D E R B E S O N D E R E FA L L Schweiz Med Forum 2007;7:770–771 770 Visusverlust und einseitiger nichtpulsierender Exophthalmus Andreas Ebnetera, Martin Zinkernagela, Elena Catalanoa, Rolf Studerb, Peter Bischoffa Kantonsspital St. Gallen a Augenklinik, b Hals-Nasen-Ohren Klinik Summary Loss of visual acuity in patients with unilateral non-pulsating exophthalmus We report the case of a 65-year-old male patient presenting with rapid loss of visual acuity, proptosis and restriction of the movements of his left eye. Despite prompt surgical drainage of a tumorous lesion compressing the optic canal, there was no recovery of vision during follow-up. The histopathology studies established the diagnosis of a diffuse large B-cell non-Hodgkin’s lymphoma. A high index of suspicion of compressive optic neuropathy is necessary to prevent unfavorable outcomes in patients with clinical signs of unilateral proptosis who exhibit rapid loss of visual acuity. Fallschilderung Wir berichten von einem 65jährigen Patienten, der uns notfallmässig wegen Visusverlustes, Exophthalmus und Motilitätseinschränkung am linken Auge zugewiesen wurde. Vier Tage zuvor hatte er wegen Schmerzen im Bereich des linken Oberkiefers mit Ausstrahlung zum linken Auge einen Zahnarzt konsultiert, der bei Verdacht auf eine Sinusitis maxillaris mit einer antibiotischen Therapie und nichtsteroidalen Antirheumatika begonnen hatte. Bei ausbleibender Besserung kam es laut Angaben des Patienten, die jedoch zum Teil widersprüchlich waren, in den folgenden Tagen zu einem progredienten Visusverlust. Im Status fanden wir auf der linken Seite einen nichtpulsatilen Exophthalmus von 6 mm. Die Motilität war im Auf-, Ab- und Seitenblick deutlich eingeschränkt. Die Pupillen waren isokor mit einem linksseitigen Afferenzdefizit. Am linken Auge wurde eine fehlende Lichtperzeption festgestellt. Die vorderen Bulbusabschnitte waren reizlos, die brechenden Medien klar, die Fundusbefunde unauffällig. Der linke Sinus maxillaris war klopfdolent, die Nasenatmung war linksseitig nicht möglich. Endonasal zeigte sich ein die ganze Nasenhaupthöhle verlegender, von glatter Schleimhaut begrenzter Tumor mit vermehrten oberflächlichen Gefässzeichnungen. Im MRI zeigte sich ein expansiver Prozess der Nasenhaupthöhle mit Ausdehnung in den linken Sinus maxillaris, den Sinus sphenoidalis, das Ethmoid und die linke Orbita unter Verlust der Knochenlamellen und mit Einbezug des Canalis opticus (Abb. 1 x). Weiter wurde eine Vorwölbung in die vordere und mittlere Schädelgrube sowie in die Fossa pterygopalatina festgestellt. Bei radiologischem Verdacht auf eine Mukozele und akutem bis subakutem Visusverlust wurde durch die Kollegen der Hals-Nasen-Ohren-Klinik notfallmässig eine transnasale endoskopische Entlastung durchgeführt. Intraoperativ zeigten sich solide und liquide Anteile des Tumors, die teilweise entfernt wurden. Unmittelbar postoperativ war der Bulbus weich und der Exophthalmus deutlich regredient. Histologisch fanden sich teils nekrotisch zerfallende Anteile eines diffusen grosszelligen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms (Institut für Pathologie, Kantonsspital St. Gallen). Der Patient wurde für die weitere Behandlung den Kollegen der onkologischen Klinik überwiesen, die eine Chemotherapie einleiteten. Im Staging fanden sich keine weiteren Tumormanifestationen. Obwohl der Exophthalmus im weiteren Verlauf vollständig regredient war, persistierte die linksseitige Amaurose. Kommentar Tumoren der Orbita sind selten. Es wird zwischen primären, die sich aus Geweben der Orbita bilden, und sekundären Tumoren unterschieden, die Abbildung 1 Natives, T1-gewichtetes, axiales MRI. Kompression des Nervus opticus im Bereich des Canalis opticus (Pfeil) durch die Raumforderung in der Nasenhaupthöhle und in der linken Orbita. D E R B E S O N D E R E FA L L aus der Umgebung einwachsen oder als Fernmetastasen entstehen. Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen sind der häufigste Ausgangsort für primär extraorbitale Erkrankungen, die zu einem Exophthalmus und zu einer Kompression des Nervus opticus führen [1]. Der häufigste primäre maligne Orbitatumor beim Erwachsenen ist das Lymphom. Das kavernöse Hämangiom ist der häufigste primäre benigne Tumor der Orbita mit gehäuftem Auftreten im mittleren Lebensalter. Bei den Tumoren des Sehnervs steht im Erwachsenenalter das Optikusmeningeom an erster Stelle. Zu den primären Orbitatumoren zählen ferner die Tränendrüsentumoren und Dermoidzysten. Differentialdiagnostisch ist auch an entzündliche oder infektiöse raumfordernde Veränderungen wie einen Pseudotumor orbitae oder einen Orbitaabszess zu denken. Sehr selten, jedoch äusserst rasch progredient und in der Hälfte der Fälle letal ist die Mucor-Mykose. Bei den sekundären Orbitatumoren ist das Plattenepithelkarzinom, ausgehend von den Nasennebenhöhlen, die häufigste per continuitatem einwachsende Entität. Bereits erwähnt wurde das Lymphom, das die Orbita oftmals auch sekundär befällt. Nicht zu vergessen sind Fernossäre Tumoren, Meningeome oder Aderhautmelanome [2]. Nasennebenhöhlen und die Nasenhaupthöhle sind ungewöhnliche Lokalisationen für Lymphome. Histologisch handelt es sich fast ausschliesslich um Non-Hodgkin-Lymphome. Diese treten in der Hals- und Kopfregion in weniger als 5% der Fälle extranodal auf, werden häufig erst nach einem chirurgischen Eingriff diagnostiziert und initial oft als Mukozele oder Pyozele verkannt [3]. Dies sind zystenähnliche Strukturen, die durch Abflussbehinderungen im Bereich der Drainagewege des Nasennebenhöhlensystems Schweiz Med Forum 2007;7:770–771 771 entstehen. Oftmals breiten sie sich durch Expansion und Erosion von knöchernen Strukturen bis in die Orbita aus. Auch eine intrakranielle Fortsetzung ist möglich [1]. Die Grössenzunahme kann langsam oder, vor allem nach einem Durchbruch durch ossäre Strukturen, rasch progredient sein. Die Visusbeeinträchtigung ist bei Tumoren des Apex der Orbita initial ein wichtiges Symptom. Bei rasch eingetretener Sehnervenkompression finden sich anfangs keine Papillenveränderungen. Schmerzen fehlen häufig und sind ein Zeichen einer Knochenbeteiligung. In späteren Stadien kann es zu einem Exophthalmus, einer Bulbusverlagerung und zu Doppelbildern aufgrund von Motilitätsstörungen kommen. Ein koronares und axiales MRI ist hinsichtlich des Weichteilkontrastes dem CT überlegen und daher bei Nasennebenhöhlentumoren die bildgebende Methode der Wahl. Das koronare und axiale CT ist zur Differentialdiagnose eines Prozesses mit ossärem Ursprung und bei der präoperativen Evaluation der knöchernen Anatomie hilfreich [4]. Bereits kleine Läsionen im posterioren Ethmoid, die keine Motilitätsstörung oder Bulbusverlagerung verursachen, können zu einer kompressiven Optikusneuropathie und Blindheit führen. Entscheidend ist der Einbezug des Canalis opticus [5]. Die Kompression des Sehnervs kann sich in einer chronisch progredienten, aber auch in einer akuten Visus- und Gesichtsfeldabnahme manifestieren. Bei einer akuten Kompressionsneuropathie des Nervus opticus ist eine schnelle Dekompression von entscheidender Bedeutung, um das allenfalls vorhandene Erholungspotential möglichst auszuschöpfen [4]. Literatur Korrespondenz: Dr. med. Andreas Ebneter Augenklinik Kantonsspital Rorschacher Strasse 95 CH-9007 St. Gallen [email protected] 1 Kersten RC, Codère F, Dailey RA, Garrity JA, Nerad JA, Popham JK, et al., editors. Orbit, eyelids, and lacrimal system (basic and clinical science course 2004–2005). San Francisco: American Academy of Ophthalmology; 2004. 2 Aviv RI, Miszkiel K. Orbital imaging. Part 2. Intraorbital pathology. Clin Radiol. 2005;60:288–307. 3 Nemeth AY, Deckel Y, Kourt G. Orbital invasion of frontal sinus lymphoma. Orbit. 2006;25:149–51. 4 Yoshida K, Wataya T, Yamagata S. Mucocele in an Onodi cell responsible for acute optic neuropathy. Br J Neurosurg. 2005;19:55–6. 5 Yamaguchi K, Ohnuma I, Takahashi S, Fuse T, Aoyagi M, Nagahata M, et al. Magnetic resonance imaging in acute optic neuropathy by sphenoidal mucocele. Int Ophthalmol. 1997;21:9–11.