Thomas Poehlke GK3 Psychiatrie - Die Schwarze

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Thomas Poehlke
GK3 Psychiatrie - Die Schwarze Reihe
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GK3 Psychiatrie - Die Schwarze Reihe
of Thomas Poehlke
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7 Somatoforme und dissoziative Störungen
7
Somatoforme und
dissoziative Störungen
7 Somatoforme und dissoziative Störungen7 Somatoforme und dissoziative Störungen
H01
Frage 7.1: Lösung B
Zu (B): Die Fugue (Poriomanie) beschreibt ein Verhalten, bei dem Menschen in verändertem Bewusstseinszustand ihren Wohnort verlassen, wobei
sie sich allerdings offenbar zielgerichtet und nach
außen hin unauffällig verhalten. Für den Zeitraum
der Fugue besteht eine Amnesie. Sie zählt zu den
Konversionsstörungen.
Zu (A): Als Pyromanie wird die pathologische
Brandstiftung bezeichnet.
Zu (C): Als Abasie und Astasie wird ein innerhalb
der Konversionsreaktionen auftretendes Verhalten
bezeichnet, bei dem der Betroffene typische Formen von Lähmungen, hier mit der Unfähigkeit zu
gehen oder zu stehen, aufweist. Dies kann bis hin
zu kompletter motorischer Reglosigkeit gehen,
was dem im Tierreich zu beobachtenden Totstellreflex ähnelt.
Zu (D): Als Hypomanie wird eine leichte Form der
Manie mit gehobener und heiterer Stimmungslage
bezeichnet.
Zu (E): Trichotillomanie beschreibt das zwanghafte Ausrupfen von Haaren, ob Kopfhaar, Augenbrauen, Wimpern oder Körperbehaarung.
F01
!
Frage 7.2: Lösung E
Zu (A)–(D): Hypochondrische Syndrome sind beschreibbar als eine extrem besorgte Einstellung
des Patienten seinem Körper gegenüber. Die
ängstliche Selbstbeobachtung führt dabei zu einer ausgeprägten Krankheitsfurcht, die durch qualvolle Phantasien gekennzeichnet ist. Die Besorgnis
richtet sich überwiegend auf Organsysteme (A),
wie etwa den Magen-Darm-Trakt, Harn- und Geschlechtsorgane, Gehirn oder Rückenmark. Durch
die intensive Betrachtung und Beschäftigung mit
an sich physiologischen Vorgängen können vegetativ innervierte Organe in ihrer Funktion verändert wahrgenommen werden (B) und schließlich
tatsächlich harmlose vegetative Funktionsstörungen entstehen, die wiederum die hypochondrischen Befürchtungen verstärken (Tölle). Es besteht
eine Unabweisbarkeit in der Überzeugung der
vermeintlichen Erkrankung (C). Depressionen
(D) können ebenso wie andere schwerwiegende
Erkrankungen im Zusammenhang mit dem hypo-
chondrischen Syndrom beobachtet werden: Schizophrene äußern hypochondrische Befürchtungen
genauso wie etwa sonst Gesunde oder depressive
Patienten. Als Entstehungsbedingung wird die
sensitive Persönlichkeitsstruktur angesehen, bei
der die eigene Unsicherheit eine Voraussetzung
zur Symptomatik bildet. Psychodynamisch wird
von einer Verschiebung der Aufmerksamkeit auf
begrenzte Körperregionen ausgegangen, die bei
abzuwehrenden Ängsten eintritt. Diese wiederum
stellen aufgestaute aggressive oder sexuelle Erlebnisinhalte dar.
Zu (E): Typisch ist die Umstellung der Empfindung
von gesund auf krank schon bei Medizinstudenten
in früheren Semestern! Dies widerlegt auch die
hier aufgestellte Behauptung, nur Personen über
dem 50. Lebensjahr könnten die Erstmanifestation
zeigen.
H90
Frage 7.3: Lösung E
„Interpersonelle Dynamik“ ist ein Begriff aus der
Systemischen (Familien-)therapie, in der systemische Zusammenhänge und interpersonelle Beziehungen in einer Gruppe als Grundlage für die
Diagnose und Therapie von seelischen Beschwerden und interpersonellen Konflikten betrachtet
werden. Es werden 3 Interventionsebenen unterschieden: die Ebene der interpersonellen Dynamik
(Beziehungsmuster, Kommunikation), die Ebene
der intrapsychischen Prozesse (Wahrnehmen, Denken, Fühlen bis hin zum Handeln) und die Ebene
der Wirklichkeitskonstruktionen (Bedeutungsgebungen, Grundannahmen).
Zu (1): Delegation: Der Begriff der Delegation ist
z. B. in der Heidelberger dynamischen Familientherapie-Konzeption (H. Stierlin) von zentraler Bedeutung. Danach werden Aufträge, Konflikte, Wünsche
etc. unbewusst von den Eltern an ihre Kinder vermittelt und damit für diese handlungsbestimmend
(z. B. Wunderkinder als Delegierte im Dienst des
Ich-Ideals der Eltern, das diese nicht zu erreichen
vermochten). Dabei wird zwischen „Ich“-(Realitätsbewältigung, Vollbringen intellektueller Leistungen), „Es“-(stellvertretendes Ausleben von Triebbedürfnissen) und „Über-Ich“-Aufträgen (Gewissensentlastung, Realisierung bestimmter Ideale, Selbstbeobachtung) des oder der Delegierenden unterschieden. Eine Delegation muss nicht immer pathologisch sein. Sie entspricht aber oft nicht den
altersadäquaten Bedürfnissen des Kindes, sondern
führt zu Überforderung und Konflikten (Auftragsund Loyalitätskonflikte).
Poehlke, GK3 Psychiatrie (ISBN 9783131129772), © Georg Thieme Verlag KG
7 Somatoforme und dissoziative Störungen
Zu (2): Double-bind: Eine zwischenmenschliche
Beziehungssituation, die durch paradoxes Kommunikationsverhalten gekennzeichnet ist. Die vermittelten Botschaften sind widersprüchlich und
heben sich gegenseitig auf. Da der Empfänger dieser Mitteilungen nicht entscheiden kann, auf welche der Botschaften er reagieren soll, kann er sich
nicht anders als „falsch“ verhalten („Beziehungsfalle“). Möglicherweise fördert dieses Kommunikationsverhalten das Auftreten von Schizophrenie.
Zu (3): Kollusion: Bezeichnung für das „unbewusste“
und uneingestandene Zusammenspiel in Partnerbeziehungen. Besondere Bedeutung hat das Kollusionskonzept durch J. Willi in der Partnertherapie erlangt.
Danach beruht die Partnerwahl auf gleichartigen, unbewältigten Grundkonflikten (narzisstisch, oral, analsadistisch und phallisch-ödipal), wobei die Partner unterschiedliche Positionen/Rollenverteilungen (regressive oder progressive Position) einnehmen. Durch die
komplementäre Partnerwahl und die damit verbundenen zentralen Beziehungswünsche werden gegenseitige Bedürfnisse erfüllt.
H00
!
Frage 7.4: Lösung C
Zu (C): Als Projektion wird ein Vorgang aus dem
Bereich der (psychoanalytisch interpretierten) Abwehrvorgänge bezeichnet, bei dem eigene Probleme oder Impulse, die man bei sich selbst ablehnt,
auf andere Menschen übertragen werden. Dort
können sie dann thematisiert und auch kritisiert
werden.
Zu (A): Als Wendung ins Gegenteil wird ein Vorgang bezeichnet, bei dem nicht akzeptierte Verhaltensweisen durch die Triebumkehr aufgehoben
werden. Statt Aggression kommt es zu überfürsorglicher Zuwendung.
Zu (B): Sublimierung bezeichnet Regungen und
Affekte, die unter Aufgabe des ursprünglichen Ziels
auf ethisch akzeptierte Ziele verlegt werden.
Zu (D): Als Regression wird der Rückzug auf frühkindliche Verhaltensmuster mit damit verbundener
Aufhebung von Verantwortung bezeichnet.
Zu (E): Verschiebung bezeichnet einen Vorgang,
bei dem Impulse auf Ersatzobjekten ausagiert werden. Sie sind im Vergleich zu den primären Bedürfnissen weniger gefährlich oder leichter erreichbar.
H01
F99
Frage 7.5: Lösung E
Zu (A) und (E): Die Neurosenlehre kennt verschiedene Formen der Abwehr. In dieser Frage wird die
365
Reaktionsbildung (E) beschrieben, definitionsgemäß geht sie noch über die Verschiebung (A) hinaus. Während in der Verschiebung ein Austausch
von Triebobjekt und Ersatzobjekt erfolgt, sodass
Triebe am Ersatzobjekt frei entladen werden können, ohne Ängste zu verursachen, kommt es bei
der Reaktionsbildung zur völligen gegenteiligen
Umformung: Aus Hass wird Zärtlichkeit, aus Neid
wird Hingabe! Eine typische Form der Reaktionsbildung liegt vor, wenn der Betroffene überdurchschnittlich ordnungsliebend ist, sich an Disziplin
klammert, um nicht zu verkommen etc.
Zu (B): Projektion beschreibt die unbewusste Verlagerung eigener Vorstellungen und Impulse auf
andere Menschen. An ihnen werden dann eigene
Regungen wahrgenommen und eventuell auch kritisiert. Das eigene ICH wird reingehalten und gefährliche Impulse abgewehrt. Einzelne Qualitäten
der Projektion sind für den Betroffenen selbst eine
Gefahr, wenn etwa aggressive Impulse projiziert
werden und daraus Verfolgungsideen entstehen.
Zu (C): Von Rationalisieren wird gesprochen,
wenn unbewusste Triebinteressen verschleiert
werden. Es handelt sich um eine „rationale Scheinbegründung“. Meinungen und Handlungen werden
ohne tatsächliche inhaltliche Substanz zu erklären
versucht.
Zu (D): Sublimierung drückt das Umlagern von
Triebenergie auf Ziele aus, die gesellschaftlich
nicht sanktioniert werden. Hier ist beispielsweise
die Sublimierung sexueller Triebe in künstlerische
Energie zu nennen.
F91
Frage 7.6: Lösung E
Abwehr ist die Gesamtheit der psychischen Vorgänge, die dazu dienen, unlustvolle und/oder Angst
erzeugende „Inhalte“ (Triebimpulse, Vorstellungen,
Erinnerungen usw.) dem Bewusstsein fernzuhalten.
Dieser Abwehrvorgang geschieht durch mehr oder
weniger in das Ich integrierte Abwehrmechanismen. Abgewehrt wird also immer Angst und Unlust, wobei sich die Abwehrmechanismen gegen
ein Triebmotiv richten. Grundsätzlich kann jeder psychische Vorgang für Zwecke der Abwehr eingesetzt werden. Besonders Anna Freud hat sich um eine Systematisierung dieser Vorgänge bemüht. Die bestimmenden Operationstypen sollen dabei je nach
Erkrankungstyp (z. B. Verdrängung bei der hysterischen Neurose, Verschiebung bei der Phobie,
Wendung gegen die eigene Person bei der neurotischen Depression und Reaktionsbildung bei der
Zwangsneurose), Entwicklungsstand des Abwehr-
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7 Somatoforme und dissoziative Störungen
konfliktes und genetischer Stufe verschieden sein.
Abwehrmechanismen sind nicht grundsätzlich
„pathologische“ Vorgänge, sondern finden sich
ubiquitär. Sie gewinnen ihre „Pathogenität“ erst
durch ihre Intensität, Dauer, unzureichende Differenzierung, Rigidität, Realitätsverzerrung und Unangemessenheit. Der Begriff der Verdrängung dient einerseits als Oberbegriff für alle Vorgänge des „Unbewusstmachens“, andererseits aber auch als spezifischer Abwehrmechanismus, durch den mit einem
Trieb zusammenhängende Vorstellungen in das
Unbewusste „verdrängt“ werden. Beispiele für Abwehrmechanismen sind
• Reaktionsbildung (Wendung ins Gegenteil):
Umkehr nicht akzeptabler Triebwünsche, Verhaltensweisen, Motive usw. in gegenteilige,
entgegengesetzte Einstellungen und Verhaltensweisen.
• Sublimierung: Verschiebung von Triebenergien auf soziale, ethische oder künstlerische
Ziele/Handlungen.
• Intellektualisierung: nachträgliche logische
Begründung emotionaler Vorgänge, Verhaltensweisen, Gedanken usw.
• Introjektion: Übernahme (Verinnerlichung) von
Erlebnis- und Verhaltensweisen anderer Personen.
• Projektion: Verlagerung von unlustbetonten
Vorstellungen/Impulsen in die Umwelt.
Internalisierung beschreibt in der Psychoanalyse
einen Prozess der „Verinnerlichung“, der besonders bei der Entstehung des Gewissens eine Rolle
spielt.
Weitere Abwehrmechanismen nach Anna Freud
sind Verdrängung, Regression, Isolierung, Verkehrung ins Gegenteil, Ungeschehenmachen, Wendung gegen die eigene Person, Idealisierung, Identifizierung mit dem Angreifer, Verleugnung etc.
F00
Frage 7.7: Lösung C
Zu (C): Unter Sublimierung wird psychoanalytisch
die Umwandlung von sexueller Triebenergie in sozial hoch bewertete oder zumindest akzeptierte
Formen der Aktivität bezeichnet. Nach dieser
Theorie wird hierbei im Gegensatz zur reinen Abwehr im unbewussten Vorgang der Sublimierung
nicht das Es vom Ich gehemmt, sondern vielmehr
verhilft das Ich zu äußerer Aktion und Triebabfuhr.
Abwehrmechanismen dienen dazu, dem Bewusstsein unerträgliche, nicht kompatible, peinliche oder
auch gefährliche Konfliktkonstellationen fernzuhalten bzw. sie ihm durch Symptombildung in einer
erträglichen Scheinlösung zu präsentieren.
Zu (A): Wendung gegen das Selbst: aggressive
Impulse werden gegen die eigene Person gerichtet
und treffen so nicht die Person, der sie ursprünglich galten, um die Beziehung zu dieser Person
nicht zu gefährden. Wichtig v. a. im Bereich der
Hysterie und der Zwangsneurosen.
Zu (B): Identifikation mit dem Aggressor: Abwehrmechanismus, bei dem Eigenschaften, Verhaltensweisen etc. von einer Person, die als feindlich
erlebt wird, übernommen werden. Aus psychoanalytischer Sicht handelt es sich hier um eine Verarbeitung aktueller Angsterlebnisse, die als Zwischenstufe in der normalen Über-Ich-Entwicklung
zu sehen ist.
Zu (D): Projektion: Eigene Probleme und Impulse,
die man bei sich selbst ablehnt, werden auf andere
Menschen übertragen und dort thematisiert und
kritisiert.
Zu (E): Ungeschehenmachen: kommt vor allem
bei Zwangsneurosen vor, wobei unbewusste und
bewusste Schuldgefühle durch eine magische
Handlung, die dann die verbotene Handlung aufhebt, beseitigt werden.
F96
Frage 7.8: Lösung C
Abwehr bezeichnet die Gesamtheit aller unbewussten intrapsychischen Regulationsvorgänge, die
dazu dienen, unlustvolle, nicht akzeptierbare Triebimpulse, Vorstellungen, Wünsche etc. vom Bewusstsein fernzuhalten. Es handelt sich somit um
unbewusste Bewältigungsprozesse und Schutzmechanismen. Grundsätzlich kann jeder psychische
Vorgang und jedes Verhalten i. S. der Abwehr eingesetzt werden.
Zu (C): Projektion: Verlagerung eigener, gefürchteter Triebimpulse in die Außenwelt, auf andere
Personen oder Gegenstände (Bsp.: die eigene Aggressivität wird auf die Mitmenschen übertragen
und ihr Verhalten als feindselig erlebt).
Zu (A): Wendung ins Gegenteil (Reaktionsbildung): Ein gefürchteter Triebimpuls wird durch
sein Gegenteil ersetzt (Bsp.: Überfürsorglichkeit
tritt an die Stelle aggressiver Impulse).
Zu (B): Regression: Verhaltens- und Erlebensweisen fallen auf ein früheres Entwicklungsniveau zurück (Bsp.: selbständiges Verhalten wird zu Gunsten von Versorgungswünschen aufgegeben).
Zu (D): Ausagieren: (impulsives) Ausleben verdrängter, unbewusster, infantiler Gefühle und
Wünsche während einer psychoanalytischen Behandlung. Begriff der psychoanalytischen Behandlungstheorie für unerwünschte, die Analyse u. U.
gefährdende Verhaltensweisen des Patienten.
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7 Somatoforme und dissoziative Störungen
Zu (E): Sublimierung: Triebimpulse werden in sozial hochbewertete Aktivitäten umgewandelt (Bsp.:
sportliche Tätigkeit als Ausdruck nicht akzeptierter
Aggressionen).
F94
Frage 7.9: Lösung B
Zu (B): Bei der psychosozialen Abwehr wird die
„Bewältigung“ intrapsychischer Konflikte auf die
zwischenmenschliche Ebene verlagert. Die Bezugsperson/en wird/werden demnach in den Abwehrprozess einbezogen, um die neurotische Konfliktabwehr bzw. die kompromisshafte Befriedigung zu ermöglichen und zu stabilisieren. Die psychosoziale Abwehr ergänzt somit die intrapsychischen Abwehrformen. Anzumerken bleibt, dass einige Psychoanalytiker die Ausweitung des Abwehrbegriffes vom innerpsychischen auf den interpersonellen Bereich kritisch bewerten. Die interpersonalen Abwehrformen können sich innerhalb einer Zweierbeziehung oder innerhalb einer Gruppe
abspielen. Anhand der Partner-Beziehung gibt H. E.
Richter folgende Beispiele für psychosoziale Abwehrformen: Rolle eines Partner-Substituts (der
Partner wird kompensatorisch in die Rolle des Konfliktpartners eines vergangenen Konflikts gedrängt); Rolle eines Abbildes (der Partner muss die
Rolle eines nicht akzeptierten Selbst-Bildes übernehmen); Rolle des idealen Selbst (er muss stellvertretend Ideale erfüllen); Rolle des negativen Selbst
(Rolle des Sündenbocks oder schwachen Teils); und
Rolle des Bundesgenossen (es wird absoluter Beistand bei äußeren Konflikten verlangt).
Diese Erwartungen haben eine dominierende Bedeutung für das Partnerverhalten und führen erst
dadurch zu inadäquaten Verhaltensformen/-anforderungen.
Die Ansprüche müssen sich aber nicht nur auf einen einzelnen Partner beziehen, sondern können
auch an Gruppen gerichtet werden, die dann kompensatorisch der Konfliktbewältigung dienen müssen (sei es als Partner, sei es als Gegner).
Die klassischen Abwehrmechanismen erhalten in
diesem sozialpsychologischen Zusammenhang eine
übergreifende Bedeutung.
H88
Frage 7.10: Lösung C
Zu (C): Trotz unbestreitbarer Fortschritte der Onkologie steht „Krebs“ sehr oft noch als Metapher
für eine generell unheimliche, hoffnungslose,
schmerzhafte und tödliche Erkrankung. Deshalb
367
bedeutet die Diagnose „Krebs“ für den Betroffenen
eine existenzielle Erschütterung, eine Bedrohung
seiner physischen und psychosozialen Existenz und
einen Verlust seiner Zukunftsperspektiven. Diese
einzigartige Betroffenheit gilt aber auch für seine
Umgebung (einschließlich Pflegepersonal und Ärzten). Trotzdem muss diese tiefgreifende seelische
Erschütterung aber nicht zwangsläufig mit einer
emotionalen Traumatisierung verbunden sein.
Multizentrische Untersuchungen bei onkologischen Patienten zeigten, dass im Verlauf der Erkrankung bei 32 % Anpassungsstörungen mit gemischter Angst- und Depressionssymptomatik, bei
6 % ausgeprägte depressive Verstimmungen, bei
4 % psychoorganische Syndrome, bei 3 % Persönlichkeitsstörungen und bei 2 % schwere Angstsyndrome auftraten. Das Suizidrisiko scheint nur bei
Männern leicht erhöht zu sein, wobei das Risiko
unmittelbar nach der Mitteilung der Diagnose am
höchsten ist. Die Reaktion auf Krankheitsmanifestationen, Diagnosestellung und Diagnosemitteilung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab
(z. B. Reaktion der Angehörigen, Vorerfahrungen,
Persönlichkeitsfaktoren, symbolische Konnotationen, sozialer Kontext).
Bei Karzinompatienten wurden unterschiedliche
Abwehr- und Anpassungsmechanismen beschrieben, z. B.:
• Verleugnung, d. h. das Nicht-wahr-habenWollen. Sie tritt bei vielen Tumorpatienten zu
irgendeinem Zeitpunkt des Krankheitsverlaufs
auf. Die Patienten reden und handeln so, als ob
sie die Tatsache ihrer Erkrankung nicht oder
nur rational zur Kenntnis genommen hätten.
Sie zeigt sich u. a. in der Verharmlosung der
Erkrankung, aber auch in irrationalen Vorstellungen. Neben dieser individuellen Schutzfunktion kann die Verleugnung aber auch einen sozialen Zweck erfüllen, indem sie auch Angehörige, Ärzte usw. „schützt“ (z. B. ist der Patient
kooperativ und stellt keine „unangenehmen“
Fragen).
• Depression: Fast regelmäßig finden sich depressive Verstimmungen im Stadium der Progredienz. Sie kann aber auch Zeichen einer
Verleugnung und damit einer notwendigen
Phase der Krankheitsverarbeitung sein.
• Aggression: Auf den die individuelle Integrität
bedrohenden Krankheitsprozess kann mit Wut,
Zorn, aber auch mit Neid auf die „Gesunden“
reagiert werden. Während in den frühen
Krankheitsphasen mehr die introjektive Verarbeitung überwiegen soll, tritt in späteren
Krankheitsphasen mehr die projektive Verarbeitung in den Vordergrund.
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7 Somatoforme und dissoziative Störungen
Zu (A): Reaktionsbildung: Gefühle oder Motive
werden durch entgegen gesetzte Gefühle/Motive
niedergehalten (z. B. Mitleid statt aggressiver Impulse oder Hassgefühle, wenn Liebesgefühle gefährlich erscheinen).
Zu (B): Projektion: Eigene psychische Inhalte und
Selbstanteile (v. a. Affekte, Stimmungen, Absichten
und Bewertungen etc.) werden anderen Personen
zugeschrieben. Der Triebimpuls wird auf ein Objekt projiziert wie bei einer optischen Projektion.
Zu (D): Affektverschiebung: Ein Affekt wird von
einer Person oder einem Objekt auf eine andere
Person oder anderes Objekt verschoben, z. B. der
Hass auf den Vater auf den Lehrer übertragen.
Zu (E): Sublimierung oder Sublimation: Nicht erfüllte Triebwünsche werden durch gesellschaftlich
höher bewertete Ersatzhandlungen ersetzt und
damit befriedigt (Kunst, Wissenschaft, Musik,
Sport, exzessive Arbeit). Typischerweise eignen
sich für bestimmte Wünsche bestimmte Sublimationstechniken besonders gut. So werden aggressive
Triebe oft durch Sport sublimiert, sexuelle Wünsche durch Beschäftigung mit schönen Künsten
oder kindliche Neugierde durch wissenschaftliche
Forschertätigkeit. Sublimierungen erfüllen die Befriedigung der Triebwünsche oft gut und werden
dann nicht als psychopathologisch angesehen.
Nach Freud ist die Sublimierung ein wichtiger Motor für die Kulturentwicklung.
H96
H91
H90
F90
Frage 7.11: Lösung A
Der primäre Krankheitsgewinn ist nach S. Freud
jener innere Vorteil, den der Kranke aus seinen
neurotischen Symptomen und aus der Flucht in die
Krankheit ziehen kann. So kann er beispielsweise
als schmerzlich empfundenen Situationen aus dem
Weg gehen. Obwohl das Symptom selbst unangenehm ist, kann es doch größere Übel vermeiden
helfen, indem es Konflikte umgehen hilft und intrapsychische Entlastung schafft. Auf diesem Weg
gelingt es dem Patienten unbewusst, einen Teil
seiner verdrängten Bedürfnisse durchzusetzen. Der
primäre Krankheitsgewinn verhindert oft die Heilung neurotischer Symptome.
Der sekundäre Krankheitsgewinn (S. Freud) ist
der positive Aspekt im Bereich sozialer oder ökonomischer Folgen, die aus der Krankheit entstehen, z. B. Berentung, verstärkte Zuwendung, vermehrte Rücksichtnahme und finanzielle Vorteile.
Der sekundäre Krankheitsgewinn entsteht eher zufällig, z. B. nach einem Unfall. Aus lerntheoreti-
scher Sicht ist er eine Form des operanten Konditionierens, da Verhaltensweisen durch die positive
Verstärkung bestehen bleiben und unterhalten
werden. Oft ist der sekundäre Krankheitsgewinn so
augenfällig, dass er für die alleinige Ursache der
Symptome gehalten wird. Nicht immer gelingt eine
scharfe Grenzziehung zwischen primärem und sekundärem Krankheitsgewinn.
H96
Frage 7.12: Lösung C
Zu (C): Die hypochondrische Störung besteht in
der übermäßigen Angst oder Befürchtung, an einer
schweren körperlichen Erkrankung zu leiden, obwohl für die weitgehend unspezifischen körperlichen Symptome keine organische Ursache gefunden werden kann. Besondere Aufmerksamkeit wird
den Verdauungsvorgängen und dem Stuhlgang
gewidmet (Stuhlhypochondrie). Hypochondrische
Störungen treten bei depressiven Episoden, zönästhetischer Schizophrenie, Arteriosklerose, hirnatrophischen Prozessen, Involutionspsychosen und
anderen Erkrankungen auf.
Zu (A): Zönästhesien stellen körperliche Missempfindungen und Leibgefühlsstörungen dar, die durch
ihre Mannigfaltigkeit, den raschen zeitlichen
Wechsel, das oft paroxysmale oder phasenhafte
Auftreten, subjektive Andersartigkeit und schwere
Beschreibbarkeit gekennzeichnet sind. Dies führt
zu Bewegungs- und Druckgefühlen im Körper oder
an der Körperoberfläche, Taubheits- und Steifigkeitsgefühlen, Schmerzsensationen, Hitze- und
Kältegefühlen, Raumsinnesstörungen etc.
Zu (B): Phobie: Ihr Hauptmerkmal ist eine anhaltende Angst vor einem umschriebenen Objekt oder
einer umschriebenen Situation. Die phobische Situation wird – wann immer möglich – vermieden.
Das Ausmaß der Furcht vor dem phobischen Objekt wechselt nicht.
Zu (D): Autopsychische Depersonalisation: lässt
eigene Gefühle merkwürdig blass und unlebendig
sowie das eigene Handeln als unpersönlich, wie
mechanisch und automatisch ablaufend erscheinen. Bei der somatopsychischen Depersonalisation
werden der eigene Körper, einzelne Körperteile
oder Bewegungen als fremd oder nicht vorhanden
erlebt.
Zu (E): Zwangs-Syndrom: Hier drängen sich Gedanken, Vorstellungen oder Handlungsimpulse auf,
ohne unterdrückt werden zu können. Sie werden
durch den Betroffenen als unsinnig, unangemessen
und auch als Beeinträchtigung empfunden. Wird
den Zwängen nicht nachgegeben, tritt große Angst
Poehlke, GK3 Psychiatrie (ISBN 9783131129772), © Georg Thieme Verlag KG
Thomas Poehlke
GK3 Psychiatrie - Die Schwarze Reihe
Orginal-Prüfungsfragen mit Kommentar
460 pages, pb
publication 2009
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