Wozu Sportethik?

Werbung
LSB (Sankt Augustin)
45(2004)2, 135-142
Claudia Pawlenka
Wozu Sportethik?
Replik zu Volker Schürmann
„Wie sie mit ihrer Moral, die schmutzigen Naturen, uns quälen!
Tut Euch die Peitsche so gar not, was empfehlt ihr sie uns!“1
Das zeitgleiche Erscheinen zweier Bücher zum Sport und seiner Ethik (Drexel,
2002; Pawlenka, 2002) hat Volker Schürmann (2003) zu einer kritischen Stellungnahme in den LSB veranlasst. Schürmanns Beitrag ist primär ein Angriff auf
die vermeintliche Notwendigkeit und Wirkungsmächtigkeit der Sportethik, d. h.
weniger als konkrete „Kritik an“ einer utilitaristischen Sportethik (Pawlenka,
2002) zu verstehen denn als grundsätzlicher Einwand gegen jede Sportethik
„aus Anlass dieses Textes“. Die zwei Kernthesen von Schürmanns Angriff gegen die Sportethik sind:
a)
Weil das Handeln auf dem Spielfeld bzw. Sportplatz rechtlich geregelt sei,
sei der Sport eine moralfreie Zone, und folglich
b)
weil der Sport eine moralfreie Zone sei, benötigten wir keine Sportethik
bzw. werde in der Sportethik lediglich eine Scheindiskussion geführt.
Da mit der Prämisse die Conclusio steht und fällt, gilt es, erstere in Augenschein
zu nehmen. Die Frage, ob dem Befolgen der Spielregeln eine ethische Dimension zuzumessen ist (vgl. de Wachter, 1983), hat auch hierzulande mittlerweile
Tradition (vgl. Lenk 1964; Apel, 1988) und wurde in den 1980er Jahren insbesondere im Journal of the Philosophy of Sport im Rahmen der sog. „logical
incompatibility thesis between winning und cheating“ diskutiert (vgl. Court,
1995). Schürmanns Ausscheren aus dieser Diskussion durch eine Gleichsetzung von Spielregeln und Rechtsnormen, die für ihn das „Ende der Durchsage“
1
Friedrich Schiller, Moralische Schwätzer (Sämtliche Werke in fünf Bänden, München/Wien 2004, Bd. I), S. 324.
135
(2003, S. 163) bedeutet, ist ein echtes Novum und käme in der Tat einer
schnörkellosen Lösung des Gordischen Knotens gleich.
Nun ist es seit Apel kein Geheimnis, dass Spielregeln (bzw. ihre Befolgung) sich
von Rechtsnormen und unbedingten moralischen Normen durch ihre „Hintergehbarkeit“ (1988, S. 118) unterscheiden, d.h. jederzeit aufgrund übergeordneter moralischer Normen infrage gestellt werden können. Schürmann verkennt,
dass ein „,gutes’ ethisches Argument..., um nicht zu morden“ (2003, S. 163),
von einem ethischen Argument, die Spielregeln zu befolgen, insoweit verschieden ist.2 Zudem ist der rechtliche, konstitutive und logische Status der Spielregeln nicht gleichzusetzen mit der moralischen Norm der Spielregelbefolgung.
Entsprechend heißt es z. B. bei Ricken: „Die Regeln des Schachspiels rechtfertigen nur ein Verhalten innerhalb des Spiels und nicht einmal dieses vollständig.
Sie geben keine Antwort auf die Fragen, ob es für mich hier und jetzt richtig ist,
Schach zu spielen, und weshalb ich mich beim Schach an die Regeln halten
soll.“ (1998, S. 10)
Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb nach Schürmann die Teilnahme an einem
Spiel mit unbedingtem Regelgehorsam einhergehen soll, weshalb es demjenigen, der an einem Spiel teilnimmt, „nicht mehr frei(steht), sich an die Regeln zu
halten“ (2003, S. 166). Handelt es sich bei Schürmanns Behauptung um eine
logische Forderung im Sinne Searles (1983), die im Faktum der Regelkonstitutivität analytisch enthalten ist? Oder geht es ihm um eine logische Unvereinbarkeit von Betrügen und Gewinnen im Sinne von Suits (2004) formalistischer
Spielbetrachtung? Oder handelt es sich möglicherweise um einen logischen
Ausschluss individualethischer Überlegungen, wie ihn Rawls (1992) für institutionelle Praktiken zu begründen versucht? Im letzteren Fall wären handlungsutilitaristische Überlegungen bzw. ein Konflikt zwischen Spiellogik und utilitaristischem Prinzip wie im Schiedsrichter-Beispiel Brasilien-Malta in der Tat „absolut
widersinnig“ (Schürmann, 2003, S. 164). Dies verdeutlicht Rawls mit einem
„philosophische(n) Scherz (im Munde von Jeremy Bentham): ‚Wenn ich zum
(Kricket-. Übers.) Tor renne, nachdem mein Partner einen guten Ball geschlagen hat, dann deswegen, weil das im ganzen am besten ist‘.“ (1992, S. 161)3
Die theoretischen Hintergrundannahmen für Schürmanns kategorische Thesen
bleiben aber im unklaren: Wo hat man Schürmanns Behauptung, dass eine
(ethische) Diskussion über die Befolgung einer Spielregel unzulässig sei, da sie
2
Moralische Regeln unterscheiden sich von Spielregeln nicht nur durch ihre „Dysfunktionalität“, sondern auch durch ihre „Metainstitutionalität“, vgl. De Wachter (1983, S. 289 f.).
3
Dazu, dass diese logische Widersprüchlichkeit (a) nur für Spielregeln und nicht für die
moralische Regel der Spielregelbefolgung sowie (b) nur für die Praxis des Spiels gilt,
vgl. Pawlenka, 2002, Abschnitt 5.3.2.2.
136
„den Witz einer Spielregel zerstör(e)“, einzuordnen? Ist dies ein sprachanalytisches, essentialistisches oder gar regelutilitaristisches Argument?4
Dazu müsste man zunächst einmal klären, was man unter dem „Witz“ eines
Spiels verstehen will? Die Spielidee? Oder seinen „Geist“? So scheint der „,Geist’
des Fußballspiels“ bei Schürmann ein seltsamer Proteus, eine Geistergestalt in
wechselnder Erscheinung: Dieser wandelt sich von der für ein Spiel notwendigen
agonalen Haltung („spazieren gehen“), über das gemeinsame Spielziel, Tore
schießen und Tore verhindern, hin zu einem Spielerverhalten im Sinne der
„,ungeschriebenen Regeln‘“ (vgl. Schürmann 2003, S. 165 f.). Letztere (bzw. der
„Geist“) seien im Gegensatz zu den geschriebenen Regeln unverzichtbar, Schürmann meint, man könne „ggf. den Geist des Fußballspiels zelebrieren ohne geschriebene Regeln“ (a. a. O.). Selbst wenn „zwei Trainingsjacken“ in Schürmanns
Kindertagen „die Torpfosten (,machten‘)“ (a. a. O.), kann es jedoch, wie wir seit
Searle wissen, ohne (geschriebene) konstitutive Regeln, die sagen, was ein Tor
ist, auch keine (wie auch immer gearteten) „Torpfosten“ geben.
Unklar bleibt ferner, inwiefern die von Schürmann vertretene hegelsche Unterscheidung von Recht (sind hier geschriebene Regeln gemeint?) und Sittlichkeit
(sind hier geschriebene und ungeschriebene Regeln gemeint?) im Rahmen der
Diskussion um die sog. Binnendifferenzierung der Fairness zu sehen ist. Denn
für die Beibehaltung einer solchen scheint er zumindest implizit zu votieren,
wenn er sagt: „Freilich kann man gegen die geschriebenen Regeln ganz anders
verstoßen als gegen ungeschriebene, und also kann man auf sie auch in ganz
unterschiedlicher Weise verpflichtet werden“ (ebd., 166). Gleichwohl habe „man
sich an beide (sittlich? Anm. C. P.) zu halten, wenn man sich freiwillig auf das
Spiel eingelassen hat“, die hegelsche Unterscheidung liege, so Schürmann,
„absolut quer zu der Unterscheidung“ (a. a. O.). Unverständlich bleibt, inwiefern
dies eine Kritik an Pawlenkas Diskussion um die Beibehaltung der Binnendifferenzierung ist, da dort das Kantische Begriffspaars Moralität/Legalität ebenfalls
nicht linear auf dieser Unterscheidung liegt:5 weder beginnen die Moralität bzw.
das „Privat-Moralische“ gemäß Schürmanns Darstellung (a. a. O) bei der informellen Fairness im Sinne des „verdienstvollen Mehr“ noch will Pawlenkas utilitaristische Sportethik eine „nur“ legalistisch begangene informelle Handlung „kritisieren“ oder sportethisch „ausbeuten“ (ebd., S. 167). Vielmehr ist das Gegenteil
zutreffend, d. h. utilitaristisch relevant ist lediglich die Intention (z. B. dem Geg-
4
Teilweise erinnert Schürmanns Argumentation auch an Rawls´ kontraktualistische Position, wenn es heißt: „Wer sich also in freier Entscheidung auf ein Spiel einlässt, der hat
sich damit entschieden, die Idee des Spiels zu akzeptieren. Und das heißt: er oder sie
hat sich an die geschriebenen Regeln zu halten und er oder sie akzeptiert den Geist des
Spiels und hat so zu handeln, diesen Geist nicht zu töten“ (Schürmann 2003, 165). In
der amerikanischen Literatur wird dies als sog. „tacit agreement“ diskutiert, wobei das
tatsächliche Eingehen eines solchen „Eingangscommitment“ umstritten ist, vgl. z.B.
Leaman (1988), Lehmann (1981).
5
Vgl. Pawlenka (2002, S. 260) sowie Ott (2004, S. 142).
137
ner gratulieren) und gerade nicht das Motiv (aus höheren/niederen Beweggründen), vgl. Pawlenka, 2002, Kapitel 6.1.5. Diese untreffenden Annahmen führt
Schürmann als angeblichen Beweis dafür an − und er beruft sich hierbei wiederum auf König als Gewährsmann −, dass „Geist“ in der sportethischen Diskussion nicht „dadurch zustande komm(e), dass sich möglichst viele einzelne
moralisch aufblasen“ (ebd., S. 166). Dagegen gilt es aber zu bedenken, dass
ethische Überlegungen zur Moral im Sport zunächst rein deskriptive begriffsanalytische Unterscheidungen erfordern, die keine Moralblasen darstellen, sondern
wachen Geist und gründliche Lektüre voraussetzen.
Es wird immer deutlicher, dass es zunächst in der Theorie gar nicht so einfach
ist, die Moral aus dem Spiel herauszuhalten - und warum sollte man dies auch
tun? Zudem treten in der professionellen sportlichen Praxis Moralkonflikte im
Umgang mit institutionellen Vorgaben in hohem Maße auf. Verfolgt man die
heftigen Reaktionen bei Spielern und Zuschauern, die durch ein Schiedsrichterfehlurteil oder ein grobes Foulspiel hervorgerufen werden, so hat man Schwierigkeiten, Schürmanns Charakterisierung des Sports als rechtlich geregelte und
daher moral- bzw. ethikfreie Zone nachzuvollziehen. Man denke hier z. B. an
Maradonas berühmte „Hand Gottes“ oder die Szene, „Als Frank Rijkaard Rudi
Völler beleidigte“ (vgl. Court, 1993). Der medienrelevante Leistungssport scheint
im Gegenteil eine geradezu „gigantische Arena für moralische Empörung und
die Übung moralischer Urteilskraft“ (Siep, 1995, S. 90).
Ungeachtet dessen ist es aber mit Schürmann immerhin möglich, Funktion und
Zumutbarkeit von Ethik im Bereich des kommerzialisierten Sports in Zweifel zu
ziehen. Hier werden zumeist, wie auch im vorliegenden Fall, die fehlende Realmächtigkeit mit der ostentativen Sprachmächtigkeit von Sportethik kontrastiert.
Diese führe ein Schmarotzerdasein auf Kosten der unmittelbar Betroffenen und
ihrer Probleme, deren Lösung sie durch Schein- bzw. Ablenkungsmanöver eher
verhindere (vgl. Schürmann 2003, S. 166). Nach Bert Brecht fängt der große
Sport erst da an, wo er aufhört, gesund zu sein. Die Stimmen der Ethikskeptiker
Schürmann und Kollegen mehren sich, nach denen man den Eindruck gewinnt,
dass große Sportphilosophie erst da anfange, wo sie aufhöre, Sportethik zu sein.
Es fragt sich aber, was diese selbsternannten „Ketzer“ an Lösungsvorschlägen
vorzuzeigen haben. So liegt die „eigentliche Pointe“ im – schon wegen seiner
sprachlichen Eleganz bestechenden – Aufsatz von König (1996) darin, dass die
Logik von Sport und Doping dieselbe seien und sich gegenseitig bedingten.
Deshalb sei eine sportimmanente Moralbegründung zum Scheitern verurteilt.
Außer einer „traurige(n) Diagnose“ bzw. einem kontradiktorischen Bedauern am
Ende (der Sport komme einerseits zu sich bzw. seinem nihilistischen Selbst,
schreite aber andererseits bedauerlicherweise zur Selbstzerstörung fort, vgl.
ebd. S. 241 f.), findet sich bei König jedoch auch kein Lösungsvorschlag.6 Denn
6
Vgl dagegen Gebauer, wonach Ethik zwar ebenfalls ein „hochwillkommenes intellektuelles Schlafpulver“ (1997, S. 70) ist, der durch Abgrenzung des Sports von anderen Le-
138
eine Klärung der Genese von Doping sagt noch nichts über die Frage der Geltung (Dopingfreigabe/-verbot), deren Klärung einer ggfs. praktischen Bekämpfung logisch vorgeordnet ist. Deshalb bleibt bei aller Sympathie für die teilweise
berechtigte Kritik am „Geist“ des Sports (der auch eine andere Logik annehmen
kann, nach welcher Sport und Doping durchaus Gegensätze sein können),7 die
Frage offen, wo die Wirkungsmächtigkeit ethikskeptischer Ansätze bleibt. Wenn
Ethiker von den moralischen Sündern leben (vgl. Ränsch-Trill, 2004, S. 256), so
leben Ethikskeptiker von den Ethikern und entfernen sich damit um eine weitere
Ebene vom wirklichen Geschehen. Sie heben das Gerede über die Moral im
Sport in die zweite Potenz: das Gerede über das Gerede über die Moral im
Sport (vgl. U. Eco, 1997, S. 161). Hierbei kann sich ein sog. Flüsterpost-Effekt
einstellen: der ursprüngliche Gegenstand der Diskussion wird verbogen.
Welche Metaethik rechtfertigt daher jenen stark wertenden, vorwurfsvollen Unterton, der aufscheint, wenn bei aller Nonchalence plötzlich Schluss ist mit „lustig“ (Schürmann, 2003, S. 168), wenn angeblich Geist „getötet“ und Moral „ausgebeutet“ wird, wenn Ethik „skandalös“ und „gewalttätig“ wird (vgl. ebd., S. 167 f.)?
Welche Erwartungshaltung wird hier an Ethik herangetragen, was wird ihr vorgeworfen: „Vergewaltigung“ oder – genau gegenteilig - Ohmacht oder gar Heuchelei? Dass sie nicht „eingreife“ - in die Köpfe der Menschen oder in die Strukturen? Dass sie versuche, moralische Dilemmata aufzulösen, anstatt sie ästhetisch zu inszenieren (vgl. ebd., S. 169)? Dass sie „universell“ und „verbindlich“
sei (ebd., S. 168)?
Auf den Vorwurf einer universellen Moralbegründung zu antworten, ist schwierig, da die Basis für den Dialog mit dem ethischen Relativisten fehlt.8 Die für die
utilitaristische Ethik zentrale Frage nach Einsicht und Verbindlichkeit, nach dem
„Warum überhaupt moralisch sein?“ (Bayertz, 2004) anzuzweifeln, ist - zumal
von einem ethischen „Ketzer“ – erstaunlich; denn man macht sich mit ihr als
Sympathisant des moralischen Dissidenten in der philosophischen Ethik eher
selbst zum Ketzer (vgl. ebd., S. 19 f.).9 Moralische Normen „vernebelt“ (Schürmann, 2003, S. 170) werden dadurch jedenfalls nicht: „Die größte Gefahr der
Verunklärung, die der Moralphilosophie droht, ist, den Sinn des ‹soll› in einem
bensbereichen („Geist“ des Sports) jedoch einen eigenen Reflexionsrahmen für die Dopingproblematik entwirft.
7
Vgl. Gebauer, 1997; Gerstmeyer, 1995; Güldenpfennig, 2000; Stygermeer, 1999; Pawlenka, 2004.
8
Der ethische Relativist, der aufgrund „eines faktischen ethischen Pluralismus“ seine
„sittliche Überzeugung geopfert (hat)“, schafft eine „prinzipielle Kluft zwischen sich und
denjenigen.., über die er spricht. Er kann nur noch über sie sprechen, nicht mehr mit
ihnen“ (Spaemann, 1994, S. 13 f.).
9
„In der sozialen Realität wird die Verbindlichkeit der Moral als ein Faktum vorausgesetzt,
das nicht zur Disposition gestellt werden kann und darf. Wer nun fragt, warum er moralisch sein soll, scheint nicht weit von der Frage entfernt zu sein, ob er moralisch sein
soll. An diesem Punkt hört die Toleranz in der Gesellschaft auf.“ (Bayertz, 2004, S. 19)
139
Nebel zu belassen“ (E. Tugendhat; zit. n. Bayertz, 2004, S. 54). Orientierungswissen zu schaffen für den einzelnen Sportler für ein begründetes und reflektiertes, selbstverantwortetes Tun, mehr kann Ethik nicht leisten. Sie soll helfen,
„klarer zu sehen, was wir tun sollen“ (v. Kutschera, 1999, S. 371). Individuelle
Orientierungshilfe ist von Orientierungswissen zur Schaffung humaner Strukturen zudem nicht verschieden, individual- und institutionenethische Überlegungen haben in der utilitaristischen Ethik dieselbe Wurzel:10 die Maximierung des
größten Glücks der größten Zahl. Worin liegt also das Problematische11 oder
angeblich „Gefährliche“12 der utilitaristischen Ethik: dass man sich zuweilen zum
Glück „zwingen“ sollte?
10
Bentham schreibt in seinen kurzen Ausführungen über „private ethics“: „Now private
ethics has happiness for its end: and legislation can have no other. Private ethics concerns every member, that is, the happiness and the actions of every member of any
community that can be proposed; and legislation can concern no more. Thus far, then,
private ethics and the art of legislation go hand in hand. The end they have, or ought to
have, in view, is of the same nature“ (chapt. XVII, 1996/1789, S. 285).
11
An der Veröffentlichung von Pawlenka zu bemängeln seien allenfalls die unfairen Startbedingungen im sportethischen Rennen zwischen utilitaristischer, kantischer und aristotelischer Ethik, da die entscheidenden Wertungskriterien „praktische Konkretheit und
empirische Sättigung (...) die Gefahr eines schlechten Zirkels“ in sich bärgen (Schürmann, 2003, S. 161). Ein solcher steht jedoch nicht zu befürchten, da die Evaluationskriterien wie z. B. Realitätsnähe und Folgenorientierung nicht selbstgesetzt sind, sondern sich
an den „gesteigerten Ansprüchen an eine adäquate Sportethik (orientieren), wie sie so oft
als Desiderate in der Sportethikdebatte geäußert werden“ (Pawlenka, 2002, S. 130). In der
Sportethik wurde zudem bislang eine gerade gegenteilige Eignung der kantischen Ethik
behauptet (Court, 1994, S. 214). Treffend ist daher vielmehr das Bild vom Schloß mit
dazu passendem Schlüssel (vgl. Pawlenka, 2002, S. 13 f.). Als cleverer Schachzug zu
kritisieren sei weiter, dass eine sportethische Fregatte unter der Flagge ihres „VorzeigeKetzers“, Eugen König, in See steche. So begänne die Einleitung zwar mit einem Zitat
von König, dessen „eigentliche Pointe“ dann jedoch weggelassen werde und dessen
Fundamentalkritik in Sachen Ethik „weichgespült (werde) zu Einwänden gegen eine
noch nicht genügend gute Durchführung“ (ebd., S. 163). Dem ist entgegensetzen, dass
die „eigentliche Pointe“ von König, wonach der „Wertenihilismus des technologischen
Sports... die Bedingung der Möglichkeit sportimmanenter (Herv. C. P.) ethischer Kritik
des Sports (negiert)“ (König, 1996, S. 243), den utilitaristischen Ansatz nicht trifft (vgl.
Pawlenka, 2002, S. 97 ff., S. 288 f.). Deswegen wird auch auf das – im übrigen wenig
konstruktive – „warum“ König der Ansicht sei, dass das eigentliche meta-sportethische
Problem die Sportethik selbst sei (s.u.), nicht eigens eingegangen, weil man davon nicht
betroffen ist. Das Eingangszitat von König („Die Quantität von Sportethik ist kein Beweis
ihrer Qualität...“ (1996, S. 226)) ist zudem durchaus als Kritik an einer bislang defizitäten
Sportethik zu verstehen, und die Grundlegung einer utilitaristischen Sportethik ein legitimer Versuch, auf diese Kritik zu reagieren.
12
„,Das Prinzip der Nützlichkeit (so hörte ich sagen), ist ein gefährliches Prinzip; es zu
berücksichtigen, ist in bestimmten Fällen gefährlich.‘ Läuft dies nicht darauf hinaus zu
sagen, es sei mit der Nützlichkeit nicht vereinbar, die Nützlichkeit zu berücksichtigen; kurz:
es zu berücksichtigen hieße, es nicht zu berücksichtigen?“ (Bentham, 1992, S. 59).
140
Der Dialog zwischen Ethikern und ihren Kritikern könnte konstruktiv sein, wenn
beide Seiten voneinander lernen könnten, sich weniger über die Ziele zu verständigen denn über die Wege zu ihrer Erreichung:
„Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle/bewahrt die kindlich reine Seele Ihm dürfen wir nicht rächend nahn,/er wandelt frei des
Lebens Bahn.“13
Literatur
Apel, K.-O. (1988). Die ethische Bedeutung des Sports in der Sicht einer universalistischen Diskursethik. In Franke, E. (Red.), Ethische Aspekte des Leistungssport (S.105-143). Clausthal-Zellerfeld.
Bayertz, K. (2004). Warum überhaupt moralisch sein? München.
Bentham, J. (1992). Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und Gesetzgebung. In Höffe, O. (Hrsg.), Einführung in die utilitaristische Ethik. Tübingen.
Bentham, J. (1996). An Introduction to the Principles of Morals and Legislation.
London. (Original veröffentlicht 1789).
Court, J. (1993). Als Frank Rijkaard Rudi Völler beleidigte – Bemerkungen zur
formalistischen Deutung des Fair play. In Gerhardt, V. & Lämmer, M. (Hrsg.),
Fairneß und Fair play. Sankt Augustin.
Court, J. (1995). Täuschung oder Gewinn? In Hotz, A. (Red.), Handeln im Sport
in ethischer Verantwortung (S. 222-237). Magglingen.
De Wachter, F. (1983). Spielregeln und ethische Problematik. In Lenk, H.
(Hrsg.), Aktuelle Probleme der Sportphilosophie (S. 278-294). Schorndorf.
Drexel, G. (2002). Paradigmen in Sport und Sportwissenschaft. Schorndorf.
Eco, U. (1996). Das Sportgerede. In Caysa, V. (Hrsg.), Sport ist Mord (S. 159167). Leipzig.
Gebauer, G. (1997). Ethik und Moral als Legitimationsquellen im Kampf gegen
das Doping. In Kurz, D. & Mester, J., Doping im Sport: zwischen biochemischer
Analytik und sozialem Kontext (S. 67-75). Köln.
Gerstmeyer, Th. (1995). Doping - der Name der Tat und ihre sportphilosophische Realdefinition zur Schaffung einer praktisch handbare Rechtsgrundlage.
In: Sportwissenschaft 3, 292-298.
Güldenpfennig, S. (2000). Sport: Kritik und Eigensinn. 1. Aufl. Sankt Augustin.
13
Friedrich Schiller, Die Kraniche des Ibykus, I, S. 350.
141
König, E. (1996). Kritik des Dopings. Der Nihilismus des technologischen Sports
und die Antiquiertheit der Sportethik. In Gebauer, G. (Hrsg.), Olympische Spiele
– die andere Utopie der Moderne. Olympia zwischen Kult und Droge (S. 223244), 1. Aufl. Frankfurt a.M.
Leaman, O. (1981). Cheating an Fair play in Sport. In Morgan, W. J. & Meier, K. V.
(edit.), Philosophic Inquiery in Sport (S. 277-282). Champaign.
Lehmann, C. K. (1988). Can Cheaters Play the Game? In Journal of the Philosophie of Sport VIII, 41-46.
Pawlenka, C. (2002). Utilitarismus und Sportethik. Paderborn.
Pawlenka, C. (2004). Doping im Sport im Spannungsfeld von Natürlichkeit und
Künstlichkeit. In Pawlenka, C. (Hrsg.), Sportethik. Regeln-Fairneß-Doping
(S. 293-308). Paderborn.
Ränsch-Trill (2004). Doping: der Sündenfall des Sports. Skeptische Anmerkungen. In Pawlenka, C. (Hrsg.), Sportethik. Regeln-Fairneß-Doping (S. 249-258).
Paderborn.
Ricken, F. (1998). Allgemeine Ethik, 3. Aufl. Stuttgart.
Schürmann, V. (2003). Zur besorgten Sportethik, die alles beim Alten lässt –
aus Anlass zweier Neuerscheinungen. In Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge 44 (2), 161-173.
Searle, J. (1983). Sprechakte. Frankfurt.
Siep, L. (1995). Arten und Kriterien der Fairneß in Sport. In Gerhardt, V. &
Lämmer, M., Fairneß und Fair play (S. 87-102), 2. Aufl. Sankt Augustin.
Spaemann, R. (Hrsg.) (1994). Ethik-Lesebuch von Platon bis heute. 3. Aufl.
München, Zürich.
Stygermeer, M. (1999). Der Sport und seine Ethik. Zur Grundlegunge einer
Domatik des Sports. Berlin.
v. Kutschera, F. (1999). Grundlagen der Ethik. 2. völlig neu bearbeitete Aufl.
Berlin, New York.
142
Herunterladen