COSTRUIRE PONTI Wege zu Beethoven Wien Ehrbar Saal 17. Jänner bis 31. Jänner 2012 Verehrtes Publikum! Im Namen aller mitwirkenden Künstlerinnen und Künstler heißen wir Sie bei diesem Konzertzyklus im geschichtsträchtigen Wiener Ehrbar Saal sehr herzlich willkommen. Die Wiederbelebung dieser historisch so wertvollen Spielstätte ist uns ein besonderes Anliegen. Kaum ein anderer Saal in Wien verfügt über eine derart außergewöhnliche Akustik und besondere Atmosphäre, dennoch ist er vielen musikinteressierten Menschen noch immer kein Begriff. Die großzügige Unterstützung der Bank Austria hat es uns ermöglicht, einen Konzertzyklus ganz speziell für diesen Saal und seine besonderen Qualitäten zu entwerfen. COSTRUIRE PONTI möchte anhand ausgewählter Themen Verbindungen und Beziehungen zwischen gesprochenem Wort und Musik herstellen und bietet Ihnen an fünf Abenden die Gelegenheit, das komplette Schaffen Ludwig van Beethovens für Violine und Klavier beziehungsweise Violoncello und Klavier zu erleben. Wir wünschen Ihnen eindrucksreiche Abende im Wiener Ehrbar Saal und freuen uns über Ihr Interesse und Ihren Besuch. Mit herzlichen Grüßen Christian Altenburger August Schmölzer MYTHOS 17. Jänner 2012, 19.30 Uhr Sonate für Klavier und Violine D-Dur, op. 12/1 Allegro con brio Tema con Variazioni Rondo. Allegro Über Prometheus Sonate für Klavier und Violine Es-Dur, op. 12/3 Allegro con spirito Adagio con molt’ espressione Rondo . Allegro molto - Pause Giacomo Leopardi: Die Wette des Prometheus Sonate für Klavier und Violoncello A-Dur, op. 69 Allegro ma non tanto Scherzo. Allegro molto Adagio cantabile – Allegro vivace Jasminka StanculKlavier Christian AltenburgerVioline Reinhard LatzkoVioloncello Maria HappelRezitation August SchmölzerRezitation MYTHOS Insgesamt zehn Violinsonaten hat Ludwig van Beethoven geschrieben. Sie entstanden in einem Zeitraum von fünfzehn Jahren und spiegeln – anders als die Klavier- und die Cellosonaten – nur einen Teil des Schaffensweges des Komponisten wider. Obwohl alle Sonaten in ihren Bezeichnungen das Klavier voranstellen, eine Tradition, der sich auch Beethoven noch verbunden fühlt, herrscht in den Violinsonaten eine besondere Partnerschaftlichkeit der Instrumente vor, die eine neue Perspektive auf die Gattung der Streichersonate wirft und die Entwicklung der Sonate bis weit ins 19. Jahrhundert prägt. Die Sonaten op. 12, von denen zwei an diesem Abend zu hören sind, entstanden 1797/98 in Wien. Beethoven war damals schon gut ins Wiener Musikleben eingeführt und galt als „musikalisches Genie“. Obwohl als Pianist bereits berühmt, nahm Beethoven, der auch Bratsche spielte, in Wien bei Krumpholtz Geigenunterricht. Die Violinsonaten von Mozart kannte Beethoven noch aus seiner Bonner Zeit und sie übten eine große Wirkung auf ihn aus. Die Violinsonaten op. 12, Beethovens erste Sonaten für Klavier und Violine sind zwar äußerlich noch ganz der Tradition verpflichtet, lassen aber den zukünftigen Geist Beethovens erkennen. Die Sonaten sind Antonio Salieri gewidmet, bei dem er Kompositionsunterricht nahm, und zeigen eine große Nähe zur 1799 entstandenen 1. Symphonie. Das Motto Mythos, das den ersten Abend des Beethoven-Zyklus begleitet, erinnert sowohl an den Mythos Beethoven, der unter den modernen Mythen eine besondere Position einnimmt, als auch an Beethovens Beschäftigung mit Mythen. Schon zu Beethovens Lebzeiten setzt eine Mythisierung ein, die den Komponisten als siegreichen Helden über das Schicksal zeichnet. Sein Leiden, die Taubheit, die unglückliche Liebe, die gesundheitlichen Probleme und die Überwindung all dessen durch die Musik schaffen den klassischen Künstlermythos schlechthin und führen zu einer untrennbaren Verbindung von Leben und Werk. Die Texte des heutigen Abends beleuchten den Mythos des Prometheus, der zweifellos als der Symbolmythos der Aufklärung bezeichnet werden kann und zahlreiche berühmte Dichter, unter ihnen Johann Wolfgang von Goethe, zur Verarbeitung und Neudeutung bewegte. Gleich nach der Komposition seiner 1. Symphonie begann Beethovens Beschäftigung mit dem Prometheus. Gut möglich, dass der viel beschworene „prometheische Schöpfergeist“ den Komponisten, der seine eigene Mythisierung durchaus unterstützte, besonders faszinierte. Die Cellosonate op. 69 zählt zur mittleren Schaffensperiode Beethovens und entstand 1807/08, in der Zeit, in der Beethoven auch an seiner 6. Symphonie, der Pastorale, schrieb. Sie ist die dritte Cellosonate des Komponisten, aber im Grunde die erste, die das Cello zum wirklich gleichberechtigten Solopartner des Klaviers erhebt – was durch eine kleine Solokadenz im 1. Satz unterstrichen wird. Gewidmet hat Beethoven diese Sonate seinem treuen Freund und hervorragendem Cellisten Freiherr Ignaz von Gleichenstein. Beethovens Ringen um die verschiedenen Register des Cellos neben einem ausgewogenen Klaviersatz wird durch zahlreiche Korrekturen im Autograph belegt. IRGENDWO AUSSER DER WELT 18. Jänner 2012, 19.30 Uhr Sonate für Klavier und Violine A-Dur, op. 12/2 Allegro vivace Andante, più tosto Allegretto Allegro piacevole Charles Baudelaire: Irgendwo außer der Welt Sonate für Klavier und Violoncello C-Dur, op. 102/1 Andante – Allegro vivace Adagio – Tempo d’Andante – Allegro vivace - Pause Hermann Harry Schmitz: Wie es kompliziert war, bis ich in dieSommerfrische kam Sonate für Klavier und Violine F-Dur, op. 24 Allegro Adagio molto espressivo Scherzo. Allegro molto Rondo. Allegro ma non troppo Jasminka StanculKlavier Christian AltenburgerVioline Reinhard LatzkoVioloncello Maria HappelRezitation August SchmölzerRezitation IRGENDWO AUSSER DER WELT An diesem zweiten Abend des Zyklus werden Sonaten aus sehr unterschiedlichen Schaffensperioden einander gegenüber gestellt: die frühe Violinsonate op. 12/2, entstanden 1797/98, die 1800 komponierte Frühlingssonate und eine der beiden letzten Cellosonaten des Komponisten (op. 102/1), die an der Schwelle zum Spätwerk steht und mit 1815 datiert ist. Die Violinsonate op. 12/2, deren Schwesternsonaten am Abend zuvor erklungen sind, ist ebenso wie diese dreisätzig, mit einem Allegrosatz am Beginn und einem Rondosatz am Schluss, und zeigt ihre Identität und Eigenheit besonders im mittleren langsamen Satz, in dem Beethoven die Zuhörer in eine „Welt des lyrischen Innehaltens“ (Zitat Dieter Rexroth) führt. Im starken Kontrast dazu erklingt die Sonate für Klavier und Violoncello op. 102/1. Sie gehört „ganz gewiß zu dem Ungewöhnlichsten und Sonderbarsten“, was jemals komponiert wurde, wie ein Rezensent der Uraufführung schreibt, und wird bis heute zu den sperrigsten Werken des Komponisten gerechnet. Während Beethoven sich in seinen frühen Cellosonaten eher scheute, dem Cello melodiöse Kantilenen zu schreiben, so scheint er in den Sonaten op. 102 diese kompositorischen Schwierigkeiten gänzlich überwunden zu haben, wie man im langsamen Satz dieser Sonate besonders gut hört. Wie aus seiner Biographie hinlänglich bekannt, wird Beethoven zu einem der unruhigsten Geister unter den Komponisten gezählt, was durch seine zahlreichen Wohnungswechsel und Umzüge bestens dokumentiert ist. So hat er in seinen 35 Wiener Jahren mindestens 29 Wohnungen an 26 verschiedenen Adressen bewohnt. Wie zu seiner Zeit üblich, gab Beethoven in den Sommermonaten das Quartier in Wien auf und begab sich zum Sommeraufenthalt die in die nähere Umgebung. Im Laufe seines Lebens und mit zunehmender Unpässlichkeit verlegte er seine Sommerfrische immer mehr in Kurorte mit Heilbädern wie zum Beispiel nach Baden bei Wien. Diese biographischen Fakten zum Anlass nehmend, beschäftigen sich die Texte dieses Konzerts mit dem Thema Sommerfrische und den teilweise humorvollen Tücken derselben und wollen anregen, die Sommeraufenthalte des Komponisten aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Die Violinsonate op. 24, in der Literatur immer wieder auch als Frühlingssonate bezeichnet, steht beinahe dialektisch zu der in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft entstandenen Sonate op. 23, die das darauf folgende Konzert eröffnen wird. An Hegels Phänomenologie des Geistes anknüpfend und dabei die Theorie von These und Antithese verfolgend, steht die Sonate op. 24 mit ihrer aufgeheiterten, frühlingshaften Stimmung ganz im Gegensatz zum tragischen Tonfall des a-moll von op. 23. Generell vollzog sich in der Zeit um 1800 in musikalischer Hinsicht ein absoluter Paradigmenwechsel, der sowohl vom alten Haydn mit seinem Spätwerk als auch vom jungen Beethoven vorangetrieben wurde, der in der Sonate op. 24 seinen symphonischen Anspruch manifestierte und sich von der konzertanten Dreisätzigkeit zur symphonischen Viersätzigkeit hin entwickelte. UNERFÜLLTE LIEBE 25. Jänner 2012, 19.30 Uhr Sonate für Klavier und Violine a-moll, op. 23 Presto Andante scherzoso, più Allegretto Allegro molto Über die unerfüllte Liebe Sonate für Klavier und Violoncello D-Dur, op. 102/2 Allegro con brio Adagio con molto sentimento d’affetto – attacca: Allegro – Allegro fugato - Pause Knut Hamsun: Du wirst keinen finden, der so lieb zu dir ist, wie ich es wäre Sonate für Klavier und Violine c-moll, op. 30/2 Allegro con brio Adagio cantabile Scherzo. Allegro Finale. Allegro Oliver TriendlKlavier Christian AltenburgerVioline Reinhard LatzkoVioloncello Maria Happel Rezitation August SchmölzerRezitation UNERFÜLLTE LIEBE So wie die beiden Violinsonaten, die das dritte Konzert einrahmen, in ihrer Grundstimmung dunkle, ja beinahe düstere Schattierungen aufweisen, so führt auch das Thema des Abends in ein tragisches Kapitel von Beethovens Biographie: seine unerfüllte Liebe zur „unsterblichen Geliebten“, von der wir bis heute zwar nicht wissen, wer sie gewesen ist, der wir aber eines der berühmtesten Schriftstücke Beethovens verdanken. Der Brief an die unsterbliche Geliebte, den Beethoven niemals abschickte und 25 Jahre bei sich verwahrte, gibt immer noch Rätsel auf. Gesichert scheint, dass es sich um eine Dame aus der höheren Gesellschaft handelte, mit der eine Verbindung ausgeschlossen schien. Beethoven war nie verheiratet. Neben seiner Ertaubung zählt seine unglückliche Liebesbeziehung sicher zu einem der markantesten Aspekte seiner Biographie. Grund genug, sich der sehnsuchtsvollen, unerfüllten Liebe an diesem Abend auch literarisch zu nähern. Während die Violinsonate op. 23, die das Konzert eröffnet, in der Beliebtheit des Publikums oft hinter ihrer Schwesternsonate, der am 18. Jänner erklungenen Frühlingssonate, rangiert, so bewertet die Beethovenliteratur die Sonate op. 23 ganz anders. Von „Feuer“ und einer „Meisterschaft in der Behandlung“ ist die Rede, von einem „wichtigen Beitrag zur Charakterisierung von Beethovens Seelenleben“, der so viel mehr Beethovensches enthalte als die so beliebte und oft gespielte Frühlingssonate. Dass die Sonate op. 23 in Beethovens Werk eine Sonderstellung einnimmt, beweist die Tatsache, dass im Sonatensatz der Durchführung weitaus mehr Raum gegeben wird als der Exposition. Eine formale Disposition, auf die der Komponist erst wieder in der 3. Symphonie, der Eroica, und in einem der Rasumowsky-Quartette (op. 59/1) zurückkommt. Wie bereits anhand der Geschwistersonate, die ebenfalls im zweiten Konzert erklang, ausgeführt, konfrontiert die letzte aller Cellosonaten Beethovens, die Sonate op. 102/2, die Interpreten mit enormen spieltechnischen und musikalischen Herausforderungen. Es sei das „Beinahe-Unmögliche“ (Zitat Hermann Danuser), was der Komponist den Musikern abverlange. Die Sonate leitet direkt ins Spätwerk des Komponisten über und enthält im dritten und letzten Satz die erste der großen Schlussfugen des späten Beethoven, dessen kompositorischen Wagnissen seine Zeitgenossen völlig verständnislos gegenüberstehen mussten. Die Sonaten op. 102 sind die spätest komponierten Repräsentanten der Klavierkammermusik im beethovenschen Werk. Die Violinsonate op. 30/2, die das dritte Konzert beschließt und die mit ihren vier Sätzen die größte des Sonaten-Trios op. 30 ist, kommt nicht umhin, mit einem weiteren wichtigen Schriftstück Beethovens in Verbindung gebracht zu werden: mit dem Heiligenstädter Testament. Dieses Schreiben, ein Aufschrei des zutiefst unglücklichen Komponisten an seine Brüder, ist Verzweiflung, Kampf und Wehren gegen die nicht aufzuhaltende Taubheit. Die 1802 entstandene Sonate mit ihrer tragischen Grundtonart c-moll ist das einzige Werk aus dieser Zeit, das einen Einblick in das Seelenleben des Komponisten gestattet. MUSIK UND GEHIRN 26. Jänner 2012, 19.30 Uhr Sonate für Klavier und Violoncello F-Dur, op. 5/1 Adagio sostenuto – Allegro Rondo. Allegro vivace Harold Klawans: Die Musik macht die Runde - Aber wo kommt sie herein? Sonate für Klavier und Violine A-Dur, op. 30/1 Allegro Adagio molto espressivo Allegretto con Variazioni - Pause Sonate für Klavier und Violine G-Dur, op. 96 Allegro moderato Adagio espressivo Scherzo. Allegro Poco Allegretto – Adagio – Allegro Oliver TriendlKlavier Reinhard LatzkoVioloncello Christian AltenburgerVioline Maria HappelRezitation August SchmölzerRezitation MUSIK UND GEHIRN Die fünf Cellosonaten Beethovens, die aus allen drei großen Schaffensperioden – der frühen, mittleren und späten – stammen, geben einen hervorragenden Gesamtblick auf das Kammermusikwerk des Komponisten. Die 1796 in Berlin unter großem Zeitdruck entstandenen Cellosonaten op. 5 sind überhaupt die ersten Klavierduos von Beethoven. Gewidmet sind sie dem Cello spielenden König Friedrich Wilhelm II, dem schon Haydn und Mozart Streichquartette gewidmet hatten. Er beschäftigte an seinem Hof die Cellisten Duport, das berühmte Brüderpaar, als Musiker und Lehrer. Gemeinsam mit Jean-Louis Duport hob Beethoven, der damals bereits als Klaviervirtuose gefeiert wurde und vor allem mit seinen Improvisationen glänzte, seine Sonaten op. 5 aus der Taufe und erhielt dafür vom König eine goldene mit Louis d‘ors gefüllte Dose, die laut Beethoven „von der Art sei, wie sie den Gesandten wohl gegeben werde“. Bereits im Konzert am Tag zuvor ist die große Violinsonate op. 30/2 in c-moll zu hören gewesen. Sie bildet mit den beiden sie umrahmenden und in Dur stehenden Schwesternsonaten eine formale Einheit, ähnlich den im gleichen Zeitraum entstandenen Klaviersonaten op. 31. Die Sonate op. 30/1, die in diesem vierten Konzert erklingt, macht vor allem in den melodiösen Verschränkungen des ersten Satzes deutlich, wie polyphon, wie gleichwertig Beethoven beide Duopartner behandelt. In ihr sind die letzten historischen Spuren einer violinbegleitenden Sonatenform getilgt. Beethovens letzte Violinsonate op. 96 entstand im Jahr der 7. und 8. Symphonie 1812 und lässt sich mit keiner seiner früheren Sonaten vergleichen. Der beseelte Dialog des ersten Satzes, der durch seine verhaltene Dynamik so ganz untypisch für die Eröffnungssätze des Komponisten ist, macht bereits deutlich, dass die Sonate op. 96, die der Geiger Carl Flesch einmal als die „undankbarste“ unter allen Violinsonaten Beethovens beschrieb, einen inneren Beziehungsreichtum zwischen den beiden Instrumenten aufweist, den sonst wenige Werke dieser Gattung besitzen. Ihr Entstehen wird mit dem Aufenthalt des Violinvirtuosen Pierre Rode in Wien in Verbindung gebracht. Allerdings ohne ihm gewidmet zu sein, da Beethoven von seinem Spiel letztendlich enttäuscht war. Das Motto dieses Abends, Musik und Gehirn, ist mit Sicherheit das, welches am weitesten von Beethoven weg-, dafür aber nahe zur Musik hinführt. Es ist anzunehmen, dass sich Beethoven, der trotz geringer schulischer Bildung ein umfassend interessierter und von lebenslangem Bildungshunger getriebener Geist war, mit den neuesten Forschungen zur Entstehung und Wirkung von Musik im menschlichen Gehirn intensiv auseinander gesetzt hätte. TEMPERAMENTE 31. Jänner 2012, 19.30 Uhr Sonate für Klavier und Violine G-Dur, op. 30/3 Allegro assai Tempo di Minuetto Allegro vivace August von Kotzebue: Die schlaue Witwe Sonate für Klavier und Violoncello g-moll, op. 5/2 Adagio sostenuto ed espressivo - Allegro molto più tosto presto Rondo. Allegro - Pause Sonate für Klavier und Violine A-Dur, op. 47, Kreutzer-Sonate Adagio sostenuto – Presto Andante con Variazioni Presto Jasminka StanculKlavier Christian AltenburgerVioline Reinhard LatzkoVioloncello Maria HappelRezitation August SchmölzerRezitation Dramaturgie: Angelika Messner TEMPERAMENTE Die Violinsonate op. 30/3, die das letzte Konzert eröffnet, entstand 1802 und ist Zar Alexander I. von Russland gewidmet. Nachdem Aufführungstantiemen zu Beethovens Zeit etwas gänzlich Unbekanntes waren, konnte der Komponist hoffen, vom Widmungsträger mit einem Geldgeschenk bedacht zu werden. Zar Alexander reagierte jedoch auf die ihm zugedachte Widmung überhaupt nicht, was Beethoven sehr verärgerte. Erst 12 Jahre später, als der Zar 1814/15 beim Wiener Kongress in Wien weilte, sorgte seine Ehefrau Elisabeth Alekiewna dafür, dass Beethoven mit einem nachträglichen Ehrensold von 100 Dukaten für op. 30 bedacht wurde, was der Komponist später mit großer Genugtuung erzählte. Durch ihren heiteren Gestus bietet die Sonate op. 30/3 einen Gegensatz zum großen, viersätzigen mittleren Werk, der Sonate in c-moll op. 30/2, und führt zur positiven Grundstimmung der ersten Sonate aus op. 30 zurück. August Ferdinand von Kotzebue (1761 – 1819), dessen Einakter Die schlaue Witwe oder Die Temperamente den Zyklus literarisch beschließt, war der erfolgreichste und meistgespielte Bühnenautor zu Beethovens Zeit, dessen Stücke sogar Goethe inszenierte. Im Jahr 1812 komponierte Beethoven anlässlich der Eröffnung des neuen Opernhauses in Pest die Musik zu Kotzebues Die Ruinen von Athen op. 113 sowie zu König Stephan op. 117. Das Motto Temperamente verweist einerseits auf die zu Beethovens Zeit immer noch gültige Lehre von den vier menschlichen Temperamenten und andererseits – mit etwas Augenzwinkern – auf Beethovens sprichwörtliches Temperament, das durch zahlreiche Anekdoten seines Lebens überliefert ist. Die Cellosonate op. 5/2, wie bereits im Text zum Konzert am 26. Jänner erwähnt, zählt zu den beiden ersten Cellosonaten Beethovens, die beide aus zwei schnellen Sätzen mit jeweils langsamen Einleitungen bestehen. Durch die stark verbesserte Basssonorität des Hammerklaviers wurde gerade zu Beethovens Zeit das Cello aus seiner harmonietragenden Rolle befreit. Beethoven erfasste die neuen technischen Möglichkeiten und entwickelte das Instrument in Richtung Melodieträger - eine Rolle, die das Cello in der romantischen Literatur vollends übernahm. Mit der Violinsonate op. 47, der Kreutzer-Sonate, wird der fünfteilige Beethoven-Zyklus beschlossen. In der dem Geiger Rodolphe Kreutzer gewidmeten Sonate, die dieser aber wahrscheinlich nie gespielt hat, bricht Beethoven mit sämtlichen Konventionen und wendet sich bewusst gegen die Tradition. Die Irritation seiner Zeitgenossen war beträchtlich. So wurde in einer Rezension von 1805 von „ästhetischem oder artistischem Terrorismus“ gesprochen. Beethoven sei „auf´s willkürlichste“ verfahren, um „nur immer ganz anders zu seyn, wie andre Leute“. Vor allem der erste Satz, der durch seinen konzertanten Stil eine Mittelstellung zwischen den Gattungen der Sonate und des Konzerts einnimmt, muss provoziert haben. Mit der Länge von knapp 600 Takten weist er schon formal über alle Vorgängersonaten hinaus und übertrifft diese auch durch seine vielfältigen Brüche und gewagten harmonischen Wendungen. Die 1802/1803 komponierte Sonate hat Beethoven wahrscheinlich gemeinsam mit dem mulattischen Geiger George Polgreen Bridgetower im Rahmen eines Konzerts beim Fürsten Lichnowsky uraufgeführt. MITWIRKENDE Christian Altenburger, Violine Christian Altenburger studierte an der Musikuniversität seiner Heimatstadt Wien und bei Dorothy DeLay an der Juilliard School New York. Mit 19 Jahren debütierte er als Solist im Wiener Musikverein. Rasch folgten Engagements bei internationalen Spitzenorchestern unter Dirigenten wie Claudio Abbado, James Levine, Lorin Maazel und Zubin Mehta. Neben seiner solistischen Tätigkeit entwickelte sich die Kammermusik zu einem besonderen Schwerpunkt seiner künstlerischen Arbeit. Christian Altenburger konzertiert nicht nur leidenschaftlich gerne mit Kollegen und Freunden wie Bruno Canino, Patrick Demenga, Heinz Holliger, Nobuko Imai, Kim Kashkashian und Melvyn Tan, sondern engagiert sich auch bei der Planung profilierter Programme. Von 1999-2005 fungierte er gemeinsam mit der Schauspielerin Julia Stemberger als künstlerischer Leiter des Festivals Mondseetage. Seit 2003 obliegt ihm die künstlerische Leitung des Kammermusikfestivals Schwäbischer Frühling, und seit 2006 ist er künstlerischer Leiter des Musikfestivals Loisiarte. Seit 2001 ist Christian Altenburger als Professor an der Musikuniversität Wien tätig. (www.christian-altenburger.at) Maria Happel, Rezitation Geboren im Spessart in Deutschland, absolvierte Maria Happel ihre Schauspielausbildung in Hamburg. Seit 1992 ist sie Ensemblemitglied des Burgtheaters in Wien. Maria Happel arbeitete mit Regisseuren wie Ruth Berghaus, Klaus Maria Brandauer, Adolf Dresen, Achim Freyer, Matthias Hartmann, Claus Peymann, Werner Schröter und Philipp Tiedemann. Regelmäßig inszeniert Maria Happel selber, unter anderem bei den Festspielen in Reichenau. Ihr vielseitiges Repertoire erstreckt sich von der Polly Peachum aus der Dreigroschenoper über das Salerl in Johann Nepomuk Nestroys Zu ebener Erde und erster Stock bis zu Véronique Houillé in Yasmina Rezas Der Gott des Gemetzels. Maria Happel erhielt 1999 die Kainz-­Medaille, wurde 2003 mit dem Nestroy­ Theaterpreis als Beste Schauspielerin ausgezeichnet und 2004 vom ORF-Hörspiel zur Schauspielerin des Jahres gewählt. Darüber hinaus ist Maria Happel auch in Film und Fernsehen zu sehen, unter anderem in der mit dem Grimme Preis 2011 ausgezeichneten TV-Serie Klimawechsel oder auch als Gerichtsmedizinerin in der SOKO Donau. Reinhard Latzko, Violoncello Der in Freising geborene Reinhard Latzko absolvierte seine Studien bei Jan Polasek, Martin Ostertag und Heinrich Schiff. Er gewann zahlreiche Preise und Auszeichnungen bei nationalen und internationalen Wettbewerben wie CIEM Geneve, Venezia. Von 1987-2003 war Reinhard Latzko erster Solocellist im Sinfonieorchester des Südwestfunks unter Michael Gielen. Als Solist spielte er unter anderem mit dem Basler Sinfonieorchester, dem TonhalleOrchester Zürich, dem Sinfonieorchester des Südwestrundfunks, der Deutschen Kammerphilharmonie unter Dirigenten wie Michael Gielen und Yuri Ahronowitsch. Gemeinsam mit Ernst Kovacic, Heinrich Schiff, Christian Tetzlaff, Gustav Rivinius und Christian Altenburger widmet er sich intensiv der Kammermusik. Seine rege Konzerttätigkeit führte ihn ins Wiener Konzerthaus, in den Wiener Musikverein, in die Berliner Philharmonie, in die Kölner Philharmonie sowie in das Palais des Beaux Arts Brüssel. Reinhard Latzko bestritt zahlreiche Uraufführungen. Von 1988-2005 leitete er eine Klasse für Violoncello an der Musikakademie der Stadt Basel als Nachfolger von Boris Pergamenschikow. Seit 2003 ist Reinhard Latzko Professor für Violoncello an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. (www.reinhardlatzko.at) August Schmölzer, Rezitation August Schmölzer wurde 1958 als Bauernsohn in der Steiermark geboren und absolvierte nach seiner Ausbildung als Koch sein Schauspielstudium an der Kunstuniversität Graz. Erste Engagements führten ihn nach Heilbronn und ans Theater in der Josefstadt nach Wien. Seither war er u. a. am Bayerischen Staatsschauspiel, an den Münchner Kammerspielen, am Staatstheater Stuttgart und bei den Salzburger Festspielen zu sehen, wo er mit Regisseuren wie M. Kusej, P. Stein und O. Schenk zusammenarbeitete. Neben der Theater und Fernseharbeit ist August Schmölzer immer wieder in Kinofilmen zu sehen, u. a. in O. Hirschbiegels Der Untergang, in B. Beresfords Bride of the Wind, in M. Glawoggers Nacktschnecken, in St. Spielbergs Schindlers Liste und in E. Scharangs In einem anderen Leben. 2007 war August Schmölzer für den Deutschen Fernsehpreis nominiert, 2008 für den Bayrischen Fernsehpreis als Bester Schauspieler. 2010 erschien bei Styria das Buch Tor zum Herzen, das den Weg der von ihm 2005 gegründeten Gustl58-Initiative zur Herzensbildung beschreibt. 2011 erschien bei Styria das Buch Herzensbildung und in Zusammenarbeit mit dem Maler Gerald Brettschuh das Buch Von Ameis, Schwein und Wolf im M/N Verlag. (www.augustschmoelzer.com) Jasminka Stancul, Klavier Seit dem Gewinn des 1. Preises beim Internationalen Beethoven-Wettbewerb in Wien konzertierte die Pianistin Jasminka Stancul weltweit mit namhaften Orchestern wie den Wiener Symphonikern, Mozarteum Orchester Salzburg, Orchestre de Paris, Orchestre Philharmonique de Luxembourg, St. Petersburg Philharmonie, den Nationalorchestern Polens, Sloweniens, Ungarns, Kroatiens und Estlands, dem Pittsburgh Symphony Orchestra, Los Angeles Philharmonic, Tokyo Symphony Orchestra u.v.m. Im Mozart-Jahr 2006 war sie mehrfach im Wiener Musikverein und im Großen Festspielhaus mit Mozart-Klavierkonzerten zu hören. Bereits im April 2005 gab sie ihr umjubeltes Rezital-Debüt im Brahms-Saal des Wiener Musikvereines. Jasminka Stancul hat mit vielen wichtigen Dirigenten gearbeitet, wie Alexeev, Baudo, Graf, Horvat, Kobayashi, Kuhn, Luisi, Maazel, Ono, Rasilainen, Remmereit, Salonen, Sanderling, Saraste, Schirmer, Stein und Weil. Sie ist beim Klavier-Festival Ruhr, Schleswig-Holstein und dem Rheingau Musik Festival, Maggio Musicale Fiorentino, Settimane Musicale di Stresa, Wiener Musiksommer, Carinthischer Sommer und Radio France Montpellier aufgetreten. (www.stancul.com) Oliver Triendl, Klavier Oliver Triendl, Preisträger mehrerer nationaler und internationaler Wettbewerbe, wurde 1970 in Mallersdorf in Bayern geboren und studierte bei Rainer Fuchs, KarlHeinz Diehl, Eckart Besch, Gerhard Oppitz und Oleg Maisenberg. Solistisch arbeitete er mit zahlreichen renommierten Orchestern, beispielsweise den Bamberger Symphonikern, der NDR-Radio-Philharmonie, dem Münchner Rundfunkorchester und den Münchner Philharmonikern. Als leidenschaftlicher Kammermusiker konzertierte er mit Musikerkollegen wie Christian Altenburger, Eduard Brunner, David Geringas, Rainer Kussmaul, Lorin Maazel, Sabine und Wolfgang Meyer, Benjamin Schmid, Christian Tetzlaff, Antje Weithaas und anderen. Mit Daniel Gaede, Volker Jacobsen und Gustav Rivinius spielt er im Tammuz Piano Quartet. 2006 gründete er das Internationale Kammermusikfestival Fürstensaal Classix in Kempten/Allgäu. Er konzertiert erfolgreich auf Festivals und in zahlreichen Musikmetropolen Europas, Nord- und Südamerikas, in Südafrika und Asien. Mehr als 50 CD-Einspielungen belegen sein Engagement als Anwalt für selten gespieltes Repertoire aus Klassik und Romantik ebenso wie seinen Einsatz für zeitgenössische Werke. Über den Ehrbar Saal Hinter der historischen Fassade des Hauses Mühlgasse 28-30 in Wien Wieden versteckt sich einer der schönsten Konzertsäle der Stadt: der Ehrbar Saal. Mitte des 19. Jahrhunderts heiratete der Fabrikant Friedrich Ehrbar die Witwe und Besitzerin einer Wiener Klavierfabrik und baute das Unternehmen zu einem der führenden der Monarchie aus. Darauf bedacht, der Konkurrenz, vor allem dem ebenfalls im 4. Bezirk ansässigen Klavierbauer Ludwig Bösendorfer, immer einen Schritt voraus zu sein, führte Ehrbar nach einem Patent von Steinway & Sons einen gusseisernen Vollrahmen ein und wurde bald darauf zum Hoflieferant ernannt. 1867 gab Friedrich Ehrbar in seinem Wohnpalais dem Architekten Julius Schrittwieser den Auftrag zu einem am Baustil der italienischen Hochrenaissance orientierten Saal. Der Ehrbar Saal erwies sich aufgrund seiner akustischen Gegebenheiten und seiner Schönheit als idealer Konzertsaal und wurde bald zu einem der beliebtesten Aufführungsorte in Wien. Gustav Mahler, Johannes Brahms, Anton Bruckner und Max Reger traten hier auf. Im Jahr 1910 fand die Uraufführung von Arnold Schönbergs Gurreliedern statt, 1911 wurde eine Galerie zugebaut. Im Ersten Weltkrieg wurde der Ehrbar Saal als Vorratsraum benutzt und diente als Fabriksraum und Magazin. 1934 bis 1938 fanden in ihm die mit Marcel Rubin verbundenen Konzerte Musik der Gegenwart statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und einer zwischenzeitlichen Umfunktionierung als Tischlerei und Lazarett wurde der in den Originalzustand rückversetzte Saal durch ein Konzert der Wiener Philharmoniker im November 1946 unter Rudolf Moralt wiedereröffnet. In den folgenden zwanzig Jahren fanden im Ehrbar Saal viele Konzerte statt, dann entschwand dieser besondere Aufführungsort aus dem öffentlichen Blickfeld. Erst in den letzten Jahren werden vermehrt Aktivitäten gesetzt, den Ehrbar Saal wieder zu beleben. Mit COSTRUIRE PONTI und dem Zyklus Wege zu Beethoven soll ein weiterer Schritt gesetzt werden, diesen wunderbaren Saal als das in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken, was er ist: ein Juwel im Herzen der Wieden und einer der schönsten Säle Wiens.