COSTRUIRE PONTI Wege zu Beethoven

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COSTRUIRE PONTI
Wege zu Beethoven
Wien
Ehrbar Saal
17. Jänner bis
31. Jänner 2012
Verehrtes Publikum!
Im Namen aller mitwirkenden Künstlerinnen und Künstler heißen wir Sie bei diesem
Konzertzyklus im geschichtsträchtigen Wiener Ehrbar Saal sehr herzlich willkommen.
Die Wiederbelebung dieser historisch so wertvollen Spielstätte ist uns ein besonderes Anliegen.
Kaum ein anderer Saal in Wien verfügt über eine derart außergewöhnliche Akustik und
besondere Atmosphäre, dennoch ist er vielen musikinteressierten Menschen noch immer kein
Begriff.
Die großzügige Unterstützung der Bank Austria hat es uns ermöglicht, einen Konzertzyklus
ganz speziell für diesen Saal und seine besonderen Qualitäten zu entwerfen. COSTRUIRE
PONTI möchte anhand ausgewählter Themen Verbindungen und Beziehungen zwischen
gesprochenem Wort und Musik herstellen und bietet Ihnen an fünf Abenden die Gelegenheit,
das komplette Schaffen Ludwig van Beethovens für Violine und Klavier beziehungsweise
Violoncello und Klavier zu erleben.
Wir wünschen Ihnen eindrucksreiche Abende im Wiener Ehrbar Saal und freuen uns über Ihr
Interesse und Ihren Besuch.
Mit herzlichen Grüßen
Christian Altenburger
August Schmölzer
MYTHOS
17. Jänner 2012, 19.30 Uhr
Sonate für Klavier und Violine D-Dur, op. 12/1
Allegro con brio
Tema con Variazioni
Rondo. Allegro
Über Prometheus
Sonate für Klavier und Violine Es-Dur, op. 12/3
Allegro con spirito
Adagio con molt’ espressione
Rondo . Allegro molto
- Pause Giacomo Leopardi: Die Wette des Prometheus
Sonate für Klavier und Violoncello A-Dur, op. 69
Allegro ma non tanto
Scherzo. Allegro molto
Adagio cantabile – Allegro vivace
Jasminka StanculKlavier
Christian AltenburgerVioline
Reinhard LatzkoVioloncello
Maria HappelRezitation
August SchmölzerRezitation
MYTHOS
Insgesamt zehn Violinsonaten hat Ludwig van Beethoven geschrieben. Sie entstanden in einem Zeitraum
von fünfzehn Jahren und spiegeln – anders als die Klavier- und die Cellosonaten – nur einen Teil des
Schaffensweges des Komponisten wider. Obwohl alle Sonaten in ihren Bezeichnungen das Klavier
voranstellen, eine Tradition, der sich auch Beethoven noch verbunden fühlt, herrscht in den Violinsonaten
eine besondere Partnerschaftlichkeit der Instrumente vor, die eine neue Perspektive auf die Gattung der
Streichersonate wirft und die Entwicklung der Sonate bis weit ins 19. Jahrhundert prägt. Die Sonaten op.
12, von denen zwei an diesem Abend zu hören sind, entstanden 1797/98 in Wien. Beethoven war damals
schon gut ins Wiener Musikleben eingeführt und galt als „musikalisches Genie“. Obwohl als Pianist
bereits berühmt, nahm Beethoven, der auch Bratsche spielte, in Wien bei Krumpholtz Geigenunterricht.
Die Violinsonaten von Mozart kannte Beethoven noch aus seiner Bonner Zeit und sie übten eine große
Wirkung auf ihn aus. Die Violinsonaten op. 12, Beethovens erste Sonaten für Klavier und Violine sind zwar
äußerlich noch ganz der Tradition verpflichtet, lassen aber den zukünftigen Geist Beethovens erkennen.
Die Sonaten sind Antonio Salieri gewidmet, bei dem er Kompositionsunterricht nahm, und zeigen eine
große Nähe zur 1799 entstandenen 1. Symphonie.
Das Motto Mythos, das den ersten Abend des Beethoven-Zyklus begleitet, erinnert sowohl an den
Mythos Beethoven, der unter den modernen Mythen eine besondere Position einnimmt, als auch an
Beethovens Beschäftigung mit Mythen. Schon zu Beethovens Lebzeiten setzt eine Mythisierung ein,
die den Komponisten als siegreichen Helden über das Schicksal zeichnet. Sein Leiden, die Taubheit, die
unglückliche Liebe, die gesundheitlichen Probleme und die Überwindung all dessen durch die Musik
schaffen den klassischen Künstlermythos schlechthin und führen zu einer untrennbaren Verbindung von
Leben und Werk. Die Texte des heutigen Abends beleuchten den Mythos des Prometheus, der zweifellos als
der Symbolmythos der Aufklärung bezeichnet werden kann und zahlreiche berühmte Dichter, unter ihnen
Johann Wolfgang von Goethe, zur Verarbeitung und Neudeutung bewegte. Gleich nach der Komposition
seiner 1. Symphonie begann Beethovens Beschäftigung mit dem Prometheus. Gut möglich, dass der viel
beschworene „prometheische Schöpfergeist“ den Komponisten, der seine eigene Mythisierung durchaus
unterstützte, besonders faszinierte.
Die Cellosonate op. 69 zählt zur mittleren Schaffensperiode Beethovens und entstand 1807/08, in der
Zeit, in der Beethoven auch an seiner 6. Symphonie, der Pastorale, schrieb. Sie ist die dritte Cellosonate
des Komponisten, aber im Grunde die erste, die das Cello zum wirklich gleichberechtigten Solopartner
des Klaviers erhebt – was durch eine kleine Solokadenz im 1. Satz unterstrichen wird. Gewidmet hat
Beethoven diese Sonate seinem treuen Freund und hervorragendem Cellisten Freiherr Ignaz von
Gleichenstein. Beethovens Ringen um die verschiedenen Register des Cellos neben einem ausgewogenen
Klaviersatz wird durch zahlreiche Korrekturen im Autograph belegt.
IRGENDWO AUSSER DER WELT
18. Jänner 2012, 19.30 Uhr
Sonate für Klavier und Violine A-Dur, op. 12/2
Allegro vivace
Andante, più tosto Allegretto
Allegro piacevole
Charles Baudelaire: Irgendwo außer der Welt
Sonate für Klavier und Violoncello C-Dur, op. 102/1
Andante – Allegro vivace
Adagio – Tempo d’Andante – Allegro vivace
- Pause Hermann Harry Schmitz: Wie es kompliziert war, bis ich in dieSommerfrische kam
Sonate für Klavier und Violine F-Dur, op. 24
Allegro
Adagio molto espressivo
Scherzo. Allegro molto
Rondo. Allegro ma non troppo
Jasminka StanculKlavier
Christian AltenburgerVioline
Reinhard LatzkoVioloncello
Maria HappelRezitation
August SchmölzerRezitation
IRGENDWO AUSSER DER WELT
An diesem zweiten Abend des Zyklus werden Sonaten aus sehr unterschiedlichen Schaffensperioden
einander gegenüber gestellt: die frühe Violinsonate op. 12/2, entstanden 1797/98, die 1800 komponierte
Frühlingssonate und eine der beiden letzten Cellosonaten des Komponisten (op. 102/1), die an der
Schwelle zum Spätwerk steht und mit 1815 datiert ist.
Die Violinsonate op. 12/2, deren Schwesternsonaten am Abend zuvor erklungen sind, ist ebenso wie
diese dreisätzig, mit einem Allegrosatz am Beginn und einem Rondosatz am Schluss, und zeigt ihre
Identität und Eigenheit besonders im mittleren langsamen Satz, in dem Beethoven die Zuhörer in eine
„Welt des lyrischen Innehaltens“ (Zitat Dieter Rexroth) führt.
Im starken Kontrast dazu erklingt die Sonate für Klavier und Violoncello op. 102/1. Sie gehört „ganz
gewiß zu dem Ungewöhnlichsten und Sonderbarsten“, was jemals komponiert wurde, wie ein Rezensent
der Uraufführung schreibt, und wird bis heute zu den sperrigsten Werken des Komponisten gerechnet.
Während Beethoven sich in seinen frühen Cellosonaten eher scheute, dem Cello melodiöse Kantilenen
zu schreiben, so scheint er in den Sonaten op. 102 diese kompositorischen Schwierigkeiten gänzlich
überwunden zu haben, wie man im langsamen Satz dieser Sonate besonders gut hört.
Wie aus seiner Biographie hinlänglich bekannt, wird Beethoven zu einem der unruhigsten Geister
unter den Komponisten gezählt, was durch seine zahlreichen Wohnungswechsel und Umzüge bestens
dokumentiert ist. So hat er in seinen 35 Wiener Jahren mindestens 29 Wohnungen an 26 verschiedenen
Adressen bewohnt. Wie zu seiner Zeit üblich, gab Beethoven in den Sommermonaten das Quartier in Wien
auf und begab sich zum Sommeraufenthalt die in die nähere Umgebung. Im Laufe seines Lebens und mit
zunehmender Unpässlichkeit verlegte er seine Sommerfrische immer mehr in Kurorte mit Heilbädern wie
zum Beispiel nach Baden bei Wien.
Diese biographischen Fakten zum Anlass nehmend, beschäftigen sich die Texte dieses Konzerts mit
dem Thema Sommerfrische und den teilweise humorvollen Tücken derselben und wollen anregen, die
Sommeraufenthalte des Komponisten aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.
Die Violinsonate op. 24, in der Literatur immer wieder auch als Frühlingssonate bezeichnet, steht beinahe
dialektisch zu der in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft entstandenen Sonate op. 23, die das darauf
folgende Konzert eröffnen wird. An Hegels Phänomenologie des Geistes anknüpfend und dabei die Theorie
von These und Antithese verfolgend, steht die Sonate op. 24 mit ihrer aufgeheiterten, frühlingshaften
Stimmung ganz im Gegensatz zum tragischen Tonfall des a-moll von op. 23. Generell vollzog sich in
der Zeit um 1800 in musikalischer Hinsicht ein absoluter Paradigmenwechsel, der sowohl vom alten
Haydn mit seinem Spätwerk als auch vom jungen Beethoven vorangetrieben wurde, der in der Sonate
op. 24 seinen symphonischen Anspruch manifestierte und sich von der konzertanten Dreisätzigkeit zur
symphonischen Viersätzigkeit hin entwickelte.
UNERFÜLLTE LIEBE
25. Jänner 2012, 19.30 Uhr
Sonate für Klavier und Violine a-moll, op. 23
Presto
Andante scherzoso, più Allegretto
Allegro molto
Über die unerfüllte Liebe
Sonate für Klavier und Violoncello D-Dur, op. 102/2
Allegro con brio
Adagio con molto sentimento d’affetto – attacca:
Allegro – Allegro fugato
- Pause Knut Hamsun: Du wirst keinen finden, der so lieb zu dir ist, wie ich es wäre
Sonate für Klavier und Violine c-moll, op. 30/2
Allegro con brio
Adagio cantabile
Scherzo. Allegro
Finale. Allegro
Oliver TriendlKlavier
Christian AltenburgerVioline
Reinhard LatzkoVioloncello
Maria Happel Rezitation
August SchmölzerRezitation
UNERFÜLLTE LIEBE
So wie die beiden Violinsonaten, die das dritte Konzert einrahmen, in ihrer Grundstimmung dunkle, ja
beinahe düstere Schattierungen aufweisen, so führt auch das Thema des Abends in ein tragisches Kapitel
von Beethovens Biographie: seine unerfüllte Liebe zur „unsterblichen Geliebten“, von der wir bis heute
zwar nicht wissen, wer sie gewesen ist, der wir aber eines der berühmtesten Schriftstücke Beethovens
verdanken. Der Brief an die unsterbliche Geliebte, den Beethoven niemals abschickte und 25 Jahre bei
sich verwahrte, gibt immer noch Rätsel auf. Gesichert scheint, dass es sich um eine Dame aus der höheren
Gesellschaft handelte, mit der eine Verbindung ausgeschlossen schien. Beethoven war nie verheiratet.
Neben seiner Ertaubung zählt seine unglückliche Liebesbeziehung sicher zu einem der markantesten
Aspekte seiner Biographie. Grund genug, sich der sehnsuchtsvollen, unerfüllten Liebe an diesem Abend
auch literarisch zu nähern.
Während die Violinsonate op. 23, die das Konzert eröffnet, in der Beliebtheit des Publikums oft hinter
ihrer Schwesternsonate, der am 18. Jänner erklungenen Frühlingssonate, rangiert, so bewertet die
Beethovenliteratur die Sonate op. 23 ganz anders. Von „Feuer“ und einer „Meisterschaft in der Behandlung“
ist die Rede, von einem „wichtigen Beitrag zur Charakterisierung von Beethovens Seelenleben“, der so viel
mehr Beethovensches enthalte als die so beliebte und oft gespielte Frühlingssonate.
Dass die Sonate op. 23 in Beethovens Werk eine Sonderstellung einnimmt, beweist die Tatsache, dass
im Sonatensatz der Durchführung weitaus mehr Raum gegeben wird als der Exposition. Eine formale
Disposition, auf die der Komponist erst wieder in der 3. Symphonie, der Eroica, und in einem der
Rasumowsky-Quartette (op. 59/1) zurückkommt.
Wie bereits anhand der Geschwistersonate, die ebenfalls im zweiten Konzert erklang, ausgeführt,
konfrontiert die letzte aller Cellosonaten Beethovens, die Sonate op. 102/2, die Interpreten mit enormen
spieltechnischen und musikalischen Herausforderungen. Es sei das „Beinahe-Unmögliche“ (Zitat
Hermann Danuser), was der Komponist den Musikern abverlange. Die Sonate leitet direkt ins Spätwerk
des Komponisten über und enthält im dritten und letzten Satz die erste der großen Schlussfugen des
späten Beethoven, dessen kompositorischen Wagnissen seine Zeitgenossen völlig verständnislos
gegenüberstehen mussten. Die Sonaten op. 102 sind die spätest komponierten Repräsentanten der
Klavierkammermusik im beethovenschen Werk.
Die Violinsonate op. 30/2, die das dritte Konzert beschließt und die mit ihren vier Sätzen die größte des
Sonaten-Trios op. 30 ist, kommt nicht umhin, mit einem weiteren wichtigen Schriftstück Beethovens in
Verbindung gebracht zu werden: mit dem Heiligenstädter Testament. Dieses Schreiben, ein Aufschrei des
zutiefst unglücklichen Komponisten an seine Brüder, ist Verzweiflung, Kampf und Wehren gegen die nicht
aufzuhaltende Taubheit. Die 1802 entstandene Sonate mit ihrer tragischen Grundtonart c-moll ist das
einzige Werk aus dieser Zeit, das einen Einblick in das Seelenleben des Komponisten gestattet.
MUSIK UND GEHIRN
26. Jänner 2012, 19.30 Uhr
Sonate für Klavier und Violoncello F-Dur, op. 5/1
Adagio sostenuto – Allegro
Rondo. Allegro vivace
Harold Klawans: Die Musik macht die Runde - Aber wo kommt sie herein?
Sonate für Klavier und Violine A-Dur, op. 30/1
Allegro
Adagio molto espressivo
Allegretto con Variazioni
- Pause Sonate für Klavier und Violine G-Dur, op. 96
Allegro moderato
Adagio espressivo
Scherzo. Allegro
Poco Allegretto – Adagio – Allegro
Oliver TriendlKlavier
Reinhard LatzkoVioloncello
Christian AltenburgerVioline
Maria HappelRezitation
August SchmölzerRezitation
MUSIK UND GEHIRN
Die fünf Cellosonaten Beethovens, die aus allen drei großen Schaffensperioden – der frühen, mittleren
und späten – stammen, geben einen hervorragenden Gesamtblick auf das Kammermusikwerk des
Komponisten. Die 1796 in Berlin unter großem Zeitdruck entstandenen Cellosonaten op. 5 sind
überhaupt die ersten Klavierduos von Beethoven. Gewidmet sind sie dem Cello spielenden König Friedrich
Wilhelm II, dem schon Haydn und Mozart Streichquartette gewidmet hatten. Er beschäftigte an seinem
Hof die Cellisten Duport, das berühmte Brüderpaar, als Musiker und Lehrer. Gemeinsam mit Jean-Louis
Duport hob Beethoven, der damals bereits als Klaviervirtuose gefeiert wurde und vor allem mit seinen
Improvisationen glänzte, seine Sonaten op. 5 aus der Taufe und erhielt dafür vom König eine goldene
mit Louis d‘ors gefüllte Dose, die laut Beethoven „von der Art sei, wie sie den Gesandten wohl gegeben
werde“.
Bereits im Konzert am Tag zuvor ist die große Violinsonate op. 30/2 in c-moll zu hören gewesen. Sie bildet
mit den beiden sie umrahmenden und in Dur stehenden Schwesternsonaten eine formale Einheit, ähnlich
den im gleichen Zeitraum entstandenen Klaviersonaten op. 31. Die Sonate op. 30/1, die in diesem vierten
Konzert erklingt, macht vor allem in den melodiösen Verschränkungen des ersten Satzes deutlich, wie
polyphon, wie gleichwertig Beethoven beide Duopartner behandelt. In ihr sind die letzten historischen
Spuren einer violinbegleitenden Sonatenform getilgt.
Beethovens letzte Violinsonate op. 96 entstand im Jahr der 7. und 8. Symphonie 1812 und lässt sich
mit keiner seiner früheren Sonaten vergleichen. Der beseelte Dialog des ersten Satzes, der durch seine
verhaltene Dynamik so ganz untypisch für die Eröffnungssätze des Komponisten ist, macht bereits
deutlich, dass die Sonate op. 96, die der Geiger Carl Flesch einmal als die „undankbarste“ unter
allen Violinsonaten Beethovens beschrieb, einen inneren Beziehungsreichtum zwischen den beiden
Instrumenten aufweist, den sonst wenige Werke dieser Gattung besitzen. Ihr Entstehen wird mit dem
Aufenthalt des Violinvirtuosen Pierre Rode in Wien in Verbindung gebracht. Allerdings ohne ihm gewidmet
zu sein, da Beethoven von seinem Spiel letztendlich enttäuscht war.
Das Motto dieses Abends, Musik und Gehirn, ist mit Sicherheit das, welches am weitesten von Beethoven
weg-, dafür aber nahe zur Musik hinführt. Es ist anzunehmen, dass sich Beethoven, der trotz geringer
schulischer Bildung ein umfassend interessierter und von lebenslangem Bildungshunger getriebener
Geist war, mit den neuesten Forschungen zur Entstehung und Wirkung von Musik im menschlichen
Gehirn intensiv auseinander gesetzt hätte.
TEMPERAMENTE
31. Jänner 2012, 19.30 Uhr
Sonate für Klavier und Violine G-Dur, op. 30/3
Allegro assai
Tempo di Minuetto
Allegro vivace
August von Kotzebue: Die schlaue Witwe
Sonate für Klavier und Violoncello g-moll, op. 5/2
Adagio sostenuto ed espressivo - Allegro molto più tosto presto
Rondo. Allegro
- Pause Sonate für Klavier und Violine A-Dur, op. 47, Kreutzer-Sonate
Adagio sostenuto – Presto
Andante con Variazioni
Presto
Jasminka StanculKlavier
Christian AltenburgerVioline
Reinhard LatzkoVioloncello
Maria HappelRezitation
August SchmölzerRezitation
Dramaturgie: Angelika Messner
TEMPERAMENTE
Die Violinsonate op. 30/3, die das letzte Konzert eröffnet, entstand 1802 und ist Zar Alexander I. von
Russland gewidmet. Nachdem Aufführungstantiemen zu Beethovens Zeit etwas gänzlich Unbekanntes
waren, konnte der Komponist hoffen, vom Widmungsträger mit einem Geldgeschenk bedacht zu werden.
Zar Alexander reagierte jedoch auf die ihm zugedachte Widmung überhaupt nicht, was Beethoven
sehr verärgerte. Erst 12 Jahre später, als der Zar 1814/15 beim Wiener Kongress in Wien weilte, sorgte
seine Ehefrau Elisabeth Alekiewna dafür, dass Beethoven mit einem nachträglichen Ehrensold von 100
Dukaten für op. 30 bedacht wurde, was der Komponist später mit großer Genugtuung erzählte. Durch
ihren heiteren Gestus bietet die Sonate op. 30/3 einen Gegensatz zum großen, viersätzigen mittleren
Werk, der Sonate in c-moll op. 30/2, und führt zur positiven Grundstimmung der ersten Sonate aus
op. 30 zurück. August Ferdinand von Kotzebue (1761 – 1819), dessen Einakter Die schlaue Witwe
oder Die Temperamente den Zyklus literarisch beschließt, war der erfolgreichste und meistgespielte
Bühnenautor zu Beethovens Zeit, dessen Stücke sogar Goethe inszenierte. Im Jahr 1812 komponierte
Beethoven anlässlich der Eröffnung des neuen Opernhauses in Pest die Musik zu Kotzebues Die Ruinen
von Athen op. 113 sowie zu König Stephan op. 117. Das Motto Temperamente verweist einerseits auf
die zu Beethovens Zeit immer noch gültige Lehre von den vier menschlichen Temperamenten und
andererseits – mit etwas Augenzwinkern – auf Beethovens sprichwörtliches Temperament, das durch
zahlreiche Anekdoten seines Lebens überliefert ist.
Die Cellosonate op. 5/2, wie bereits im Text zum Konzert am 26. Jänner erwähnt, zählt zu den beiden
ersten Cellosonaten Beethovens, die beide aus zwei schnellen Sätzen mit jeweils langsamen Einleitungen
bestehen. Durch die stark verbesserte Basssonorität des Hammerklaviers wurde gerade zu Beethovens
Zeit das Cello aus seiner harmonietragenden Rolle befreit. Beethoven erfasste die neuen technischen
Möglichkeiten und entwickelte das Instrument in Richtung Melodieträger - eine Rolle, die das Cello in der
romantischen Literatur vollends übernahm.
Mit der Violinsonate op. 47, der Kreutzer-Sonate, wird der fünfteilige Beethoven-Zyklus beschlossen.
In der dem Geiger Rodolphe Kreutzer gewidmeten Sonate, die dieser aber wahrscheinlich nie gespielt
hat, bricht Beethoven mit sämtlichen Konventionen und wendet sich bewusst gegen die Tradition. Die
Irritation seiner Zeitgenossen war beträchtlich. So wurde in einer Rezension von 1805 von „ästhetischem
oder artistischem Terrorismus“ gesprochen. Beethoven sei „auf´s willkürlichste“ verfahren, um „nur
immer ganz anders zu seyn, wie andre Leute“. Vor allem der erste Satz, der durch seinen konzertanten
Stil eine Mittelstellung zwischen den Gattungen der Sonate und des Konzerts einnimmt, muss provoziert
haben. Mit der Länge von knapp 600 Takten weist er schon formal über alle Vorgängersonaten hinaus
und übertrifft diese auch durch seine vielfältigen Brüche und gewagten harmonischen Wendungen.
Die 1802/1803 komponierte Sonate hat Beethoven wahrscheinlich gemeinsam mit dem mulattischen
Geiger George Polgreen Bridgetower im Rahmen eines Konzerts beim Fürsten Lichnowsky uraufgeführt.
MITWIRKENDE
Christian Altenburger, Violine
Christian Altenburger studierte an der Musikuniversität seiner Heimatstadt Wien
und bei Dorothy DeLay an der Juilliard School New York. Mit 19 Jahren debütierte
er als Solist im Wiener Musikverein. Rasch folgten Engagements bei internationalen
Spitzenorchestern unter Dirigenten wie Claudio Abbado, James Levine, Lorin
Maazel und Zubin Mehta. Neben seiner solistischen Tätigkeit entwickelte sich die
Kammermusik zu einem besonderen Schwerpunkt seiner künstlerischen Arbeit.
Christian Altenburger konzertiert nicht nur leidenschaftlich gerne mit Kollegen und Freunden wie
Bruno Canino, Patrick Demenga, Heinz Holliger, Nobuko Imai, Kim Kashkashian und Melvyn Tan,
sondern engagiert sich auch bei der Planung profilierter Programme. Von 1999-2005 fungierte
er gemeinsam mit der Schauspielerin Julia Stemberger als künstlerischer Leiter des Festivals
Mondseetage. Seit 2003 obliegt ihm die künstlerische Leitung des Kammermusikfestivals
Schwäbischer Frühling, und seit 2006 ist er künstlerischer Leiter des Musikfestivals Loisiarte. Seit
2001 ist Christian Altenburger als Professor an der Musikuniversität Wien tätig.
(www.christian-altenburger.at)
Maria Happel, Rezitation
Geboren im Spessart in Deutschland, absolvierte Maria Happel ihre
Schauspielausbildung in Hamburg. Seit 1992 ist sie Ensemblemitglied des
Burgtheaters in Wien. Maria Happel arbeitete mit Regisseuren wie Ruth Berghaus,
Klaus Maria Brandauer, Adolf Dresen, Achim Freyer, Matthias Hartmann, Claus
Peymann, Werner Schröter und Philipp Tiedemann. Regelmäßig inszeniert Maria
Happel selber, unter anderem bei den Festspielen in Reichenau. Ihr vielseitiges
Repertoire erstreckt sich von der Polly Peachum aus der Dreigroschenoper über das Salerl in Johann
Nepomuk Nestroys Zu ebener Erde und erster Stock bis zu Véronique Houillé in Yasmina Rezas Der
Gott des Gemetzels. Maria Happel erhielt 1999 die Kainz-­Medaille, wurde 2003 mit dem Nestroy­
Theaterpreis als Beste Schauspielerin ausgezeichnet und 2004 vom ORF-Hörspiel zur Schauspielerin
des Jahres gewählt. Darüber hinaus ist Maria Happel auch in Film und Fernsehen zu sehen, unter
anderem in der mit dem Grimme Preis 2011 ausgezeichneten TV-Serie Klimawechsel oder auch als
Gerichtsmedizinerin in der SOKO Donau.
Reinhard Latzko, Violoncello
Der in Freising geborene Reinhard Latzko absolvierte seine Studien bei Jan
Polasek, Martin Ostertag und Heinrich Schiff. Er gewann zahlreiche Preise und
Auszeichnungen bei nationalen und internationalen Wettbewerben wie CIEM
Geneve, Venezia. Von 1987-2003 war Reinhard Latzko erster Solocellist im
Sinfonieorchester des Südwestfunks unter Michael Gielen.
Als Solist spielte er unter anderem mit dem Basler Sinfonieorchester, dem TonhalleOrchester Zürich, dem Sinfonieorchester des Südwestrundfunks, der Deutschen
Kammerphilharmonie unter Dirigenten wie Michael Gielen und Yuri Ahronowitsch. Gemeinsam mit
Ernst Kovacic, Heinrich Schiff, Christian Tetzlaff, Gustav Rivinius und Christian Altenburger widmet
er sich intensiv der Kammermusik. Seine rege Konzerttätigkeit führte ihn ins Wiener Konzerthaus,
in den Wiener Musikverein, in die Berliner Philharmonie, in die Kölner Philharmonie sowie in das
Palais des Beaux Arts Brüssel. Reinhard Latzko bestritt zahlreiche Uraufführungen. Von 1988-2005
leitete er eine Klasse für Violoncello an der Musikakademie der Stadt Basel als Nachfolger von Boris
Pergamenschikow. Seit 2003 ist Reinhard Latzko Professor für Violoncello an der Universität für
Musik und darstellende Kunst in Wien. (www.reinhardlatzko.at)
August Schmölzer, Rezitation
August Schmölzer wurde 1958 als Bauernsohn in der Steiermark geboren
und absolvierte nach seiner Ausbildung als Koch sein Schauspielstudium an
der Kunstuniversität Graz. Erste Engagements führten ihn nach Heilbronn und
ans Theater in der Josefstadt nach Wien. Seither war er u. a. am Bayerischen
Staatsschauspiel, an den Münchner Kammerspielen, am Staatstheater Stuttgart
und bei den Salzburger Festspielen zu sehen, wo er mit Regisseuren wie M. Kusej, P. Stein und O.
Schenk zusammenarbeitete. Neben der Theater und Fernseharbeit ist August Schmölzer immer
wieder in Kinofilmen zu sehen, u. a. in O. Hirschbiegels Der Untergang, in B. Beresfords Bride of
the Wind, in M. Glawoggers Nacktschnecken, in St. Spielbergs Schindlers Liste und in E. Scharangs
In einem anderen Leben. 2007 war August Schmölzer für den Deutschen Fernsehpreis nominiert,
2008 für den Bayrischen Fernsehpreis als Bester Schauspieler. 2010 erschien bei Styria das Buch
Tor zum Herzen, das den Weg der von ihm 2005 gegründeten Gustl58-Initiative zur Herzensbildung
beschreibt. 2011 erschien bei Styria das Buch Herzensbildung und in Zusammenarbeit mit dem
Maler Gerald Brettschuh das Buch Von Ameis, Schwein und Wolf im M/N Verlag.
(www.augustschmoelzer.com)
Jasminka Stancul, Klavier
Seit dem Gewinn des 1. Preises beim Internationalen Beethoven-Wettbewerb
in Wien konzertierte die Pianistin Jasminka Stancul weltweit mit namhaften
Orchestern wie den Wiener Symphonikern, Mozarteum Orchester Salzburg, Orchestre
de Paris, Orchestre Philharmonique de Luxembourg, St. Petersburg Philharmonie,
den Nationalorchestern Polens, Sloweniens, Ungarns, Kroatiens und Estlands,
dem Pittsburgh Symphony Orchestra, Los Angeles Philharmonic, Tokyo Symphony
Orchestra u.v.m.
Im Mozart-Jahr 2006 war sie mehrfach im Wiener Musikverein und im Großen Festspielhaus mit
Mozart-Klavierkonzerten zu hören. Bereits im April 2005 gab sie ihr umjubeltes Rezital-Debüt im
Brahms-Saal des Wiener Musikvereines.
Jasminka Stancul hat mit vielen wichtigen Dirigenten gearbeitet, wie Alexeev, Baudo, Graf,
Horvat, Kobayashi, Kuhn, Luisi, Maazel, Ono, Rasilainen, Remmereit, Salonen, Sanderling, Saraste,
Schirmer, Stein und Weil. Sie ist beim Klavier-Festival Ruhr, Schleswig-Holstein und dem Rheingau
Musik Festival, Maggio Musicale Fiorentino, Settimane Musicale di Stresa, Wiener Musiksommer,
Carinthischer Sommer und Radio France Montpellier aufgetreten. (www.stancul.com)
Oliver Triendl, Klavier
Oliver Triendl, Preisträger mehrerer nationaler und internationaler Wettbewerbe,
wurde 1970 in Mallersdorf in Bayern geboren und studierte bei Rainer Fuchs, KarlHeinz Diehl, Eckart Besch, Gerhard Oppitz und Oleg Maisenberg. Solistisch arbeitete
er mit zahlreichen renommierten Orchestern, beispielsweise den Bamberger
Symphonikern, der NDR-Radio-Philharmonie, dem Münchner Rundfunkorchester
und den Münchner Philharmonikern.
Als leidenschaftlicher Kammermusiker konzertierte er mit Musikerkollegen wie Christian Altenburger,
Eduard Brunner, David Geringas, Rainer Kussmaul, Lorin Maazel, Sabine und Wolfgang Meyer,
Benjamin Schmid, Christian Tetzlaff, Antje Weithaas und anderen. Mit Daniel Gaede, Volker Jacobsen
und Gustav Rivinius spielt er im Tammuz Piano Quartet. 2006 gründete er das Internationale
Kammermusikfestival Fürstensaal Classix in Kempten/Allgäu. Er konzertiert erfolgreich auf Festivals
und in zahlreichen Musikmetropolen Europas, Nord- und Südamerikas, in Südafrika und Asien. Mehr
als 50 CD-Einspielungen belegen sein Engagement als Anwalt für selten gespieltes Repertoire aus
Klassik und Romantik ebenso wie seinen Einsatz für zeitgenössische Werke.
Über den Ehrbar Saal
Hinter der historischen Fassade des Hauses
Mühlgasse 28-30 in Wien Wieden versteckt
sich einer der schönsten Konzertsäle
der Stadt: der Ehrbar Saal. Mitte des 19.
Jahrhunderts heiratete der Fabrikant
Friedrich Ehrbar die Witwe und Besitzerin
einer Wiener Klavierfabrik und baute das
Unternehmen zu einem der führenden
der Monarchie aus. Darauf bedacht, der
Konkurrenz, vor allem dem ebenfalls im
4. Bezirk ansässigen Klavierbauer Ludwig
Bösendorfer, immer einen Schritt voraus zu sein, führte Ehrbar nach einem Patent von Steinway & Sons
einen gusseisernen Vollrahmen ein und wurde bald darauf zum Hoflieferant ernannt.
1867 gab Friedrich Ehrbar in seinem Wohnpalais dem Architekten Julius Schrittwieser den Auftrag
zu einem am Baustil der italienischen Hochrenaissance orientierten Saal. Der Ehrbar Saal erwies sich
aufgrund seiner akustischen Gegebenheiten und seiner Schönheit als idealer Konzertsaal und wurde bald
zu einem der beliebtesten Aufführungsorte in Wien. Gustav Mahler, Johannes Brahms, Anton Bruckner
und Max Reger traten hier auf. Im Jahr 1910 fand die Uraufführung von Arnold Schönbergs Gurreliedern
statt, 1911 wurde eine Galerie zugebaut.
Im Ersten Weltkrieg wurde der Ehrbar Saal als Vorratsraum benutzt und diente als Fabriksraum und
Magazin. 1934 bis 1938 fanden in ihm die mit Marcel Rubin verbundenen Konzerte Musik der Gegenwart
statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und einer zwischenzeitlichen Umfunktionierung als Tischlerei und
Lazarett wurde der in den Originalzustand rückversetzte Saal durch ein Konzert der Wiener Philharmoniker
im November 1946 unter Rudolf Moralt wiedereröffnet.
In den folgenden zwanzig Jahren fanden im Ehrbar Saal viele Konzerte statt, dann entschwand dieser
besondere Aufführungsort aus dem öffentlichen Blickfeld. Erst in den letzten Jahren werden vermehrt
Aktivitäten gesetzt, den Ehrbar Saal wieder zu beleben. Mit COSTRUIRE PONTI und dem Zyklus Wege zu
Beethoven soll ein weiterer Schritt gesetzt werden, diesen wunderbaren Saal als das in den Mittelpunkt
des Interesses zu rücken, was er ist: ein Juwel im Herzen der Wieden und einer der schönsten Säle Wiens.
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