein Türke ist. Sein Freund hingegen, mit dem er in derselben Fußballmannschaft spielt, hofft als Muslim den Christen gleichgestellt zu sein, anstatt ständig als „Türke“ betrachtet zu werden.“ (Tietze, Muslimische Identitäten 2003: 83) Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung In diesen Aussagen widerspiegelt sich die Vielfalt der Aneignungen des Islam und muslimischer Identitäten: Das Spektrum reicht von „Hineingeboren-Werden“ bis hin zu einer bewussten und willentlichen Entscheidung, von einer Religiosität, die einherzugehen scheint mit der Herkunftsnation bis hin zu einer religiösen Identität, die einen sozialen Aufstieg und eine Ebenbürtigkeit mit Christen ermöglicht. Die Religiosität von jugendlichen Musliminnen und Muslimen kann daher sehr unterschiedlich aussehen. Tietze wie auch andere ReligiositätsforscherInnen betonen zudem, wie flexibel und situativ Muslime (und auch andere Religionsangehörige) von ihrer Religiosität Gebrauch machen (vgl. dazu die Beiträge in Bochinger (Hg.) 2012). Solche Religiositätsprofile junger Musliminnen und Muslime und deren Zusammenhang zur religiösen Erziehung müssten die Autorinnen und Autoren solcher Schulbücher interessieren: Welche religiösen Kompetenzen braucht die nachkommende Generation für ein gelingendes Leben in der muslimischen Gemeinschaft und in der Gesellschaft ihres Alltags? Welche Kompetenzen lassen sich im Islamischen Religionsunterricht aufbauen und fördern? Interessieren müsste die Autorinnen und Autoren aber wohl ebenso eine Islamische Theologie, die das islamische religiöse Symbolsystem für die neuen Kontexte der Musliminnen und Muslime – seien es „deutsche“ oder transmigratorische Lebensstile – reflektiert. Die Diskussion um das „richtige“ Schulbuch, um adäquate Gegenstände und Rahmungen und um eine entsprechende Didaktik sollten muslimische Religionspädagoginnen und Religionspädagogen letztlich unter sich führen. Eine in Deutschland beheimatete Islamische Theologie und die von der Religionswissenschaft erfasste Empirie islamischer Gegenwartskulturen (islamische Sozialisationen und muslimische Religiositäten) werden ihnen helfen, einen religionsdidaktischen Diskurs zu etablieren, der die Islamische Religionspädagogik nicht nur hierzulande nachhaltig prägen könnte. Seite 53 Literatur Baudler, Georg: Korrelationsdidaktik: Leben durch Glauben erschließen, Paderborn: Ferdinand Schöningh, 1984. Behr, Harry Harun: Curriculum Islamunterricht: Analyse von Lehrplanentwürfen für islamischen Religionsunterricht in der Grundschule. Ein Beitrag zur Lehrplantheorie des Islamunterrichts im Kontext der praxeologischen Dimension islamisch-theologischen Denkens, www.izir.uni-erlangen.de/ docs/ IZIR_H.Behr_Dissertation_Curriculum_Islam.pdf, 2005. [1.02.12] Behr, Harry Harun / Rohe, Mathias / Schmid, Hansjörg (Hg.): „Den Koran zu lesen genügt nicht!“. Fachliches Profil und realer Kontext für ein neues Berufsfeld. Auf dem Weg zum Islamischen Religionsunterricht, Münster: LIT Verlag, 2008. Bochinger, Christoph (Hg.): Religionen, Staat und Gesellschaft. Die Schweiz zwischen Säkularisierung und religiöser Vielfalt. Zürich: NZZ Libro, 2012. Frank, Katharina: Schulischer Religionsunterricht. Eine religionswissenschaftlich-soziologische Untersuchung. Stuttgart: Kohlhammer, 2010. Gladigow, Burkhard: „Religionswissenschaft im Kontext der Kulturwissenschaften“, in: Ders., Religionswissenschaft als Kulturwissenschaft, Stuttgart: Kohlhammer, 2005, 23– 61. Goffman, Erving: Rahmen-Analyse. Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrungen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1980. Mein Islambuch. Grundschule 1/2, hrsg. von Serap Erkan, Evelin Lubig-Fohsel, Gül Solgun-Kaps und Bülent Ucar unter wissenschaftlicher Leitung von Bülent Ucar, Oldenbourg: Schulbuchverlag, 2009. Pries, Ludger: Transnationalisierung. Theorie und Empirie grenzüberschreitender Vergesellschaftung, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2010. Saphir 5/6. Islamisches Schulbuch, hrsg. von Lamya Kaddor, Rabeya Müller und Harry Harun Behr München: Kösel-Verlag, 2008. Luhmann, Niklas: Die Ausdifferenzierung der Religion, in: Ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie, Band 3, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1998 (1993). Schütz, Alfred / Luckmann, Thomas: Strukturen der Lebenswelt, Konstanz: UVK / UTB, 2003. Luckmann, Thomas: Die unsichtbare Religion, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1967. Soysal, Yasemin N.: Limits of Citizenship, Migrants and Postnational Membership in Europe. Chicago: University Press, 1994. Katharina Frank: Zwischen Adressatenorientierung und Traditionsbewahrung Tietze, Nikola: Muslimische Identitäten, in: Wolf-Dietrich Bukow / Erol Yildiz (Hg.), Islam und Bildung, Opladen: Leske+Budrich, 2003, 83–91. Ucar, Bülent / Sarıkaya, Yasar (Hg.): Entwicklung der modernen Islamischen Religionspädagogik in der Türkei im 20. Jahrhundert, Beiträge zur Islamischen Religionspädagogik, Band 1, Hamburg: Kovač, 2009. Seite 54 Der folgende Beitrag entstand im Rahmen der indonesisch-deutschen Konferenz “Germany-Indonesia Interfaith Dialogue III - Advancing Religious and Cultural Cooperation through Education” in Manado (April 7th-13th, 2013). Harry Harun Behr Tolerance as a Theological and Pedagogic Challenge – an Islamic Perspective Settings Indonesian and German dialogue partners have been discussing the issue that the lines of societal (economic, political, social, cultural) problems, and their solutions, too, are being drawn increasingly along religious demarcations. This circumstance, on the one hand, entails the risk of a secondary religious enhancement of primarily non-religious conflicts. On the other, it provides the opportunity to precisely reach people by the religious ethos when the initiation of attitude changes is necessary for conflict resolution. One of the challenges lies in the vagueness of these demarcations. It has to some considerable extent become unclear where religious spheres of life begin and where they end – especially when religion in its visible and public form turns out to be a matter of lifestyle. Living religions nowadays show a volatile tendency towards radical change in terms of both traditionalism and reform. A lack of awareness to this poses one of the major threats towards political leadership. One of the former leading Indonesian figures in regional conflict resolution (in the Maluku Province), Dr. Sinyo Harry Sarundajang, now Governor of Sulawesi Utara, describes the corresponding “pardoxon … within the democratic system itself ”: “On the one hand, the democratic system is a great opportunity for the emerging and strengthening of universal values such as pluralism, tolerance and inclusiveness. However, concurrently, democracy also gives an opportunity for emerging and resurgent primordial and local bonds which tend to be exclusive, either in the name of religion, ethniticy, class and locality […] The conflict in Maluku is a horizontal or social conflict […] and not a religious conflict.”1 H. H. Behr:Tolerance as a Theological and Pedagogic Challenge – an Islamic Perspective Statements like these are based on real experience and not on mere interfaithvirtuality. They also shed light on the issue of the transformations of societies by education, let alone when almost everything suddenly turns out to be linked to matters of religion. Especially religious representatives deplore a drift of the younger generation into informal, alternative and religious networks. The young ones, however, increasingly do not feel taken care of by the established religious institutions and their passed-down doctrines. They complain about the insufficiently attractive reformulation of theological standards. Therefore, religious institutions face two interrelated challenges: social dynamics within a new religious framework as well as the relevance of the religious tradition for the solution of today’s problems. On the one hand, actors identify the need both to raise the awareness of their religious education staff in institutions and schools for this challenge and to agree on a trans-religious common ethos in terms of shared values and conventional wisdom. On the other, it has become clear that the individuals’ competence to solve their problems on a deregulated scale (i.e. decreasing administrative and judicial regulatory measures) has to be strengthened. It must be kept in mind that this is by far not the singular situation of a culturally multifocal nation like Indonesia. Neither are we talking about specific problems of the Muslim world.2 The venue of social disintegration poses a threat to all open civil societies within their global and pluralistic settings. But in countries dominated by Muslim majorities, to be more precise, religious discourse tends towards three different directions that sometimes Seite 55 show uncomprising tendencies in terms of contradictory perspectives: The question is which direction society should take (the like can nowadays be seen in Egypt): Islam as an inherited tradition and as part of national or ethnical culture, Islam as an issue of intellectual discourse and Islam as device of political agitation. Here the respective output of ethical standards differs. And there is a considerable difference between urban and rural discourse. This leads to the pressing need to develop shared standards in the training of the respective religious education staff together with the future religious opinion leaders. This discourse shall be initiated by both the particular and common dimensions of the training. Theological expertise shall be explicitly incorporated into this process. This has academic as well as non-academic implications. Talking about the academic field, such kind of expertise and training must be inter-disciplinary. Because of its unique cooperation in terms of trans-cultural and inter-faith relations, Indonesia plays a central role in this process. Indonesia is of special interest for various reasons. It has a secular constitution with reference to religion. It is a heterogeneous society as regards religions and faith-groups. Last but not least, its cooperation with the Federal Republic of Germany has a long tradition. Since 2010 the faith-based cooperation has been shaped within the Interfaith Conference. The Indonesian partners have expressed their decisive interest in the new Islamic theology in Germany and their will to invest in the exchange on different levels. At the same time Indonesia offers unique opportunities for German scholars to gain experience with regard to the management of various religious systems and the pluralism of personal creeds and beliefs. Two crucial aspects of freedom are comprised here: The decision to live one’s life accordingly to any religion as well as the decision to live without religion. Not to be a registered member of a religion in terms of teachings, institution and traditions does neither imply being a nonreligious person nor a declared atheist. The grammatical plural of a term like Religionsgemeinschaften in the German Constitution (religious communities, see Art. 7.3 GG) can broadly be understood similarly to the Indonesian tag of Bhinneka Tunggal Ika – Unity in Diversity. The respective Indonesian and German constitutional framings are of special interest, too. The German Constitution (Grundgesetz) provides for the freedom of the spiritual preferences and choices of the individual. It is meant to protect them from undue intervention by state or religious institutions. Besides, there are special means of structural influence religious communities are given to by the Constitution once they are acknowledged by the provincial governments. This refers to the curricula of (confessional, faith-based) spiritual education in public schools, for example. The Indonesian Constitution (UndangUndang Dasar) has undergone four major stages of amendment since 1945.3 Based on the first of the five principles of the so called Pancasila, it may be called deistic since it demands “Belief in an Almighty Deity” – Kepercayaan Kepada Ketuhanan Yang Maha Esa. Discussion on this has been rife since the times of President Soekarno and Mohammed Natsir.4 Natsir (and with him many leaders of Muslim interest groups, movements and political parties affiliated to Islam) would have preferred Kepercayaan Kepada Allah Yang Maha Esa instead. It must be understood that it does not even say Tuhan which would convey an anthropomorphic H. H. Behr:Tolerance as a Theological and Pedagogic Challenge – an Islamic Perspective The grammatical plural of a term like Religionsgemeinschaften in the German Constitution (religious communities, see Art. 7.3 GG) can broadly be understood similarly to the Indonesian tag of Bhinneka Tunggal Ika – Unity in Diversity. Seite 56 concept of “God”. This is why, aside from the two major Christian denominations, Hinduism, Buddhism an Islam, recently a sixth religion was officially acknowledged by Indonesian authorities: Confucianism – surprisingly, one must say, since it is a non-deistic philosophical system. The differentiation between catholic and protestant creed within official perceptions clearly shows that in the current Indonesian debates the focus lies on a somewhat substantial notion: Religions are regarded as bodies of confessions and their systematic emanations in terms of structure and function (culture, arts, buildings, artefacts, religious personnel …). Compared to the perception of “religion” as the right of the individual to define its beliefs, such seems to be a rather essentialistic view. Tolerance exhibits religious as well as non-religious signatures. It is as less the priviledge of religious communities as intolerance is their fault. The current debates on the reform of the Indonesian national curricula on religious topics (the 2013 syllabus) point towards a stronger integration of religious aspects into most of the subjects that are being taught at school. But a slight shift from the confessionalistic towards the denominational approach to religion would put some relief to the constraints that lie on the Indonesian discourse on religious groups. Furthermore, comments on the H. H. Behr:Tolerance as a Theological and Pedagogic Challenge – an Islamic Perspective first principle of the Pancasila imply that the freedom of religious faith (kepercayaan) includes the freedom of the individual not to believe at all (ke-tidakpercayaan). However, on this tricky issue the consensus within some parts of the Indonesian society still seems to lie a long way ahead.5 Synopsis of the Idea of Education Tolerance exhibits religious as well as nonreligious signatures. It is as less the privilege of religious communities as intolerance is their fault. However, the question of tolerance gains particular explosiveness through the increasing religious inclination of primarily non-religious conflicts. Tensions evolve between religions, between different doctrines and traditions within religions, and between religious and secular currents within societies. In order to prevent further social polarization based on religion and weltanschauung, focused programmes considering the following aspects seem to be necessary: • Information and elucidation on controversial topics related to religious thought • Communication in the sense of an open exchange on shared perceptions, experiences, interests and areas of responsibility • Publicity with the inclusion of the media • Willingness to take effect on society by democratic means • The consolidation of a common discourse on the interpretation of Seite 57 the current constitutional framings as part of the parliamentary agenda • Inclusion of the judicial insitutions and law-enforcement in cases of discrimination or violence that are related to religion or faith In the framework of formal education scenarios such programmes have to be conceptualized with regard to these horizons. They also have to describe the announced educational targets (as far as the programme is education-oriented) and the announced results (as far as the programme is activity-oriented) more specifically. Especially for the realms of religion some directives play a leading role. They may help to enhance the relevance of religious thought for social action and thereby increase the credibility of religious ideas, which often stand in stark contrast to their followers’ deeds. The three chapters below also give mention to some important Islamic principles that refer to the dynamics of individual and societal development and improvement: 1. The world must not be interpreted in the light of religious traditions only. Instead, religious traditions have to be reformulated in the light of the given realities. Theology has to face the abuse of religion by particular group interest. It has the responsible duty to save religion from the hostile takeover by those adherents who construct their own exceptional position through the construction of hostile perceptions of the other. Therefore, theology has to bring traditions and contexts into a reasonable balance with the religiosity of the autonomous subject and religious systems of interpretation. Such interpretation must be based on a new culture of the so called [iÊtihÁd] (jCÏX_H) – a common intellectual strive to achieve practical solutions for problems that touch Muslim religious thought.6 These solutions must be designed accordingly to the potential of the involved people. Such must be based on reason and judgement (È¿c; [Îukm], see 19:12 and 38:26 in the Qur’an) and must lead to an improvement of the situation (UdÃ|Æ, bÚtXsH; [maÒlaÎa] or [istiÒlÁÎ]; see 49:9 in the Qur’an).(F7) 2. Willingly or unwillingly, people learn from each other, with or without respect to religion. Beyond normative religious systems and institutions, too, learning has a religious, a spiritual signature. Often H. H. Behr:Tolerance as a Theological and Pedagogic Challenge – an Islamic Perspective A non-negotiable premise to this is freedom (…) from corrupting influences like structural discrimination, poverty, fear or the lack of education. religion can rather be found outside the holy places than within them. However, people do not learn from scripture to scripture or from institution to institution but from heart to heart. Learning happens in encounters. Learning beyond the borders of communities or systems therefore may not only mean to learn something about the other, but from it. Based on this, the most suitable Arabic term for education would not be the widespread [tarbiyya] (U×QoM) which is mostly identified with education (especially when talking about Islamic education) but [tazkiyya] (U×¾qM) instead: The latter term combines a static and dynamic aspect of education: the inward good in terms of the ethics of the subject, and the forward growth in terms of the life-long development of the subject – and of society as a whole. Tazkiyya as an educational target may be understood as the capacity of the individual to lead their own life on the basis of autonomous and reasonable decisions. This is the basic trait of the individual member of the civil society in terms of its social capital (which the state itself depends on but cannot provide for by itself ). A non-negotiable premise to this is freedom ([barÁ’a]; UMDoQ; Qur’an 6:78) from corrupt- Seite 58 ing influences like structural discrimination, poverty, fear or the lack of education.8 With reference to this the Qur’an criticizes the deviation in normative standards of morale and ethics especially in the field of economics.9 Such deviation is called [širk] (½ow; a [mušrik], ½oxÆ, then being God’s shareholder). Here the potential of destroying social life as well as the natural ressources is given because growth is defined pejoratively as [takÁ×ur], o[C¿W, which means more and more (see 102:1-2 in the Qur’an10). Here it becomes clear why, from the Muslim point of view, the controversial issue of economic growth touches general questions of ethics primarily in their religious framing. According to the fundamental Islamic principles of good governance, the political leadership must provide for political peace ([as-salÁm]; ÅÚtÂB), legal security ([al-‘amn]; ÌÆÛB) and social justice ([al-cadl]; Ák¯ÂB) in order to ensure that the people can live their lives in dignity ([karÁma]; UÆBo¾ ; see Qur’an 17:70).11 Hence, the development of the society towards the better depends on the material premises of education as well as on the intellectual and spiritual development of the individual which in Islam is called [takÁmul] (ÄÆC¿W) or [takmÐl] (Ä×Ç¿W; see also 13:11 in the Qur’an12). The standards along which such development can be measured comprise three criteria which need to be balanced: the objective, the societal and the subjective approach.13 3. The fundamental humanistic idea of human solidarity must not be bound to the narrow borders of a confessional brotherhood. The Qur’an itself takes this notion of common human solidarity ([maÒlaÎa]; UdÃ|Æ) as a qualitative criterion ([macrÙf]; µÑo¯Æ) of a spiritual community, too (Qur’an 31:15)14, and it also occurs in many other traditions, not only in mysticism. The idea of the transformability of a narrowly thought concept of solidarity is based on the conviction that in some sense religions and their heritage are inhabited by an instrumental character (without derogating their particular heritage and aesthetics). They regard themselves being indebted to a higher idea, to something actual. The Qur’an does not demand being a Muslim from every human, but it demands being a human from every Muslim. Religions like Islam and others have to pay useful service to this (which according to the Qur’an can be called [manfaca]; U¯·ËÆ; see 80:4).15 It is obvious that this bears consequences for the hermeneutic and exegetic approach to the Holy H. H. Behr:Tolerance as a Theological and Pedagogic Challenge – an Islamic Perspective Scriptures and that theology has to prove its value sailing against the wind here. Hence, those young people of both nations, Indonesia and Germany, should be brought together. They need to qualify outstandingly in the field of theology and they are expected to lead opinions in their respective religious communities in the future. Discussions should focus on the question to which extent new challenges for the respective doctrines will emerge in this context, how traditions and scriptures can be dealt with then, and how both common standards for the various fields of education (the basic curricular principles) and standards in the sense of recommendations to other social protagonists (media, economy, environmental and social issues, politics, etc.) can be found. Here the challenge lies in finding commonly accepted standards to present the religiously different and to deal with it. Both of these are attained and formulated through communication about joint experiences and the agreement upon shared interests. For part of the theologians, the challenge is that apart from the traditions present day aspects develop their own normativity which is more focused on problem-solving. The experience with similar encounters during the exchange between German and Indonesian experts (with the German Foreign Office in summer 2010 and fall 2011) showed: The experience of geographic distance from the well-known familiar discourse milieu, the engagement with almost identical, but mirrored problem horizons in both countries and the academic exchange within the mixed group enhance the potential of problem solving theological thinking. An example of the interpretation (intentional reading; [ta’wÐl], ÄÖÒNW) of the Qur’an in the light of human solidarity Verse ([’Áya], UÖD) 177 of the second chapter ([sÙra], TnÒs) of the Qur’an reads as follows (the segments a.-h. may serve as a reference to further discussion): a. It is not righteousness that ye turn your faces towards east or west. b. But it is righteousness to believe in God and the Last Day and the Angels and the Book and the Messengers. c. And to spend of your substance, out of love, for your kin, for orphans, for the needy, for the wayfarer, for those who ask, and for the ransom of slaves. Seite 59 d. And to hold on regular prayer and regular charity. e. And to fulfil the contracts which ye have made. f. And to be firm and patient, in pain (or suffering) and adversity, and throughout all periods of panic. g. Such are the people who make things come true. h. Who look forward to meet God. Texts like these can be found at random within the Qur’an. In general, they are read as examples of the true Islamic creed: true belief, prayer and charity, keeping words and promises, patience and a God fearing attitude. Especially words like [taqwÁ] (ÓÒ»W, h) are often being translated with the emotional connotation of fear, but actually the word means „taking precaucions“ or „provisions“. It points more or less towards a cognitive concept. Which leads us to the importance of the philological basis ([tafsÐr], o×t·W) as the major hermeneutical access to the exegesis ([ta’wÐl], ÄÖÒNW) of the Qur’an. In Muslim eyes and ears the crucial keywords of this verse refer to Islam as a body of religion in terms of systematic theology with reference to its own symbols and teachings: [‚ÐmÁn] (ÉCÇÖH, belief, b.), [cibÁ- da] (TjCR®, religious acts, a., c., d.), [mucamalÁt] (VÚǯÆ, worldly acts, c., e.) and [iÎsÁn] (ÉCtcH, attitudes, c., f., g., h.). However, the initial it is not ([laysa], u×Â) puts a question mark behind this. What exactly is negated here? The translation offers righteousness as the core meaning of the Arabic term [al-birr] (oãRÂB). To be precise, birr does not mean that. The word has to do with stock or funds as well as firm grounds – all in all something you can rely on, something you can stand on. The word connotes to security and certainty in the sense of the true religion man can trust in. It is related to the Arabic term [barr] (oáQ) for land as an antonym of [baÎr] (odQ) for sea. Verse 17:70 in the Qur’an may serve as an illustration to this: We have given dignity ([karramnÁ], CËÆo¾) to the children of Adam. And borne (carried; [ÎamalnÁhum], ÈÎCËÃÇc) them over land and sea. And provided for them sustenance out of the good things of life. And favoured them far above most of Our creation. The word [ÎamalnÁhum] (ÈÎCËÃÇc) in this verse connotes to the carrying of a baby during pregnancy. Here the Qur’anic H. H. Behr:Tolerance as a Theological and Pedagogic Challenge – an Islamic Perspective picture of God shows motherly and less fatherly traits. It is similar to the Arabic term [raÎma] (UÇcn) which refers to the motherly lap or womb. To Muslim listeners who are familiar with its Arabic tongue, the Qur’an sounds like a mother talking to her children. In this light the verse 2:177 reveals a deeper meaning: It is not the religious acts as such that constitute religion. There is something of higher value behind religion which points more to human nature in general than to Muslim attitude only. Islam, like other religious systems, can be understood as a surface, a tool or a limited and scaled emanation of an underlying idea that is unlimited and unscaled, a kind of objective truth despite individual or collective clusters of creeds, convictions, traditions and lifestyles which are labelled with the Arabic word [dīn] (ÌÖj). This verse indicates those indispensable dimensions of good life which Aristotle would subtitle as ethics and metaphysics. The logic behind, to stick with the third classical Aristotelian item, is the human heart, here indicated by the word Îubb (Sc) in c. The early commentators ([mufassirÙn], ÉÑot·Æ) of the Qur’an understood the term [calÁ Îubbihi] (ÐRc Ôî) in There is something of higher value behind religion which points more to human nature in general than to Muslim attitude only. Seite 60 three different ways: out of love for God, out of love for man (i.e. the recipients of charity mentioned in the verse) or despite the love for the worldly possessions someone calls their own ([al-mÁl], ÁCÇÂB). Some of the Muslim sisters and brothers surely would tend to argue: No, Islam is more than a tool, it is the complete way of life to achieve exactly these higher aims and targets. Islam to them appears to be a system in terms of [širca] (U®ow) and [minhÁÊ] (^CÏËÆ, 5:48) – a system of conclusive ways and means. They would most probably quote verse 5:3 ([al-yauma akmaltu after it has been cooked. Anyway, who wants to eat it without the spices? However, the argument of the metaphysical, ethical and logical uniqueness of a religious system can be made use of by each and every religion that turns toward the three Aristotelian criteria of good life – spirituality, good behaviour and reason. Today have I perfected ([’akmaltu], YÃǾB) your religion for you. And I have bestowed upon you the full measure of My blessings. And I willed that self-surrender ([islÁma], ÅÚsH) unto Me shall be your religion. Furthermore, in this verse, the term [islÁm] (ÅÚsH) is not to be understood as the name of the religion of Islam, but as the qualitative criteria of a human attitude, a religious disposition which in Islam is called [fiÔra] (To¨¶, see 30:30) – an attitude that is not limited to the adherents of Islam and not even restricted to religious thought. When the Qur’an refers to Abraham (Ībrāhīm) as [ÎanÐfan musliman] (æCÇÃtÆ æC·×Ëc; originally Muslim), it is not being stated that he was an adherent of Islam but that he is regarded as a role model of true belief. The characteristics of Muhammad in the Qur’an are widely constructed on this blueprint of Abrahams footsteps (compare in the Qur’an 6:161-165).16 But this is not being denied here – on the contrary: It is not possible to rip the idea of Islam off its cultural and ritual face, just as it is not possible to eliminate the good spices of a delicious chicken curry The spiritual attitude mentioned above is fundamental to human nature in terms of man who, according to a wisdom of Muhammad, was shaped in likeness to God ([Ìalaqal-lÁhu ’Ádama calÁ sÙratihi]; ÐWnÒs lakum dÐnakum ... wa atmamtu calaikum nicmatÐ ... wa raÃÐtu lakumul-islÁma dÐna]; È¿×î YÇÇWB Ñ ... È¿ËÖj È¿Â YÃǾB ÅÒ×ÂB æCËÖj ÅÚsßB È¿Â Y×¢n Ñ ...ØXÇ¯Ê H. H. Behr:Tolerance as a Theological and Pedagogic Challenge – an Islamic Perspective Ôî ÅjD ÐÃÂB ¼Ãg; # 58 in the aÒ-ÑaÎÐfa aÒÑaÎÐÎa of ÍamÁm ibn Munabbih, also to be found in the collection of Muslim). The sentence [al-yauma ’akmaltu lakum dÐnakum] (È¿ËÖj È¿Â YÃǾB ÅÒ×ÂB ) has a deeper meaning, too: The word-group of [kamila] (ÄǾ) refers to things that still need to be completed, its connotations are not static but dynamic, they have to do with movement. Thus, with verse 5:3, Islamic theology does not come to an end, it’s the starting point for mankind to come to terms with God, with the world and with each other in the sense of today your life has begun… In current theories, learning is defined by change in behaviour. To bring this change about, movement is necessary. This may be a travel from Germany to Indonesia or vice versa. About 20 verses of the Qur’an appeal to this: [sÐrÙ fil-‘arÃ] (¡nÛB ض BÑo×s) … Why don’t you travel around and look and learn? The Qur’an mentions the travel on the land or on the sea. That refers to the physical topography. But as it was lined out above, both terms also refer to the spiritual topography: The movement of the bodies entails the movement of the hearts. The fragile security in terms of common grounds ([birr]; oãQ) may quickly turn into the prospect of drowning in confusion and falsehood ([baÎr]; odQ). Man is in need of God’s caring hands in both spheres, land and sea, and both physically and spiritually ([ÊasadÐ wa rÙÎÐ], ØcÑn Ñ Õkt_). The fact that airplanes are not mentioned in the Qur’an may pass as a tribute to the early biography of the book and must not be read as a limitation posed by the Islamic systems of norms and methods ([šarÐca]; U¯Öow). On the contrary: As one of my staff put it in one of her recent publications: Religious education should aim at providing the youth with wings – we must teach them to fly.17 That was after she had come to Indonesia for the first time in her life … by plane. Seite 61 (1) Sarundajang, Sinyo Harry: Leadership in Plural Society”, UNI-Maliki Press: Malang 2013, pp. 3, 15, 16 (2) A glance on the the uprising of the radical buddhist 696-movement against the Muslim minority in Myanmar reveals an emabarrasing kind of public and political indifference towards the violent upheaval in the streets. The highly regarded figurehead of the democratic oppositon, Aung San Suu Kyi, has remained surprisingly silent during the past weeks of unrest fired by religious sentiment (something which might be intended by her political opponents who, according to some, are held responsible for kindling the fire). (3) Drs. Marsono: UUD 1945. Susunan Dalam Satu Naskah. Dengan Perubahan-Perubahannya 1999-2002. Eko Jaya: Jakarta 2002. (4) Natsir was strongly influenced by Agus Salim, one of the founding fathers of the Indonesian Republic with a unique blending of secular and islamic-religious thought. Natsir was also a member of the Pemerintah Revolusioner Republik Indonesia/PRRI (a Sumatra-based rebellion of parts of the army) and of the Petisi 50 (a group of intellectuals who criticized the former president Soeharto for misusing the Pancasila to suppress political opponents). He later founded the Dewan Dakwah Islamiyah Indonesia. (5) As Imam Budi Prasodjo puts it: “It’s too early for that. Maybe in Germany you have the experience of a discourse in process, but here things tend to be more controversial.” Imam is the founding figure of the Nurani Dunia Foundation, Head of the CERIC (Centre for Research and Intergroup Relations) and member of the KPK (Komisi Pemberantasan Korupsi). For details see ZRLI (Zeitschrift für die Religionslehre des Islam) issue 12, December 2012), free download via www.izir.de. (6) See also al-cAlwani, Taha Jabir: Ijtihad. International Institute of Islamic Thought publications (IIIT). Herndon (Virginia) and London 1993. (7) [And when the son was born and grew up, he was told,] “O John! Hold fast unto the divine writ with [all thy] strength!”, for We granted him wisdom while he was yet a little boy … (19:12); O David! Behold, We have made thee a [prophet and, thus, Our] vicegerent on earth: judge, then, between men with justice, and do not follow vain desire… (38:26); Hence, if two groups of believers fall to fighting, make peace between them; but then, if one of the two [groups] goes on acting wrongfully towards the other, fight against the one that acts wrongfully until it reverts to God’s commandment; and if they revert, make peace between them with justice, and deal equitably [with them]: for verily, God loves those who act equitably! (49:9). (8) Then, when he beheld the sun rising, he said, „This is my Sustainer! This one is the greatest [of all]!“ But when it [too] went down, he exclaimed: „O my people! Behold, I am free (innÐ barБun) from what you ascribe divinity to, as you do, beside God! (6:78). (9) And out of whatever He has created of the fruits of the field and the cattle, they assign unto God a portion, saying, „This belongs to God“ or so they [falsely] claim, „and this is for those beings who, we are convinced, have a share in God‘s divinity.“ But that which is assigned to the beings associated in their minds with God does not bring [them] closer to God, whereas that which is assigned to God brings [them but] closer to those beings to whom they ascribe a share in His divinity. Bad, indeed, is their judgment! And, likewise, their belief in beings or powers that are supposed to have a share in God‘s divinity makes [even] the slaying of their children seem goodly to many of those who ascribe divinity to aught beside God, thus bringing them to ruin and confusing them in their faith. Yet, unless God had so willed, they would not be doing all this: stand, therefore, aloof from them and all their false imagery! And they say, „Such-and-such cattle and fruits of the field are sacred; none may eat thereof save those whom we will [to do so]“. So they [falsely] claim. And [they declare that] it is forbidden to burden the backs of certain kinds of cattle; and there are cattle over which they do H. H. Behr:Tolerance as a Theological and Pedagogic Challenge – an Islamic Perspective not pronounce God‘s name falsely attributing [the origin of these customs] to Him. [But] He will requite them for all their false imagery. (6:136-138) (10) The mutual rivalry for piling up diverts you until you visit the graves … (102:1-2). (11) We have indeed conferred dignity on the children of Adam, and borne them over land and sea, and provided for them sustenance out of the good things of life, and favoured them far above most of Our creation… (17:70). (12) … Verily, God does not change men‘s condition unless they change their inner selves; and when God wills people to suffer evil [in consequence of their own evil deeds], there is none who could avert it: for they have none who could protect them from Him (13:11). (13) See Behr, Harry Harun: Du und ich. Zur anthropologischen Signatur des Korans. To be issued in summer 2013. (14) ‘[Revere thy parents;] yet should they endeavour to make thee ascribe divinity, side by side with Me, to something which thy mind cannot accept [as divine], obey them not; but [even then] bear them company in this world’s life with kindness (ÒÁÎibhumÁ fÐd-dunia macrÙfÁ), and follow the path of those who turn towards Me. In the end, unto Me you all must return; and thereupon I shall make you [truly] understand all that you were doing [in life] (31:15). (15) … or have been reminded [of the truth], and helped by (fa-tanfacahu) this reminder (80:4)? (16) Say: „Behold, my Sustainer has guided me onto a straight way through an ever-true faith, the way of Abraham, who turned away from all that is false, and he was not of those who ascribe divinity to aught beside Him.“ Say: „Behold, my prayer, and (all] my acts of worship, and my living and my dying are for God [alone], the Sustainer of all the worlds, in whose divinity none has a share. For thus have I been bidden, and I shall [always] be foremost among those who surrender themselves unto Him.“ Say: „Am I, then, to seek a sustainer other than God, when He is the Sustainer of all things?“ And whatever [wrong] any human being commits rests upon himself alone; and no bearer of burdens shall be made to bear another‘s burden. And, in time, unto your Sustainer you all must return. And then He will make you [truly] understand all that on which you were wont to differ. For, He it is who has made you inherit the earth, and has raised some of you by degrees above others, so that He might try you by means of what He has bestowed upon you. Verily, thy Sustainer is swift in retribution. Yet, behold, He is indeed muchforgiving, a dispenser of grace (6:161-165); see also Behr, Harry Harun: Die Abraham-Konstruktion im Koran. In: Harry Harun Behr, Daniel Krochmalnik und Bernd Schröder (Hg.): Der andere Abraham. Theologische und didaktische Reflektionen eines Klassikers. Reihe Religionspädagogische Gespräche zwischen Juden, Christen und Muslimen. Verlag Frank & Timme. Berlin 2011. Seiten 109-145 (17) Salama, Dina: Flügel sind zum Fliegen da. In: Zeitschrift für die Religionslehre des Islam. Jahrgang 6, Heft 12, Dezember 2012, pp. 16-27 (free download via www.izir.de). Seite 62 Zu den Autorinnen und Autoren Georg Brubacher, 90, war Professor am Institut für Biochemie an der Medizinischen Fakultät der Universität Basel und Ernährungswissenschaftler bei Hoffmann La Roche. Daneben veröffentlichte er Gedichtbände. Gül Solgun-Kaps ist muslimische Lehrerin mit Funktionsaufgaben und Fachbetreuerin im Bereich Islam und Integration. Sie berät die Bayerische Staatsregierung in Fragen von Islam und Integration. Katharina Frank ist Religionswissenschaftlerin und Soziologin. Sie ist Expertin für unterschiedliche Modelle religiöser, insbesondere auf den Islam bezogenen Unterrichts in der Schweiz und für islamische Unterrichtsmaterialen. Harry Harun Behr, geboren 1962, ist Inhaber der Professur für Islamische Religionslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich von Islam und Bildung. Die FAU ist einer der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Stiftung Mercator geförderten Schwerpunktstandorte für Islamische Theologie in Deutschland. Fahimah Ulfat ist Lehrerin, Autorin und Kollegiatin am Graduiertenkolleg Islamische Theologie der Stiftung Mercator. Sie promoviert an der Universität Erlangen-Nürnberg über „Die subjektivrelative Wertdimension als Schlüssel zum Gottesbild muslimischer Kinder“. Zuvor studierte sie in Essen Lehramt und arbeitete als Grundschullehrerin. Herausgegeben von Harry Harun Behr (v. i. S. d. P.) Emel und Amin Rochdi Interdisziplinäres Zentrum für Islamische Religionslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Regensburger Straße 160 90478 Nürnberg www.izir.de Satz & Layout: Yasmine Behr Dieses Dokument ist durch eine creativecommonsLizenz urheberrechtlich geschützt. 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